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Jona Dreyer

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Beschreibung

In Sylvains Leben zählt vor allem eines: seine Arbeit. Das ändert sich allerdings schlagartig, als er auf dem Rückweg von einer Geschäftsreise an einem Truck Stop auf Max trifft. Max ist ein Stricher, ein Ex-Junkie, und für nahezu alles bereit, um in seiner trostlosen Welt zu überleben. Kurzentschlossen bietet ihm Sylvain einen Deal an: Finanzielle Sicherheit gegen die Erfüllung seiner geheimsten Wünsche. Keiner der beiden ahnt, dass dies der Beginn einer verhängnisvollen Affäre ist …

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Veröffentlichungsjahr: 2021

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Used

Gay Drama

© Urheberrecht 2019 Jona Dreyer

 

Impressum:

Tschök & Tschök GbR

Alexander-Lincke-Straße 2c

08412 Werdau

 

Text: Jona Dreyer

Coverdesign: Jona Dreyer

Coverbild: depositphotos.com

Lektorat/Korrektorat:   Johanna Temme, Kelly Krause, Shan O’Neall, Kristina Arnold & Sandra Schmitt

 

Kurzbeschreibung:

»Der Reiz des Neuen, des Besonderen. Die Abwechslung zu einem routinierten Leben. Etwas Verrücktes tun.«

In Sylvains Leben zählt vor allem eines: seine Arbeit.

Das ändert sich allerdings schlagartig, als er auf dem Rückweg von einer Geschäftsreise an einem Truck Stop auf Max trifft.

Max ist ein Stricher, ein Ex-Junkie, und für nahezu alles bereit, um in seiner trostlosen Welt zu überleben.

Kurzentschlossen bietet ihm Sylvain einen Deal an: Finanzielle Sicherheit gegen die Erfüllung seiner geheimsten Wünsche.

Keiner der beiden ahnt, dass dies der Beginn einer verhängnisvollen Affäre ist ...

Über die Autorin

»Fantasie ist wie ein Buffet. Man muss sich nicht entscheiden – man kann von allem nehmen, was einem schmeckt.«

Getreu diesem Motto ist Jona Dreyer in vielen Bereichen von Drama über Fantasy bis Humor zu Hause. Alle ihre Geschichten haben jedoch eine Gemeinsamkeit: Die Hauptfiguren sind schwul, bi, pan oder trans. Das macht sie zu einer der vielseitigsten Autorinnen des queeren Genres.

Jede Sucht hat einmal als Suche begonnen.

(Andreas Tetzner)

Vorwort

Es gibt da einen Kink – strenggenommen sind es eigentlich drei in einer Kombination – den ich schon immer einmal in einer Geschichte verarbeiten wollte. »Used« ist das Ergebnis. 

Dazu sei Folgendes bemerkt: Bestimmte Kinks und die Wertschätzung des Partners müssen einander nicht ausschließen. Im Gegenteil: Sie bedingen einander. Ihr werdet beim Lesen sicher merken, was ich meine.

Ich wünsche euch spannende Stunden.

Prolog

Es gab viele Dinge, die für ihn ein Luxus waren. Ein Dach über dem Kopf. Immer genug zu essen. Ein Tag süßes Nichtstun. Der größte Luxus, nach dem er sich in diesem Augenblick allerdings sehnte, war das Atmen. Luft holen. Die Lungen dehnen, das Leben einsaugen.

Aber er konnte nicht.

Sein Körper gehorchte ihm nicht. Schrie zum Gotterbarmen nach Sauerstoff, aber der Befehl seines Gehirns erreichte seine Lunge nicht. Kein Brustkorb, keine Luftröhre ließen etwas hinein.

Atme.

Der Wille war da. Aber der Wille allein nützte nichts, wenn man nicht imstande war, ihn auszuführen. Diese Erfahrung hatte er in seinem Leben mehr als nur einmal gemacht.

»Eta taksche ni narmalna, eli?«, fragte eine Stimme bang. Tief, samtweich. Tröstlich. Er mochte es, wenn diese Stimme Russisch sprach, sie klang dann noch tiefer und männlicher als sonst schon.

»Da«, erwiderte eine andere, »ano pakaswaiza schto pamagait.«

Atme. Jetzt atme doch.

Sein Kopf fühlte sich an, als wollte er platzen. Der Druck hinter seinen Augen und das Hämmern unter der Schädeldecke waren unerträglich. Zwischen seinen Beinen wurde es warm und nass.

Komm schon, atme! Greif nach dem neuen Leben. Du kannst es haben. Du musst nur einen Schritt nach vorn machen.

»S’delaiti tschonibut, on sadihaitza!« Es war wieder die samtweiche Stimme, für die er das alles hier durchstand, für die er um mehr als nur seine Luft rang. Und die Stimme klang panisch.

Hab doch keine Angst um mich, würde er ihm gerne sagen, es wird schon alles irgendwie gut werden. Das hier muss ja so sein. Es ist ein gutes Zeichen. Aber wer nicht atmete, konnte auch nicht sprechen.

»Paschalosta, s’delaiti tschonibut, on umrjut snaschit! Esli snim schjuta slutschitza, snatschit ja wam golawu atabju! Eta ja wam abischaju!«

Wie leidenschaftlich du klingst. Und das nur für mich? Ich kann das immer noch nicht glauben. Es fühlt sich immer noch nicht ganz richtig an.

»Wi ospakjtis, eli menja was atzjuda atprawit!«, erwiderte der Russe mit hörbarer Ungeduld. »On budit dischat. Imu nada ischu paru minut.«

Ich bin für dich erstickt. Für mich, für uns beide. Weil ich es uns schuldig war. Es war gut so, aber jetzt will ich wieder leben, wieder atmen, von allein, weil ich zeigen will, dass ich die Kraft dazu habe.

Er schaffte es nicht. Es war wie sein ganzes Leben: Er wollte Dinge tun, aber er scheiterte. Immer und immer wieder.

»Ischu tri sikundaf«, sagte der Russe. »Esli on takda, sam nibudit dischat, ja budu imu pamagat.« Und dann auf Englisch: »Drei Sekunden, Max.«

Drei.

»Komm, bitte. Du schaffst das.« Die samtweiche Stimme wurde noch eine Spur zärtlicher. »Mein Süßester«, flüsterte sie. Der Kosename, bei dem er ihn immer rief.

Zwei.

Er schaffte es nicht. Es würde ihn umbringen. Er war ein Versager. Einer, der selbst idiotensicheres Glück noch vollkommen in den Sand setzte. Im Grunde verdiente er die Luft gar nicht, die er atmen wollte. Und doch wollte er leben.

Eins.

Kapitel 1

Ein Leben ohne Scheibenwaschanlage war sicher möglich, aber ob es auch einen Sinn hatte, stand auf einem anderen Blatt Papier. Auf der Interstate 8 durch Arizona erschien sie Sylvain jedenfalls als absolute Notwendigkeit. Wie ein feiner Film legte sich rötlich brauner Staub auf seine Windschutzscheibe und er wischte ihn in regelmäßigen, fast schon neurotischen Abständen fort. Was natürlich zur Folge hatte, dass das Wasser in der Spritzanlage bald aufgebraucht war und nachgefüllt werden musste.

Ich hasse Highway-Tankstellen.

Aber es war nicht nur die Scheibenwaschanlage, die nach einem Stopp schrie, sondern auch die Natur, die Erleichterung wollte. Bis Phoenix blieben immer noch knappe zwei Stunden Fahrzeit und die konnte er schwerlich mit drückender Blase verbringen. Also nahm er die nächste Abfahrt, die ihn zu einem Truck Stop führte, und hielt an der Tankstelle an. Er war nicht mit seinem besten Auto unterwegs, das war er nie auf langen, einsamen Strecken wie dieser. Ein Porsche würde nur unnötigerweise die Aufmerksamkeit kruder Gestalten an einsamen Raststätten auf sich ziehen, wenn er gezwungen war, zu stoppen, um zu tanken oder sich einen Moment die Beine zu vertreten. Für seinen komfortablen Japaner interessierte sich hingegen niemand. Somit auch weniger für ihn als potentielles Opfer eines Raubüberfalls.

