Unter der Sonne geboren - 1. Teil Der kleine König - Walter Brendel - E-Book

Unter der Sonne geboren - 1. Teil Der kleine König E-Book

Walter Brendel

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Beschreibung

In diesen 1. Teil der mehrteiligen Roman-Dokumentation über Ludwig XIV., König von Frankreich, beginnen wir mit der Kindheit des künftigen Sonnenkönigs, betrachten seine Vorgänger und seine Eltern, dem Paten, Kardinal Mazarin und dessen Beziehung zur Königin-Mutter und Regentin, werfen einen Blick auf seine Erziehung, durchleben mit ihm die gefährliche Pockenerkrankung und den Bürgerkrieg und insbesondere den Aufstand der Fronde in Paris und die damit verbundenen Machtkämpfe, auch in der königlichen Familie, bis zur Volljährigkeit des jungen Monarchen. Selbstverständlich auch seine ersten Erfahrungen mit dem "schwachen" Geschlecht.

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Seitenzahl: 340

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Walter Brendel

Unter der Sonne geboren

Ludwig XIV.

Impressum

Verlag:

Das historische Buch, Dresden / Brokatbookverlag

Gunter Pirntke

Mühlsdorfer Weg 25

01257 Dresden

[email protected]

 

Inhalt

Der kleine König

Einleitung

Die Bereiter des Weges Ludwigs XIV.

Kindheit

Der verhasste Vater

Die geliebte Mutter

Der Pate

Königin-Mutter und Kardinal

Die Erziehung des kleinen Königs

Der junge König

Die Pocken

Bürgerkrieg

Fronde

Die königliche Großjährigkeit

Die Machtkämpfe gehen weiter und der König stirbt fast

Hat der Pate versagt?

Königlicher Sexualunterricht

Die erste Vaterschaft

Der kleine König

Einleitung

Was die umfangreichen Recherchen und die Auswertung der vorhandenen Literatur ergaben, soll den verehrten Leserinnen und Lesern nicht vorenthalten werden. Es wird ein Personenbild des „Sonnenkönigs“ voller Widersprüche sein, aber auch das Porträt eines Mannes, der Frankreich zur führenden Nation in Europa des 17./18.Jahrhunderts führte und dessen politisches Erbe seine Nachfolger verspielten. Es ist aber auch ein Sittengemälde einer längst vergangenen Epoche.

Wie kam es zu den Namen „Sonnenkönig“? Der schmeichlerische Beiname des „Roi Soleil“, des „Sonnenkönigs“, wurde Ludwig XIV. von Frankreich schon zu Lebzeiten angetragen, und Ludwig tat auch alles, um diesem Bild gerecht zu werden. Sonnenbilder und Sonnengötter wie Apoll sind überall im Schloss Versailles zu finden, und wenn Ludwig die Bühne seines Hoftheaters mit seinen allerhöchsten Auftritten beehrte, dann geschah dies selbstverständlich in der Maske der Sonne.

Was hat die Sonne aber mit Ludwig zu tun?

Nun, dass ist Naheliegend: Die Sonne gibt es nur einmal, und als der eine, der größte König, der alle anderen Herrscher überstrahlt, so wollte Ludwig auch in die Geschichtsbücher eingehen.

Das Sinnbild der Sonne bietet aber auch noch andere Parallelen: Die Sonne ist die Quelle von Licht und Wärme, ja des Lebens schlechthin, und von der Sonne ausgeschlossen zu sein, bedeutet so viel wie den Tod. Als Spender aller Würden und allen Ansehens erhob sich nun Ludwig und es gelang ihm etwas Einzigartiges in der Geschichte: Der früher so eigenwillige bis aufmüpfige Adel Frankreichs kuschte am Königshof und modifizierte seinen Rebellengeist zu subtilen Intrigen um die (hof)weltbewegende Frage, wer denn heute den Nachttopf des Königs ausleeren durfte...

Allerdings sah Ludwig seine Rolle als Sonne nicht ausschließlich auf die eigene Person begrenzt: Im Glanz seiner „Sonne“ sollte sein ganzes Land leuchten, sollten Kunst und Gewerbe, Handel, Landwirtschaft und Kultur erblühen. Nur in solcher Widerspiegelung würde der „Sonne“ die wahre Verehrung zuteil, würden sich auch die Menschen anderer Länder nach ihrer Wärme sehnen! Wenn jedoch Nachbarn - oder gar die eigenen Untertanen - es wagten, sich der „Sonne“ zu widersetzen, dann suchte sie die Widerspenstigen mit der vollen Hitze ihrer kriegerischen Macht zu vernichten - und merkte nicht, dass sie damit ihr eigenes Land verbrannte.

Kriege und Repräsentation häuften einen Schuldenberg an, der sich allmählich vor die warmen Strahlen schob. Die Schatten über Frankreich wurden länger und kälter. Und kälter wurde es auch um den Sonnenkönig selbst, der einen Nachfolger nach dem anderen zu Grabe tragen musste. Als sein schwach gewordenes Licht schließlich erlosch, da packte die Franzosen keineswegs Verzweiflung ob des herben Verlustes, sondern blanke Wut, und statt Segenswünsche flogen Steine und Flüche auf den Sarg des vierzehnten Ludwig. Dass die Monarchie in einer blutigen Revolution unterging, kann nicht verwundern; überraschend ist höchstens, dass nach Ludwigs Tod bis dahin noch mehr als 70 Jahre vergingen.

Und trotz des Schattenreiches, das er hinterließ, hat es Ludwig XIV geschafft, der eine und einzige Sonnenkönig zu bleiben. Wenn man von einer „großen Zeit“ der „Grande Nation“ spricht, dann denkt man in erster Linie an das spätere 17. Jahrhundert. Die königliche Sonne hat sich in unser Gedächtnis eingebrannt, doch wenn man ihre Geschichte erzählt, dann darf man auch nicht die Schatten vergessen, die ihr grelles Licht geworfen hat. Das Hofleben von Versailles zu schildern, die Gemälde zu betrachten, die Kostüme zu bewundern - das gehört zweifellos zu den großen historischen Vergnügen und es ist ungetrübt, da wir nicht in der Vergangenheit leben müssen...

Die Bereiter des Weges Ludwigs XIV.

Am 14. Mai 1610 wurde in Paris der „gute König Henri“ auf offener Straße ermordet. Heinrich IV. hatte die unseligen Religionskriege beendet, die Autorität des Königtums wiederhergestellt, die neue Dynastie der Bourbonen gesichert. Und er hatte die Grundlagen einer „Grandeur“ Frankreichs geschaffen, die dann sein Enkel Ludwig XIV. perfekt verkörperte.

Heinrich IV.

