Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
UNTERNEHMEN BARBAROSSA Teil 2: Der militärische Aufmarsch der Wehrmacht und der Verbündeten Dieses Buch beschäftigt sich ebenfalls mit der Vorgeschichte des Deutsch-Sowjetischen Krieges (siehe auch Teil 1 dieser Buchreihe). Dabei wird allerdings hauptsächlich der militärische Aspekt der Kriegspläne betrachtet. Es werden die deutsch-sowjetischen Beziehungen von 1939 – 1941 herausgestellt, die deutschen militärischen Kriegsplanungen und die Rolle und Ziele der mit dem Deutschen Reich verbündeten Staaten (Finnland, Rumänien, Italien ...). Es wird auch die sowjetische Verteidigungsvorbereitung besprochen sowie die Frage diskutiert, inwieweit der deutsche Überfall als Präventivkrieg zu werten ist. Ein weiteres Kapitel widmet sich dann dem militärischen Kräfteverhältnis und den Ereignissen nach dem deutschen Überfall. Historisches Bild- und Kartenmaterial ergänzt dieses Werk. Umfang 116 Seiten
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Veröffentlichungsjahr: 2025
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Unternehmen Barbarossa
Teil 2: der militärische Aufmarsch der Wehrmacht und der Verbündeten
IMPRESSUM:
Dirk Hennings
c/o IP-Management #4887
Ludwig-Erhard-Str. 1820459 Hamburg
Der Deutsch-Sowjetische Krieg geht wesentlich auf die ideologisch-politischen Ziele des Nationalsozialismus zurück, der sich als radikalen weltanschaulichen Gegenentwurf zum Bolschewismus sah. Diesen betrachtete Hitler in seiner Programmschrift Mein Kampf (1925) als eine auf Welteroberung ausgerichtete Tyrannei eines angeblichen „Weltjudentums“. Dessen Vernichtung und die Unterwerfung der angeblich von ihm abhängigen, „rassisch minderwertigen“ Slawen seien unausweichlich, um den deutschen „Ariern“ den ihnen zustehenden „Lebensraum im Osten“ zu verschaffen. Diesen zu erobern, war ein Hauptziel der NS-Außenpolitik.
Die beabsichtigte Eroberung großer Teile Osteuropas knüpfte zwar an ältere Ziele der traditionell antikommunistischen Militäreliten des Kaiserreichs und der Weimarer Republik an; auch die dazu notwendige Aufrüstung, der Bruch des Versailler Vertrages und der Austritt aus dem Völkerbund waren schon um 1930 weitgehend Konsens in der Reichswehr. Den deutschen Militärs ging es aber im Wesentlichen um eine Revision der Ergebnisse des Ersten Weltkriegs. Die auf reinem Rassismus beruhende Lebensraum-Politik der NS-Führung und deren Absicht, die Sowjetunion als Staat und zugleich ihre tatsächlichen oder vermuteten Eliten zu vernichten, gingen jedoch weit über diese früheren Ziele hinaus.
Hitlers Außenpolitik ab 1933 stellte sein langfristiges Eroberungsziel zunächst zurück.
Geplante Vorstoßrichtungen im Unternehmen Barbarossa (1941)
Schon seine Rede vor höchsten Reichswehrvertretern am 3. Februar 1933 deutete es aber an. Er betonte es später immer wieder gegenüber der Wehrmachtführung, etwa während der Sudetenkrise. Die auf Massenvernichtung und Germanisierung ausgerichteten Ziele des NS-Regimes zeigten sich beim Überfall auf Polen, in dem eigens aufgestellte Einsatzgruppen zum Teil mit der Wehrmachtführung abgesprochene Massaker an Angehörigen der Führungseliten und an Juden verübten. Diese spezifisch nationalsozialistischen Vernichtungsziele sollten für Planung und Führung des Krieges gegen die Sowjetunion eine bestimmende, „nie gesehene Dimension“ erreichen, die ihn von allen vorherigen Kriegen auch des NS-Regimes unterschied.