»Du bist paranoid«, pflegte sein Kollege Jim zu sagen. Und das bezog er nicht nur auf seine Angst vor Raubüberfällen an Tankstellen, sondern auch auf die Horrorszenarien, die Sylvain sich ausmalte, wenn er in ein Flugzeug stieg. Was er möglichst vermied und dafür durchaus bis zu zwölf Stunden Autofahrt in Kauf nahm.

Es war nicht viel los an der Raststätte. Gerade mal zwei Trucks parkten am Rand, der eine mit zugezogenen Vorhängen, weil der Fahrer vermutlich schlief; vor dem anderen stand ein bärtiger Trucker und wischte mit einem Lappen an der Fahrertür herum. Ein einzelner PKW fuhr gerade davon.

Sengende Hitze schlug Sylvain entgegen, als er aus seinem Wagen stieg. So sehr er seine Klimaanlage liebte, ohne die er eine Fahrt durch die hiesige Wüstenlandschaft kaum überstehen würde, so groß war jedes Mal der Schock, wenn er sein Mikroklima für einen Moment verlassen musste.

Als Erstes erledigte er das wichtigere seiner beiden Vorhaben: Das Scheibenputzwasser auffüllen. Was seinen Drang, sich endlich auf einer Toilette zu erleichtern, nur noch mehr steigerte. Aus dem Augenwinkel nahm er wahr, wie der Trucker, der gerade noch mit einem Lappen an seinem Fahrzeug herumgewischt hatte, in Begleitung eines anderen Mannes auf das Hauptgebäude zuhielt und schließlich dahinter verschwand. Sylvain schlug die Motorhaube zu, stellte die Kanne weg und begab sich ebenfalls zum Hauptgebäude, allerdings hinein und nicht dahinter.

Er hatte schon schmutzigere Toiletten gesehen als diese. Eigentlich waren sie ganz in Ordnung, auf alle Fälle nicht so schlimm, dass er im Anschluss das Bedürfnis hatte, in Desinfektionsmittel zu baden. Das zweite Vorhaben erledigte sich deutlich schneller als das erste, er kaufte sich im Shop noch eine Cola und machte sich auf den Weg nach draußen, in Gedanken bereits zu Hause in seinem schicken, klimatisierten Loft. Wahrscheinlich würde er heute Abend einfach den Pizzaservice rufen und den Tag vor dem Fernseher ausklingen lassen. Ob mit Alec oder ohne, das spielte keine Rolle.

Als er aus dem Gebäude trat, war es allerdings nicht die Hitzewelle, die ihn einen Moment zurückhielt. Es war die plötzliche Erinnerung an ein Bild, das er vorhin nur beiläufig wahrgenommen hatte und das nun auf einmal seine Neugier weckte: Was gab es hinter dem Gebäude zu sehen? Was taten der Trucker und der andere Mann dort?

Vielleicht wird der Trucker gerade ausgeraubt. Oder ... nein, du schaust da jetzt nicht nach.

Aber was, wenn der Trucker gerade tatsächlich Opfer eines Hinterhalts wurde und Hilfe brauchte? Sylvain würde ja schließlich auch hoffen, dass ihm im Ernstfall jemand half. Noch während er über all diese Dinge nachdachte, setzten sich seine Füße bereits in Bewegung. Umrundeten das Hauptgebäude. Und blieben wie angewurzelt stehen, als er die beiden Männer entdeckte.

Der bärtige Trucker stand mit heruntergelassener Hose gegen die Wand gelehnt, den Kopf in den Nacken gelegt, die Augen geschlossen. Vor ihm kniete der andere, ein junger, dünner Kerl mit einem verwaschenen, dunkelblauen Basecap. Sichtlich bemüht lutschte er den Schwanz des Truckers. Hier wurde gerade wahrhaft niemand überfallen, aber anstatt das einzig Vernünftige zu tun und zu gehen, spähte Sylvain weiterhin wie gebannt um die Ecke und beobachtete die beiden. Vor allem konnte er den Blick nicht von der Kehle des jungen Mannes abwenden, die immer dann deutlich hervortrat, wenn der Trucker ihm den Schwanz bis zum Anschlag in den Rachen schob.

Gott, was ist das hier?

Natürlich wusste Sylvain, dass es solche Dinge gab, auch wenn diese Art von Prostitution verboten war. Er selbst hatte schon abgehalfterte Frauen mit hängenden Brüsten an den Truck Stops gesehen und genau gewusst, zu welchem Zweck sie sich dort aufhielten. Aber er hatte ein solches Stelldichein noch nie beobachtet, schon gar nicht zwischen zwei Männern.

Unvermittelt gab der Trucker einen gepressten Laut von sich, der junge Mann ließ den Schwanz aus seinem Mund schnappen, nahm ihn in die Faust und verhalf seinem Freier mit wenigen Handbewegungen zum Höhepunkt. Sylvain schämte sich vor sich selbst, weil seine eigene Härte sich deutlich gegen seine Hose presste, obwohl er ein nicht geringes Maß an Ekel empfand. Als der Mann mit dem Basecap seine Finger an einem zerknüllten Taschentuch abwischte, würgte es Sylvain leise. Er wandte sich ab, presste den Rücken gegen die Hauswand und atmete mit geschlossenen Augen durch. Einmal. Zweimal. Dreimal.

»Du kannst.«

Erschrocken riss er die Lider wieder auf und blickte in das Gesicht des vorbeilaufenden Truckers, der ihm zunickte wie einem Verbündeten.

Hast du etwa bemerkt, dass ich euch beobachtet habe?

Sylvain strich sich mit der flachen Hand über das Gesicht. Er sollte gehen. Aber er tat wieder nicht das, was vernünftig wäre, sondern wagte erneut einen Blick um die Ecke.

Der junge Mann nahm gerade einen Schluck aus einer Plastikflasche, gurgelte kurz und spuckte auf den Boden. Dann wischte er sich mit dem Unterarm den Mund ab, fischte eine Zigarettenschachtel aus seiner Hosentasche und zündete sich eine an.

Jetzt geh schon, Sylvain. Du willst doch heute noch zu Hause ankommen.

Er bewegte sich keinen Millimeter vom Fleck. Es kam, wie es kommen musste: Er wurde entdeckt.

»Hey.« Das Lächeln, das der Mann ihm zuwarf, konnte man kaum anders als freundlich nennen. »Kann ich dir irgendwie helfen?« Er kam ein paar Schritte näher. Sylvain erkannte hellbraune Augen unter dem Schatten des Basecaps und ein Gesicht, das aus der Nähe deutlich verlebter wirkte als aus der Distanz. Vielleicht war der junge Mann doch nicht mehr so jung.

»Ich ...« Schmerzhaft und unignorierbar meldete sich seine Erektion. »Ich hätte gern das Gleiche, was der Typ vor mir gerade auch hatte«, hörte er sich sagen. Es machte ihn ein wenig fassungslos und sein Herz schlug deutlich schneller als sonst.

»Ich soll dir einen blasen?«, hakte der andere unbekümmert nach. »Kann ich machen. Für ...«, sein Blick glitt an Sylvain hinab und wieder hinauf, »für zwanzig Dollar.«

O Gott.

»Nein.« Sylvain räusperte sich, weil seine Stimme belegter klang, als es ihm recht war. »Nein, tut mir leid. Ich sollte gehen.«

»Oh, nicht doch!« Der andere wirkte regelrecht besorgt, seine Augen wurden groß und die etwas wilden Brauen zogen sich zusammen. »Nicht doch. Sorry. Ich war ein bisschen dreist, sorry! Zehn Dollar, keinen Cent mehr.«

Zehn Dollar? Du würdest ernsthaft für lausige zehn Dollar einem wildfremden Mann einen blasen?

Sylvain sollte gehen. Wirklich. Er vertrödelte hier ohnehin schon viel zu viel Zeit, und das, was er hatte erledigen wollen, war längst getan. Aber da war noch diese andere Seite in ihm, die ihn davon abhielt, vernünftig zu sein. Die, die über die Stränge schlagen wollte. Ungehöriges tun, Ungehöriges einfordern. Die, die beim Sex mit seinem Partner Alec Dinge fantasierte, die in ihrem Schlafzimmer eigentlich nichts zu suchen hatten, und die sich doch immer wieder in seine Gedanken drängten. Er nickte stumm und holte das Portemonnaie aus seiner Hosentasche. Er würde es in der Hand behalten, damit der Kerl es ihm nicht stehlen konnte, während er ...

