Das Berghotel 307 - Verena Kufsteiner - E-Book

Das Berghotel 307 E-Book

Verena Kufsteiner

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

In Gedanken versunken folgt Ben Meyer nur halbherzig der Wandergruppe aus dem Sporthotel "Am Sonnenhang", die heute unter der Leitung von Lukas Einrieder eine geführte Bergtour unternimmt. Zu sehr beschäftigt den jungen Unternehmensberater das, was gerade geschehen ist: Seine beste Freundin Susi, seit vielen Jahren rein platonisch an seiner Seite, hat ihm urplötzlich gestanden, dass sie mehr für ihn empfindet als "nur" Freundschaft - was Ben aber nicht erwidern kann. Doch verlieren will er Susi auch auf keinen Fall. Während er noch grübelt und dann nach der Gruppe Ausschau hält, gerät plötzlich eine Bewegung in sein Blickfeld, und Ben glaubt, seinen Augen nicht zu trauen: Etwas entfernt, halb versteckt vom Dickicht des Waldes, steht auf einer wackeligen Hängebrücke eine Frauengestalt - und sie macht nicht den Eindruck, fröhlich über die Brücke laufen zu wollen. Vielmehr lehnt sie sich über das Geländer, weit über das Geländer ...


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 128

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Erdrückende Schuld

Vorschau

Impressum

Erdrückende Schuld

Heimatroman um das Schicksal einer verzweifelten Frau

Von Verena Kufsteiner

In Gedanken versunken folgt Ben Meyer nur halbherzig der Wandergruppe aus dem Sporthotel »Am Sonnenhang«, die heute unter der Leitung von Lukas Einrieder eine geführte Bergtour unternimmt. Zu sehr beschäftigt den jungen Unternehmensberater das, was gerade geschehen ist: Seine beste Freundin Susi, seit vielen Jahren rein platonisch an seiner Seite, hat ihm urplötzlich gestanden, dass sie mehr für ihn empfindet als »nur« Freundschaft – was Ben aber nicht erwidern kann. Doch verlieren will er Susi auch auf keinen Fall. Während er noch grübelt und dann nach der Gruppe Ausschau hält, gerät plötzlich eine Bewegung in sein Blickfeld, und Ben glaubt, seinen Augen nicht zu trauen: Etwas entfernt, halb versteckt vom Dickicht des Waldes, steht auf einer wackeligen Hängebrücke eine Frauengestalt – und sie macht nicht den Eindruck, fröhlich über die Brücke laufen zu wollen. Vielmehr lehnt sie sich über das Geländer, weit über das Geländer ...

Ben seufzte – nicht zum ersten Mal an diesem scheinbar so wunderschönen Tag, an dem die Morgensonne ihren glitzernden Schein über die vom längst abgezogenen Nebel noch feuchten Bergwiesen niedergehen ließ. Singvögel zwitscherten und tanzten durch die Äste der Bäume, während zwei junge Eichhörnchen aufgeregt herumtollten und um einige Waldfrüchte stritten. Ihm bot sich ein geradezu idyllischer Ausblick, so wie schon an seinem ersten Urlaubstag im wunderschönen Zillertal.

Leider war es ihm auch weiterhin nicht möglich, diese heitere Stimmung richtig in sich aufzunehmen. Zu sehr belastete ihn die Tatsache, dass er Verpflichtungen zu erledigen hatte, die eigentlich nur seinen Beruf betrafen, jedoch längst auf sein Privatleben übergriffen und ihm so kaum noch Luft zum Atmen gaben.

Wie so oft in letzter Zeit fühlte sich seine Kehle wie zugeschnürt an, wenn er seinen Blick einmal von dem Laptop abwandte, an dem er gefühlt sein halbes Leben verbrachte. Er musste das Projekt zu Ende bringen, das hatte ihm sein Vorgesetzter in einem nur wenige Minuten zurückliegenden Telefongespräch noch einmal eindringlich eingeschärft.

