Das Berghotel 316 - Verena Kufsteiner - E-Book

Das Berghotel 316 E-Book

Verena Kufsteiner

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Beschreibung

Jeder im Berghotel weiß, dass es der herzensguten Chefin Hedi Kastler niemals möglich ist, sich nicht einzumischen, wenn nur die kleinste Chance auf ein Happy End besteht. Und die Geschichte, die sich gerade vor Hedis Augen abspielt, schreit förmlich nach ihrem Eingreifen. Die Kastlers erinnern sich noch an den romantischen Abend vor vier Jahren, als Alexander Forstinger um die Hand seiner Freundin Bettina angehalten hat. Die Küche des Berghotels hatte ein spezielles Menü vorbereitet, Hedi den Tisch liebevoll dekoriert, und sie hatten sich mit den beiden strahlenden jungen Menschen gefreut. Und jetzt?
Vier Jahre später sind Bettina und Alex geschieden, im Streit auseinandergegangen - und scheinen doch gewisse Erinnerungen nicht vergessen zu können. Wie sonst könnte es sein, dass beide unabhängig voneinander zum Jahrestag ihrer Verlobung im Berghotel einchecken? Die erfahrene Menschenkennerin Hedi merkt schnell, dass da bei ihren beiden Gästen noch Gefühle für den anderen vorhanden sind. Doch dieses Mal ist das Schicksal schneller als sie und setzt noch eine dramatische Herausforderung vor das Happy End, die Hedi ihren Gästen lieber erspart hätte ...

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Inhalt

Cover

Nie mehr ohne dich

Vorschau

Impressum

Nie mehr ohne dich

Im Berghotel findet ein geschiedenes Ehepaar wieder zueinander

Von Verena Kufsteiner

Jeder im Berghotel weiß, dass es der herzensguten Chefin Hedi Kastler niemals möglich ist, sich nicht einzumischen, wenn nur die kleinste Chance auf ein Happy End besteht. Und die Geschichte, die sich gerade vor Hedis Augen abspielt, schreit förmlich nach ihrem Eingreifen. Die Kastlers erinnern sich noch an den romantischen Abend vor vier Jahren, als Alexander Forstinger um die Hand seiner Freundin Bettina angehalten hat. Die Küche des Berghotels hatte ein spezielles Menü vorbereitet, Hedi den Tisch liebevoll dekoriert, und sie hatten sich mit den beiden strahlenden jungen Menschen gefreut. Und jetzt?

Vier Jahre später sind Bettina und Alex geschieden, im Streit auseinandergegangen – und scheinen doch gewisse Erinnerungen nicht vergessen zu können. Wie sonst könnte es sein, dass beide unabhängig voneinander zum Jahrestag ihrer Verlobung im Berghotel einchecken? Die erfahrene Menschenkennerin Hedi merkt schnell, dass da bei ihren beiden Gästen noch Gefühle für den anderen vorhanden sind. Doch dieses Mal ist das Schicksal schneller als sie und setzt noch eine dramatische Herausforderung vor das Happy End, die Hedi ihren erspart hätte ...

Die Luft in der Kletterhalle schien vor Anspannung zu kochen, alle Zuschauer hielten den Atem an, während sich eine junge Frau in einem knallroten Dress hoch konzentriert in rasantem Tempo über den schwersten Parcours hantelte.

Endlich löste ein vielstimmiger Jubelschrei die Spannung: »Hurra! Geschafft! Gratuliere, Bettina!«

Die junge Frau, welche die besonders tückische Überhang-Passage soeben in einer neuen Rekordzeit bewältigt hatte, ließ sich mit einem glücklichen Jauchzer ins Sicherungsseil fallen und federte bei der Landung elegant auf der Matte ab. Wieder am Boden, zog sich Bettina Forstinger das Haargummi aus dem Zopf und ließ einen Schwall dunkelbrauner Haare über ihre Schultern fließen. Sie fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn und lachte befreit. Da kamen schon ihre Freundinnen und Freunde herbeigeeilt, um ihr zu gratulieren.

Bettina schaute auf die Stoppuhr und stellte fest: »Zwölf Minuten vierunddreißig!« Lachend wandte sie sich an den jungen Mann mit den schulterlangen hellen Haaren, der sie in den Arm genommen hatte. »Na, was sagst du, Leo?«, fragte sie und klatschte mit ihm ab.