Während er meinen Schwanz lutscht.

Sanft, als sei er nicht sicher, ob er ihn berühren durfte, packte ihn der Mann am Ärmel und führte ihn etwas weiter hinter das Gebäude. Dann schnippte er seine Zigarette weg, ging er vor ihm auf die Knie und öffnete ihm den Hosenstall.

Wie in Trance beobachtete Sylvain die langen Finger mit den etwas abgekauten, aber einigermaßen sauberen Nägeln, die sich unter den Bund seines Slips stahlen und ihn herunterzogen. Beschämend hart schnellte sein Schwanz hervor. Der Mann drehte den Schirm seines Basecaps nach hinten und zögerte nur einen winzigen Augenblick, bevor er ihn in den Mund nahm.

Du weißt doch gar nicht, ob ich schmutzig bin, schoss es Sylvain durch den Kopf. Natürlich machte er mit Sicherheit keinen schmutzigen Eindruck, allenfalls einen verschwitzten. Aber er musste unwillkürlich an den Trucker denken, den der Kerl vor ihm befriedigt hatte. Er musste verzweifelt sein, wenn er sich jedem so ohne Zögern anbot. Und beschämenderweise war es genau dieser Umstand, der Sylvains Erregung immens steigerte. Mehr als jeder Pornofilm und jedes Kopfkino, denen er in letzter Zeit gefrönt hatte.

Der Mann wusste ohne jeden Zweifel, was er tat und wie er es schnell hinter sich brachte, und er hatte Routine darin. Das Spiel seiner Zunge war geschickt, der Sog nicht zu fest und nicht zu sanft. Sylvain hatte das Bedürfnis, ihm das Basecap vom Kopf zu stoßen, aber er fasste ihn nicht an, sondern lehnte sich gegen die Wand. Schloss nicht die Augen, sondern beobachtete die Lippen, zwischen denen sein Schaft wieder und wieder verschwand. Wie der Schwanz des Truckers vor ihm. Und wer wusste, wie viele noch, allein heute. Er sollte das hier nicht tun, doch genau das machte den Reiz aus. Er ließ sich treiben, bewegte rhythmisch sein Becken, stieß tiefer in den Rachen und genoss das Kribbeln, das sich in Wellen in seinem gesamten Körper ausbreitete und eine süße Schwäche in seine Knie sandte.

Plötzlich wich der Kerl zurück und Sylvain wurde von seinem eigenen Höhepunkt regelrecht überrumpelt. Er hatte ihn im wortwörtlichen Sinne nicht kommen sehen, nicht so schnell, nicht so heftig. Mit aller Gewalt unterdrückte er das lustvolle Keuchen, das sich aus seiner Kehle pressen wollte, und sah dabei zu, wie er sich auf die Hand und sogar ungewollt ein wenig auf das Gesicht des Mannes verspritzte. Der kniff ein Auge zu und lächelte nachsichtig, während er ein Papiertaschentuch aus der Tasche seiner verwaschenen Jeans fischte und sie beide damit säuberte.

Wie in Trance packte Sylvain seinen Schwanz zurück in seine Hose und schloss Knopf und Reißverschluss. War das hier gerade wirklich passiert? Hatte er sich allen Ernstes hinter einem Truck Stop von einem wildfremden, nicht einmal sonderlich hübschen Stricher einen blasen lassen, obwohl er eigentlich nur sein Scheibenputzwasser hatte auffüllen wollen? Wie Sekunden waren die vergangenen Minuten einfach an ihm vorbeigerauscht und er fühlte sich benommen. Nicht wie er selbst. Aber seltsamerweise auch nicht schlecht.

Der Kerl drehte sein Basecap wieder nach vorn und langte in seine Hosentasche; diesmal zog er eine Schachtel Zigaretten heraus und hielt sie ihm hin. »Willst du eine?«

Sylvain hob abwehrend eine Hand. »Nein, danke. Können wir das Finanzielle regeln? Ich muss weiter.«

»Oh, na klar.« Der andere zündete sich eine Zigarette an und nahm einen Zug. »Also zehn Dollar, wie gesagt.«

Sylvain holte einen Fünfzig-Dollar-Schein heraus und reichte ihn dem Mann. Der schüttelte den Kopf.

»Sorry, ich kann dir nicht rausgeben. Hast du vielleicht zwanzig? Einen Zehner könnte ich dir wechseln.«

»Du sollst mir nichts rausgeben. Das stimmt so.«

»Das ist ein Fünfziger«, erklärte er und in seiner Stimme schwang eine Mischung aus Skepsis und Vorsicht mit, als zweifelte er an Sylvains Verstand.

»Ich weiß, dass das fünfzig Dollar sind«, gab Sylvain ungeduldig zurück. »Ich bin nicht blöd.«

»Entschuldigung. Es ist nur ein bisschen viel Trinkgeld und ich wundere mich–«

»Du findest fünfzig Dollar zu viel dafür, einem wildfremden Kerl hinter einer Raststätte einen zu blasen?«, fuhr er ihn an. »Dessen Schwanz schmutzig sein und sonstwo gesteckt haben könnte? Ehrlich?« Er wusste nicht, warum er so wütend war, aber am liebsten würde er diesem Stricher eine Ohrfeige verpassen.

»Ich ...« Mit einem leisen Kopfschütteln nahm der andere den Geldschein entgegen und steckte ihn ein. »Vielen Dank, ich dachte nur vorhin, dass zwanzig Dollar dir zu teuer waren.«

»Darum ging es nie.« Sylvain fuhr sich durchs Haar und ein Beben wie von einem Kälteschauer rann durch seinen Körper, trotz der sengend heißen Temperaturen. »Also dann ... danke und ... mach’s gut.« Er nahm seine Colaflasche und ging.

»Bye«, hörte er den Mann in seinem Rücken sagen. Er hatte eine schöne Stimme.

Kapitel 2

Kopfschüttelnd blickte Max dem seltsamen Typen hinterher, der in einen Toyota stieg und davonfuhr. Das Auto passte nicht zu ihm. Er war eindeutig ein Schlipsträger, das hatten die schicke Anzughose und das hochwertige, weiße Hemd verraten. Solche Männer verirrten sich eigentlich so gut wie nie hierher, schon gar nicht zu ihm. Irgendetwas hatte mit diesem Kerl nicht gestimmt, er war so seltsam nervös gewesen, vielleicht ein Krimineller auf der Flucht. Aber wenn einer auf der Flucht war, hatte er bestimmt andere Gedanken, als sich erst mal den Schwanz lutschen zu lassen.

Max holte den Fünfzig-Dollar-Schein aus seiner Jackentasche und betrachtete ihn noch immer ungläubig. Er sah echt aus. So einen Schein hatte er schon lange nicht mehr in den Händen gehalten, denn solche Preise konnte er von den Truckern nicht verlangen. Die würden ihn nur auslachen und zur nächsten Station weiterfahren, wo es ihnen irgendjemand billiger besorgte. Aber der hier war in jeder Hinsicht anders gewesen als sein übliches Klientel.

Er steckte den Schein wieder ein und wollte gerade in den Shop gehen, um sich ein Sandwich und eine Tüte Chips zu kaufen, als Pablo, der Inhaber des Truck Stops, um die Ecke kam. Er war ein kleiner, untersetzter Mann um die sechzig und ging in seiner typischen, leicht gekrümmten Haltung, weil ihm andauernd sein Rücken zu schaffen machte. Jedenfalls wurde er nicht müde, vor anderen darüber zu jammern.

»Hey Maxie.«

»Hey.«

»Was wollte der Typ da von dir?« Er nickte bedeutungsschwanger in Richtung Parkplatz, von dem der Toyota schon längst heruntergefahren war.