Fünf Monate nach dem spektakulären Königsmord wird der neunjährige Ludwig XIII. in Reims gesalbt. Die Regentschaft fällt seiner Mutter, der 37jährigen Maria von Medici, zu. Am Hof fürchtet man die Herrschaft ihrer „Florentiner Clique“. Hatte sich Heinrich IV. den protestantischen Fürsten in Deutschland gegen die Habsburger in Wien und in Madrid angenähert, so wendet sich seine Witwe den erzkatholischen Spaniern zu. Ludwig XIII. wird der Tochter König Philipps III. versprochen, Anna von Österreich, die trotz ihres Namens eine Spanierin ist.

„Der Adel, der im Krieg dem Staat nicht dient, ist nicht nur unnütz, sondern eine Belastung. (Richelieu: „Politisches Testament“, um 1640)

Die innenpolitische Lage in Frankreich ist instabil, und Maria von Medici bemüht sich, die Monarchie in all ihrem Glanz darzustellen: Sie organisiert prunkvolle Feste zur Erklärung der Volljährigkeit ihres Sohnes und für seinen Einzug in Paris. 1614 werden zudem „Generalstände“ abgehalten - eine Versammlung der Vertreter von Adel, Klerus und Bürgertum. Es sind die letzten Generalstände vor der Revolution von 1789. Die „absolutistischen“ Könige werden sie nicht mehr benötigen. Jetzt allerdings prallen die unterschiedlichen Interessen von Adel, Klerus/Kirche und Bürgerschaft noch einmal aufeinander. Der Dritte Stand macht deutlich: „Was zählen, ohne die Arbeit des gemeinen Volkes, der Kirche ihr Zehnter, dem hohen Adel seine Besitztümer...?“ Wegen der Klarheit seiner Diskussionsbeiträge wird man auf einen Vertreter der Geistlichkeit aufmerksam, den jungen Bischof von Lucon, Monseigneur de Richelieu. Maria de’ Medici, (* 26. April 1575 in Florenz; † 3. Juli 1642 in Köln) war die zweite Frau des französischen Königs Heinrich IV. und Mutter Ludwigs XIII.

Nach der Ermordung Heinrichs 1610 übernahm sie für mehrere Jahre die Regentschaft für den noch unmündigen Kronprinzen.

Maria von Medici

Sie betrieb im Gegensatz zu ihrem Mann und Vorgänger unter der Leitung zweier Günstlinge aus dem italienischen Gefolge, Leonora Dori Galigaï und Concino Concini, eine spanienfreundliche Politik. Sichtbarstes Zeichen war 1615 die Doppelhochzeit ihrer beiden ältesten Kinder: Ludwig mit der spanischen Prinzessin Anna von Österreich und Elisabeth mit dem spanischen Thronfolger, dem späteren Philipp IV. von Spanien.

Anlässlich der Erklärung der Volljährigkeit Ludwigs und auf Druck von Heinrich II. von Bourbon, Prince de Condé, dem nächsten Anwärter auf den französischen Thron, wurden 1614 – zum letzten Mal vor 1788/89 – die Generalstände einberufen. Der junge König wurde gleichwohl als „das kindischste Kind“ von der Regierung und dem Rat ferngehalten. Die Generalstände wurden die erste öffentliche Plattform für Jean Armand du Plessis, den ehrgeizigen Bischof von Luçon und späteren Kardinal Richelieu.

Am Hof hielt man Ludwig XIII. für einen unfähigen Idioten. Umso größer war die Überraschung, als der kaum sechzehnjährige König am 24. April 1617 Concino Concini ermorden ließ und die Macht an sich riss. Seine Mutter schickte er in die Verbannung nach Blois. Der vormalige Falkner des Königs, Charles d’Albert de Luynes übernahm Titel, Besitz und Position des Ermordeten und wurde bald ebenso unbeliebt.

Concino Concini, marquis d’Ancre, auch bekannt als Marschall d’Ancre, war der einflussreichste Mann in Frankreich während der Regentschaft Maria de’ Medicis. Der italienische Abenteurer kam im Hofstaat der Königin Maria de’ Medici nach Paris. 1601 heiratete er ihre Ziehschwester und Hofdame Leonora Dori Galigaï. Sein Einfluss auf die Königin war so groß, dass Heinrich IV. mehrfach drohte, ihn in die Verbannung zu schicken.

Nach Heinrichs Ermordung stieg er zum wichtigsten Berater der Regentin auf und wurde von ihr mit Gunstbeweisen überschüttet. Er brachte Adel und Bevölkerung gegen sich auf, da er sich auf ihre Kosten massiv bereicherte.

Den jungen Ludwig XIII. gängelte er und hielt ihn, auch nachdem Ludwig zum König gekrönt wurde, von jeglichen Staatsgeschäften fern.

Ludwig XIII. entwickelte eine stetig wachsende Abneigung gegen den arroganten Emporkömmling, und im Jahre 1617 verhalf der Favorit Ludwigs, Charles d’Albert, duc de Luynes, seinem Schützling zur Macht, indem er Concini von der Palastwache verhaften ließ. Als dieser um Hilfe rief, wurde sein Verhalten als Widerstand interpretiert, und er auf der Brücke zum Louvre erschossen.

Maria de’ Medici wurde in der Verbannung der Kristallationspunkt für alle Versuche des Hochadels, die Königsmacht zu schwächen. 1620 schlug Ludwig mit Waffengewalt eine Verschwörung nieder, in der seine Mutter und der Herzog von Épernon im Mittelpunkt standen. In den darauf folgenden Friedensverhandlungen zwischen Mutter und Sohn machte sich der Bischof von Luçon unentbehrlich. 1621 gelang ihr die Rückkehr an den Hof. Im selben Jahr starb der zum Oberbefehlshaber ernannte, aber glücklos kämpfende Luynes während des Feldzugs gegen die aufständischen Hugenotten in Südfrankreich.

Ludwig XIII.

Ludwig XIII. schwor nach dem Versagen seines Favoriten, Herzensangelegenheiten und Regierungsgeschäfte zu trennen. Maria de’ Medici gewann zunehmend an Einfluss. Sie kehrte in den Kronrat zurück und konnte schließlich den Widerstand des jungen Königs gegen die Berufung ihres Vertrauten und Beraters, du Plessis, in den Kronrat überwinden. Ihre Hoffnung und die Erwartungen aller Beobachter, dass ihr Einfluss und die prospanische Politik dadurch Auftrieb erhielten, wurden jedoch nicht erfüllt.

