Das Berghotel 305 - Verena Kufsteiner - E-Book

Das Berghotel 305 E-Book

Verena Kufsteiner

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Beschreibung

Hedi Kastlers Gerechtigkeitssinn ist geweckt, als sie erfährt, wie im Dorf über die kürzlich verwitwete Josephine Pircher geredet wird.
"Das ist doch Rufmord, Anderl", schildert sie ihrem Mann empört, was sie von Josi erfahren hat. Seit deren wesentlich älterer Mann gestorben ist, hat der Dorfklatsch nur ein Thema: War die junge Frau nur hinter Alfons Pirchers Geld und Besitztümern her, von denen der Altertumsforscher reichlich hatte? Sie soll ja auch schon mal verheiratet gewesen sein - und auch dieser Ehemann soll vor der Zeit verstorben sein, man stelle sich vor!
Als dann im Berghotel ein Immobilienmakler aus Wien auftaucht, der Josi aus Jugendtagen kennt, kocht die Gerüchteküche vollends über. Da kann auch Hedi, die ihrer Freundin Josi völlig vertraut, nichts ausrichten. Allein - die ganze Wahrheit kennt auch die Hotelchefin nicht, und Josi weiß nur, dass sie nichts wie weg will aus St. Christoph, bevor noch mehr vermeintliche Wahrheiten in Umlauf kommen ...


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Inhalt

Cover

Und wieder allein

Vorschau

Impressum

Und wieder allein

Roman um die schöne Witwe aus St. Christoph

Von Verena Kufsteiner

Hedi Kastlers Gerechtigkeitssinn ist geweckt, als sie erfährt, wie im Dorf über die verwitwete Josephine Pircher geredet wird.

»Das ist doch Rufmord, Anderl«, schildert sie ihrem Mann empört, was sie von Josi erfahren hat. Seit deren wesentlich älterer Mann gestorben ist, hat der Dorfklatsch nur ein Thema: War die junge Frau nur hinter Alfons Pirchers Geld und Besitztümern her, von denen der Altertumsforscher reichlich hatte? Sie soll ja auch schon mal verheiratet gewesen sein – und auch dieser Ehemann soll vor der Zeit verstorben sein, man stelle sich vor!

Als dann im Berghotel ein Immobilienmakler aus Wien auftaucht, der Josi aus Jugendtagen kennt, kocht die Gerüchteküche vollends über. Da kann auch Hedi, die ihrer Freundin Josi völlig vertraut, nichts ausrichten. Allein – die ganze Wahrheit kennt auch die Hotelchefin nicht, und Josi weiß nur, dass sie nichts wie weg will aus St. Christoph, bevor noch mehr vermeintliche Wahrheiten in Umlauf kommen ...

Das Zirpen der Grillen klirrte selbst durch die geschlossenen Fenster ins Innere der Villa in Hohenluft, einem Wohngebiet oberhalb der Baumgrenze über St. Christoph, welches hauptsächlich von Fabrikanten, Adeligen und Künstlern besiedelt war. Die Gegend am Fuße des Feldkopfs, dem höchsten Berg des urigen Dörfels, war bekannt für ihre schmucken Landhäuser und Villen. Alles an den kostspieligen Bauten erinnerte an Wohlstand. Doch dass die Familien, die in ihnen lebten, von eben jenen Schicksalen verfolgt wurden wie alle anderen Dorfbewohner auch, blieb zumeist versteckt hinter den hohen Mauern der Abgeschiedenheit.

Josephine Pircher stellte das Tablett mit dem Kräutertee, dessen Dämpfe sich in der kühlen Luft verflüchtigten, auf dem Nachttisch ab. Schon am Morgen hatte sie die Rollläden zur Hälfte hinabgelassen, damit ihr Mann Alfons nicht von den unerwünschten Strahlen der Sonne belästigt wurde. Aufgrund der Schwüle blieben die Fenster schon seit Tagen verschlossen, damit die Klimaanlage unbehelligt ihr Werk fortführen konnte.

»Meine Josi«, sagte Alfons mit matter Stimme.

Dabei lächelte er seine Frau mit einer Güte an, die ihr einen Stich versetzte. Denn aus seiner Stimme hörte sie die Gebrechlichkeit heraus, die einem Mann seines Alters noch nicht anhaften sollte.