»Schwanzlutschen.«

Pablo nickte und wirkte beeindruckt. »Noble Kundschaft.«

»Ja, ich war auch verwundert. Für einen Moment hatte ich sogar die Befürchtung, es könnte ein Bulle sein.« Max hielt ihm die Zigarettenschachtel hin. »Willst du eine?«

»Nein.« Pablo winkte ab. »Ich rauche deine Marke nicht, das weißt du doch. Ich wollte eigentlich nur fragen, ob du an die Miete für diese Woche denkst. Und die von der letzten schuldest du mir auch noch.«

»Wie viel?«

»Hundert Dollar und das weißt du genau.« Pablo zog die Stirn kraus. »Und jetzt komm mir nicht wieder mit faulen Ausreden.«

Seufzend griff Max in seine Hosentasche und zog alle Scheine heraus, die er hatte, nur einen hielt er zurück, um sich noch etwas zu essen zu kaufen. »Ich kann dir sechzig Dollar geben. Mehr hab ich leider nicht eingenommen in den letzten Tagen.« Es tat ihm weh, Pablo ausgerechnet den schönen Fünfziger geben zu müssen, aber ihm blieb keine Wahl. »Wäre der komische Kerl gerade nicht gewesen, könnte ich dir sogar nur zehn geben. Es war total seltsam: Ich habe kackdreist zwanzig Dollar von ihm verlangt, er wollte daraufhin gehen und ich dachte, ich war zu frech. Bin auf meine üblichen zehn runtergegangen. Und dann gibt der mir fünfzig. Verrückt, oder? Ich bräuchte mehr von der Sorte.«

Pablo steckte das Geld ein und seufzte ebenfalls tief. »Vierzig Dollar bis Ende der Woche, Max.«

Er vergrub das Gesicht in den Händen. »Ich weiß nicht, ob ich das schaffe. Kann ich’s vielleicht abvögeln?«

»Nein.« Pablo verschränkte die Arme. »Ich habe auch meine laufenden Kosten, und die muss ich aus den Mieteinnahmen bezahlen. Die kann man nicht abvögeln. Abgesehen davon spielt die Vögelei in meinem Alter sowieso keine große Rolle mehr. Und wenn’s mich juckt, dann geh ich zu einer Frau. Ich steh nun mal nicht auf Jungs, auch wenn ich weiß, dass du besser bläst als die abgehalfterten Huren.«

»Die mir das Geschäft kaputtmachen«, ergänzte Max bitter. »Es läuft beschissen, seit ich wieder da bin. Ich hätte nie dort sein dürfen, wo ich war.«

»Sag das nicht«, bat Pablo beschwichtigend, »der Entzug war nötig und gut. Du hattest ja auch gar keine andere Wahl.«

»Das sagst du jetzt so, bist mir aber schön in den Rücken gefallen.« Nervös zündete sich Max die nächste Zigarette an. Er sollte nicht so viel rauchen, das fraß unnötig Geld, aber er konnte gerade nicht anders. »Während ich fort war, hast du zugelassen, dass sich diese Nutten hier ansiedeln.« Er warf einen düsteren Blick über die Schulter, wo sich auf dem Parkplatz zwei verlebte Latinas in billiger, knapper Kleidung herumdrückten und auf Kundschaft warteten.

»Was erwartest du denn von mir?«, fragte Pablo und hob die Schultern. »Alles, was die Trucker dazu bringt, in dieser Einöde hier zu rasten, ist mir recht. Ich muss auch sehen, wie ich meinen Arsch an die Wand bekomme.«

»Und mir damit meine Grundlage entziehen? Toll. Wenn die Trucker die Wahl haben, ob sie zu einem Kerl gehen oder zu einer von denen, dann wählen sie die Frauen, denn die meisten sind nicht schwul.«

»Du findest dich schon wieder ein.«

»Dein Wort in Gottes Ohr. Ich habe keine Ahnung, was ich machen soll, wenn nicht.«

Pablo stöhnte auf und löste die Verschränkung seiner Arme. »Na schön. Hör zu, Maxie, ich gebe dir noch diesen Monat, um wieder klarzukommen und du gibst mir eben so viel, wie du kannst. Aber danach ist Schluss. Entweder, du zahlst die Miete für dein Zimmer, oder du fliegst raus. Du weißt, dass ich dich gut leiden kann, aber ich bin nicht die Wohlfahrt. Das Leben ist wie ein Schwanz: Die Frauen machen es hart.«

»Klar. Und ich bin ja dankbar dafür, dass du mir überhaupt eine Chance gibst.« Max drückte seine Zigarette aus, klopfte sich auf die Schenkel. »Ich schau dann mal, ob ich für heute noch jemanden klarmachen kann. Da fährt gerade ein Neuer ein.«

»Viel Glück.«

Max überquerte den Parkplatz und hielt auf den Truck zu, der gerade hinter den anderen beiden parkte. Vielleicht war heute sein Glückstag und er fand noch einen willigen Kunden. Unauffällig drückte er sich in der Nähe des Trucks herum und behielt ihn im Blick. Er wollte den Fahrer nicht sofort belästigen, sondern ihm einen Moment zum Durchschnaufen geben, bevor er ein Angebot machte. Er musste hier unbedingt wieder Fuß fassen, wenn er nicht auf der Straße sitzen wollte. Pablo war so großzügig gewesen, ihm nach der Rückkehr von seinem Entzug ein kleines, möbliertes Apartment zu überlassen, aber dennoch blieb er weiterhin von der Obdachlosigkeit bedroht, denn wie er die Miete aufbringen sollte, wusste er nicht. Mit Blasen und gelegentlichem Arschficken an einem Truck Stop verdiente man kein Vermögen, aber vor seiner längeren Abwesenheit hatte es zumindest oft für ein Motelzimmer gereicht. Anderswo hingehen war jedoch keine Option, denn es war ein gefährliches Spiel, was er trieb. Prostitution war hier in Arizona wie in fast allen Bundesstaaten verboten. Pablo bot ihm an dieser Raststätte Schutz und einen mehr oder weniger festen Platz zum Arbeiten; dafür bekam Pablo mehr Kundschaft, an der wiederum er verdienen konnte. Und bis diese verdammten Nutten hier aufgetaucht waren, während er seinen Entzug gemacht hatte, war er sogar konkurrenzlos gewesen. Aber jetzt bekam er hier ein ernsthaftes Problem, und während er noch darüber nachgrübelte, kamen die beiden Frauen schon auf ihren pervers hohen Schuhen angestöckelt. Max fluchte leise und schloss zu ihnen auf.

»Haut ab hier!«, rief er ihnen zu.

Sie blieben stehen und drehten sich um. Die eine musterte ihn mit zusammengezogenen Brauen, die andere stopfte sich betont gelangweilt die Brüste im Ausschnitt zurecht und kaute Kaugummi.

»Was hast du gerade gesagt?«, wollte die Erste wissen.

»Dass ihr abhauen sollt. Das hier ist mein Revier.«

Sie sagte etwas auf Spanisch zu ihrer Kollegin und die beiden lachten höhnisch auf. »Also Pablo sieht das anders. Und jetzt zieh Leine, Kleiner, oder wir treten dir in die Eier.« Demonstrativ hob sie einen Fuß und präsentierte ihren Stiletto. »Du bist niedlich, aber dich braucht hier niemand.«

Die Fahrertür des Trucks wurde geöffnet und ein grauhaariger, nicht allzu großgewachsener Mann stieg aus.

»Na Süßer«, begann die Kaugummikauende, ehe Max überhaupt den Mund öffnen konnte, »Lust auf ein bisschen Entspannung? Du warst doch jetzt bestimmt ganz lange allein unterwegs.«

Der Trucker runzelte die Stirn und machte eine scheuchende Handbewegung. »Lasst mich in Ruhe, ich habe kein Interesse an sowas. Ich bin seit dreißig Jahren glücklich verheiratet.« Sichtlich energisch, wohl um weiteren Anbahnungsversuchen zu entkommen, stapfte er hinüber zum Hauptgebäude.