Maria de’ Medici drängte nach schweren Erkrankungen des Königs auf den Feldzügen gegen La Rochelle und Savoyen auf die Entlassung des Ministers. Am 10. November 1630 kam es zum offenen Bruch zwischen Maria de’ Medici und dem Kardinal. Sie forderte ihren verzweifelt vermittelnden Sohn auf, zwischen Mutter und Minister zu wählen. Einen Tag lang wähnten sich alle Gegner des Kardinals als Sieger. Dann entschied Ludwig XIII. gegen seine Mutter. Ihre Berater wurden verhaftet; am 23. Februar 1631 wurde Maria de’ Medici in die lebenslange Verbannung geschickt.

Concini war aber auch der Mann, durch den Maria de’ Medici auf den jungen Richelieu aufmerksam wurde.

Ludwig XIII. ist erbost, dass ihn seine Mutter praktisch von der Regierung fernhält.

Es kommt zum Hauen und Stechen in Frankreich. 1622 wird Richelieu Kardinal und tritt 1624 dem Rat des Königs bei, dem er bald vorsteht. Von Anfang an hat Richelieu seine Wahl getroffen: Er dient dem König und damit Frankreich. Die Legende zeichnet einen schwachen, vom großen Kardinal gelenkten Ludwig XIII. Sie ist falsch - der König lässt seinen „Prinzipalminister“ allein wegen seiner Fähigkeiten handeln. Richelieu will, dass der ganze zerstrittene, aufgeblasene, stolze Adel nur einen Dienst kennt: den des Königs. Wenn er per Gesetz Duelle verbietet, dann einzig deshalb, weil ein Adeliger künftig nur aus einem Grund frühzeitig sterben darf (und soll): im Dienst seines Königs... Der Kardinal hat aber auch die Religionsfrage ungelöst geerbt. Nach neuen Rebellionen führen die Einnahme der Hafenstadt La Rochelle (1628) und die Vernichtung der Hugenotten im Süden zum „Gnadenfrieden von Ales“ (1629). Darin werden zwar die religiösen Freiheiten der Reformierten bestätigt; ihr „Staat im Staat“ aber wird zerschlagen.

Kardinal Richelieu

Armand Jean du Plessis, Herzog von Richelieu, eigentlich für den „Dienst in Waffen“ vorgesehen, wird nach dem Verzicht seines Bruders Bischof von Lucon (1607). Er verwaltet seine Diözese energisch und wird Abgesandter des Klerus bei den Generalständen von 1614. Maria von Medici wird auf ihn aufmerksam; 1616 wird er Staatssekretär, 1622 Kardinal. Nach dem Bruch Ludwigs XIII. mit seiner Mutter folgt er Maria von Medici ins „Exil“, spielt eine wichtige Rolle bei der Versöhnung mit dem König und tritt 1624 dem königlichen Rat bei. Richelieu bleibt bis zu seinem Tod Mini-ster und verfolgt zwei Ziele: Die Stärkung der königlichen Autorität und die Förderung der Vorherrschaft Frankreichs in Europa.

Bis 1629 hat Richelieus Aufmerksamkeit der Herstellung von Ruhe und Ordnung im Königreich gegolten. Jetzt gewinnt die Außenpolitik Priorität. Richelieu wendet sich gegen Habsburg, das in Deutschland und in Spanien herrscht und Frankreich „umklammert“. Das ist ein altes Trauma Frankreichs, aus der Zeit von Franz I. (1515-1547) herrührend.

Bei Hofe stehen sich nun die Parteien der Königsmutter Maria von Medici und des Kardinals gegenüber; Intrigen und Komplotte sind an der Tagesordnung. Jeder weiß: Einer von beiden - Maria oder Richelieu - wird gehen müssen. Am 12. November 1630 wird der Kardinal nach einem dramatischen Showdown öffentlich in seinen Ämtern bestätigt. All jene, die zu früh über seinen Sturz frohlockt haben, beißen politisch ins Gras; man spricht vom „Tag der Düpierten“.

Richelieu weiß, dass Frankreich für einen Krieg nicht hinreichend gewappnet ist. An vielen Fronten - in Spanien, Deutschland, den Niederlanden - führt er deshalb einen „verdeckten Krieg“, unterstützt alle, die sich von Habsburg bedrängt fühlen. Erst 1635 kommt es mit Spanien, 1636 mit dem Deutschen Reich zum offenen Krieg.

Die Kosten sind enorm, die Staatskassen erschöpft. Richelieu reagiert mit einer durchgreifenden Verwaltungsreform und setzt im ganzen Königreich „Intendanten“ ein, Berufsbeamte mit weitreichenden Kompetenzen und dem Auftrag, die Autorität des Königs durchzusetzen, Steuern einzutreiben und die „guten Städte“ des Königs nicht nur zu verwalten, sondern auch prächtig - wie es sich für einen großen Herrscher gehört - zu gestalten.

Das gefällt den lokalen Adelsherren natürlich nicht. Es gibt Revolten, aber letztlich stellt Frankreich seinem König Finanzmittel zur Verfügung, wie sie kein anderer Monarch in Europa erhält. Schon zu Zeiten von Kaiser Karl V. hatte man halb bewundernd, halb neidisch bemerkt, wie diese Franzosen - murrend zwar, aber letztlich solidarisch - zu ihrem König standen. Frankreich ist auch reich. Es zählt 20 Millionen Einwohner (mehr als England, Italien und Spanien zusammen). Seine Wirtschaftskraft ist stark genug, die steigen-den Bedürfnisse des nun mehr und mehr auf Paris hin ausgerichteten Staates zu befriedigen.

Die eigentliche Bedrohung kommt von den geschwächten großen Herren aus den Provinzen, aber auch aus der Mitte der königlichen Familie, die sich vom Kardinal in ihren Interessen verletzt sieht. Zahllose Komplotte werden gegen Richelieu geschmiedet – alle scheitern an der Rückendeckung durch Ludwig XIII. und an dem Netzwerk von Günstlingen, das er geschaffen hat. Viele sind – und in den Augen der Zeit ist das keine Beleidigung - „seine Kreaturen“: effiziente Diener des Staates, die um den Monarchen eines neuen Typus herum entstanden sind, manche von ihnen wahre „Musketiere des Königs“.

Richelieu stirbt im Dezember 1642, im März 1643 folgt der König. Sein Sohn und Nachfolger Ludwig XIV. ist erst vier Jahre alt.

Königin-Witwe Anna von Österreich

Die Witwe Ludwigs XIII. wird Vormund des kleinen Thronfolgers. Zum Erstaunen vieler wählt Anna als Nachfolger Richelieus dessen Vertrauten Giulio Mazarin(i), der seit 1641 Kardinal ist, ohne je Priester gewesen zu sein. Frankreichs Zukunft, so sagen ihre Widersacher, läge nun in den Händen einer spanischen Regentin und eines italienischen Ministers - beide „Ausländer“, beide katholisch.