Noch immer klangen Jürgen Vollmers Worte in seinem Kopf nach, als würde er direkt vor ihm stehen und eine seiner berüchtigten »Predigten« halten: »Für Eckendorf Consulting ist dieser Auftrag von immenser Bedeutung, zeigt er doch die Richtung auf, in die sich das Unternehmen in den kommenden Jahren entwickeln wird. Bei einer erfolgreichen Implementierung eines erfolgversprechenden Businessplanes werden wir in die Top 10 der Unternehmensberatungen des ganzen Landes aufsteigen – und ich muss nicht erwähnen, welchen Status jeder einzelne von uns dadurch erreichen könnte. Es liegt auch und vor allem an Ihnen, Herr Meyer, die hoch gesteckten Ziele zu erreichen und nach den Früchten unserer harten Arbeit zu greifen. Deshalb erwarte ich von Ihnen auch unbedingten Einsatzwillen. Vergessen Sie nicht, ich verlasse mich auf Sie.«

Wie sollte er das jemals vergessen – spätestens nach diesen eindringlichen Worten? Ben war es gelungen, in den Jahren nach seinem Studium zum Assistant Chief Financial Consultant aufzusteigen, einer Position, die nicht nur ein hohes Maß an Eigeninitiative und Führungsverantwortung erforderte, sondern auch außerordentlich gut bezahlt wurde. Aber zu welchem Preis? Selbst eine Gehaltserhöhung hätte ihn nicht mehr gereizt – zu sehr fühlte er sich wie das Opfer eines Vampirs, der ihm gnadenlos das Blut und die Kraft aussaugte, sodass er sich inzwischen ebenso wie ein lebender Toter fühlte.

Sein Privatleben war nicht existent, und hätte seine beste Freundin Susi nicht über all die Jahre den Kontakt zu ihm aufrechterhalten, hätte er längst jeglichen Bezug zu der Welt außerhalb der Unternehmensberatung verloren. Leider reichte ihr Einfluss auf ihn nicht aus, um ihn trotz des gemeinsamen Urlaubes aus der Spirale zu reißen, die ihn seit einiger Zeit immer tiefer in den Abgrund zog. Längst dachte er daran, alles hinzuwerfen, wenngleich ein solcher Schritt seine Karriere schlagartig beendet und er alles aufgegeben hätte, für das er so viele Jahre geopfert hatte. Und so machte er weiter, immer weiter ...

Seine Gedanken brachen ab, als es an der Tür klopfte. Ben wusste sofort, wer da etwas von ihm wollte. Abgesehen von Susi war er noch mit keiner anderen Person im »Sporthotel am Sonnenhang« näher in Kontakt gekommen. Jetzt, als er sich bewusst wurde, dass die zehnte Stunde des Tages gerade anbrach und er bereits das Frühstück verpasst hatte, meldete sich sein Magen mit einem eindeutigen Knurren zu Wort.

Wieder seufzte er, als er seine Arbeit abspeicherte, den Laptop zuklappte und sich aus dem Sonnenstuhl erhob. Für einen Moment sah er sein Gesicht, das sich in der Scheibe eines Fensters spiegelte. Wenn er sich mit dem agilen, sportlichen, lebenslustigen und umgänglichen Ben Meyer verglich, der vor zehn Jahren sein Studium mit Auszeichnung abgeschlossen hatte, erschauderte er innerlich. Seine Augen waren gerötet, die Wangen eingefallen. Andere an seiner Stelle hätten vielleicht Gewicht zugelegt, er dagegen verlor es, weil er immer wieder vergaß, zu essen und zu trinken. An seinen chronischen Schlafmangel wollte er gar nicht denken. Wie es auch war – so wie jetzt konnte es nicht ewig weitergehen.

Mit steifen Gliedern schleppte er sich zur Tür, zog sie auf und starrte in die wie immer vor Lebensfreude strahlenden Gesichtszüge seiner besten Freundin. Susi Nussbauer war zwei Jahre jünger als er und trug ein wenig mehr Gewicht auf den Rippen mit sich herum als er, was sie dank ihrer oft recht aufreizenden Kleidung zu einem echten Blickfang machte. Auch an diesem Tag trug sie eine sportliche Bluse mit weitem Ausschnitt, eine dunkelgraue Wanderhose und entsprechende Schuhe. Sie war sich der ihr zukommenden Aufmerksamkeit durchaus bewusst, genoss es aber, Zeit mit einem Mann zu verbringen, der sich nur für ihre inneren Werte interessierte und nicht für Äußerlichkeiten.