Nach dem deutschen Historiker Hans-Erich Volkmann ging es Hitler auch um die Erringung der Weltherrschaft, für die er die sowjetischen Rohstoffe für ein autarkes und unangreifbares Europa als Fundament brauchte. Am 17./18. September 1941 äußerte Hitler darüber bei einem Gespräch im Führerhauptquartier:
„Der Kampf um die Hegemonie in der Welt wird für Europa durch den Besitz des russischen Raumes entschieden; er macht Europa zum blockadefestesten Ort der Welt.“
Um die Ereignisse nach dem deutschen Überfall besser verstehen zu können, ist es wichtig, einen Blick auf das Verhältnis der beiden Staaten zueinander zu werfen. Im „Großen Terror“ der Jahre 1936 bis 1938 hatte der sowjetische Diktator Josef Stalin tausende kriegserfahrene sowjetische Generäle und Offiziere ermorden lassen und hatte auf diese Weise die Rote Armee stark geschwächt. Seit dem Münchner Abkommen vom Oktober 1938 war er überzeugt, dass die Westmächte dem nationalsozialistischen Deutschland keinen nennenswerten Widerstand entgegensetzen würden und die Sowjetunion zu einem Krieg zu drängen versuchten, den sie selbst nicht führen wollten. Daraufhin vollzog er eine Wende der sowjetischen Außenpolitik und strebte einen Interessenausgleich mit dem Deutschen Reich an.
Das NS-Regime war im Gegensatz zu den Westmächten bereit, sowjetische Expansionsinteressen in Osteuropa anzuerkennen, um Großbritannien „vom Kontinent abzudrängen“, den Überfall auf Polen als „Einfrontenkrieg führen zu können“ und „Rückenfreiheit für die spätere Wendung nach Westen“ zu erhalten, „die ihrerseits als Vorschaltereignis des Lebensraumkrieges ins Auge gefasst wurde.“
Mit einem Kreditabkommen vom 20. August 1939 vereinbarten beide Staaten sowjetische Lebensmittel- und Rohstofflieferungen an Deutschland für deutsche Industrie- und Rüstungsgüter an die Sowjetunion.
Molotow unterzeichnet am 28. September 1939 im Moskauer Kreml den Deutsch-Sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrag
Dem folgte am 23. August 1939 der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt („Hitler-Stalin-Pakt“) mit einem geheimen Zusatzprotokoll, in dem die Vertragspartner ihre gegenseitigen Interessensphären in Osteuropa abgrenzten. Der zentrale Punkt des Protokolls sah die vierte Teilung Polens vor und sprach Estland, Lettland, Finnland, Ostpolen und das rumänische Bessarabien der sowjetischen Interessensphäre zu.
Am 1. September 1939 löste der deutsche Überfall auf Polen den Zweiten Weltkrieg aus. Die Sowjetunion besetzte ihrerseits ab dem 17. September 1939 gemäß dem geheimen Zusatzprotokoll Ostpolen und später Litauen, für das sie Teile Polens an die deutschen Besatzer austauschte. Zudem schloss sie Ende September 1939 noch einen Grenz- und Freundschaftsvertrag mit Deutschland, der ihren endgültigen Grenzverlauf regeln sollte.
In den folgenden Monaten verfolgte die Sowjetunion mit Duldung und Unterstützung des Deutschen Reichs eine Expansionspolitik innerhalb der Einflusszone, die ihr der Hitler-Stalin-Pakt eingeräumt hatte. Sie übte Druck auf mehrere Nachbarstaaten aus mit dem Ziel, Gebiete zurückzugewinnen, die bis 1917/18 zum zaristischen Russland gehört hatten. Finnland widersetzte sich dieser Politik im Winterkrieg (1939/40), in dessen Verlauf die Schwäche der Roten Armee sichtbar wurde. Obwohl die Sowjetunion weite Teile Kareliens annektieren konnte, musste sie Finnlands staatliche Unabhängigkeit weiter anerkennen. Dagegen besetzte die Rote Armee Estland, Lettland und Litauen Mitte Juni 1940 kampflos. Unter dem Vorwand, die im Vorjahr geschlossenen Beistandspakte seien gefährdet, erklärte die Sowjetunion diese Länder zu Unionsrepubliken. Mit der Besetzung Bessarabiens und der Nordbukowina durch sowjetische Truppen am 28. Juni 1940 endete ihre Expansion vorläufig.
Ostwärts Brest-Litowsk Bildberichter: Ehlert
20.9.39 Erstes Zusammentreffen deutscher und russischer Truppen in Polen
Von Bundesarchiv, Bild 101I-121-0008-25 / Ehlert, Max / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5475929
Stalin und seine Generäle hatten ursprünglich angenommen, dass Deutschland in einen langwierigen Krieg mit den Westmächten verwickelt werde und ihnen genug Zeit bleibe, die Rote Armee auf einen möglichen Konflikt vorzubereiten. Der rasche Sieg der Wehrmacht im Westfeldzug über Frankreich (1940) hatte diese Hoffnungen jedoch zerstört. Stalin reagierte auf die neue Lage mit zwei Grundsatzentscheidungen: Zum einen wollte er das Bündnis mit Deutschland unter allen Umständen aufrechterhalten und Hitler nicht zum Krieg provozieren. Zum anderen versuchte er durch weiteren Druck auf Nachbarstaaten, die strategische Position der Sowjetunion zu verbessern. So besetzte die Rote Armee über die im Hitler-Stalin-Pakt zugestandenen Gebiete Bessarabiens hinaus die Nordbukowina und das Herza-Gebiet. Die Besetzung war einem Ultimatum am 26. Juni 1940 gefolgt. Die Gebiete Bessarabien, Nordbukowina und das kleine Herza-Gebiet wurden dauerhaft von Rumänien abgetrennt, durch die UdSSR annektiert und der Ukrainischen SSR sowie der kurz darauf gegründeten Moldauischen SSR zugeteilt.