Kindheit

Kardinal Richelieu, der große Staatsmann ist tot. Der König liegt im Sterben. In Frankreich rumort es. Der Adel strebt zur alleinigen Macht, das Parlement will mehr Einfluss, das Volk stöhnt unter den Steuern, Katholiken und Hugenotten liefern sich blutige Schlach-ten. Das Chaos ist vorprogrammiert oder? Kann es einen neuen Richelieu oder gar einen neuen, besseren König geben……?

Ludwig XIV. wurde am 5. September 1638 in der französischen Residenzstadt Saint-Germain-en-Laye geboren.

Das Schloss Saint-Germain-en-Laye ist eine Schlossanlage in der französischen Stadt Saint-Germain-en-Laye im Département Yvelines etwa 19 Kilometer westlich von Paris. Seit seiner Errichtung als Burg im 13. Jahrhundert diente es bis in das 17. Jahrhundert als Residenz der französischen Könige, ehe Ludwig XIV. 1682 mit sei-nem Hof nach Versailles umzog.

Eigentlich hatte keiner mehr damit gerechnet, dass aus der Ehe zwischen Ludwig XIII. und Anna von Österreich noch Kinder entstehen.

Das Paar, das unterschiedlicher nicht sein konnte, lebte in verschiedenen Welten. Ludwig bevorzugte die Jagd und wohl auch die Jäger. Anna war dem Theater Tanz und der leichten Muse zugetan.

Ludwig XIV. als Zehnjähriger

Nach dreiundzwanzig Jahren unfruchtbarer Ehe in wachsender Verbitterung kam es am 5. Dezember 1637 zu einer schicksalhaften Begegnung der Eheleute. Der König der eigentlich auf dem Weg in sein Jagdschloss war musste wegen eines Unwetters seine Reise unterbrechen und im Louvre übernachten. Dort hatte sich die Königin für den Winter eingerichtet. Zur damaligen Zeit wurden die Schlösser nur dann möbliert wenn der König anreiste sonst standen sie meist leer. Der König sah sich also gezwungen das einzige vorhandene Bett aufzusuchen, das der Königin. Neun Monate später brachte Anna von Österreich im Alter von achtunddreißig Jahren ihr erstes Kind den Dauphin Ludwig XIV. zur Welt der jedoch bei der Geburt so schwach war, dass sofort eine Nottaufe vollzogen werden musste.

So glücklich der König sich über sie Geburt des Stammhalters zeigte so wenig nahm er Anteil an seinem Leben. Der Grund für sein mangelndes Interesse an seinem Sohn war Ludwigs neuer Favorit Henri Cinq-Mars. In dieser Zeit gebar Anna trotz der homosexuellen Phase ihres Mannes am 5. September 1640 ihren zweiten Sohn Philipp.

Das Verhältnis des Königspaars verbesserte sich dadurch zwar nicht, aber aus der kinderlosen, leicht angreifbaren Spanierin mit ungewisser Zukunft war die Mutter des zukünftigen französischen Königs geworden, und das festigte ihre Stellung ungemein. Anders als bei den Beziehungen Katharinas zu ihren Kindern oder gar Marias zu ihrem Sohn entwickelte sich zwischen Anna und dem kleinen Ludwig ein inniges Mutter-Kind-Verhältnis. Im Gegensatz zu Katharina und Maria von Medici war die spanische Königstochter allerdings auch selbst in einer harmonischen Familie aufgewachsen. Ausdrücklich riet Anna den Erziehern, das Kind nur im äußersten Notfall auszupeitschen und dann darauf zu achten, dass es keine anderen Zeugen gab, um es nicht unnötig zu beschämen. Tatsächlich war Hausarrest die schlimmste in der Erziehung des Dauphins jemals angewandte Strafe, und Anna zog es ohnehin vor, ihn durch gutes Zureden und vernünftige Erklärungen zu überzeugen.

Kinderporträt Philippes (rechts) und seines Bruders Ludwig

Der verhasste Vater

Ludwig, der Vater des Sonnenkönigs, kam am 27. September 1601 in Fontainebleau zur Welt. Nach 50 Jahren war er der erste Dauphin, der in Frankreich geboren wurde. Er wuchs fern vom Hof unter der Obhut der Madame de Mouglat und des Leibarztes Jean Héroard auf. Letzterer führte ein genaues Tagebuch und hinterließ damit ein einzigartiges Dokument über die Prinzenerziehung aus einer Zeit, die kaum schriftliche Quellen über Kinder kennt. Das empfindsame Kind litt unter der strengen, durch Schläge geprägten Erziehung und der Trennung vom vergötterten Vater.

1615 dann die Hochzeit mit der spanischen Prinzessin Anna von Österreich. Während seine Schwester Elisabeth (1602–44) mit dem spanischen Thronfolger, dem späteren Philipp IV. von Spanien (1621–1665) vermählt wurde.

In ihrer Eile, die Hochzeit vollzogen zu sehen, verschloss die Regentin, Maria von Medici, die Augen vor der Tatsache, dass Ludwig für diese Prüfung noch in keiner Weise bereit war. Mit fünfzehn Jahren - der König war so alt wie die Braut - war Ludwig ein schmächtiger, bartloser, überaus schüchterner Jüngling, der die Schwelle der Pubertät noch nicht überschritten hatte. Obwohl seine Ängste nur allzu offensichtlich waren, geleitete Maria ihn am Abend des Hochzeitstages in einer Prozession in das Schlafgemach der Braut und zwang ihn, in das Ehebett zu steigen. Dann zog sie die Vorhänge des Baldachins zu und entfernte sich mit ihrem Gefolge.

Zwei Stunden später kehrte Ludwig in sein Zimmer zurück und zeigte seinem Leibarzt seine gerötete Eichel, wobei er erklärte, er habe es „zweimal getan“. Von Heroard nach der Reaktion der Braut gefragt, berichtete er nur: „Ich habe sie gefragt, ob sie wollte, und sie hat ja gesagt.“ Schwer zu sagen, ob er bewusst log, oder ob es die Unerfahrenheit war, die ihm verwehrte, sein Scheitern zu ermessen. Sicher ist, dass mehr als vier Jahre vergehen sollten, bevor er sich dem Ehebett ein zweites Mal näherte und Anna endlich in jeder Hinsicht zu seiner Frau machte.

Um seine Schüchternheit, seine Angst vor Frauen, seinen Widerwillen vor Körperlichkeit und seine sexuellen Tabus zu überwinden, hätte Ludwig ermuntert werden müssen, sich mit seiner jungen Frau vertraut zu machen, indem man ihm gestattete, so oft wie möglich mit ihr allein zu sein und sie auch bei der täglichen Aus-übung der königlichen Amtsgeschäfte an seiner Seite zu haben.