Dabei hätte auch Susi allen Grund gehabt, missmutig und depressiv in den Spiegel zu blicken. Vor wenigen Wochen war ihre langjährige Beziehung mit ihrer Jugendliebe Marco endgültig zerbrochen, zudem musste sie sich ebenfalls durch einen stressigen Job kämpfen. Doch es gelang ihr stets, dank ihrer unbändigen guten Laune jeder Situation etwas Positives abzugewinnen. Und genau diese Lebensfreude übertrug sich auch auf Ben, sobald sie in den Raum trat.

»Morgen, Mister Workaholic«, begrüßte sie ihn, lachte und küsste ihn auf die Wange, bevor sie sich in sein Zimmer drängte. »Da du mich beim Frühstück im Stich gelassen hast, musste ich mich diverser Avancen anderer Gäste allein erwehren. Ich bin zwar schon ein großes Mädchen, trotzdem wäre es viel schöner, wenn der Mann an meiner Seite dafür sorgen würde, dass sich meine potenziellen Verehrer am Riemen reißen. Schließlich bin ich nicht hier, um mich neu zu verlieben.«

»Entschuldige«, erwiderte er kleinlaut und schielte bereits zurück zu seinem Laptop.

Susi schwenkte demonstrativ ihren ausgestreckten linken Zeigefinger vor seinem Gesicht hin und her. Da sie dabei auch den Kopf schüttelte, flogen ihre blonden, halblangen Locken wild über ihre leicht geröteten Wangen. In ihren Augen lag ein unidentifizierbarer Glanz, der es auch Ben immer wieder mal schwer machte, die wahre Intention ihrer Worte nachzuvollziehen.

»Das ist absolut unentschuldbar, mein Freund«, stellte sie klar, wobei diesmal offensichtlich war, dass sie ihn nur aufzog. »Und dadurch, dass du vor meinen Augen deinem Laptop sehnsüchtige Blicke zuwirfst, machst du es nicht besser. Lass das Ding dort liegen, wo es gerade ruht – wir beide haben etwas viel Wichtigeres zu tun. Oder hast du etwa vergessen, dass wir nicht ins Zillertal gefahren sind, damit du dich den ganzen Tag um deinen Businessplan kümmerst? Gleich geht es hoch auf den Feldkopf.«

Ben schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn.

»Das habe ich ja völlig vergessen«, gab er kopfschüttelnd zu. »Allerdings hat Vollmer gerade auch angerufen und ...«

»Vergiss den ›Prediger‹! Du hast Urlaub!«

»Aber ...«

Mit einer energischen Handbewegung winkte Susi ab. Im Gegensatz zu ihm war seiner besten Freundin bereits vor einem Jahr der Absprung von der Firma gelungen, weshalb sich Ben inzwischen unter seinen Kollegen noch weniger wohl fühlte. Dummerweise war sie bei der Auswahl ihres neuen Jobs wohl auch nicht vom Glück verfolgt gewesen, was ihr stets sonniges Gemüt umso erstaunlicher erscheinen ließ.

»Vollmer soll bleiben, wo der Pfeffer wächst!«, schärfte sie Ben ein. »Du hast Urlaub, das muss er endlich verstehen. Und du auch – also zieh dich an und mach dich auf den Weg nach unten!«

»Ja, Mutter.«

Susi funkelte ihn mit gespielter Boshaftigkeit an.

»Den Spruch wirst du noch teuer bezahlen«, hauchte sie ihm zu, bevor sie auf dem Absatz kehrtmachte und in Richtung Tür rauschte. »Ich erwarte dich unten.«

»Sicher«, flüsterte Ben unhörbar und schüttelte den Kopf.

Er wusste nicht, ob er Susi je gesagt hatte, wie dankbar er für all das war, was sie für ihn tat.