Siegesparade der Roten Armee in Chișinău kurz nach dem Einmarsch in Bessarabien, stehend im Auto der sowjetische Oberkommandierende Georgi Schukow, 4. Juli 1940
Von ANRM, Fototeca, 24945 - http://anr.infoideea.ro/basarabia1940/page3.html?lang=ro, Attribution, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=18339786
Die Abtrennungen von Rumänien wurden nie rückgängig gemacht; heute sind die Nordbukowina und das Herza-Gebiet Teil der Ukraine, Bessarabien ist zwischen der Ukraine und der Republik Moldau geteilt. Zudem schlug Stalin Bulgarien einen Beistandspakt nach baltischem Muster vor. Dadurch entstanden jedoch erste Spannungen mit Deutschland.
Hitler war damals aber längst zum Krieg gegen die Sowjetunion entschlossen. Schon am 4. September 1936 erläuterte Hermann Göring Hitlers Denkschrift zum Vierjahresplan vom August dem Kabinett. Sie diene der politischen Zielsetzung, bei der unvermeidbaren Auseinandersetzung mit der Sowjetunion diese mit einem Angriffskrieg zu zerschlagen. Ein Sieg im Osten sollte Deutschland auf dem Kontinent wirtschaftlich autark und eine britische Seeblockade, wie es sie im Ersten Weltkrieg gegeben hatte, wirkungslos machen. Ab dem 2. Juni 1940 hatte Hitler Vertrauten im Oberkommando des Heeres (OKH) seine Überlegungen für einen Angriff auf die Sowjetunion mitgeteilt. Am 29. Juli 1940 informierte der Chef des Wehrmachtführungsstabes Alfred Jodl seine Mitarbeiter über Hitlers Entscheidung, „[…] zum frühestmöglichen Zeitpunkt durch einen überraschenden Überfall auf Sowjetrussland die Gefahr des Bolschewismus ein für allemal aus der Welt zu schaffen.“ Am 31. Juli 1940 teilte Hitler dem Oberkommando der Wehrmacht (OKW) seinen Angriffsentschluss mit und befahl die operative Kriegsvorbereitung. Er rechtfertigte den Zweifrontenkrieg ungeachtet der sowjetischen Vertragstreue nun mit der angeblichen Gefahr, dass das unbesiegte Großbritannien sich mit der Sowjetunion verbünden und diese somit als „Festlandsdegen“ gegen Deutschland verwenden könne. Er ließ die norwegisch-finnische Grenze befestigen, schloss mit Finnland ein Transitabkommen und entsandte sogenannte Lehrtruppen nach Rumänien. Außerdem garantierten Deutschland und Italien die rumänischen Grenzen. Stalin ließ im Gegenzug eine rumänische Inselgruppe in der Donaumündung und die vorgelagerte strategisch wichtige Schlangeninsel besetzen.
Am 12. November 1940 besuchte der sowjetische Außenminister Molotow auf Einladung der deutschen Regierung Berlin, um den eventuellen Beitritt der Sowjetunion zum Dreimächtepakt zu besprechen.
Molotow bei dem Treffen in Berlin (2.v.l.)
Hitler befahl dem OKW am selben Tag, die Angriffsvorbereitungen unabhängig vom Ausgang der angesetzten Gespräche mit Molotow planmäßig fortzusetzen. Molotow machte den Beitritt von Zugeständnissen abhängig, etwa von einem verstärkten Einfluss der Sowjetunion in Ungarn, Jugoslawien, Griechenland und der Türkei sowie von weiteren Konzessionen in Finnland und Rumänien. Zudem forderte die Sowjetunion in einer Note vom 25. November 1940, Japan solle die Bergwerkskonzessionen auf Nordsachalin an sie abtreten. Trotz mehrerer Nachfragen beantwortete Hitler diese Note nicht. Weder wollte er das finnische Nickelgebiet und das rumänische Erdölgebiet in Reichweite der Sowjetunion sehen, noch die Japaner zur Aufgabe ihrer Naphtha- und Kohlengruben bewegen. Die Geschichtswissenschaft geht heute jedoch davon aus, dass für Hitlers Politik „das sowjetische Verhalten bestenfalls Anlässe und Vorwände für die Kehrtwende gab, sie aber nicht verursachte“.