»Schhh ...«, machte Josephine. »Streng dich net zu sehr an.«

Behutsam nahm sie die Teetasse in die Hand und pustete hinein.

»Mei, hätte ich gewusst, dass es so enden würde, hätte ich dir das net angetan«, setzte Alfons trotzdem noch hinzu.

Josi stellte die Teetasse wieder zurück und legte ihre Hände liebevoll auf die ihres Mannes.

»Alfons, wie kannst du das sagen? Du tust mir doch nix an! Im Gegenteil. Wenn du net gewesen wärst, wer weiß, wo ich da am Ende gelandet wäre! Du hast mich gerettet.«

»Na, ich weiß net. Ich hätte dir so gewünscht, dass du einen Mann findest, der dir ein glücklicheres Leben hätte bescheren können. Stattdessen sitzt du hier mit mir altem Greis fest und musst dabei zusehen, wie ich dahinsieche.«

Seine Worte trafen die Achtunddreißigjährige. Doch es war keine Reue, die sie empfand, weil sie den über zwanzig Jahre älteren Alfons geheiratet hatte. Es war eine Trauer, die schon seit Wochen ihr Herz umschloss, da sie wusste, dass ein Ende bevorstand, das sich nicht vermeiden ließ.

»Weißt du, du alter, greiser Mann, ...«, begann sie und lächelte dabei ihren Gatten an, »... ich glaube, du hast mir das glücklichste Leben beschert, was ich mir in meiner Situation hätte vorstellen können. Ich wünschte nur, wir hätten noch ein bisserl Zeit.«

»Zeit ist etwas, das uns net gegönnt war, mein Schatzerl.«

In Alfons' Augenwinkel bildete sich eine Träne, ob vom Liegen oder von der Trauer, die auch ihn überwältigte, konnte Josi nicht erahnen. Ein Hustenanfall schüttelte den Mann, wobei sich seine Brust schwer hob und senkte. Liebevoll strich die Frau ihrem Gatten über das Gesicht, als er sich beruhigt hatte. Sein Kopf war schon lange kahl, die Haut bleich, sodass die dunklen Augen wie Steine daraus hervorstachen.

»Das ist das Einzige, das ich bereue – ...«, sinnierte Josi. »... dass ich dich net früher kennengelernt hab'. So hätten wir noch ein bisserl länger miteinander gehabt.«

Nun war es Alfons, der seine Frau tröstete, indem er ihre Hand in seine nahm und beruhigend streichelte.

»Mein Schatzerl, sei net traurig!«, bat er.

Josi hatte immer mehr Mühe, den aufkommenden Schluchzer hinunterzuschlucken. Tränen benetzten ihr Gesicht, doch es war ihr egal. Die Trauer war zu überwältigend, obwohl Alfons noch bei ihr war. Doch es war sein Körper, der sich mehr und mehr aufgab, sodass auch sein Geist gezwungen war, mitzugehen.

»Wie könnte ich net traurig sein?«, sprach sie durch die Tränen hindurch.

»Josi, ich möchte, dass du mir jetzt zuhörst: Wenn ich mal net mehr bin – und wir sind beide zu vernünftig, um so zu tun, als würd's noch lange dauern –, dann möchte ich, dass du wieder glücklich wirst!«

»Aber wie könnte ich denn ohne dich je wieder glücklich werden? Du kennst doch meine Geschichte, Alfons! Nur wegen dir bin ich net untergegangen.«

»Das mag früher so gewesen sein, Schatzerl, aber heute seh' ich eine wundervolle junge Frau, die gelernt hat, wieder zu lachen. Ich will, dass du wieder mehr lachst. Und ich will vor allem eines: ...«, er machte eine bedeutungsschwangere Pause, »... Lern einen Mann kennen, der dir all das geben kann, was ich net konnte. Du hast es verdient, mein Schatzerl!«

***

Josephine Pircher hatte immer gedacht, dass es ein kalter Regentag sein würde, an dem sie ihren Mann zu Grabe tragen würde. Der ungehemmte Sonnenschein, der seine Umgebung in ein gleißendes Licht aufblühen ließ und nur durchbrochen wurde von den schillernden Farben der Sommerblumen, stand in einem entsetzlichen Kontrast zu ihren Gefühlen. In ihrem Herzen war alles grau – wie ein Nebelschleier, der ihr Herz umwaberte. Die unerträgliche Trauer des Bangens war der absoluten Trauer gewichen. Beide fühlten sich schmerzhaft an, doch gab es nun keinen Alfons mehr, mit dem sie ihre Gefühle teilen konnte.

