Das Berghotel 311 - Verena Kufsteiner - E-Book

Das Berghotel 311 E-Book

Verena Kufsteiner

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Beschreibung

Emma und ihre Tochter Nellie leiden darunter, dass Familienvater Torsten so viel arbeitet und so wenig Zeit hat. Gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit führt das immer wieder zu Konflikten. Hoch und heilig hat Torsten Emma nach einem Streit versprochen, dass dieses Weihnachtsfest anders wird. Er hat sogar einen kleinen Familienurlaub im Zillertal gebucht.
Doch kurz vor der Abreise gesteht Torsten zerknirscht, dass ihm ein wichtiger beruflicher Termin dazwischengekommen ist. Emma soll mit Nellie schon vorfahren, er würde dann zwei Tage später nachkommen, und allerspätestens an Heiligabend wären sie dann glücklich vereint. Emma versucht, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen, ihrer Tochter zuliebe spielt sie gute Laune vor, doch innerlich brodelt es in ihr. Und schon bei der Anreise kommt es zu Problemen. Auf der glatten Straße gerät Emmas Auto ins Rutschen, sie bleibt im Schnee am Straßenrand stecken. Verzweifelt tippt sie auf ihrem Handy herum, das keinen Empfang hat. Da hält ein Geländewagen an, und Emma blickt in die warmherzigen braunen Augen eines Fremden. "Grüß Gott, ich bin der Samuel. Brauchen Sie Hilfe?"


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Inhalt

Cover

Warten aufs Christkind

Vorschau

Impressum

Warten aufs Christkind

Besinnlicher Weihnachtsroman aus dem Berghotel

Von Verena Kufsteiner

Emma und ihre Tochter Nellie leiden darunter, dass Familienvater Torsten so viel arbeitet und so wenig Zeit hat. Gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit führt das immer wieder zu Konflikten. Hoch und heilig hat Torsten Emma nach einem Streit versprochen, dass dieses Weihnachtsfest anders wird. Er hat sogar einen kleinen Familienurlaub im Zillertal gebucht.

Doch kurz vor der Abreise gesteht Torsten zerknirscht, dass ihm ein wichtiger beruflicher Termin dazwischengekommen ist. Emma soll mit Nellie schon vorfahren, er würde dann zwei Tage später nachkommen, und allerspätestens an Heiligabend wären sie dann glücklich vereint. Emma versucht, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen, ihrer Tochter zuliebe spielt sie gute Laune vor, doch innerlich brodelt es in ihr. Und schon bei der Anreise kommt es zu Problemen. Auf der glatten Straße gerät Emmas Auto ins Rutschen, sie bleibt im Schnee am Straßenrand stecken. Verzweifelt tippt sie auf ihrem Handy herum, das keinen Empfang hat. Da hält ein Geländewagen an, und Emma blickt in die warmherzigen braunen Augen eines Fremden. »Grüß Gott, ich bin der Samuel. Brauchen Sie Hilfe?«

Bunte Lichter spiegelten sich auf dem nassen Asphalt. Die Luft roch nach Schnee, doch zu sehen war noch nichts. Emma war das ganz recht. In der Wiener Innenstadt war ohnehin nie lange etwas von der weißen Pracht zu sehen, der Großstadttrubel verwandelte die schönste Schneedecke stets rasch in braunen, hässlichen Matsch. Und dann wäre hier wohl endgültig das Chaos ausgebrochen.

Unzählige Autos wälzten sich langsam durch die Straßen, Menschen durch die Fußgängerzonen. Jedermann schien unterwegs zu sein. Weihnachten stand vor der Tür, und wie üblich herrschte den ganzen Dezember über große Betriebsamkeit, weil Geschenke besorgt werden mussten.

Emma bildete da keine Ausnahme. Ächzend verlagerte sie die Tüten, die sie schleppte, in die andere Hand. Die Träger schnitten tief in ihre Haut ein. Doch sie lächelte, als sie daran dachte, was sich in den großen Einkaufstüten mit dem Logo des Kaufhauses befand. Ihre kleine Tochter Nellie würde sicherlich überglücklich sein, wenn sie die Geschenke an Heiligabend auspackte. Für Emma war es das Schönste, Nellies glänzende Augen und ihr freudenstrahlendes Gesichtchen zu sehen. Liebevoll hatte sie all die schönen Spielsachen ausgesucht und dabei die Wunschliste berücksichtigt, die Nellie für das Christkind auf die Fensterbank gelegt hatte. Eine Liste, die nicht geschrieben, sondern sorgfältig gezeichnet und mit Buntstiften ausgemalt war, denn schreiben konnte Nellie noch nicht. Dafür war sie noch zu klein.

