Das Berghotel 162 - Verena Kufsteiner - E-Book

Das Berghotel 162 E-Book

Verena Kufsteiner

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Beschreibung

Im idyllischen St. Christoph, dort, wo auch der "Bergdoktor" lebt und praktiziert, liegt das Hotel "Am Sonnenhang". Es ist ein Haus, in dem sehr viel Wert auf Tradition und Gastlichkeit gelegt wird - und sich für die Gäste so mancher Traum erfüllt.


Ein Unwetter tobt sich über dem Zillertal aus. Sturmböen und kräftige Donnerschläge lassen niemanden in St. Christoph Schlaf finden. Ein Blitz jagt den nächsten. Im Dorf fällt der Strom aus, und im Berghotel haben Hedi und Andreas Kastler alle Hände voll zu tun, um den Betrieb am Laufen zu halten.

Währenddessen geht auf dem Wörndl-Hof ein Donnerwetter anderer Art nieder: Nach dem Tod ihrer Mutter erhält Mara einen Brief vom Notar. Darin offenbart ihr die Mutter, dass der Bauer nicht ihr leiblicher Vater ist. Nicht nur Mara ist wie vor den Kopf gestoßen. Ihr Leben - eine Lüge? Auch Ludwig Wörndl fällt aus allen Wolken. Er gerät außer sich und verbannt Mara in der Osternacht von seinem Hof. Die junge Frau stürzt Hals über Kopf hinaus in das tobende Unwetter. Durchnässt und völlig verzweifelt sucht sie Zuflucht im Berghotel und bricht dort in der Lobby entkräftet zusammen ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Verbannung in der Osternacht

Vorschau

Ostern im Zillertal

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Michael Wolf

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-6192-6

www.bastei-entertainment.de

Im idyllischen St. Christoph, dort, wo auch der »Bergdoktor« lebt und praktiziert, liegt das Hotel »Am Sonnenhang«. Es ist ein Haus, in dem sehr viel Wert auf Tradition und Gastlichkeit gelegt wird – und sich für die Gäste so mancher Traum erfüllt.

Verbannung in der Osternacht

Warum ein schönes Madel im Berghotel Hilfe suchte

Von Verena Kufsteiner

Ein Unwetter tobt sich über dem Zillertal aus. Sturmböen und kräftige Donnerschläge lassen niemanden in St. Christoph Schlaf finden. Ein Blitz jagt den nächsten. Im Dorf fällt der Strom aus, und im Berghotel haben Hedi und Andreas Kastler alle Hände voll zu tun, um den Betrieb am Laufen zu halten.

Währenddessen geht auf dem Wörndl-Hof ein Donnerwetter anderer Art nieder: Nach dem Tod ihrer Mutter erhält Mara einen Brief vom Notar. Darin offenbart ihr die Mutter, dass der Bauer nicht ihr leiblicher Vater ist. Nicht nur Mara ist wie vor den Kopf gestoßen. Ihr Leben – eine Lüge? Auch Ludwig Wörndl fällt aus allen Wolken. Er gerät außer sich und verbannt Mara in der Osternacht von seinem Hof. Die junge Frau stürzt Hals über Kopf hinaus in das tobende Unwetter. Durchnässt und völlig verzweifelt sucht sie Zuflucht im Berghotel und bricht dort in der Lobby entkräftet zusammen …

Annas Hände zitterten so heftig, dass sie einen Krakel auf das weiße Blatt Papier schrieb. Es war nicht der Erste. Sie krampfte die Finger um den Kugelschreiber und überlegte sich, den Brief neu anzufangen, aber dazu fehlte ihr die Kraft. Sie war froh, schon so weit gekommen zu sein. Das würde sie nicht noch einmal schaffen. Also weiter!

Sie blinzelte, weil die Buchstaben vor ihren Augen verschwammen. Das kam von den Medikamenten. Das Zellgift schwächte sie und raubte ihr den Appetit. Im Spiegel erkannte sie sich kaum noch selbst, so schmal war sie geworden.

Der Arzt hatte ihr nicht erlaubt aufzustehen, deshalb saß Anna in ihrem Bett und schrieb auf, was ihr schon lange auf dem Herzen brannte. Dreiundzwanzig Jahre lang hatte sie ihr Geheimnis gehütet. Nun, wo ihr vermutlich nicht mehr viel Zeit blieb, musste sie sich offenbaren. Ihre Tochter hatte ein Recht auf die Wahrheit.