Max grinste in sich hinein. Insgeheim freute er sich, dass es den beiden gerade das Geschäft verhagelt hatte, auch wenn er gerade ebenso wenig eins gemacht hatte. Er trottete ebenfalls in Richtung Shop, um sich von seinem verbliebenen Zehner endlich etwas zu essen zu kaufen, und der seltsame Mann in den feinen Klamotten fiel ihm wieder ein. Er war hübsch gewesen, kein aalglatter Schönling, dafür waren seine Nase und seine Kinnpartie zu markant. Sein dunkelbraunes, kräftiges Haar waren locker aus dem Gesicht gekämmt und der Dreitagebart hatte dem ohnehin eher finsteren Gesichtsausdruck noch etwas Strengeres verliehen. Aber eigentlich waren es die Augen, die Max nicht mehr aus dem Kopf gingen. Sturmgrau wie der Tornado, den er vor acht Jahren mit eigenen Augen gesehen hatte. Genauso brodelnd und ungezügelt, auch wenn er mit völlig beherrschter Miene auf Max herabgesehen hatte. Offensichtlich einer dieser Kerle, die sich normalerweise den Schwanz zwischen die Beine klemmten, damit er nicht verriet, was sie wirklich wollten. Solche Männer kannte Max zur Genüge. Aber bei diesem Exemplar war es schade, dass er ihn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nie wiedersehen würde. Er war eine interessante Abwechslung zu seiner üblichen Kundschaft gewesen, und für fünfzig Dollar musste er normalerweise fünfmal so viele Schwänze blasen, vor allem keine so hübschen.

Max kaufte sich ein abgepacktes Sandwich, eine Tüte Chips und eine Flasche Cola, bevor er zur Toilette ging, um sich zu erleichtern. Dort traf er auf den Trucker von gerade eben. Der schien ihn ebenfalls wiederzuerkennen, denn er sprach ihn an.

»Diese Weiber da sind ganz schön aufdringlich.«

Max grinste gequält und stellte sich an das Pissoir neben dem Mann. »Ja, das sind sie allerdings. Ich finde es netter, die Leute erst mal ankommen und einen Moment verschnaufen zu lassen. Aber die beiden sind wie die Aasgeier und stürzen sich sofort auf die Beute.«

»Und du?«

»Ich sehe, was übrig bleibt.« Er seufzte erleichtert, als der Druck nachließ. Der Trucker schloss bereits seinen Hosenstall.

»Was muss ich dir bezahlen, wenn ich dich mit in meine Fahrerkabine nehmen will?«

Max war überrascht. »Das kommt ganz darauf an, was wir dort machen.« So viel zum Thema seit dreißig Jahren glücklich verheiratet.

»Hm.« Der Trucker legte eine Hand an sein Kinn. »Du hast einen hübschen Arsch und ich habe lange keinen mehr weggesteckt.«

»Für dreißig Dollar im Voraus darfst du ihn versenken.«

»Klingt gut.« Der Mann lächelte. Es gab durchaus Typen, die mehr Widerwillen in Max auslösten als dieser. »Ich denke, wir kommen ins Geschäft.«

»Na dann.« Er schüttelte die letzten Tropfen ab, schloss seinen Hosenstall und ging sich die Hände waschen. »Lass uns gehen.« Er nahm seinen kleinen Einkauf an sich und verließ gemeinsam mit dem Trucker das Gebäude. Die dummen Blicke der Nutten, als er in den Truck stieg, quittierte er mit einem triumphalen Lächeln. Sollten die beiden sich ruhig schwarzärgern, das hatten sie davon, wenn sie ihn verhöhnten.

Karma is a bitch!

Zu seiner Verwirrung ließ der Trucker den Motor an.

»Wo wollen wir denn hin?«

»Ich will’s nicht direkt hier auf dem Parkplatz machen«, verkündete der andere, »wir fahren ein Stück. Ich bring dich dann wieder hierher.«

Mit einem Mal wurde Max mulmig zumute. Er verließ seinen sicheren Hafen nur ungern, weil anderswo niemand ein Auge auf ihn hatte, aber die Gelegenheit auf dreißig Dollar konnte er nicht ausschlagen, wenn er Pablo bei Laune halten und nicht sein schönes Zimmer verlieren wollte. Etwa drei Meilen weiter, mitten im Niemandsland, hielten sie an.

»Zieh dich aus«, forderte der Trucker. Etwas in seiner Stimme hatte sich verändert. Es klang irgendwie bedrohlich.

»Ich ... ich ...«, stammelte Max und wusste nicht recht, wie ihm geschah.

»Ausziehen, sagte ich!«, donnerte der Mann, öffnete die Schnalle seines Gürtels und zog ihn aus seinem Hosenbund.

»Okay, also mir ist das gerade ziemlich unangenehm. Vielleicht kommen wir doch nicht ins Geschäft, bringen Sie mich bitte wieder zurück zum Truck Stop?« Angst schnürte ihm die Kehle zu. Er hatte schon mehrere unangenehme Erlebnisse dieser Art gehabt und gedachte eigentlich nicht, ein weiteres hinzukommen zu lassen.

»Willst du mich verarschen?«, grollte der Trucker. »Hier hast du deine dreißig Mücken, ich leg dir sogar noch einen Zehner Trinkgeld drauf, und jetzt mach endlich was ich sage und zieh dich aus.«

Max schluckte hart, aber er leistete dem Befehl Folge. Vielleicht stand der Kerl einfach auf die harte Nummer und vierzig Dollar waren vierzig Dollar, so viel wie Pablo bis zum Ende der Woche eigentlich von ihm haben wollte.

»Und jetzt knie dich auf den Sitz.«

Er tat, wie ihm geheißen. Leder legte sich um seinen Hals. Der Gürtel. Und er wurde zugezogen. Max’ Freude darüber, den Nutten ein Schnippchen geschlagen zu haben, war längst verflogen.

Vielleicht überlebe ich das hier gar nicht, durchfuhr es ihn. Vielleicht bringt er mich um.

Kapitel 3

Lustlos kickte Sylvain seine Schuhe von den Füßen, als er endlich seinen Loft betrat, und warf seine Reisetasche in eine Ecke. Ihm hämmerte der Kopf, und nicht nur der. Die letzten zwei Stunden Fahrt hatte er in einer Art Trance verbracht, konnte sich kaum daran erinnern.

Er fühlte sich schuldig. Nicht, weil er sexuellen Kontakt mit einem anderen Mann gehabt hatte, das war zwischen ihm und Alec für gewöhnlich kein Problem. Es war mehr die Art des Kontakts, die ihm Kopfzerbrechen bereitete. Ein mehr oder weniger junger Mann in finanzieller Not, der hinter einer Raststätte seine Dienste anbot, um irgendwie überleben zu können. Er, Sylvain, hatte das ausgenutzt. Und es hatte ihn erregt wie schon lange nichts mehr. Machte ihn das zu einem schlechten Menschen? Vielleicht. Zu einem schwachen auf alle Fälle. Und dennoch ...

»Syl, bist du das?«

Nein, hier ist ein Einbrecher, der sich gleich namentlich vorstellt. Was für eine dumme Frage.

»Ja, ich bin’s.« Er schlurfte hinüber ins Wohnzimmer und fand Alec auf der Couch, im seidenen Morgenmantel, wie so oft.

Hast du heute überhaupt irgendwas gemacht?, dachte Sylvain grollend. Oder hast du wieder nur herumgelegen und dich über dein Schicksal als ach so genialer, aber unverstandener Künstler beklagt?

»Du kommst spät.« Alecs Stimme klang betont gelangweilt, aber das Funkeln in den dunklen Augen verriet seine Verärgerung. Wo Sylvain in der Regel beherrscht und diszipliniert war, ging Alec bei jedem bisschen in die Luft und veranstaltete ein gigantisches Drama in unzähligen Akten. Das war nur schwer zu ertragen. Aber manchmal, wenn Sylvain sich fragte, warum sie überhaupt noch zusammen waren, war das die Antwort: Er hatte keine Lust auf dieses Drama, diese Schlammschlacht, die unweigerlich folgen würde, wenn er Alec verließ. Also hielt er ihn aus. In vielerlei Hinsicht.

»Ich bin langsam gefahren, weil ich müde war.« Er ließ sich neben ihm auf der Couch nieder und stützte die Unterarme auf die Schenkel. Der Kopfschmerz wurde stärker, zog vom Nacken her in seine Schläfen.