»Nicht übel, aber ich werde deinen Rekord gleich morgen knacken. Das verspreche ich dir«, gab er grinsend zurück.

Bettinas dunkle Augen funkelten.

»Falls dir das gelingen sollte, werde ich eben übermorgen deinen Rekord unterbieten«, knurrte sie.

»Leute!«, beschwichtigte Bettinas Freundin Marion. »Ihr werdet doch nicht streiten. Außerdem ist heute Bettinas Tag!«, sagte sie vorwurfsvoll in Richtung Leo, der entschuldigend die Hände hob.

»Ja, schon gut«, maulte er.

Alle wussten, dass Leo kein guter Verlierer war. Aber das war Bettina auch nicht, und gerade dieser Ehrgeiz war es, der die beiden stets zu sportlichen Höchstleistungen anspornte.

Eine Stunde später saß die Freundesgruppe in einem gemütlichen Bierlokal.

»Prost, Bettina, und noch einmal Glückwunsch zu deiner tollen Kletterleistung«, sagte Marion. »Wer hätte vor zwei Jahren gedacht, dass du in diesem Sport so talentiert bist!«

»Tja«, machte Bettina und wischte sich einen Klacks Bierschaum von der Nase. »Vor zwei Jahren hatte ich keine so guten Trainingspartner. Überhaupt war ich damals noch eine brave Ehefrau und habe meine Abende langweilig daheim verbracht.«

Leo legte besitzergreifend seine Hand auf Bettinas Bein.

»Zum Glück hast du diesen schrecklichen Zustand beendet«, stellte er fest und grinste anzüglich.

Bettina beugte sich hinüber und gab ihm einen raschen Kuss.

»Ich kann es mir gar nimmer vorstellen, verheiratet zu sein«, gestand sie dann. »Es kommt mir vor wie ein ganz anderes Leben ...«

Nachdenklich nahm sie einen Schluck aus ihrem Glas und bemerkte dabei selbst nicht, wie sich ein wehmütiger Zug um ihren Mund legte.

Marion runzelte die Stirn.

»Du sprichst nicht oft über jene Zeit, Bettina. Und ich kann mir dich auch gar nicht als Ehefrau vorstellen.«

Bettina zuckte mit den Schultern.

»Ach, es war nicht alles schlecht«, meinte sie. »Wir dachten halt, wir würden zusammenpassen, aber wir haben uns geirrt. Jetzt kann ich so leben, wie ich will, und brauche nicht ständig Rücksichten zu nehmen. Das ist besser. Das gilt übrigens auch für meinen Mann. – Meinen Ex-Mann«, korrigierte sie sich. »Alex.«

»Was hat dein Mann eigentlich so gemacht?«, wollte Marion wissen.

Die beiden Freundinnen kannten sich noch nicht lange. Erst seit Bettina regelmäßig in die Kletterhalle kam, hatten sich die dunkelhaarige und die blonde Frau miteinander angefreundet.

»Er zeichnet«, erwiderte Bettina knapp.

»Wie?« – »Was?«, fragten die anderen erstaunt.

Bettina rückte ungemütlich mit dem Sessel.

»Was wollt ihr wissen?«, fauchte sie. »Er zeichnet eben!«

»Ist er Künstler oder zeichnet er Pläne?«, fragte Marion.

»Beides«, kam wieder eine knappe Antwort. »Oder leider eben nicht beides, weil ihm der Ehrgeiz fehlt, als Künstler durchzustarten. Alexander ist nämlich wirklich gut, hat viele Ideen für Comics und Kinderbücher. Aber ihm fehlt die Power, um daraus etwas zu machen, deshalb wird er weiterhin bis zu seiner Pensionierung im Büro sitzen und Küchenpläne entwerfen ... Ach, lasst uns über etwas anderes reden. Ich mag jetzt wirklich nicht an Alex denken, sondern mich lieber über meinen Erfolg freuen!«

Die Freunde waren damit einverstanden, das Thema zu wechseln, und so redeten sie bald über das Sportgymnasium, an dem die meisten von ihnen unterrichteten.