Eine Träne tropfte auf das Papier und ließ ein paar Buchstaben verschwimmen. Vom Krankenhausflur drangen emsige Schritte und das Klappern des Essenswagens herein. Die Pflegerinnen hatten offenbar damit begonnen, das Abendessen zu verteilen. Anna beugte sich tiefer über ihren Brief und schrieb weiter.

Mein liebes gutes Kind,

vor dreiundzwanzig Jahren habe ich einen furchtbaren Fehler gemacht. Niemand in unserem Dorf weiß davon. Nicht einmal dein Vater. Gerade vor ihm musste ich es verbergen …

***

Ein Jahr später

»Kürbiskopf! Kürbiskopf!« Der rote Papagei saß auf seinem Käfig in der Eingangshalle des Berghotels und klackte mit seinem Schnabel, ehe er erneut krächzte: »Kürbiskopf.«

»Na, mein Lieber, das ist aber net sehr charmant.« Hotelchef Andreas Kastler blickte von dem Computer hinter dem Empfangspult hoch und drohte dem Vogel spielerisch mit einem Finger. »Wenn du dich net benehmen kannst, fliegst du raus.«

»Kürbiskopf!«

»Was hab ich dir gesagt?!«

»Sei net so streng mit ihm, Anderl.« Hedi kam mit zwei Bechern Kaffee aus der Hotelküche und stellte einen davon ihrem Mann hin. »Er hat allerhand durchgemacht. Wer weiß, wie lange er draußen umhergeirrt ist, ehe er uns zugeflogen ist.«

Andi seufzte. »Trotzdem. Wir müssen schleunigst herausfinden, wem er früher gehört hat. Er kennt Schimpfworte, bei denen einem gestandenen Mannsbild die Ohren glühen würden. Ganz zu schweigen von unseren Gästen!«

Hedi musste leise lachen. »Ist es wirklich so schlimm mit ihm?«

Andi schaut sie mit einem vielsagenden Blick an.

»Glaub mir, Schatzerl, du willst keine Kostprobe.«

Hedi grinste wissend. »Oha.«

Dann betrachtete sie eingehend den Vogel, der ihnen zugeflogen war. Der Papagei hatte frühmorgens auf einem der Tische im Biergarten gesessen und sich hungrig über die Sonnenblumenkerne hergemacht, die Hedi ihm hingestreut hatte. Danach war er auf ihrer Schulter gelandet, als könnte es gar nicht anders sein. Auf ihrem Dachboden hatten sie noch einen großen Vogelkäfig eingelagert. Den hatten sie für ihren Findling in der Lobby aufgestellt, bis sie wussten, wo er hingehörte.

»Bei diesem Wetter ist es gut, dass er einen Unterschlupf hat«, stellte sie nach einem skeptischen Blick nach draußen fest.

Es war ein ungewöhnlich warmer Frühlingstag gewesen, in dessen Verlauf schwere bleigraue Wolken aufgekommen waren, die ein Unwetter heraufbeschworen hatten. Nun tobte sich über dem Zillertal ein kräftiges Gewitter aus. Ein Blitz jagte den nächsten, und vom nahen Dorf waren im dichten Regen nur Schemen zu erahnen.

»Ob er jemandem aus dem Dorf gehört? Was meinst du, Hedi?«

Hedi zuckte mit den Schultern. »Net, dass ich wüsste.«

»Ich hab einen Stapel Aushänge ausgedruckt und laminiert. Den können wir morgen in der Umgebung verteilen. Vielleicht gelingt es uns herauszufinden, wem er gehört.«

Hedi nickte und wollte gerade etwas erwidern, als sich ihr Findling wieder zu Wort meldete.

»Coco ist ein heißer Feger«, krächzte er.

»An Selbstbewusstsein mangelt es ihm jedenfalls net«, stellte sie schmunzelnd fest.

»Wenigstens wissen wir nun, wie unser wandelndes Schimpfwort-Lexikon heißt.« Ihr Mann leerte seinen Kaffeebecher und stellte ihn wieder ab. »Coco.«

»Coco! Coco!«, kam es vom Käfig zurück.

»Na, ihr beide versteht euch ja prächtig«, neckte Hedi und lachte.