»Hm. Ich dachte eigentlich, wir könnten heute mal wieder in den Club gehen. Perry hat mir geschrieben und gefragt, wann wir mal wieder kommen. Wir werden vermisst.«

»Du kannst ruhig gehen.«

»Nein, ich wollte schon, dass du mitkommst.«

Sylvain schüttelte den Kopf. »Du weißt, dass die Clubs nicht so mein Ding sind. Zu viele Leute und Spanner. Aber geh du und amüsier dich, ich will mir heute nur noch eine Pizza bestellen und ins Bett.«

Alec verdrehte die Augen, warf die Fernbedienung beiseite und stand auf. »Mit dir ist auch nichts mehr los, Sylvain Aronofsky. Du bist wie ein angestaubter Greis.«

»Blödsinn.« Sylvain runzelte die Stirn und erhob sich ebenfalls. »Aber im Gegensatz zu dir arbeite ich hart und bin jeden Tag viele Stunden unterwegs. Da steht mir nicht der Sinn nach Rumfickerei in irgendwelchen Etablissements.«

Aber ein Quickie an der Raststätte, der geht, du Heuchler.

»Oh, die Diskussion also wieder. Der Herr ist der Meinung, dass ich nicht arbeite. Wenn’s dich so stört, dass ich keinen Nine-to-five-Job habe, warum wirfst du mich dann nicht raus?«

Weil es mit einem Rauswurf nicht getan wäre, ich kenne dich gut genug.

Manchmal wünschte sich Sylvain, Alec würde den ersten Schritt machen und ausziehen. Aber das war noch unwahrscheinlicher, als dass er ihn vor die Tür setzte, denn Alec war mit seinem unsteten Einkommen als Künstler auf einen Partner mit einem festen Gehaltsscheck angewiesen.

»Hör zu, ich will nicht streiten«, lenkte er ein, »aber ich bin wirklich müde. Geh in den Club und amüsier dich, lass dich von einem heißen Muskelprotz aufreißen und genieße den Abend.«

Alec entspannte seine angriffslustige Haltung ein wenig und wirkte versöhnlicher. »Ich würde viel lieber mal wieder von dir aufgerissen werden.«

»Wenn ich ausgeschlafen bin.«

»Das bist du nie.«

»Tja. Wenn ich weniger arbeiten müsste ...«

Alec keuchte entnervt und verdrehte die Augen. »Ich geh mich dann mal fertig machen.« Mit hoch erhobenem Kinn stolzierte er ins Badezimmer und schlug die Tür hinter sich zu.

Stöhnend ließ sich Sylvain wieder auf die Couch plumpsen und lehnte sich zurück. Gott sei Dank wollte Alec doch noch in den Club gehen, sodass er selbst den Abend allein verbringen konnte. Was gut war, denn ihm stand gerade nicht der Sinn nach Gesellschaft. Er musste grübeln. Und dazu brauchte er Ruhe.

Während aus dem Badezimmer erst das Rauschen der Dusche und anschließend das des Föhns ertönte, dachte Sylvain darüber nach, wofür der Kerl an der Raststätte wohl die fünfzig Dollar ausgeben würde. Für Essen? Oder doch eher Drogen? Es hatte ja sicher seinen Grund, warum er anschaffen ging. So jemand führte selten ein geordnetes Leben. Drogen, Schulden, irgendetwas war da. Was auch immer.

»So, also ich wäre dann fertig.« Umgeben von einer Parfumwolke kam Alec aus dem Bad, das blondierte Haar aufwändig gestylt, ansonsten splitternackt. Er hatte keinen üblen Körper, im Gegenteil. Und er wusste durchaus um seine Wirkung und wie man diese einsetzte. »Du willst wirklich nicht mitkommen?«

»Nein. Du ziehst dir aber noch was an, oder?«

Alec rümpfte die Nase. »Natürlich, ich werde mich ja wohl kaum nackt ins Taxi setzen.« Er ging hinüber zu seiner Kleiderstange und begann, sich ein Outfit zusammenzusuchen.

Sylvain angelte nach der Fernbedienung und zappte geistesabwesend durch die Kanäle. Schon wieder glitten seine Gedanken zu dem Truck Stop am Highway und dem Kerl, dessen Namen er nicht einmal kannte. Er kannte auch die Namen der Männer nicht, mit denen er irgendwann einmal in einem Dark Room verkehrt hatte, aber das hatte ihm nie Kopfschmerzen bereitet. Es hatte ihn allerdings auch nie so erregt. So ein Kribbeln beschert, so ein Bedürfnis nach mehr davon. Das auf dem Rastplatz war kein Rollenspiel gewesen, bei dem einer den Stricher und einer den Freier gespielt hatte. Der Stricher war echt gewesen. Hatte Geld genommen und ihn dafür befriedigt. So simpel. So ohne jedes Drama. Der Gedanke machte ihn augenblicklich wieder hart. Alec drehte sich zu ihm um und Sylvain legte die Hände in den Schoß, um seine Erektion zu verdecken.

»Ich verschwinde dann mal. Viel Spaß mit deiner Pizza.«

»Dir auch viel Spaß. Wann bist du zurück?«

Alec winkte ab. »Nicht vor dem Morgen.«

Soll mir recht sein.

Die Tür fiel ins Schloss. Sylvain war allein. Ganz allein mit sich und seinen erregenden Gedanken. Er ließ die Fernbedienung links liegen, stand auf und ging ins Badezimmer. Die Luft war noch feucht und roch nach dem süßlichen Duschgel, das Alec immer benutzte. Sylvain zog sich aus und warf die Kleidung achtlos beiseite. Sein Ständer war so hart, dass es schmerzte. Kurz überlegte er, ob er eine kalte oder eine lauwarme Dusche nehmen sollte, und entschied sich für die warme. Er wollte es auskosten. Im Kopf noch einmal rekapitulieren und sich daran ergötzen.

Entschlossen drehte er das Wasser auf. Ein Schwall aus kühlem Nass blieb ihm erspart, weil es noch warm von Alecs Dusche war. Er genoss das Gefühl, wie es über seinen Körper rann und die Muskeln langsam entspannte. Das angenehme Ziehen in seinem Unterleib wurde stärker. Er nahm das Duschgel zur Hand – sein eigenes, das deutlich herber roch als das von Alec –, drückte einen Klecks auf seine Handfläche und verteilte es auf seinem Körper. Zufrieden spürte er die Festigkeit seiner Muskeln, auch wenn diese nicht mehr mit früher vergleichbar war, weil er nur noch selten Zeit für sein Fitnesstraining fand. Im letzten Jahr hatte er die Vierzig überschritten und das Leben ging an niemandem spurlos vorüber. Was seine Gedanken wieder zu dem Stricher vom Truck Stop brachte. Wie alt mochte der wohl sein? Aus der Ferne hatte er sehr jung gewirkt, aus der Nähe jedoch seltsam verbraucht. Und wie er vor ihm gekniet hatte ...

Die Hand glitt in seinen Schritt und er stöhnte auf. Das Duschgel ließ jede Handbewegung flutschen, die Finger über den Schaft und zu den Hoden gleiten.

Wie du vor mir gekniet hast. Deine leicht zitternden Hände, die mir die Hose geöffnet haben.

Er nahm sein Glied in die Hand und umschloss es fest mit der Faust.

Dein warmer Mund, der meinen Schwanz umschlossen hat, ohne Zögern, ohne Diskussionen. Für lumpige zehn Dollar, die du dir davon erwartet hast.

Mit der Stirn lehnte er sich gegen die gläserne Duschwand, blickte hinab auf seine immer dunkler werdende Spitze, die wieder und wieder aus seiner geschlossenen Hand hervorschnellte.

Und vorher, da hattest du den anderen. Hast du von dem auch nur einen Zehner verlangt? Wie viele Schwänze hast du wohl heute schon gelutscht?

Dicke Tropfen traten aus seiner Eichel, vermischten sich mit dem glitschig-schaumigen Duschgel, so wie sein heiseres Stöhnen mit dem Rauschen des Wassers. Er bewegte sein Becken rhythmisch, stieß in seine eigene Faust, so wie er vor wenigen Stunden in den Mund des Mannes gestoßen hatte. Er fasste sich härter an. Erbarmungsloser. Trieb sich gnadenlos seinem Höhepunkt entgegen, während er dem Gefühl dieses saugenden Mundes nachspürte, das ihm nicht mehr aus der Erinnerung gehen wollte.