Jemand rempelte Emma an und hastete weiter, ohne sich zu entschuldigen. Sie raffte den Wintermantel enger um sich, packte die Papiertüten fester und kämpfte sich weiter durch den Vorweihnachtstrubel.

Wie sehr sie sich nach der Badewanne sehnte. Oder nach einem richtig erholsamen Nickerchen. Ihr Arbeitstag in der Anwaltskanzlei war stressig gewesen, eigentlich fühlte sie sich wie gerädert. Doch freilich mussten alle wichtigen Besorgungen trotzdem gemacht werden, und ihr Mann Torsten hatte wie üblich keine Zeit: Bis der aus dem Büro kam, hatten alle Läden längst geschlossen. Das war eben der Preis, den man für eine hohe Position, ein verglastes Büro in der obersten Etage des Firmengebäudes und ein mehr als stattliches Gehalt bezahlte: Torsten arbeitete fast rund um die Uhr, Freizeit war Mangelware.

Manchmal scherzte Emma, die Arbeit sei neben ihr seine zweite Ehefrau. Doch zum Lachen war ihr dabei nicht zumute.

Endlich hatte sie ihr Auto erreicht. Sie wuchtete die Einkaufstüren mit den vielen, schönen Spielsachen in den Kofferraum. Dann ließ sie sich auf den Fahrersitz fallen und steuerte den Wagen durch das Großstadtgewirr zur KiTa, aus der sie Nellie abholen wollte.

***

Jauchzend lief Nellie ihrer Mutter entgegen und ließ sich in ihre Arme fallen.

»Mama! Ich hab das Christkind gemalt, schau mal«, rief sie aufgekratzt.

Emma lächelte. »Zeig mal her. Das sieht ja toll aus. Das Christkind hat ja ganz goldene Flügerl.«

Nellie deutete mit dem kleinen Zeigefinger auf die Zeichnung.

»Und da, schau! Da hat's ganz viele Geschenke dabei. Für alle Kinder auf der Welt. Ich hab's für dich gemalt, und für den Papa.«

Auf der Heimfahrt von der KiTa plapperte Nellie fröhlich vor sich hin. Sie glühte förmlich vor Aufregung, weil Weihnachten allmählich näher rückte. Das Mädchen konnte es kaum erwarten.

Und auch Emma war erfüllt von Vorfreude. Heute war ihr letzter Arbeitstag für dieses Jahr gewesen, ab jetzt hatte sie Urlaub. Wie glücklich es sie machte, jetzt für ein paar Wochen ganz für ihr kleines Madel da sein zu können!

Sie hatte Hochachtung vor allen Frauen, die in Vollzeit arbeiteten und ihre Kinder daher häufig fremdbetreuen lassen mussten. Tauschen wollte sie da auf keinen Fall. Für sie war es das Schönste, Zeit mit Nellie zu verbringen. Sie hatte nicht erwartet, dass sie derart in der Mutterrolle aufgehen würde, doch nun war sie unendlich dankbar dafür, so viel Zeit für ihre Tochter zu haben. Torstens gutbezahlter Job erlaubte es ihr, in Teilzeit zu arbeiten. Jede Minute mit Nellie war ein Geschenk, so sah sie es. Die Zeit verflog ja ohnehin so erschreckend schnell, sie zerrann einem zwischen den Fingern.

***

»Jetzt machen wir uns einen gemütlichen Abend daheim!«, kündigte Emma an, als sie zu Hause angekommen waren und das Auto vor dem Haus parkten.

»Au ja. Bald kommt auch der Papa heim.« Nellie hopste an Emmas Hand über die Auffahrt. »Und der liest mir heut die Gutenachtgeschichte vor. Das hat er versprochen.«

Emma unterdrückte ein Seufzen. Die Geschenke hatte sie in weiser Voraussicht im Kofferraum gelassen, damit Nellie sie nicht entdeckte. Erst später, wenn das Madel im Bett war, würde Emma die Einkäufe ins Haus holen und gemeinsam mit Torsten in schönem Papier einpacken. Das war zumindest ihr Plan.