»Tja, heiße Feger untereinander.« Ihr Mann zwinkerte ihr zu. Dann zog er sie an sich und gab ihr ein liebevolles Busserl.

Ihr Herz wurde weit und sekundenlang lehnte sie sich an ihn, ehe sie sich wieder von ihm losmachte.

»Doch net bei der Arbeit, Anderl. Was sollen denn unsere Gäste denken?«

»Dass man in unserem Hotel gut busserln kann?« Sein Lächeln vertiefte sich. »Außerdem ist niemand außer uns beiden hier.«

Er beugte sich vor und drückte seine Lippen gleich noch einmal fest auf ihre. Augenblicklich wurden ihre Knie butterweich. Himmel, wie sie diesen Mann liebte! Auch nach etlichen Ehejahren war Andreas immer noch ihr Traummann. Sie leiteten zusammen das Sporthotel »Am Sonnenhang«. Dadurch verbrachten sie nicht nur ihre Freizeit, sondern auch den größten Teil ihrer Tage miteinander. Und sie ergänzten sich wunderbar: Während sich Hedi am liebsten um die Gäste kümmerte und den wöchentlichen Speiseplan mit dem Koch ausarbeitete, erledigte ihr Mann Reparaturen im Hotel selbst und sorgte dafür, dass die Bücher tadellos in Ordnung waren.

Draußen grollte ein dumpfer Donnerschlag.

Hedi seufzte unwillkürlich. Ostern stand vor der Tür, und das Hotel war ausgebucht. Ausgerechnet jetzt musste sich das Wetter verschlechtern! Morgen früh wollte sie mit den Kindern ihrer Gäste eine große Ostereiersuche rund um das Hotel veranstalten. Wenn der Regen anhielt, würde der Spaß buchstäblich ins Wasser fallen.

»Mistwetter«, krächzte Coco.

»Da hast du völlig recht, Großer«, murmelte sie.

In diesem Augenblick öffneten sich die Fahrstuhltüren. Mehrere Kinder stürmten heraus und geradewegs auf Hedi zu. Ihre Eltern folgten gemesseneren Schrittes.

»Eier bemalen! Eier bemalen!«, jubelte Max.

»Au ja!« Seine Zwillingsschwester Mia strahlte.

Hedi tauschte einen lächelnden Blick mit ihrem Mann. Dann deutete sie auf die Tür, die zum Enzianzimmer führte.

»Geht ruhig schon hinein, Kinder. Es ist alles vorbereitet. Ich komm gleich nach.«

Tatsächlich hatte sie an diesem Nachmittag zusammen mit dem Hotelkoch Leo zahlreiche Eier ausgeblasen. Während Leo aus dem Inhalt abends leckere Omeletts für die Hotelgäste zaubern wollte, standen die Schalen nun in drei großen Körben bereit, um von den Kindern bemalt und verziert zu werden. Becher mit bunten Eiermalfarben warteten auf einem mit Schokoladenhasen und Narzissen geschmückten Tisch auf die Kinder.

Und die ließen sich nicht lange bitten.

Wenig später war eine lebhafte Schar versammelt. Die Kinder plauderten munter, während sie Eier mit bunten Tupfen, Streifen oder wilden Mustern verzierte.

Mia bemalte ihr Osterei mit einer kleinen grauen Katze.

»Sehr hübsch machst du das«, lobte Hedi sie.

Die Augen der Siebenjährigen leuchteten auf.

Ihr Bruder malte schwarz-gelbe Tigerstreifen auf sein Osterei und wurde ebenfalls gelobt. Neben ihm saß ein Bub von vier Jahren und schaute unglücklich auf die Überreste von drei zerbrochenen Eiern nieder.

Elias war an diesem Tag mit seinem Vater angereist. Er war ein niedlicher Bub mit braunen Locken und Sommersprossen, die sich wie ein Band über seinen Nasenrücken zogen.

»Du bist ein Trampel«, tadelte Max ihn mit einem Blick auf die zerbrochenen Schalen.

Elias schnüffelte. »Die gehen immer kaputt«, klagte er.