Hitler wies insbesondere Molotows weisungsgemäße Forderung nach weiteren Zugeständnissen in Bezug auf eine Neutralität Finnlands zurück. Dies deutete die Führung der Roten Armee, die damals eine weitere Besetzung Finnlands plante, als Kriegsvorhaben Hitlers. Stalin änderte seine Politik gegenüber Deutschland jedoch nicht: Im Januar 1941 schloss die Sowjetunion mit Deutschland ein Abkommen über die weitere Lieferung von Rohstoffen für Rüstungsgüter. Eine deutsche Umstellung auf Tiefenrüstung und Kriegswirtschaft unterblieb. Aufgrund der wirtschaftlichen und strategischen Vorteile für beide Seiten aus diesem Abkommen ging Stalin davon aus, dass auch Hitler vorerst den Status quo aufrechterhalten wollte. Seine expansive Balkanpolitik und der am 13. April 1941 geschlossene Japanisch-Sowjetische Neutralitätspakt sollten der Sowjetunion genug Zeit für verstärkte Aufrüstung geben.
Der Chef des Oberkommando des Heeres Halder hatte nach der Niederlage Frankreichs, die von Hitler angeordnete Teildemobilisierung unterlaufen, um „Schlagkraft im Osten“ aufzubauen und eine eigenständige Offensivplanung auf Generalstabs- und Armee-Ebene angeordnet. Deshalb konnte Brauchitsch in der Besprechung mit Hitler am 21. Juli 1940 detailliert über eine Operation gegen die Sowjetunion vortragen.
Weisung Nr. 21
Nach Hitlers Bekanntgabe seines Kriegsentschlusses am 31. Juli 1940 begannen OKW, OKH und OKM mit der strategischen Kriegsplanung und ließen jeweils unabhängige Angriffsstudien erstellen, die ab 3. September zusammengeführt und Hitler am 5. Dezember vorgelegt wurden. Vom OKH wurde am 5. August der Operationsentwurf Ost vorgelegt. Vom OKW kam die Loßberg-Studie. Am 9. August wurde mit dem Otto-Programm der eisenbahntechnische Ausbau des Aufmarschraumes für das Ostheer angeordnet. Am 28. August wurde mit dem Rüstungsprogramm B eine Umstellung der Rüstungswirtschaft auf die Schaffung eines Heeres von 180 statt 120 Divisionen befohlen. Am 18. Dezember 1940 erließ Hitler als „Führer und Oberster Befehlshaber der Wehrmacht“ die Weisung Nr. 21 an den Wehrmachtführungsstab im Oberkommando der Wehrmacht (OKW): Damit befahl er den Oberkommandos der drei Wehrmachtteile, den Angriff auf die Sowjetunion bis zum Mai 1941 gezielt vorzubereiten, um „auch vor Beendigung des Krieges gegen England Sowjetrussland in einem schnellen Feldzug niederzuwerfen (Fall Barbarossa)“. Es gelte, „die im westlichen Russland stehende Masse des russischen Heeres zu vernichten“ und eine Linie zu erreichen, von der aus die Luftstreitkräfte der Sowjetunion deutsches Gebiet nicht mehr angreifen könnten. Endziel der Operation sei die „Abschirmung gegen das asiatische Russland auf der allgemeinen Linie Wolga–Archangelsk“ (vgl. AA-Linie), also die Besetzung des Großteils der europäischen Sowjetunion.
Die AA-Linie als Ostgrenze eines projektierten „Großgermanischen Reiches“
Von Hayden120 - "Utopia: The 'Greater Germanic Reich of the German Nation'". Institut für Zeitgeschichte. München - Berlin. 1999., CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=18153420
Eroberungsstrategie
Anders als beim Westfeldzug stimmten Hitler und Wehrmachtführung über die Strategie und Ziele dieses Krieges weitgehend überein. Die bis dahin erstellten operativen Angriffspläne der drei Wehrmachtteile sahen eine Kette von Umfassungsbewegungen und Kesselschlachten mit dem Ziel vor, die Rote Armee zu vernichten.
Von Brauchitsch und Adolf Hitler bei einer Führerparade der Wehrmacht in Warschau, 1939
Von Bundesarchiv, Bild 183-2001-0706-501 / Mensing / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5426139