Was tust du wohl, wenn man dir mehr Geld gibt? Nicht fünfzig, sondern hundert, zweihundert? Wofür gibst du dich dann her?

Er stellte sich Dinge vor, die über Schwanzlutschen oder simples Ficken hinausgingen. Die er mit Alec nicht machen konnte, weil der sie nach eigenen Worten schräg fand. Sicherlich gab es Männer da draußen, die dazu bereit wären, aber diese erst einmal zu suchen und zu finden, dafür hatte er weder Zeit noch Muße. Seine besonderen Vorlieben waren nichts, was er zwanghaft brauchte, um überhaupt in Wallung zu kommen, aber die Sehnsucht wurde mit den Jahren nicht kleiner, sondern nahm zu, während die Normalität immer reizloser erschien. Das letzte Mal, als er versucht hatte, mit Alec intim zu werden, hatte er kaum einen hochbekommen. Jetzt war sein Schwanz hart wie Stahl, und das nur von bloßen Fantasien. Seine Hoden zogen sich an seinen Körper. Diesmal spürte er die Welle kommen.

»Fuuuck!«

Er pumpte in seine Hand und zwang sich, hinzusehen, als der erste sämige Faden aus ihm herausspritzte und auf die Duschwand traf. Und noch einer. Träge liefen sie an dem nassen Glas hinab, gegen das sich Sylvain keuchend stützte. Zweifellos war auch dieser Orgasmus von der heftigeren Sorte gewesen, aber mit dem hinter dem Truck Stop ließ er sich nicht vergleichen. Dazu fehlte etwas. Dazu fehlte jemand.

Seufzend spülte sich Sylvain ab und verließ die Dusche. Er fühlte sich seltsamerweise nicht erfrischt, sondern müde und erschöpft. Wahrscheinlich war das auch der Grund, warum er keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte und sich derart in etwas hineinsteigerte, was eigentlich keine große Sache war. Gähnend beschloss er, auf die Pizza zu verzichten, die seiner Linie ohnehin nicht guttat, und ging ins Bett. Die Klimaanlage lief auf Hochtouren und kühlte den Loft angenehm, aber trotzdem blieb sein Schlaf unruhig und ließ ihn immer wieder schwitzend erwachen. Jedes Mal sah er nach, ob Alec schon zurück war, aber der ließ sich, wie angekündigt, bis zum Morgen nicht blicken. Entweder war er noch im Club oder er übernachtete woanders.

Mit dem Sonnenaufgang stand Sylvain schließlich auf, bereitete sich seinen gewohnten Frühstückssmoothie zu, den er nur zur Hälfte trank, und starrte eine lange Zeit aus der bodentief verglasten Fensterfront auf die Dachterrasse, auf der zahlreiche Sukkulenten blühten. Zäh waren sie, diese Wüstenpflanzen, sie brauchten kaum Wasser und gaben sich unter den lebensfeindlichen Bedingungen eines Wüstenklimas mit sehr wenig zufrieden.

Wie manch einer mit einem Zehner für einmal Blasen.

Es nützte nichts. Er lief nervös vor den Fenstern auf und ab. Er musste es wissen. Nur einmal erfahren, das würde vielleicht schon reichen. Mit Sicherheit wäre es ernüchternd genug, um ihn wieder zu erden, so wie die meisten Dinge ihren Zauber bei einer Wiederholung verloren. Aber um das herauszufinden, musste er noch einmal dorthin. Er musste zurück zu diesem Truck Stop an der Interstate-8.

Kapitel 4

Er hatte Alec nur eine kurze Notiz hinterlassen, dass er geschäftlich spontan noch etwas erledigen musste, und war losgefahren. Er wusste nicht einmal mehr, wo genau sich der Truck Stop eigentlich befand, aber nach ungefähr zwei Stunden Fahrt in Richtung Süden müsste er zwangsläufig daran vorbeikommen.

Es war verrückt, was er hier tat. Er war verrückt. Wahrscheinlich überarbeitet und urlaubsreif. Ein paar freie Tage, vom Wochenende abgesehen, würden ihm sicher helfen, wieder einen klaren Kopf zu bekommen, aber das war momentan nicht möglich. Die Zeit drängte, und dieses immens wichtige Projekt, das er betreute, duldete keine Trödelei. Zu groß war das Risiko, dass einer der beiden Beteiligten sonst wieder absprang.

Wahrscheinlich ist der Stricher gar nicht da.

Niemand garantierte ihm, dass der immer dort herumlungerte, und selbst wenn, dann mochte er Kundschaft haben, mit der er sich wer weiß wohin verzogen hatte. Und dafür verfuhr Sylvain sinnlos Sprit. Es hatte Zeiten in seinem Leben gegeben, in denen sein Umweltbewusstsein deutlich ausgeprägter gewesen war als jetzt. Aber rationale Bedenken verhallten in dieser Angelegenheit sowieso im Nichts. Er musste sich selbst vor Augen führen, wie dumm und sinnlos es war und wie ernüchternd die Realität.

Ihm fiel erst auf, wie sehr er gerast sein musste, als der Truck Stop schon nach unter zwei Stunden Fahrtzeit in Sicht kam. Hätten Cops auf der Lauer gelegen und ihn erwischt, wäre das vermutlich ziemlich teuer geworden. Mit zunehmender Nervosität fuhr er auf dem Parkplatz ein und hielt Ausschau nach dem Stricher. Der war wie bereits befürchtet nirgendwo zu sehen.

Gott sei Dank. Und Scheiße.

Es war besser so, auch wenn er umsonst hierhergefahren war. Wie eine kalte Dusche. Er hielt an und stieg aus. Wenn er schon einmal hier war, dann konnte er auch gleich frühstücken, denn er war hungrig und durstig, weil er direkt nach dem Aufstehen losgefahren war. Er ging hinein in das kleine Diner, das sich in dem Gebäude neben dem Shop befand, und nahm an einem Tisch in der Ecke Platz. Die Bedienung wurde sofort auf ihn aufmerksam, weil er neben einem anderen Mann, der bereits aß, der einzige Gast war.

»Guten Morgen. Was darf’s denn sein?«

»Ein schwarzer Kaffee und ein großes Rührei mit Speck, bitte.«

Sie nickte und wandte sich ab. Da saß er also, wie der letzte Idiot, und schämte sich vor sich selbst. Er war ein Mann, der normalerweise mit beiden Beinen im Leben stand. Wie konnte es sein, dass er sich zu so einer lächerlichen Aktion hatte hinreißen lassen?

Der Reiz des Neuen, des Besonderen. Die Abwechslung zu einem routinierten Leben. Etwas Verrücktes tun.

Und das hier war zweifellos verrückt, so etwas erlaubte er sich sonst nie. Nun wusste er allerdings auch wieder, wieso. Es war die reine Zeitverschwendung.

Die Bedienung brachte ihm sein Frühstück, das zu seiner Überraschung sehr üppig und appetitlich aussah, und im gleichen Moment betrat jemand das Diner. Sylvain blickte auf. Um ein Haar wäre ihm die Gabel aus der Hand gefallen.

»Hey Betty, hast du einen Kaffee für mich?«

»Wenn du ihn bezahlen kannst.«

Es war der Stricher. Er trug die gleiche, verwaschene Kleidung wie gestern und wirkte müde. Sofort flammte alles wieder auf und brannte die vernünftigen Gedanken, die sich Sylvain gerade gemacht hatte, gnadenlos nieder. Trotz der klimatisierten Umgebung brach ihm der Schweiß aus und das Pochen in seinen Lenden nahm von Sekunde zu Sekunde zu. Das war nicht mehr normal.

Und dann drehte der Kerl sich um und entdeckte ihn. Seine Augen weiteten sich und er machte zwei, drei Schritte auf ihn zu, bevor er wie angewurzelt stehenblieb. Sein Gesichtsausdruck wirkte verunsichert, als überlegte er, ob er ihn ansprechen sollte oder nicht.

»Hi«, sagte er schließlich.

»Hallo«, gab Sylvain mit belegter Stimme zurück.

»So früh schon wieder hier unterwegs?«

Er nickte stumm und starrte auf diese Lippen, die sich gestern ...