»Lass nur, das bekommen wir schon hin«, begütigte Hedi und setzte sich neben den Vierjährigen. Sie nahm ein Ei zur Hand und hielt es fest, während der Bub mit seinem Pinsel rote Tupfen darauf malte. »Siehst du? Gut machst du das«, lobte sie ihn. »Man darf die Eier net zu festhalten, dann zerbrechen sie.«

Ein scheues Lächeln huschte über sein Gesicht. »Das wusste ich net.«

»Bemalt ihr daheim keine Ostereier?«, warf Max ein.

»Nö, mein Papa mag das net.«

»Und deine Mama?«

»Ich hab keine …«

»Schmarrn! Jeder hat doch eine Mama.«

»Ich aber net.«

»Du bist ja komisch.«

»Ich bin net komisch.«

»Freilich bist du das.«

»Aber …« Elias stockte und blinzelte hastig, aber eine verräterische Träne stahl sich aus seinem Augenwinkel und rollte seine Wange hinunter. Es war nicht schwer zu erraten, dass er Kummer hatte.

Was mochte mit seiner Mutter passiert sein?

Hedi kannte seinen Vater seit vielen Jahren. Carl Linauer war in St. Christoph aufgewachsen und hatte früher als Knecht auf dem Hof des Bürgermeisters gearbeitet. Niemand wusste, warum er das Dorf damals so überstürzt verlassen hatte, aber man erzählte sich, dass eine unglückliche Beziehung dafür verantwortlich war.

Carl war mit Mara liiert gewesen. Irgendetwas musste zwischen ihnen vorgefallen sein, denn sie hatten sich unerwartet getrennt, und Carl war fortgezogen. Das war inzwischen fünf Jahre her, aber Hedi bezweifelte, dass Mara erfreut sein würde, ihren Exfreund wiederzusehen. Höchstwahrscheinlich würden sich aus seinem Besuch im Zillertal turbulente Verwicklungen ergeben.

Die Hotelchefin konnte es spüren wie einen Juckreiz in der Nase. Zwischen Mara und Carl würden die Fetzen fliegen.

Und das schon sehr bald!

***

»… musst du dem neuen Fahrer Dampf machen. Es geht net an, dass er nur die Hälfte der Tour schafft. Unsere Kunden verlassen sich darauf, dass die Wäsche pünktlich abgeholt und sauber zurückgebracht wird.«

Carl Linauer presste den Telefonhörer fester ans Ohr und kämpfte gegen seine Empörung an. In seiner Wäscherei gab es Ärger. Die Fahrer tanzten seinem Vertreter auf der Nasenspitze herum und ließen ihre Arbeit schleifen, weil sie glaubten, das wachsame Auge ihres Chefs wäre im Urlaub und sie könnten sich alles erlauben.

Doch er rief regelmäßig an und hielt sich auf dem Laufenden. Das musste er. Als Inhaber einer großen Wäscherei hatte er sich seinen Erfolg hart erarbeitet. Er konnte es sich nicht erlauben, die Zügel locker zu lassen, sonst würde die Konkurrenz ihm die Kunden im Handumdrehen abwerben. »Sag den Fahrern, dass sie ab sofort pünktlich sein sollen, wenn sie im Sommer einen Urlaubsbonus haben wollen.«

»Das mach ich. Tut mir leid, dass ich dir solchen Ärger mach, Carl.«

»Das nennst du Ärger?« Carl lächelte milde.

Im Geschäftsleben hatte er sich schon durch viel härtere Schwierigkeiten kämpfen müssen. Mit wenig mehr als einem Koffer mit seinen Sachen und einem Kopf voller Träume war er in München angekommen. Er hatte hart gearbeitet und gespart, um Erfolg zu haben. Als der Besitzer der Wäscherei, in der er gejobbt hatte, in den Ruhestand gegangen war und ihn zu seinem Nachfolger bestimmt hatte, hatte er Tag und Nacht geschuftet, um nachzurücken und das Unternehmen zum Erfolg zu führen. Inzwischen lief seine Firma ausgezeichnet, aber er wusste, dass sich das jederzeit ändern konnte.

Sein Assistent vertrat ihn, während er mit seinem Sohn verreist war. Frisch von der Uni fehlte es Markus an Erfahrung, aber das machte er mit Fleiß und Loyalität mehr als wett.