»Im Namen des Vaters«, sprach der Pastor über den lieblichen Platz des Friedhofs hinweg, während Josi in das tiefe Grab ihres Mannes blickte. »Und des Sohnes und des Heiligen Geistes.«

»Amen«, stimmte die Gemeinde zu, die sich hinter der Witwe zum Abschied versammelt hatte.

Trotz der zahlreichen Anwesenden, die Alfons das letzte Geleit gegeben hatten, stand Josi völlig allein vor dem Grab. Keiner der Dorfbewohner hatte sich die Mühe gemacht, sich während der Messe neben sie zu setzen und ihre Hand zu halten. Auch jetzt fühlte sie eine Distanz, die wie ein Graben zwischen ihr und den Einwohnern von St. Christoph lag.

Josi zwang sich, gleichmäßig zu atmen und ihre Tränen für sich zu behalten. Sie wusste, dass sie zusammenbrechen würde, wenn sie ihren Gefühlen erlaubte, aus ihr herauszuströmen. Also stand sie da, wie steif gefroren, und hielt ihren Blick stetig auf das klaffende Loch vor ihr gesenkt. Nur am Rande erkannte sie noch das helle Zirbelholz des Sargs, den sie für Alfons ausgesucht hatte.

Pastor Roseder trat mit ernstem Blick an die Witwe heran und reichte ihr die Hand. In dieser einfachen Geste lag so viel Mitgefühl, dass Josi nun nicht mehr ihre Trauer aufhalten konnte. Tränen bahnten sich ihren Weg und wurden von wilden Schluchzern der Verzweiflung begleitet.

Als der Geistliche mit der anderen Hand ihren Arm berührte und sie eindringlich ansah, wandte sie sich ab. Freilich hatte der Mann ihr Beistand zusichern wollen. Doch in ihrem Fall konnte kein Beistand helfen. Niemand würde ihr Alfons zurückbringen können. Und niemand würde ihr sagen können, wie sie nun weitermachen sollte. Denn obwohl sie gelernt hatte, ihren Mann über die gemeinsamen Jahre zu lieben, war ihre Ehe keine gewöhnliche gewesen. Sie war eine liebevolle Zweckgemeinschaft gewesen. Etwas, das ihr und ihm gleichermaßen ein gewisses Maß an Leben zugesichert hatte. Nun hatte sie nicht nur ihren einzigen Vertrauten verloren, sondern mit ihm auch ihren letzten Rettungsanker.

Josi spürte mehr als sie sah, dass sich die Menge teilte, während sie sich ihren Weg durch die versammelte Gemeinde bahnte. Kurz erlaubte sie es sich, aufzublicken, doch als sie flüchtig in das Gesicht einer Frau schaute, die sie abschätzig musterte, wandte sie den Blick sofort wieder ab. Sie hatte kein Mitleid darin gesehen, lediglich Abneigung. Auch kam niemand der Anwesenden auf sie zu, um ihr sein Beileid auszusprechen.

Als sie endlich das Törchen des Friedhofs erreicht hatte, war sie froh darüber, dass sie ihren Wagen direkt in der Kirchgasse geparkt hatte. So öffnete sie fast fluchtartig die Wagentür, setzte sich hinter das Steuer und ließ den Motor an. Noch im Wegfahren erkannte sie, dass eine einzige Person auf der Straße stand und ihrem Auto hinterherblickte. Dem Dirndl und den blonden Haaren nach zu urteilen hatte es sich um Hedi Kastler aus dem Hotel gehandelt. Aber Josi hatte keine Lust darauf, sich Beileidsbekundungen anzuhören. Sie wusste, was die Leut' von ihr dachten. Sie hatten gerade unter Beweis gestellt, dass Josi niemals ein Mitglied ihrer Dorfgemeinschaft werden würde. Was sie allerdings nicht wusste, war, warum die Einwohner sie so sehr ablehnten.