»Du willst aber nicht deine fünfzig Dollar wieder, oder?«, fragte der andere merklich verunsichert. »Die habe ich nämlich schon ausgegeben.«

Und wofür? Für Essen, hoffe ich.

»Ich will sie nicht wieder, aber ...« Er stockte.

»Aber?«

Nervös sah sich Sylvain im Diner um. Der eine Gast machte sich gerade auf den Weg hinaus, ohne sie beide eines Blickes zu würdigen. »Komm doch her und setz dich.«

Zögerlich folgte der Stricher seiner Bitte und ließ sich ihm gegenüber am Tisch nieder. »Ist irgendetwas nicht in Ordnung?«

»Doch.« Sylvain räusperte sich. »Alles ist gut. Ich wollte dich nur etwas fragen.«

»Dann schieß los.«

Noch während er im Kopf nach der richtigen Formulierung suchte, kam die Bedienung und brachte den Kaffee. »Der geht auf mich«, verkündete er und sowohl der Kerl, als auch die Kellnerin warfen ihm einen erstaunten Blick zu. »Also.« Er senkte die Stimme. »Ich wollte fragen, ob du ... ob du noch mehr machst als das gestern.«

»Du meinst, ob du mich auch ficken kannst?«, versetzte der Stricher unbekümmert. »Klar. Kostet dann aber mehr als einen Zehner.«

»Wie viel?«

»Dreißig.«

»Nur dreißig Dollar?« Schon wieder spürte Sylvain diesen merkwürdigen Zorn in sich aufsteigen. Es war nicht richtig, dass jemand seinen Körper für so wenig Geld verkaufte. Genauso wenig wie es richtig war, dass er bereit war, dieses Geld zu zahlen.

»Für dich fünfzig, wenn du immer unbedingt mehr hinlegen willst«, gab der andere zurück und zwinkerte ihm neckisch zu.

Sylvain wollte gerade zu einer Erwiderung ansetzen, als ihm etwas auffiel. »Was ist das da an deinem Hals?«

»Was? Oh, das.« Der Stricher fasste sich an die rötlich-violette Spur, die sich kreisförmig um seinen schlanken Hals zog. »Das ist nichts weiter, mach dir keine Sorgen darum.«

Es sieht aus wie ein Würgemal. Was tust du für Geld wirklich noch alles?

»Wie ist dein Name?«

»Meiner? Max. Warum willst du den wissen?«

Damit ich von dir nicht immer nur als »der Stricher« denken muss.

»Weil ich neugierig bin. Max also.«

»Ja. Und du?«

»George«, erwiderte Sylvain spontan. Er hatte natürlich nicht vor, hier unter seinem richtigen Namen aufzutreten.

»Hey George. Schön, dich kennenzulernen.«

»Ganz meinerseits.« Sylvain reichte ihm förmlich die Hand und nach einem kurzen Zögern wurde sie von Max ergriffen und geschüttelt. Wie bei Geschäftspartnern. Aber das waren sie ja im Grunde auch.

»Also, ich lass dich dann mal aufessen.« Max stand auf und nahm seine Kaffeetasse in die Hand. »Wenn du mich suchst, ich bin hinter dem Gebäude.«

Bleib doch hier, dachte Sylvain, aber er ließ ihn gehen. Er musste sich eingestehen, dass er nicht wirklich darüber nachgedacht hatte, was er tun sollte, wenn er den Stricher - Max – hier wirklich antraf. Und nun hatte er praktisch eine Verabredung zum Sex. Sex gegen Geld.

Etwas Verrücktes tun.

Er schlang sein Frühstück und den Kaffee hinunter, stand auf, knallte der Bedienung das Geld auf die Theke und eilte hinaus. Der Vormittag war bereits wieder sengend heiß und half seinen Schweißausbrüchen nicht gerade ab. Er hatte das Gefühl, dass sein Hemd ihm regelrecht am Körper klebte. Hinter dem Gebäude wartete Max mit einer Zigarette im Mund, die er sich offenbar gerade anzünden wollte. Überrascht blickte er auf.

»Schon fertig mit dem Frühstück?«

»Ja.« Sylvains Atem ging schwer, als Max’ Blick zwischen seine Beine wanderte, wo sich sehr deutlich seine Erektion gegen die Jeans drückte. »Können wir?«

»Na klar, kein Problem.« Max nahm die Zigarette wieder aus dem Mund und steckte sie zurück in die Schachtel.

»Gut. Dann komm mit.«

»Wohin denn?«

»Wir fahren ein Stück.«

Plötzlich weiteten sich die hellbraunen Augen und er wich einen Schritt zurück. »Nein.«

»Nein?«

Max schüttelte den Kopf. »Wir müssen hierbleiben. Ich steige nicht mehr zu Freiern ins Auto und fahre weg. Ich habe da schon ein paar schlechte Erfahrungen gemacht ... sorry.«

»Verstehe.« Unwillkürlich wanderte Sylvains Blick zu den Würgemalen und ihm wurde übel. Er verspürte Mitleid mit dem Kerl, aber leider noch viel größere Lust. »Wo können wir halbwegs ungestört sein? Hier draußen hinterm Haus will ich es nicht machen.«

»Kein Thema. Komm mit.«

Max führte ihn wieder in das Gebäude hinein zu den Toiletten. Das war nicht unbedingt Sylvains Vorstellung eines ungestörten Plätzchens.

»Hier kann doch jederzeit jemand reinkommen.«

»Nicht, wenn ich abschließe.« Demonstrativ schloss Max die Tür. »Ich habe einen Schlüssel.« Er verriegelte sie und steckte den Schlüssel wieder in seine Hosentasche.

»Und wenn hier jemand reinwill?«

»Muss er warten.«

»Na schön.« Unschlüssig blieb Sylvain stehen, ballte die Fäuste und öffnete sie wieder. Seine paranoiden Gedanken wallten wieder auf.

Du könntest mich jetzt abstechen und ausrauben und keiner kann mir helfen, weil wir hier eingeschlossen sind.

Aber Max machte nicht den Eindruck eines gemeingefährlichen Verbrechers. Und die Lust war auch hier größer als jedes andere Gefühl. Er wollte ihn haben, diesen mageren, unscheinbaren Kerl mit den dunklen Augenringen, dem er auf der Straße nie und nimmer einen zweiten Blick zugeworfen hätte.

»Die dreißig Dollar hätte ich gern im Voraus. Nur zur Sicherheit.«

»Wir hatten fünfzig vereinbart.«

Max schüttelte kaum merklich den Kopf, offenbar glaubte er, verschaukelt zu werden. »Dann eben fünfzig. Mir soll es ja recht sein.«

Sylvain drückte ihm den Schein in die Hand. Nach dem Sex würde er ihm weitere Fünfzig geben, aber das behielt er vorerst für sich. »Hast du Kondome?«

»Ja.«

»Gleitgel?«

»Nimm Spucke oder etwas von der Seife hier. Das geht schon.« Max zog seine Hose herunter und schlüpfte aus einem Bein, lehnte sich nach vorn über den Waschtisch.

Sylvain wurde eng in der Kehle. Er verspürte beinahe Angst vor dem, was gleich folgen würde, aber seine Lust zwang das kein bisschen in die Knie. Er öffnete seine Hose und befreite seinen Ständer, nahm ihn in die Faust und rieb ein paar mal auf und ab. Aus der Spitze quollen bereits weißliche, dicke Tropfen. Er fühlte sich, als hätte ihm jemand einen Hormoncocktail verabreicht, der ihn zu einer triebgesteuerten Existenz verkommen ließ. Max reichte ihm wortlos ein Kondom. Er riss das Päckchen auf und streifte sich den Gummi über, spuckte auf seine Finger und ließ sie zwischen die festen, aber ein wenig zu mageren Pobacken gleiten. Er hatte keine Ahnung, ob Max sauber war, egal in welcher Hinsicht, und in diesem Moment war es ihm auch völlig gleichgültig. Er fand den Muskel und benetzte ihn mit seinem Speichel.

»Bist du bereit?«

»Klar.«

Sylvain dirigierte seinen Schwanz zwischen die Pobacken und drang mit erschreckender Leichtigkeit ein.

---ENDE DER LESEPROBE---