Sie besprachen noch einige Details miteinander. Derweil spielte sein Sohn brav an dem niedrigen Kindertisch. Elias legte aus Bausteinen eine Garage für seine Spielzeugautos. Er wusste, dass er nicht stören durfte, wenn sein Vater arbeitete. Carl hatte ein schlechtes Gewissen, weil ihm die Arbeit auch im Urlaub keine Ruhe ließ. Elias verdiente seine Aufmerksamkeit, aber das Geschäft ließ ihn nie ganz los. Das war der Preis dafür, sein eigener Chef zu sein.

Nachdem alles besprochen war, legte Carl sein Mobiltelefon zurück auf den Nachttisch. Das Hotelzimmer war großzügig geschnitten und verfügte über ein hübsches Bad mit Wanne und Duschkabine. Von den Fenstern aus hatte man einen reizvollen Ausblick auf die Zillertaler Berge. Der Anblick gab Carl einen Stich.

Wie er die schroffen Gipfel seiner Heimat vermisst hatte!

Fünf Jahre war er nicht mehr daheim gewesen.

Eine Ewigkeit!

Für Elias war es der erste Besuch in St. Christoph. Sie waren zur goldenen Hochzeit von Carls Großeltern eingeladen. Seine Großmutter hatte ihm in ihrer resoluten Art zu verstehen gegeben, dass sie es nicht länger hinnehmen würde, dass er seiner Heimat fernblieb. Sie wusste, weshalb er damals fortgegangen war – und all die Jahre nicht daheim gewesen war. Sie verstand ihn auch. Er wusste, dass sie das tat. Für ihren großen Tag sollte er jedoch heimkommen, darauf hatte sie bestanden. Aus diesem Grund war er nun wieder hier.

Erinnerungen fluteten sein Herz. Bitter und süß zugleich.

Er war so dumm gewesen. Leichtfertig hatte er sein Glück aufs Spiel gesetzt und prompt verloren.

Elias blickte zu ihm hoch. Die Ähnlichkeit mit seiner Mutter war auch nach all den Jahren wie ein Stich ins Herz für Carl. Elias hatte ihre großen braunen Augen geerbt – und die fröhlichen Sommersprossen, die bei jedem Lachen auf seiner Nase zu tanzen schienen. Seine Mutter hat der Bub nie kennengelernt. Während der Entbindung hatte es Komplikationen gegeben.

Lisa hatte die Nacht nicht überlebt und Carl fassungslos mit einem Säugling und einem leeren Zuhause zurückgelassen. Monatelang hatte er nur funktioniert wie ein Automat und nichts als Trauer empfunden. Der Verlust hatte ihn geprägt. Er wusste Dinge wie Nähe und Liebe nun mehr zu schätzen als früher, weil er genau wusste, wie schnell sie einem genommen werden konnten. Und er war fest entschlossen, dafür zu sorgen, dass es seinem Sohn an nichts mangeln würde. Seinen sehnlichsten Wunsch konnte er Elias jedoch nicht erfüllen: eine Mami …

Sein Handy meldete sich mit einem schwungvollen Walzer. Der Klingelton war seiner Großmutter zugeordnet.

»Servus! Seid ihr gut angekommen?«, erkundigte sich Helene Linauer, nachdem er sich gemeldet hatte.

In ihrer Stimme schwang ein Lächeln mit. Man hörte ihr die sechsundsiebzig Jahre nicht an. Sie sprach voller Energie und Schwung, gewohnt, einen großen Haushalt zu führen und zahlreiche Hoftiere im Griff zu behalten.

»Servus. Ja, vielen Dank. Wir hatten eine ruhige Fahrt. Der Betrieb auf der Autobahn hat sich zum Glück in Grenzen gehalten.« Carl ließ sich auf die Bettkante sinken und streckte die Beine aus. »Elias hat unterwegs geschlafen. Ich fürchte, heute Nacht wird er dafür umso wacher sein.«

Helene lachte. »Ja, gut möglich. Ich kann es kaum erwarten, euch beide wiederzusehen. Ihr kommt zum Abendessen, gell?«

»Na ja, also, eigentlich wollten wir im Hotel essen.«

»Papperlapapp! Das kommt überhaupt net infrage. Es ist schlimm genug, dass ihr net auf dem Hof wohnt, solange ihr hier seid, aber zum Essen müsst ihr wenigstens rüberkommen.«

»Es sind net genügend Zimmer auf dem Hof frei, um alle Gäste unterzubringen«, erinnerte er sie.