***

Matthias Thaler kamen Zweifel an seinem Unterfangen auf, in dem beschaulichen Dörfel St. Christoph am Ende des Zillertals Urlaub zu machen. Freilich hatte er Urlaub dringend nötig, doch als er sich mit seinem Wagen über eine Bergstraße in Serpentinen dem Ort näherte, war es vor allem Übelkeit, die sich in seiner Bauchgegend breitmachte.

St. Christoph war lediglich von Mayrhofen aus zu erreichen. Sein Navigationsgerät zeigte an, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis er sein Ziel endlich erreicht hätte.

Matthias plusterte die Wangen auf. Im Radio lief ein Popsong, der die Zuhörer schon seit Wochen belästigte, also stellte er den Ton ab. Um seinen Magen ein bisserl zu beruhigen, öffnete er das Fenster ein Stück weit.

Schließlich sah er es: St. Christoph lag nur noch in geringer Entfernung vor ihm, und wie der goldene Zwiebelturm einer strahlend weißen Kirche mitten aus dem Dörfel hinausschaute, hätte es ein Ort aus einem Märchen sein können.

Leichte Vorfreude machte sich in Matthias breit und verdrängte die Übelkeit, sodass er sich nun wieder vollends aufs Fahren konzentrieren konnte.

Als er den Ortseingang passierte, erblickte er einen Garten bunter Blütenvielfalt mit einem Bücherregal darin.

Vermutlich ein Sozialprojekt, dachte der Immobilienmakler, der Ähnliches aus Wien gewohnt war. Jedoch waren dort die Bücherl in regelrechten Kisten untergebracht und nicht von Gärten umgeben.

Weiter hinten erkannte Matthias die Kirche, deren Turm er schon aus der Ferne wahrgenommen hatte. Sie war nicht sein Ziel. Dieses lag ein Stückerl weiter oben. Doch als er an einem Gemischtwarenladen vorbeifuhr, trat er spontan auf die Bremse. Ein Blick aus dem Seitenfenster versicherte ihm, das der Laden mit der urigen Aufschrift Dorfbrunnen geöffnet hatte. Also stieg er aus und ging auf die Eingangstür zu.

»Grüß Gott«, sagte Matthias in den Raum hinein.

Drei Frauen drehten sich synchron zu dem neuen Kunden um.

»Servus«, erwiderten sie, bevor sie sich wieder ihrem Gespräch widmeten.

Matthias schritt durch die Regalreihen, bis er entdeckte, wonach er gesucht hatte. Er griff gleich nach mehreren Flaschen des sprudelnden Mineralwassers und ging damit zur Kasse.

»Mei, ich hab' gehört, dass der Alfons schon der dritte Mann gewesen war«, sagte gerade eine Frau, deren rundliche Figur darauf hindeutete, dass Kochen ihre Leidenschaft war.

»Der Dritte? Mei, da hat sie einen guten Fang gemacht. Jetzt hat sie fei ausgesorgt«, befand eine andere.

»Und das in dem Alter. Sie soll ja erst achtunddreißig Jahre alt sein«, fügte die dritte Frau hinzu.

»Und da schon drei Männer durchgebracht? Na, dass das Madel sich net schämt!«

»Also, wenn ihr mich fragt, ist das alles sehr verdächtig. Drei Männer, alle vor der Zeit gestorben. Da fragt man sich freilich, ob da net ...«

»Entschuldigung?«, räusperte sich Matthias, der der gesamten Unterhaltung trotz des Getuschels hatte folgen können. »Dürfte ich bitte bezahlen?«

»Mei, warum sagen Sie denn nix?« Eine silberhaarige Frau mit scharfen Adleraugen trat hinter die Kasse, um den neuen Kunden abzukassieren. »Nur das Wasserl?«

»Ja, bitte.«

Nachdem Matthias bezahlt hatte, verließ er den Laden. Noch bevor er die Tür hinter sich zugezogen hatte, konnte er hören, wie er zum neuen Objekt des allgemeinen Interesses aufgerückt war.

***

»Ach Anderl, ich muss die ganze Zeit an die arme Josi denken. Wie es der jetzt wohl geht? Ganz allein in dem großen Haus.«

Hedi Kastler blickte ins Leere, nachdem sie sich zu ihrem Mann gesetzt hatte. Ihre goldblonden Haare lagen in einem geflochtenen Nest um ihr Gesicht, das trotz ihrer zweiundvierzig Jahre immer noch Frische ausstrahlte. Das lag vor allem an dem »Hotel Am Sonnenhang«, das sie mit ihrem Mann betrieb und für das sie immer wieder neue Ideen ausbrütete.