Aber genau das war es, was seine Mutter fürchtete. Maria wollte ihren Einfluss auf den Sohn mit niemandem teilen, darum hatte sie nicht die Absicht, der neuen Königin, die nach der Etikette einen höheren Rang einnahm als sie, den Vortritt zu lassen. Noch weniger aber wünschte sie, dass Ludwig durch das Eheleben endlich erwachsen wurde und seine Verantwortung als Herrscher in vollem Umfang wahrnehmen konnte. Darum tat sie alles, um die beiden Ehegatten so häufig wie möglich zu trennen, behandelte sie wie Bruder und Schwester statt wie Mann und Frau und beschränkte ihre Begegnungen auf kurze protokollarische Besuche. Außerdem versäumte sie keine Gelegenheit, die Schwiegertochter in den Augen des Sohnes in ein schlechtes Licht zu rücken, eine Sabotage, die nach ihrer Rückkehr aus dem Exil in Blois systematische Formen annahm: „Die Königinmutter“, schrieb Madame de Motteville, die Gesellschaftsdame Annas von Österreich, „war überzeugt davon, dass sie nur dann absolute Macht über den jungen Prinzen besaß, wenn seine Gemahlin, die Prinzessin, mit ihm nicht im Einklang war, daher bemühte sie sich mit großem Eifer und mit Erfolg, das gegenseitige Unverständnis der Eheleute aufrechtzuerhalten, so dass die Königin, ihre Schwiegertochter, von nun an weder Wertschätzung noch irgendeine Liebenswürdigkeit erfuhr.“

Was sich in den drei Jahren des ersten Bruchs mit dem Sohn ereignete, bestätigte Maria in ihren Überzeugungen. Während ihrer Abwesenheit erlebte das königliche Paar nämlich einen ersten glücklichen Moment. Obwohl er vom Herzog von Luynes mit Gewalt in das Bett der Gemahlin gezogen werden musste, benahm Ludwig sich am 25. Januar 1619 endlich wie ein Ehemann. Dem venezianischen Botschafter zufolge soll er bei dieser Gelegenheit zu Anna gesagt haben, dass „er ihr ganz angehören würde, dass er niemals eine andere Frau anrühren würde und dass er Kinder mit ihr haben wollte“.

Ob wahr oder falsch, diese Erklärung wird unterstützt durch die Tatsache, dass sich das Verhalten des Königs gegenüber seiner Frau sichtbar wandelte. Er blieb zwar misstrauisch, rätselhaft und unberechenbar, aber das hinderte ihn nicht daran, höflich, fast galant mit Anna umzugehen und bereitwillig mit ihr an den höfischen Vergnü-gungen teilzunehmen. Doch diesem glücklichen Zustand war keine Dauer beschieden. Wahrscheinlich war Ludwig enttäuscht, dass der ersehnte Thronfolger nicht kommen wollte, und die Erfolge, die seine Frau überall durch ihre Freundlichkeit, ihre Anmut und Umgänglichkeit einheimste, ließen ihn gewiss spüren, wie weit er selbst von solchen Qualitäten entfernt war. Doch der eigentliche Todesstoß für seine Ehe sollte die Versöhnung mit der Mutter sein.

Kaum an den Hof zurückgekehrt, sorgte Maria de' Medici erneut dafür, dass das Paar getrennt wurde. Als sie dann endgültig ins Exil gehen musste, setzte Richelieu ihre heimtückische Verleumdungskampagne gegen Anna fort. Sich Ludwigs Vertrauen zu erhalten, mit seinen Zweifeln, seinem Misstrauen, seinen charakterlich bedingten Stimmungsschwankungen fertig zu werden, war für Maria wie für Richelieu eine zu schwierige Aufgabe, als dass sie einer Ehefrau hätten erlauben können, die Lage noch komplizierter zu machen. Betrübt unterwarf sich der junge König ihren Forderungen und opferte Anna der Staatsräson. Einmal vertraute er einem Höfling an, die Königin erscheine ihm sehr schön, aber „er wagte es nicht, ihr seine Gefühle zu zeigen, aus Angst, der Königin, seiner Mutter, und dem Kardinal zu missfallen, deren Ratschläge und Dienste er nötiger habe als die Liebe seiner Frau“. Bald sollte auch diese heimliche Zuneigung vollständig verschwinden, an ihre Stelle traten Bitterkeit und Misstrauen.

Der Name Richelieus ist vielen aus dem Roman „Die drei Musketiere“ von Alexandre Dumas d. Ä. bekannt. Dort ist der Kardinal der finstere Gegenspieler der Helden, der dem englischen Premierminister Buckingham die Liebe Annas von Österreich (der Königin) neidet. Anna begeht den Fehler, dem Herzog von Buckingham bei einem geheimen Stelldichein ein Liebespfand zu geben, ein Kästchen mit 12 Diamantnadeln, das sie selbst als Geschenk vom König erhalten hatte.

Als Richelieu davon erfährt, lässt er Buckingham zwei dieser Nadeln durch eine Agentin stehlen.

Dann bewegt er den König dazu, die Königin zu einem Ball zu bitten, wo sie ebendiese Diamantnadeln tragen soll. D’Artagnan muss mit Hilfe seiner Freunde die Nadeln noch vor dem Ball aus England zurückholen, damit Richelieu die Königin nicht öffentlich bloßstellen kann.

Das Grundthema dieser Handlung, die Diamantnadelnaffäre, findet sich allerdings nicht erst bei Dumas. Schon der Dichter La Rochefoucauld berichtet diese Episode in seinen Memoiren. La Rochefoucauld war sowohl ein enger Vertrauter der Königin und Herausgeber ihrer Memoiren als auch der Geliebte ihrer langjährigen Busenfreundin, der Madame de Chevreuse. Daher ist es durchaus denkbar, dass sich die Affäre tatsächlich zugetragen hat.

Als Richelieu starb, empfand Ludwig längst nur noch Abneigung gegen seine Frau, wie Madame de Motteville schreibt: „Der Kardinal hatte so gründlich dafür gesorgt, sie in seinen Augen zu diskreditieren, dass er ihr kein einziges zärtliches Gefühl mehr entgegenbringen konnte und es nicht mehr gewohnt war, sie gut zu behandeln.“ Die Memoirenschreiberin verzichtet allerdings darauf, zu erklären, dass das, was beträchtlich zu Ludwigs Abwendung von seiner Frau beitrug, eine immer auffälligere Vorliebe des Königs für junge Epheben war.