Jetzt hoffte sie aber erst mal, dass Torsten auch wirklich pünktlich kommen würde. In letzter Zeit war es oft besonders spät geworden auf der Arbeit. Sie hatte ihm das Versprechen abgerungen, heute wirklich mal zeitig Feierabend zu machen, damit sie einen behaglichen Abend im Familienkreis verbringen konnten: zusammen essen und anschließend Plätzchen naschen, etwas spielen, vielleicht einen Zeichentrickfilm ansehen. Und dann freilich die Gutenachtgeschichte, die ein fester Bestandteil von Nellies Abendroutine war. Diesmal würde Torsten es pünktlich nach Hause schaffen, daran glaubte Emma.

***

Emma rührte im Kochtopf, schmeckte die Soße ab und fügte noch ein paar frische Kräuter hinzu. Heute gab es Spaghetti mit Muscheln in Weißweinsoße, Torstens Lieblingsessen. Wenn er sich schon mal die Zeit freischaufelte, früher nach Hause zu kommen und mit ihnen gemeinsam zu essen, wollte Emma ihn dafür mit etwas besonders Leckerem überraschen. Für Nellie, die Muscheln verabscheute, köchelte ein weiterer kleiner Topf mit Tomatensoße auf dem Herd.

»Mama, das riecht schon so gut«, rief Nellie. »Nur die Mupfeln net. Die riechen ganz komisch.«

Emma musste über die gerümpfte Nase ihrer Tochter lachen. Nellie saß wie so oft auf dem Küchenboden und spielte mit Plüschtieren, statt es sich auf dem weichen Teppich im Wohnzimmer oder im Kinderzimmer gemütlich zu machen. Das tat sie gerne, um näher bei ihrer Mama zu sein und beim Kochen zuschauen zu können.

»Wart's nur ab, bis du größer bist. Dann schmecken dir sicherlich auch Sachen, die du jetzt noch grausig findest. Muscheln, Fisch. Spinat.«

»Und Oliven«, krähte Nellie amüsiert. »Die sind sooo bitter. Der Papa hat mir einmal eine gegeben. Aber die war gar net gut. Wann kommt denn der Papa eigentlich heim?«

Sehnsüchtig schaute die Kleine zur Wanduhr, obwohl sie die Zeit noch gar nicht ablesen konnte. Emma folgte ihrem Blick.

»Sicherlich bald, in ein paar Minuten«, verkündete sie lächelnd.

Doch zu diesem Lächeln musste sie sich zwingen. Eigentlich hätte Torsten vor ein paar Minuten schon da sein sollen. Nicht mehr lange, dann würde das Essen fertig sein. Hoffentlich hielt er sich an sein Versprechen und kam heute wirklich pünktlich nach Hause!

Emma versuchte, ihn auf dem Handy anzurufen, aber da sprang nur die Mailbox an. Entweder, er hatte das Handy auf lautlos und ihren Anruf nicht bemerkt, oder er ignorierte sie mit Absicht. Vielleicht hing er länger als geplant in einer Besprechung fest und dachte gar nicht darauf, auf die Uhr zu schauen.

Sie sprach ihm eine Nachricht auf die Mailbox und bemühte sich dabei um eine unbeschwerte Stimme, damit Nellie nicht beunruhigt war: »Hey, Schatz, bist du schon auf dem Heimweg? Vergiss net, die Nellie und ich, wir freuen uns schon auf dich. Das Abendessen ist gleich fertig.«

Seine zweite Nummer – die seines Anschlusses im Büro – wählte sie nicht. Darauf sollte sie ihn nur in Notfällen anrufen, und er reagierte genervt, wenn sie ihn da trotzdem kontaktierte.

»Herrgott, Emma, diese Nummer ist für Kollegen und Geschäftspartner bestimmt«, hatte er sie letztes Jahr angepflaumt, als sie ihn angerufen hatte, weil Nellie hohes Fieber gehabt hatte. »Wenn's da klingelt, denk ich immer, es wär was Wichtiges.«

Ihre Erwiderung, ein krankes Kind sei ja wohl etwas Wichtiges, hatte zu einem Streit und tagelangem Schmollen geführt. Darauf hatte sie heute wirklich keine Lust.