***

Gar nicht weit davon entfernt wippte Alexander Forstinger nervös auf dem Kaffeehaussessel. Zum wiederholten Mal sah er auf die Uhr: Erst zwanzig Minuten vor vier, da musste er sich wohl noch gedulden. Es war nicht zu erwarten, dass sein Gesprächspartner früher als gegen sechzehn Uhr in diesem Innenstadtcafé auftauchen würde. Im Gegenteil. Normalerweise hatten Geschäftsleute, vor allem, wenn sie aus Deutschland nach Wien anreisten, so viele Termine in ihren Kalender gepackt, dass sie ab Mittag heillos verspätet von einer Besprechung zur nächsten hetzten.

Alexander war viel zu früh zu dem Termin erschienen, aber er war viel zu aufgeregt gewesen, um daheim zu warten.

Erst vor drei Tagen hatte ihn die Sekretärin des Hamburger Buchverlegers Ingo Husenfeld angerufen, um das Treffen zu vereinbaren.

Auf Alexanders Nachfragen, worum es bei der Besprechung denn konkret gehen sollte, hatte die Dame abgewinkt: »Das wird Ihnen Herr Husenfeld persönlich sagen. Ich bin nicht befugt, aus dem Nähkästchen zu plaudern.«

Dann hatte sie gelacht und das Gespräch beendet.

Alexander hatte natürlich so eine Ahnung, doch er wagte es nicht, daran zu denken. Vor einem halben Jahr hatte er ein Manuskript für ein reich bebildertes Kinderbuch an den Verlag geschickt, um sich an einem international ausgeschriebenen Wettbewerb zu beteiligen. Und jetzt wollte ihn der Verleger persönlich treffen!

»Gratuliere!«, hatte Alexanders Freund Benjamin gesagt, als er ihm davon erzählt hatte.

»Nein, nein!«, hatte Alex abgewehrt. »Wer weiß, was der Mann von mir will?«

»Er wird sich kaum mit dir treffen, um dir zu sagen, dass du nicht gewonnen hast«, hatte Benjamin trocken erwidert.

»Das wohl nicht, aber es gibt viele andere Möglichkeiten. Ich würde mich schon freuen, wenn meine Teilnahme an dem Wettbewerb mir eine Tür geöffnet hätte – egal, wie klein diese dann wäre. Es könnte auch der Auftrag für eine andere Illustration sein, die Mitarbeit an einem Kalender, oder vielleicht ist der Mann zufällig in Wien und braucht einen Tipp, welche Theateraufführung gerade sehenswert ist ...«

Weil Alex selbst gemerkt hatte, wie lächerlich das klang, war er dann schnell verstummt.

Benjamin aber hatte gegrinst.

»Okay, dann warte ich mit dem Gratulieren bis nach deiner Besprechung. Aber du musst schon zugeben, Alex, dass du das alles auch Bettina zu verdanken hast!«

Benjamin, der vor dreieinhalb Jahren Alexanders Trauzeuge gewesen war, nahm die Scheidung des einstigen »Traumpaars« persönlich.

Alexander musste dem Freund aber insgeheim recht geben, so schwer es ihm fiel: Hinter dem Mut, am Wettbewerb des Husenfeld-Verlags teilzunehmen, war der Wunsch gestanden, es seiner Ex-Frau zu beweisen.

Bettina hatte ihn ja stets aufgefordert, »Nägel mit Köpfen« zu machen und nicht nur von einer Karriere als Kinderbuchillustrator zu träumen, sondern ins kalte Wasser zu springen und es mit der Konkurrenz aufzunehmen. Solange sie ihn gedrängt hatte, hatte sich Alexanders Trotz dagegengestemmt.

»Es ist doch nur ein Hobby«, hatte er immer wieder erklärt. – »Na und? Es könnte mehr als ein Hobby sein, aber nur, wenn du darum kämpfst!«

Das ewige Kämpfen, das schließlich auch Bettinas Leben bestimmte, war ihm auf die Nerven gegangen, und so hatte er sich verweigert. Erst nach der Trennung – auch weil er nun mehr Freizeit hatte, als ihm lieb war – hatte sich Alexander Forstinger an das Projekt herangewagt. Die Ausschreibung des Husenfeld-Wettbewerbs war ihm da gerade recht gekommen.