Anlässlich der Erklärung der Volljährigkeit des Dauphin und auf Druck von Heinrich II. von Bourbon, Prince de Condé, dem nächsten Anwärter auf den französischen Thron wurden 1614 (zum letzten Mal vor der Französischen Revolution) die Generalstände

einberufen. Der junge König wurde aber trotzdem als „das kindischste Kind“ von der Regierung und dem Rat ferngehalten. Die Generalstände wurden jedoch die erste öffentliche Plattform für Jean Armand du Plessis, den ehrgeizigen Bischof von Luçon, der als Kardinal Richelieu in die Geschichte eingehen sollte.

Der neue Minister schwenkte auf den nationalen (gallikanischen) Kurs und ging auf Konfrontation mit Habsburg, den Granden und den Hugenotten. Er verantwortete die dynastische Verbindung mit England, ließ päpstliche Truppen aus dem Veltlin vertreiben, unterstützte die protestantischen Gegner der Habsburger im Deutschen Reich und brach die politisch-militärische Macht der Hugenotten durch die Eroberung von La Rochelle (1627–1628).

Ludwig XIII. und Kardinal Richelieu vor La Rochelle

Der Kardinal stand damit bald einer immer größeren Front an Gegnern gegenüber, in die sich mit der Zeit auch seine einstmalige Gönnerin Maria de Medici einreihte.

In den letzten zwölf Jahren seines Lebens erlebte Ludwig XIII., wie unter der gemeinsamen Herrschaft mit Richelieu die Macht Frankreichs und die Macht des Königshauses in Frankreich immer weiter gestärkt wurden. Den Triumph über Kaiser und spanischen König aber bezahlte der tief religiöse König mit schweren Gewissensbissen. Die Knebelung des aufrührerischen Adels wurde mit dem Blut seiner Verwandten, seine Autorität durch die Hinrichtung seines letzten Favoriten, Henri Coiffier de Ruzé, Marquis de Cinq-Mars, erkauft. Durch die Geburt zweier Söhne war der dynastische Fortbestand des Königshauses gesichert. Seine Ehe blieb jedoch unglücklich, und er hegte Zweifel, ob diese Kinder von ihm waren.

Ludwig XIII. wollte bereits in jungen Jahren als Ludwig der Gerechte (Louis le Juste) in die Geschichte eingehen. Gerechtigkeit allerdings nicht im modernen Sinne von verständnisvoller Milde, sondern im Sinne von patriarchaler Wiederherstellung von Gesetz und Ordnung. Ein verständlicher Wunsch nach jahrzehntelangen Bür-gerkriegen und seinen Erfahrungen mit der nachgiebigen „Scheckbuchdiplomatie“ seiner Mutter und zerstörerischen Partikularinteressen von Hochadel, Hugenotten und den „ultramontanen“ Anhängern von Papst und spanischem König. Ludwig XIII. und sein Minister leisteten wesentliche Schritte auf dem Weg Frankreichs zur kontinentalen Vorherrschaft und zum Absolutismus.

Das Bild der Person und des Herrschers Ludwig XIII. ist bis heute – trotz guter Quellenlage – stärker durch literarische Fiktion als durch die Geschichtswissenschaft beeinflusst. Das Bild vom schwächlichen, uninteressierten und naiven Trottel, der das Objekt der Manipulation des ebenso genialen wie intriganten Ministers Richelieu war, wurde durch „Die drei Musketiere“ von Alexandre Dumas geprägt und durch zahlreiche Verfilmungen gefestigt.

Tatsächlich war Ludwig XIII. eine schüchterne Persönlichkeit, die sich in Gesellschaft nicht wohl fühlte und zum Stottern neigte. Gleichwohl besaß er einen starken Willen und die Fähigkeit, entschlossen und (auch gegen die eigenen Gefühle) rücksichtslos zu handeln.

Er befand sich im ständigen Spannungsfeld zwischen dem eigenen Anspruch an seine Rolle als absoluten Monarch und seinen privaten Neigungen. Von ihm stammt das Zitat: „Ich wäre kein König, leistete ich mir die Empfindungen eines Privatmannes.“

Dass er homosexuell war, gilt als ziemlich sicher.

Unter der ehrpusseligen Eifersucht des Monarchen hatte nicht zuletzt auch sein Minister zu leiden, der stets in dem Bewusstsein regierte, dass er seine Position allein dem Wohlwollen des Königs zu verdanken habe. Ludwig behielt sich die Entscheidung in allen wichtigen Angelegenheiten stets vor. Von Richelieu stammt der berühmte Satz: „Ganz Europa bereitet mir nicht so viel Kopfzerbrechen wie die vier Quadratmeter des königlichen Kabinetts.“

***

Auch an jenem Regentag, als Ludwig zu seinem Vater befohlen wurde, trug er ein Kleidchen aus hellgrüner Spitze mit breiten Seidenmanschetten und einer seidenen Schürze. Dazu ein Spitzenhäubchen, dessen Bänder seine Gouvernante Madame de Lansac unter seinem Kinn quälend fest verknotet hatte, damit die Ohren des Kindes brav bedeckt blieben und die gestrenge Majestät keinen Grund zur Klage fand.

Fast jeden Tag verlangte sein Vater, ihn zu sehen. Nicht zu einer bestimmten Stunde, sondern immer dann, wenn es ihm gerade passte. Dann schickte er seinen Kammerdiener in die Gemächer der Königin. Ein Klopfen an der Tür genügte, und Ludwig wurde weggerissen von dem, was er gerade tat. Man weckte ihn oder schlug ihm den Löffel aus der Hand. Man zerrte ihn von seinen Spielen fort oder hob ihn aus der Wanne und streifte ihm gewaltsam eines der Besuchskleidchen über, gegen die er sich wehrte, weil er längst aus ihnen herausgewachsen war. Niemand kümmerte sich darum, dass er schrie und weinte. Was zählte, war allein der Wille seines Vaters, des Königs.

Einmal würde Ludwig selbst König sein, hatte ihm seine Mutter erklärt, und er hatte längst begriffen, was das bedeutete: Niemand würde mehr das Recht haben, ihn zu stören oder ihm auch nur zu widersprechen. Was er verlangte, würde geschehen. Doch dafür musste sein Vater erst sterben. Wenn Madame de Lansac ihn über die Korridore schleifte und in die Bibliothek seines Vaters schob, presste Ludwig das Kinn gegen die Brust, starrte trotzig auf die Füße des Vaters und wünschte seinen Tod herbei.

Der kleine Ludwig

Es war immer das Gleiche: Sein Vater versuchte, ihn für sich zu gewinnen. Er zeigte ihm Bücher und Landkarten und schenkte ihm Zinnsoldaten, Bälle oder ein Holzschwert. Doch der Knabe in seinem Mädchengewand hob nicht einmal den Blick, sondern wartete nur darauf, dass die Enttäuschung des Vaters in einen seiner Hu-stenanfälle mündete, an denen er fast erstickte und die endlich dafür sorgten, dass er von seinem Sohn abließ.