»Mama?« Nellie beobachtete sie aufmerksam. Obwohl das Madel noch so jung war, bekam es mehr mit, als Emma manchmal bewusst war. »Kommt der Papa denn net heim?«

Noch ein erzwungenes Lächeln. »Doch, sicherlich bald, mein Spatzl. Vielleicht hat er im Büro noch was ganz Wichtiges zu tun. Aber ich bin mir sicher, sobald er kann, kommt er ganz schnell zu uns beiden heim. Weißt du was? Vielleicht fangen wir trotzdem schon mal an zu essen, damit die Nudeln net verkochen. Und wer weiß, vielleicht ist der Papa gleich auch schon da.«

***

Doch Torsten ließ sich nicht blicken, weder beim Essen noch während des kurzen Trickfilms, den Emma für Nellie einschaltete. Mittlerweile hatte sie mehrere Nachrichten auf seiner Mailbox hinterlassen, doch von ihm kam keine Reaktion. Erst war Emma ein wenig besorgt um ihn – hoffentlich hatte er keinen Unfall gehabt! – doch dann rief sie sich ins Gedächtnis, dass es wahrlich nicht das erste Mal war, dass er sich so drastisch verspätete. Mittlerweile war sie in solchen Fällen nicht mehr sonderlich besorgt, weil sie ohnehin halb damit rechnete.

»So, mein Spätzchen. Jetzt aber schnell Zähne putzen und ab ins Bett«, beschloss Emma.

Wie fast jeden Abend setzte sie sich noch an die Bettkante ihrer Tochter und nahm das Märchenbuch zur Hand, das Nellie so sehr liebte und aus dem sie jeden Abend eine Geschichte vorgelesen bekomme wollte.

»Was soll es diesmal sein, Spatzl? Die Frau Holle? Oder das Aschenbrödel?« Das waren Nellies Lieblingsmärchen, die sie eigentlich gar nicht oft genug hören konnte. Diesmal aber keine Spur von Begeisterung in Nellies kleinem Gesicht.

»Egal«, sagte Nellie leise.

»Ach, Liebling. Diese Geschichten hörst du doch so gerne.«

Nellie biss sich auf die Unterlippe. »Der Papa hat doch gesagt, heut liest er mir vor«, flüsterte sie traurig.

Die Enttäuschung ihrer Tochter schnitt Emma tief ins Herz. In dem Moment wollte sie am liebsten zu Torstens Büro rasen und ihn eigenhändig nach Hause schleifen, damit er sein Versprechen dem Kind gegenüber einhielt.

Sie las Nellie das Märchen von Frau Holle vor. Als das Kind schlief, blieb Emma noch eine Weile reglos auf der Bettkante sitzen und starrte hinaus. Nun hatte es doch begonnen zu schneien. In den Lichtkegeln der Straßenlaternen tanzten die weißen Flocken sachte herab. Doch sobald sie auf den Asphalt auftrafen, schmolzen sie zu nassem Matsch dahin, der unter den eiligen Schritten der Passanten zertrampelt wurde.

Sie dachte an Torsten und darüber, wie glücklich sie in der Anfangszeit gewesen waren. Sie zumindest hatte im siebten Himmel geschwebt, als dieser ehrgeizige, charismatische Mann ihr den Hof gemacht hatte. Zwischen Konzertbesuchen, teuren Bars und spontanen Städtetrips hatte sie kaum Zeit zum Durchatmen gehabt. Dann schon der Heiratsantrag und die Schwangerschaft. Alles war Schlag auf Schlag gegangen. Wenn Torsten etwas wollte, verschwendete er keine Zeit.

Aber wenn sie ehrlich war, war diese stürmische Phase schnell vorüber gewesen und einem Alltag gewichen, der ganz anders war als die Familienidylle, von der sie immer geträumt hatte. Spätestens, seit Nellie auf der Welt war, war es vorbei gewesen mit Pärchenromantik.

Es wird wieder besser, sagte sie sich in Gedanken. Er hat grad eine stressige Phase auf der Arbeit. Wenn er wieder mehr Freizeit hat, wird er sich mehr um seine Familie kümmern.

Doch darauf, dass alles wie durch Zauberhand besser wurde, wartete sie schon seit einer ganzen Weile vergeblich.

***

Hedi Kastler summte Weihnachtsmelodien vor sich hin, während sie auf der Leiter herumturnte. Liebevoll dekorierte sie den großen Weihnachtsbaum, der in der Lobby des Hotels stand, das sie gemeinsam mit ihrem Mann Andi leitete. Das Sporthotel »Am Sonnenhang«, das hier in St. Christoph im Zillertal unter den Einheimischen nur als das Berghotel bekannt war, erstrahlte schon im weihnachtlichen Glanz. Aber für Hedi reichte das noch nicht aus. Zusätzlich zur Lichterkette wickelte sie jetzt eine golden glänzende Girlande um die Tanne.

Andi betrachtete seine Frau schmunzelnd.

»Hedi, Hedi. Wenn du noch ein bisserl mehr Schmuck an diesen armen Baum hängst, bricht der unter seiner Last einfach zusammen. Und dann haben wir die Bescherung.«