Ja – an dem, was Benjamin sagte, war was dran: Auf irgendeine verquere Weise war es Bettina zu verdanken, dass er sich das getraut hatte. Was sie wohl sagen würde, wenn sie das wüsste? Alexander seufzte laut und vernehmlich.

»Verzeihen Sie – Herr Forstinger?«, fragte eine sonore Männerstimme an seiner Seite.

Alexander hatte gar nicht bemerkt, dass der kompakt gebaute Mittfünfziger an ihn herangetreten war. Er kannte den Verleger natürlich von Fotos und sprang deshalb schnell auf – so schnell, dass der Stuhl hinter ihm umkippte und laut zu Boden krachte.

»Herr Husenfeld? Verzeihen Sie, ich habe Sie nicht hereinkommen sehen!«, stammelte Alexander, hob den Sessel wieder auf und kam sich unendlich blöd vor.

Der Mann lachte und setzte sich auf den freien Stuhl.

»Kein Problem, Herr Forstinger. Ich bin es gewohnt, dass Künstler mit ihren Gedanken woanders sind!«

Künstler? Bezeichnete ihn dieser Mann etwa als Künstler? Alexanders Herz schlug höher.

Aber da kam es: »Vorweg, um Ihnen keine falschen Hoffnungen zu machen: Ich kann Ihnen nicht – oder sagen wir, noch nicht – zum Gewinn des Wettbewerbs gratulieren. Nur so viel darf ich sagen: Sie sind in der näheren Auswahl. Ich bin zufällig in Wien und wollte sie aber gern kennenlernen, weil ich Sie für einen talentierten Zeichner halte. Und vielleicht darf ich Ihnen auch ein paar Tipps geben, die Ihre Chancen auf den Gewinn des Wettbewerbs erheblich steigern würden ...«, fügte der Verleger mit einem freundlichen Blinzeln hinter seiner goldgeränderten Brille hinzu.

Alexanders jähe Enttäuschung wich so schnell, wie sie aufgetaucht war. Klar war er für die Ratschläge des erfahrenen Buchverlegers offen. Wieder blitzte in seinen Gedanken ganz kurz das Bild von Bettina auf, die in einer solchen Situation sofort, von Ehrgeiz getrieben, hoch konzentriert lauschen würde. So hoch konzentriert, dass sie auf ihrer Unterlippe herumnagen würde. Alexander lächelte und erkannte, dass er beinahe verpasst hatte, was der nette Herr Husenfeld gerade sagte.

»Ihr Buch ist beeindruckend. Ich mag sowohl die Geschichte dieses Mädchens als auch die Bilder. Wie sind Sie auf das Thema gekommen?«

Alexander zögerte nur kurz.

»Ich kenne einen ähnlichen Fall«, erzählte er leise. »Eine junge Frau, die als Kind lange an den Folgen eines schweren Autounfalls laboriert hat. Sie musste über ein Jahr im Bett verbringen und wurde aus der Ferne unterrichtet. Sie war sehr klug, konnte deshalb die schulischen Defizite nach ihrer Genesung schnell aufholen. Aber der Bewegungsdrang und die Sehnsucht nach den Bergen haben sie nie verlassen. Als Mädchen hat sie in ihrem Krankenbett stets davon geträumt, mit den Gämsen auf jeden Berggipfel zu klettern. Und das macht sie heute noch.«

Er lachte leise.

Ingo Husenfeld schob die Brille an der Nasenwurzel hoch.

»Ich finde das sehr schön. Auch gefällt mir, wie unterschiedlich Sie die Bilder von Bettys Krankenzimmer zu jenen Traumbildern von den Bergen gestaltet haben. Die einen farblos und matt, die anderen in leuchtenden Farben. Es ist ein wirklich gelungenes Projekt. So, jetzt ist hier mein Vorschlag, Herr Forstinger: Weiten Sie das Traumthema aus. Ergänzen Sie das Buch, zeichnen Sie noch Extraseiten von den Bergen, setzen Sie den Schwerpunkt auf Bettys lebhafte Traumwelt. Wenn Sie das hinkriegen, haben sie den Preis vermutlich in der Tasche. Das entscheidet am Ende natürlich eine Jury, aber ich rechne damit, dass Sie große Chancen haben.«