Seit zwanzig Jahren schon zerfraß die Tuberkulose Lunge und Darm des Königs. Die Schmerzen ließen ihn die Welt hassen und den Tod herbeisehnen. Erst ein heftiger Regensturm, der ihn eines Nachts im Louvre bei der damals von ihm getrennt residierenden Königin festhielt, hatte das Wunder vollbracht, dass er sich trotz seiner Abneigung neben ihr zur Ruhe legte. Alle im Schloss beteten, dass endlich ein Thronfolger gezeugt würde, und so geschah es auch. Ludwig kam zur Welt, ein Kind der Kälte und der Zwietracht, und doch gesund und kräftig wie kaum ein anderes. Zwei Jahre später wiederholte sich das Wunder. Die Glocken läuteten, als der Son-nenschein Philippe den ersten Schrei tat.

„Nun sind wir doppelt abgesichert“, sagte der König ungewohnt versöhnlich zu seiner Gemahlin, die abgekämpft in ihrem Bett lag. Sie antwortete nicht. Noch immer dröhnten in ihren Ohren die Worte, die er zum Arzt gesprochen hatte, als ihre Bedrängnis am größten war: „Retten Sie das Kind! Die Mutter werden wir ver-schmerzen können.“

Sie hasste ihn, und er hasste sie, und ihr älterer Sohn stand auf Seiten der Mutter. Erst wenn der Vater nach Luft rang und sich vor Schmerzen krümmte, entspannte sich das Kind, und erst wenn der König um sein Leben kämpfte, lächelte der Kleine.

Ein einziges Mal entdeckte der König dieses Lächeln. Mitten in einem der quälendsten Erstickungsanfälle, die er je erlebt hatte, fiel sein schmerzverschleierter Blick auf das Kind, das vor ihm stand und ihn voller Genugtuung beobachtete wie ein Insekt, dem man die Beine ausgerissen hat. Wäre er jetzt gestorben, das Begriff der König in seiner Not, das Kind hätte gelacht.

Von einem Augenblick zum anderen hörte der Anfall auf. Mit einem endlos langen Atemzug füllte der König seine verkrampfte Lunge. Ein paar Mal keuchte er noch, den Mund weit geöffnet. Dabei beobachtete er seinen Sohn, der sofort seinem Blick auswich und wieder zu Boden starrte.

„Du kleiner Teufel!“, flüsterte der König heiser und vergaß, dass er sich einst über die Geburt dieses Kindes gefreut hatte! Gefreut bis zur Glückseligkeit. „Dieudonne“ hatte er als zweiten Namen für den Knaben bestimmt. Der Gottgeschenkte - obwohl seine Gemahlin vorsichtig Einspruch dagegen erhoben hatte, weil es im Volk Brauch war, unehelich Geborene so zu nennen. „Ich werde dich lehren, mich so anzusehen!“ Die Stimme des Königs gewann an Kraft. „Ich werde dich wegholen von deiner Mutter und ihren albernen Weibern, die dich aufhetzen. Du wirst noch lernen, wem du zu gehorchen hast.“

Das Kind sah ihn nicht an. Da packte der König sein Kinn und riss es hoch, dass die Wirbel im Nacken leise knackten. „Schau mich an!“, schrie er. „Schau mich an, deinen König, dem du alles verdankst!“

Doch Ludwig presste die Lider zusammen. Tränen traten aus seinen Augenwinkeln, aber kein Ton kam über seine Lippen. Da ließ ihn der König los, holte aus und schlug ihn auf die Wange, dass das Kind zu Boden stürzte. Gleich jedoch raffte es sich wieder auf, rannte zur Tür, riss sie auf und floh hinaus auf den Korridor.

Die Wache eilte herein und wartete auf einen Befehl. Doch der König saß zusammengesunken auf seinem großen Sessel und starrte zu Boden. „Kümmert euch nicht um ihn!“, sagte er dumpf. „Ich will ihn nicht mehr sehen.“

Unterdessen stolperte Ludwig schluchzend den Korridor entlang. Weg, nur weg von seinem Vater, dessen Zorn er mehr fürchtete als alles andere! So jung er noch war, begriff er doch, dass er Schuld auf sich geladen hatte, als er die Leiden des Vaters verspottete. Täglich wurde ihm eingeschärft, es sei das strengst aller Gebote, Vater und Mutter zu ehren. Die Mutter sagte es ihm, bevor sie ihn seinen Besuchen in der königlichen Bibliothek überließ. Der Kardinal Mazarin sagte es ihm und auch die Kammerfrauen. Alle. Es war eine Todsünde, den Vater nicht zu ehren. Man kam in die Hölle, wenn man gegen das göttliche Gebot verstieß. Wie es aber in der Hölle zuging, war das Erste was man Ludwig gelehrt hatte.

In seiner tiefen Bedrängnis verfehlte Ludwig die Tür zu den Gemächern seiner Mutter. Sein Schluchzen verstummte. Er blieb stehen und sah sich um. Es war dämmrig geworden, und er fand sich nicht mehr zurecht. Die Welt war grau und unheimlich. Niemand war da, ihn zu begleiten und zu beschützen.

Vielleicht dachte er, hatte man ihn schon aufgegeben, und er würde in aller Ewigkeit durch die finsteren Gänge irren und nirgendwo mehr ankommen.

Unendlich lang erstreckte sich der Korridor mit sein vielen Abzweigungen, von denen Ludwig nicht wusste, wohin sie führten. Nirgends ein Geräusch oder eine menschliche Stimme. Ein riesiger Palast voller Menschen, doch in diesem Trakt hatte Stille zu herrschen, um die Majestäten nicht zu stören. Wäre jetzt eine Kerze aufgeflackert, hätte Ludwig geglaubt, sie würde sofort zur Flamme werden und er wäre wahrhaftig in der Hölle angelangt als Strafe für seine Sünden. Mit dem Rücken zur Wand rutschte er zu Boden. Noch immer zuckte das Schluchzen in seiner Brust, doch seine Tränen

waren versiegt. Er überlegte, ob es helfen würde zu beten, aber nach seinen Verfehlungen würde Gott ihn gewiss nicht hören.

Ludwig als Dauphin

Er wollte nicht mehr geschlagen werden, und er wollte nicht von den Frauen weggeholt werden in die raue Männerwelt des Vaters, die ihm unheimlich war. Ludwig mochte Männer nicht, besonders nicht, wenn sie alt waren und meinten, ein barscher Befehl genüge schon, dass ein Kind alles tat, was sie wollten. Bevor Ludwig an diesem Abend einschlief, dachte er, wie es wäre, einen Freund zu haben. Aber Könige hatten keine Freunde. Das zumindest hatte er von seinem Vater gelernt.