Missmutig ließ er seinen Blick zur Sonnenliege und dem Laptop wandern. Wenn er jetzt die Arbeit abbrach, würde er hoffnungslos hinter den eng gesteckten Zeitplan zurückfallen und sich einigen Ärger mit seinem Vorgesetzten einhandeln.

Aber vielleicht wollte er das ja auch ...

***

Schon nach den ersten Metern der geführten Wandertour kam sich Ben auf eine seltsame Weise befreit vor. Ob es an der klaren und reinen Luft lag, die er so in der Münchener Innenstadt kaum noch vorfand? Oder an dem Anblick dieser Postkartenidylle, diesem wunderschönen Tal, in dem der kleine Ort St. Christoph von unzähligen Höfen, saftigen Wiesen, scheinbar unberührten Wäldern und insgesamt sechs Bergen eingerahmt wurde?

Wahrscheinlich stand der Eindruck mit der Tatsache in Verbindung, dass er zumindest für einige Stunden die quälende und zermürbende Arbeit hinter sich ließ, was ihm nur durch den heilsamen Einfluss seiner besten Freundin gelungen war.

Nicht nur das lange Sitzen trug seinen Anteil dazu bei, dass er längst nicht mehr so fit auf den Beinen war wie noch vor einigen Jahren. Eigentlich wanderte er nur noch hin und wieder, und dass nur noch mit Susi. Wenn er daran dachte, was für ein Bergfex er früher einmal gewesen war ...

»Du denkst immer noch zu viel nach«, sprach ihn Susi an.

Dabei nahm sie seine linke Hand und zog ihn näher zu sich heran. Nicht unbedingt in die Nähe der insgesamt siebenköpfigen Gruppe, sondern vor allem an sich. Dabei drückte sie seine Finger etwas fester als nötig, was ihn zu einem irritieren Blick verleitete.

Ben hob die Schultern.

»Ich denke nur über die Landschaft nach«, erwiderte er mit einem schmalen Lächeln.

»Ja, ja, die Landschaft ...«

Das Verhalten seiner besten und einzigen Freundin kam ihm schon längere Zeit etwas seltsam vor. Natürlich war sie weiterhin der aufgeweckte Wirbelwind, der es genoss, Zeit in der Natur und mit einem geliebten Menschen zu verbringen, gleichzeitig schien sie aber auch mehr auf dem Herzen zu haben, als sie zugeben wollte. Der starke Druck ihrer Hand und die Tatsache, dass sie ihn nahe an sich heranzog, sorgten dafür, dass er sich fragte, ob sie sich vielleicht mehr von dem Urlaub erhoffte, als nur mit einem Freund durchzuatmen und ihn auf andere Gedanken zu bringen.

Wenn das stimmte, wäre das eine wirklich seltsame Entwicklung, immerhin war gerade Susi immer so glücklich darüber gewesen, mit einem Mann zu reden, der sich nur auf eine emotionale Weise für sie interessierte. Und Ben hatte sie immer als eine Art kleine, vom Charakter her sogar eher große Schwester angesehen.

Während sich das Gelände langsam veränderte und von einem Bergwald zu meist freien felsigen Wegen überging, entschied sich Ben dafür, frei heraus zu sagen, was er dachte. Wenn nicht seiner besten Freundin gegenüber, bei wem dann?

»Was ist mit dir los, Susi?«, fragte er sie.

Dass seine Freundin ihm dabei nicht wie sonst direkt in die Augen sah, sprach seiner Meinung nach für sich.

Die blonde Münchenerin schluckte und fuhr sich nervös durch die Lockenhaare – beinahe wie ein Mädchen bei seinem ersten Date, ohne genau zu wissen, was es eigentlich sagen wollte.

»Ist das so offensichtlich?«, fragte sie, blieb abrupt stehen und atmete tief durch.

Dann tat sie etwas, mit dem Ben trotz allem nicht einmal ansatzweise gerechnet hätte: Sie griff nach seinen Wangen und küsste ihn auf den Mund.