»Das ist alles?«, fragte Alexander erstaunt. »Ich soll nichts ändern, sondern nur etwas hinzufügen?« Die Freude, die seit drei Tagen in ihm geschlummert hatte, und die nach den ersten Worten Husenfelds plötzlich erloschen war, flammte wieder hoch. »Es passt gut«, sagte er nachdenklich. »Ich fahre nämlich morgen für ein paar Tage in die Berge. Ich habe den Urlaub schon vor längerer Zeit gebucht und wollte ihn sowieso zum Zeichnen nützen ...«

»Oh, wie schön. Wohin geht es denn?«, wollte Ingo Husenfeld wissen.

»Nach St. Christoph in Tirol. Dort war ich vor vier Jahren einmal ...«, Alex verstummte betreten, dann fuhr er tapfer fort: »Ich habe damals dort die schönste Zeit meines Lebens verbracht, und weil ich gerade ein bisschen sentimental gestimmt bin, wollte ich wieder dorthin fahren.«

»Das trifft sich ja wunderbar, Herr Forstinger! Denn Sie wissen ja, dass die Frist für die Einreichung der Manuskripte schon in wenigen Tagen vorüber sein wird. Aus diesem Grund brauche ich die zusätzlichen Bilder so bald wie möglich. Meinen Sie, Sie schaffen das?«

»Ja, das werde ich hinkriegen. Ich fahre gleich morgen früh los. Außerdem habe ich noch Bilder, die ich damals gemacht habe, in der Schublade liegen. Da ist sicher was Passendes dabei.«

»Wunderbar.« Der Verleger rieb sich zufrieden die Hände. »Dann lassen Sie uns jetzt einen guten Wiener Kaffee genießen, bevor ich zu meinem nächsten Termin weitereilen muss!«

Als Alexander an diesem Nachmittag nach Hause ging, war er voller Freude. Wie schade, dass es niemanden gab, mit dem er dieses Gefühl teilen konnte. Ja, da war sein Freund Benjamin, aber der arbeitete um diese Zeit. Da waren Alexanders Eltern, aber die waren gerade auf Kreuzfahrt in der Karibik. Seine Schwester hatte mit Arbeit, Haushalt und drei kleinen Kindern zu viel um die Ohren, um zuzuhören – auch wenn sie sich sicherlich mit ihm gefreut hätte.

Egal, dachte Alexander. Ich kann allein sein, in guten wie in schlechten Zeiten. Aber er hatte freilich keine Wahl. Nach der Scheidung hatte er seiner Ex-Frau die gemeinsame Wohnung überlassen und in einem stattlichen Altbau im sechsten Bezirk eine neue Bleibe gefunden.

Da seine alte Nachbarin, Frau Millstadt, inzwischen nahezu taub war, konnte er so laut Musik hören, wie er wollte. Im Gegenzug läutete er immer wieder bei der alten Dame an, bevor er einkaufen ging, und ersparte ihr so manchen mühsamen Weg. Vor allem, wenn der Lift wieder einmal streikte, was in diesem alten Haus leider oft vorkam, war es für Alexander selbstverständlich, für die Nachbarin mit einzukaufen. Nach einem Sturz war die alte Dame längere Zeit im Krankenhaus gewesen, aber nun war sie wieder daheim – allerdings war sie bettlägerig und wurde von Pflegerinnen betreut. Die meisten dieser Damen grüßten nur knapp, wenn sie Alex im Treppenhaus begegneten. Nur eine war anders ...

Und gerade, als Alexander die Haustür aufschloss, kam sie ihm entgegen. Sabina war Mitte zwanzig und von einer eigenwilligen, betörenden Schönheit. Sie hatte streichholzkurze kupferrote Haare und Augen, die wie eiskalte Bergseen leuchteten. Alexander ärgerte sich immer über sich selbst, wenn er in Gegenwart von Sabina zu stammeln begann wie ein unsicherer Teenager. Meist wechselten sie ohnehin nur ein paar belanglose Worte, wenn sie sich im Stiegenhaus oder beim Einkaufen trafen. Doch jedes Mal waren es ein paar Worte mehr.