Im Laufe der Zeit gelangte Ludwig zu dem Schluss, dass sein Vater eigentlich gar kein richtiger König war, zumindest war er nicht so, wie ein König sein sollte. Wie ein solcher sich verhielt, wusste Ludwig genau, seit Madame de Lansac angefangen hatte, ihm vor dem Einschlafen Märchen vorzulesen, in denen es immer nur um Könige ging, um Prinzen, wie Ludwig selbst einer war, und um wunderschöne Prinzessinnen, die schwere Prüfungen zu bestehen hatten, bis sie endlich das große Glück an der Seite eines liebenden Gatten fanden, der natürlich auch ein König war mit einem goldenen Schloss, einem mächtigen Reich und Tausenden Untertanen, die ihn liebten und verehrten.

„Es war einmal ein König, so mächtig und beliebt bei seinem Volk, so geachtet bei all seinen Nachbarn und seinen Verbündeten, dass man sagen konnte, er sei der glücklichste unter allen Herrschern.“ So begann das Märchen von der „Eselshaut“, aus dem Madame de Lansac jeden Abend ein kurzes Stück vorlas. Zu Anfang schmollte er und verlangte nach mehr. Doch dann gewöhnte er sich an die kleinen Happen.

Wenn Madame de Lansac das Buch zuklappte, Ludwig noch einmal übers Haar strich und dann auf Zehenspitzen hinaus schlich, sah er vor seinen geschlossenen Augen den glücklichen König, und er kämpfte gegen das Bild, das sich immer wieder dazwischendrängte: sein eigener Vater, so ganz anders als der König im Märchen.

In Gegenwart des vierjährigen Kindes erörterte man ganz offen auch politische Angelegenheiten. Ludwig hockte sich dann in einer Ecke auf den Boden und gab vor, sich mit einem Spielzeug zu beschäftigen, das seine ganze Aufmerksamkeit beanspruchte. In Wirklichkeit ließ er sich kein Wort der Gespräche entgehen. Auch wenn er den Sinn der Verhandlungen nicht verstand, hörte er aufmerksam zu, und es schien ihm, als sei alles, worüber geredet wurde, unerfreulich und bedrohlich. Die Nachbarn liebten den König von Frankreich keineswegs. Sie bekämpften ihn, vor allem der Kaiser in Wien und die Spanier, was Ludwig am meisten beunruhigte, da seine eigene Mutter die Schwester des Königs von Spanien war und damit auch in seinen Adern spanisches Blut floss.

Seit fünfundzwanzig Jahren schon, so entnahm Ludwig den Gesprächen, befand sich das riesige Europa im Krieg. Während der ersten acht Jahre hatte sich Frankreich noch herausgehalten, doch inzwischen bestimmte das Kriegsgeschehen auch die Geschicke des Landes. Was genau das bedeutete, konnte sich Ludwig nicht vor-stellen, nur dass fünfundzwanzig Jahre eine unglaublich lange Zeit waren, in der Menschen starben und Dörfer abbrannten, in der Kinder, so alt wie er selbst, Hunger litten und von allen verlassen wurden. Ein guter König wie im Märchen hätte dafür gesorgt, dass dieses Leiden ein Ende nahm. Doch Ludwigs Vater befahl seiner Armee, vorzurücken, zu belagern und zu töten. Er nannte das Volk seiner Gemahlin „diese gottverfluchten spanischen Hunde“ und wünschte ihm die Pest auf den Leib.

Wenn seine Generäle ihn wieder verlassen hatten, blieb der König mit seinem Sohn allein zurück. Dann sank er in sich zusammen, hustete und atmete schwer. Einmal weinte er sogar, vergessend, dass sein Sohn ihn beobachtete. Nur allmählich begriff Ludwig, dass sein Vater Angst hatte. Womöglich, weil die Soldaten der gottverfluchten Spanier stark waren. Womöglich, weil sich das glorreiche Frankreich in Gefahr befand.

Ein König, der Angst hatte. Angst vor der Krankheit, vor den Mühen des Sterbens und vor allem vor dem Verlust der Krone. Angst vielleicht sogar vor den eigenen Untertanen. Ludwig selbst hatte mehrere Male erlebt, dass das Volk seinen König durchaus nicht liebte und verehrte. Bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen Ludwig mit seinen Eltern in einer Kutsche über die Landstraßen gefahren war, um die Sommertage in Fontainebleau zu verbringen, hatte er gesehen, wie das Volk von Frankreich auf den Anblick der königlichen Kutschen und des mächtigen Geleitzugs reagierte: Die Menschen in den Dörfern verschwanden wie vom Teufel gehetzt in ihren Häusern. Manchmal drohten sie mit den Fäusten und fluchten dabei, bevor sie die Türen hinter sich zuwarfen Einmal trafen sogar Steine die königlichen Kutschen und nie, niemals jubelte jemand wie in den Geschichten der Madame de Lansac. „Warum sind sie so böse?“, fragte Ludwig seine Mutter, die seinen Kopf vom Fenster wegdrehte. „Warum hassen sie uns?“

Seine Mutter zuckte die Achseln. „Es sind wohl die Steuern“, antwortete sie widerwillig. „Das Volk hat keine Lust zu zahlen. Es begreift nicht, wie viel Geld der Krieg kostet. Die Bauern versuchen alles, um sich vor den Steuern zu drücken.“

„Und was geschieht, wenn sie nicht zahlen?“

Die Königin zuckte die Achseln. „Dann veranlasst man sie dazu“, antwortete sie ausweichend. Da befreite sich Ludwig aus dem Griff seiner Mutter. Er drückte das Gesicht ans Fenster, um einen letzten Blick auf die ungehorsamen Bauern zu werfen. Den „Pöbel“ nannten die Berater des Königs das Volk, und ein paar Mal hatte Ludwig auch gehört, dass einer von der „Kanaille“ sprach, wenn er die Untertanen meinte.

König zu sein bedeutete wohl, dass man gehasst wurde. Nicht allein vom Volk, das konnte Ludwig noch verstehen, da er nichts Gemeinsames fand zwischen sich selbst und den zerlumpten Geschöpfen mit ihrer Haut in der Farbe der Erde und ihren ausgemergelten Körpern. Viel schwerer war es zu verstehen, dass ihm sogar in seiner unmittelbaren Umgebung eine Ablehnung begegnete, von der er schon früh ahnte, dass sie dem Hass der Dorfbewohner verwandt war.