Auf dem Tisch vor ihnen stand ein Frühstück aus Semmeln, Honig, Erdbeermarmelade und hart gekochten Eiern. Aus zwei Haferln verströmte frisch gebrühter Kaffee sein köstlich herbes Aroma.

»Du, da sagst du was. Ich hab' mich auch freilich schon gefragt, ob die Josi die Villa net verkaufen tät. Was hält das Madel denn jetzt noch hier?«, überlegte auch Andreas Kastler.

»Meinst du net, dass sie bleiben mag?« Entsetzt sah die Frau mit dem geblümten Dirndl den Hotelchef an. »Aber wo soll sie denn hin? Soweit ich weiß, hat sie doch niemanden mehr.«

»So genau weiß ich das net, Spatzl. Da kennst du die Josi fei besser als ich.«

»Na, so richtig kenn' ich sie auch net. Wir haben uns nur mal kurz unterhalten, nachdem sie mit dem Alfons die Messe vom Pastor Roseder besucht hat. Aber das ist schon eine Weile her. Kurz nach der Hochzeit war der Alfons doch schon so krank, dass der kaum noch das Haus verlassen hat.«

Andi nickte. Der Mann, den man hauptsächlich in Bundhosen und Trachtenhemd sah, schaute nachdenklich auf seinen leeren Teller.

»Jessas Maria«, seufzte er. Und dabei schüttelte er den Kopf, als könnte er es nicht glauben. »Was haben die beiden ein Pech gehabt. Erst heiraten sie und kurz darauf ist der Alfons so krank, dass sie nix mehr von ihrem Zusammensein haben.«

»Ein grausames Schicksal«, stimmte Hedi ihrem Mann zu, den sie normalerweise nicht so nachdenklich kannte.

Andi war bekannt für seinen lockeren Humor. Er war es auch, der es immer schaffte, seine Frau zu beruhigen, wenn sie sich wieder eine wahnwitzige Idee fürs Hotel in den Kopf gesetzt hatte, deren Umsetzung fast schon an ein Wunder grenzte. Zusammen waren beide daher ein unschlagbares Team. Hedis Lebhaftigkeit und Andis Pragmatismus hatten letztlich dafür gesorgt, dass das Sporthotel so erfolgreich lief.

»Du, stimmt das eigentlich, dass die Josi schon mal verheiratet war?«, erkundigte sich Andi nun.

Die Hotelchefin bestrich eine Semmelhälfte gerade mit Marmelade, als sie mit gerunzelter Stirn aufsah.

»Woher hast du denn das, Anderl?«, wollte sie wissen.

»Im ›Ochsenwirt‹ wird sich so manches zugeraunt.«

»Also das nenn' ich aber mal eine Unverschämtheit. Was raunen sich die Herrschaften denn da alles zu?«

Hedis Wangen röteten sich gefährlich, was darauf hindeutete, dass sich Ärger in ihr breitmachte.

»Na, dass die Josi schon ein paarmal verheiratet war. Und dass ihr die Männer wegsterben, wie die Fliegen von der Wand fallen.«

»Mei, willst du damit etwa sagen, die Josi hätte was mit dem Tod vom Alfons zu tun?«, fuhr Hedi auf.

»Neiiiin«, stritt Andi heftig ab. »Ich sag' gar nix. Ich gebe nur wieder, was ich im ›Ochsenwirt‹ gehört hab'. Eine Menge boshafter Schmarrn wird da herumgetratscht.«

»Weißt du, Anderl, die Leut' sollten sich wirklich erst mal ans eigene Naserl packen, bevor sie über eine arme Witwe reden, die gerade erst ihren Mann verloren hat. Der Alfons hatte doch Krebs. Da konnte die Josi doch nix für.«

»Mei, jetzt reg dich doch net so auf, Spatzl. So schlimm ist es doch net.«

»Wenn du meinst, dass es net schlimm ist, dass eine unschuldige Frau, die jahrelang ihren Mann liebevoll umsorgt hat, durch den Schlamm gezogen wird, dann kenn' ich dich aber net mehr wieder, Anderl.«