Zärtlich trafen sich ihre Lippen, doch obwohl Susi eine wunderschöne Frau war und er sie sehr mochte, war er nicht in der Lage, sich darauf einzulassen. Dass ein Kind aus der kleinen Wandergruppe dabei angeekelt aufschrie, bekam er nur am Rande mit. Vielmehr versetzte ihm Susis Anblick einen Stich ins Herz, als er sich unvermittelt aus der zärtlichen Umarmung löste und einen Schritt zurücktrat.

»Es tut mir leid, ich kann das nicht«, versuchte er, sich zu erklären. »Das kommt so plötzlich.«

Susi biss sich auf die Unterlippe, wie sie es immer tat, wenn sie eine Situation emotional besonders belastete.

»Ich weiß, Ben, und ich wollte dich damit auch nicht überfallen.« Betroffen blickte sie zu Boden. »Um ehrlich zu sein, weiß ich selbst nicht so genau, was mit mir los ist. Seit wir uns auf den Weg nach Österreich gemacht haben, komme ich von dem Gedanken nicht los, dass das zwischen dir und mir die beste Beziehung meines Lebens ist. Das ist natürlich Quatsch, immerhin sind wir Freunde und sonst nichts, andererseits fühle ich mich seit der Trennung von Marco so einsam und leer.«

Mitfühlend sah Ben sie an, sagte aber nichts.

Mit einem Seufzer setzte Susi hinzu: »Wir lachen miteinander, necken uns, und oft versuche ich, dir dabei zu helfen, mit deiner stressigen Arbeit zurechtzukommen. Dabei bin ich diejenige, die eigentlich Hilfe bräuchte. Du weißt, wie viel mir Marco bedeutet hat, und zu erfahren, dass er mich in Wahrheit nie wirklich geliebt oder zumindest verstanden hat, hat meine Welt ins Wanken gebracht. Irgendwann habe ich mich gefragt, warum wir beide immer nur Freunde geblieben sind, obwohl wir uns schon immer näher waren als Marco und ich. Ist dir noch nie dieser Gedanke gekommen?«

Ben öffnete den Mund, zögerte jedoch mit einer Antwort. Vor allem wollte er Susi mit seinen Worten nicht verletzen, wenngleich daran wohl auf die eine oder andere Weise kein Weg vorbeiführen würde.

»Für mich warst du immer meine beste Freundin«, gab er ihr vollkommen ehrlich zu verstehen. »Wenn dir das zu wenig ist ...«

Sofort winkte Susi erschrocken ab.

»Nein, auf keinen Fall. Es ist nur ... ach, ist nicht so wichtig.«

»Das glaube ich nicht.«

Susi schluckte und sah sich nach der Gruppe um, die schon einige Dutzend Meter vorausgeeilt war.

»Reden wir ein andermal darüber«, beschwichtigte sie ihn. »Ich habe mich so auf diese Wanderung gefreut.«

Während seine beste Freundin bereits wieder zu den anderen Wanderern aufschloss, blieb Ben noch einige Schritte zurück. So recht wusste er immer noch nicht, was da gerade geschehen war. Susi war eine wunderbare Frau und ihm auf eine besondere Art und Weise sympathisch, nur gelang es ihm nicht, derartige Gefühle zu entwickeln, wie sie sie von ihm angesichts des Kusses erwartete. Da war einfach nichts – nur der Eindruck, etwas grundlegend Falsches getan zu haben. Gleichzeitig kam ihm aber auch der Gedanke, dass von nun an nichts mehr zwischen ihnen so sein würde wie zuvor, wenn es ihnen nicht gelang, diesen seltsamen Moment zu verarbeiten.

»Was ist das da drüben für ein Berg?«, hörte er den etwa sieben bis acht Jahre alten Jungen fragen, dessen von Ekel über den Kuss geprägter Ruf ihm vorhin zu Ohren gekommen war.

Der Bub zog seinen Vater, einen leicht übergewichtigen Mann in einem hellbraunen Hemd und Jeans, mehr oder weniger mit sich und baute sich direkt neben Lukas Einrieder auf, der die Wandergruppe leitete. Mit einer Hand deutete er energisch auf eine Erhebung mit felsiger Spitze, die direkt neben dem Feldkopf in die Höhe ragte.