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Vor über zwanzig Jahren hat Thea Rieger St. Christoph schweren Herzens verlassen. Die Enttäuschung über ihren Jugendfreund Matthias und die unerfüllte Liebe zu ihm, trieben sie fort - hinein in die Ehe mit einem anderen Mann und ein neues Leben in Deutschland. Doch die Sehnsucht nach den vertrauten Gipfeln, den weiten Wiesen und dem Heimatgefühl hat sie niemals losgelassen. Jetzt, nach dem tragischen Tod ihres Mannes, kehrt Thea zurück in ihre Heimat, entschlossen, noch einmal von vorn zu beginnen. Ihre alte Freundin Hedi Kastler ist für sie da und bietet ihr eine Aushilfsstelle im Berghotel an, ein Neuanfang, der der Dreiundvierzigjährigen die nötige Sicherheit gibt.
Theas Rückkehr sorgt im Dorf natürlich für Aufsehen - und bleibt auch Matthias nicht verborgen. Der verschlossene Mann, der nie gelernt hat, seine Gefühle offen zu zeigen, ist plötzlich wieder Teil ihres Lebens. Thea spürt sofort, dass Matthias sie nie wirklich vergessen hat, genauso wenig, wie sie ihn ...
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Seitenzahl: 127
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Heimkehr
Vorschau
Impressum
Heimkehr
Ergreifender Roman um die Sehnsucht einer Witwe
Von Verena Kufsteiner
Vor über zwanzig Jahren hat Thea Rieger St. Christoph schweren Herzens verlassen. Die Enttäuschung über ihren Jugendfreund Matthias und die unerfüllte Liebe zu ihm, trieben sie fort – hinein in die Ehe mit einem anderen Mann und ein neues Leben in Deutschland. Doch die Sehnsucht nach den vertrauten Gipfeln, den weiten Wiesen und dem Heimatgefühl hat sie niemals losgelassen. Jetzt, nach dem tragischen Tod ihres Mannes, kehrt Thea zurück nach St. Christoph, entschlossen, noch einmal von vorn zu beginnen. Ihre alte Freundin Hedi Kastler ist für sie da und bietet ihr eine Aushilfsstelle im Berghotel an, ein Neuanfang, der der Dreiundvierzigjährigen die nötige Sicherheit gibt.
Theas Rückkehr sorgt im Dorf natürlich für Aufsehen – und bleibt auch Matthias nicht verborgen. Der verschlossene Mann, der nie gelernt hat, seine Gefühle offen zu zeigen, ist plötzlich wieder Teil ihres Lebens. Thea spürt sofort, dass Matthias sie nie wirklich vergessen hat, genauso wenig, wie sie ihn ...
Der Blick aus dem Fenster bot ihr eine Aussicht, die ihre Abgeschiedenheit bildlich untermalte. Thea von Breuninger kam es vor, als befände sie sich in den Fängen feindlicher Machthaber. Wie eine Armee hielten die Laub- und Nadelbäume ihre Stellung und weigerten sich, das Schloss mitten im Thüringer Wald freizugeben. Einzelne Naturriesen hatten sich schon bis über die Zufahrtsstraße gewölbt, über die man zum Schloss gelangte. Nur ein Kreis um die Vorderseite des Gebäudes war frei und sorgte dafür, dass Thea nicht erstickte.
Zermürbt wandte sich die Dreiundvierzigjährige mit den dunklen Haaren und den eisblauen Augen vom Fenster ab. Wie oft hatte sie schon an derselben Stelle gestanden und sich ausgemalt, dass sie diese Wand aus Bäumen irgendwann hinter sich ließ?
Es war nicht so, dass Thea kein Naturfreund war. Nur fühlte sie mit jedem Jahr mehr, wie ihr die Heimat St. Christoph fehlte, während dieser dunkle Wald immer näher zu rücken schien. Dabei wusste sie, dass dem nicht so war. Doch ihr fehlte die Bergluft. Der Duft frischer Kräuter, während das Gras vom Wind gekämmt wurde. Das herzige Grüß Gott ihrer ehemaligen Nachbarn. Hier grüßte sie niemand mit Grüß Gott. Hier hatte sie nicht mal Nachbarn. Hier hatte sie nur einen Drachen, der dafür sorgte, dass sie das Schloss nicht verließ.
»Thea?«, erklang prompt die Stimme des Drachen und hallte von den hohen Wänden der Empfangshalle wider.
Thea schloss ihre Augen, um noch einen kurzen Moment des Friedens auszukosten. Dann öffnete sie sie und schaute auf die zierliche goldene Armbanduhr, die Friedrich ihr zur Hochzeit geschenkt hatte. Punkt zwölf Uhr.
»Thea!« Nun war der Ruf keine Frage mehr, sondern eine Aufforderung, sich schnellstmöglich in Bewegung zu setzen.
Wie zum Trotz harrte die Gerufene einen Moment lang aus, dann schritt sie die breite Treppe hinab, wobei sie sich jedes Mal wie eine Prinzessin vorkam.
Als sie den Speisesaal betrat, entdeckte Thea das verhärmte Gesicht des Drachens – ihrer Schwiegermutter. Auch ihr Schwiegervater verzog sein Antlitz zu einer Miene des Missfallens. Die labbrige Haut zwischen Kinn und Brust zog sich dabei immer ein wenig auseinander.
»Was für eine Überraschung«, sagte Hannelore und kräuselte die Lippen zu etwas Spitzem. »Ich hatte schon die Vermutung, du würdest uns heute auch im Stich lassen.«
Nach diesen Worten faltete sie die weiße Stoffserviette auf und legte sie sich mit übertriebener Geste auf den Schoß.
»Von Im-Stich-Lassen kann keine Rede sein, wenn ich das Mittagessen ausfallen ließe«, entgegnete Thea und schalt sich schon gleich für diese Bemerkung.
Sie wusste, dass dies genau die Art von Reaktion war, auf die ihre Schwiegereltern zu warten schienen. Auch heute sollte sie nicht verschont bleiben.
»Eine von Breuninger legt stets Wert auf Pünktlichkeit und Etikette. Es wäre schön gewesen, wenn du uns das wenigstens gestern demonstriert hättest«, betonte Berthold mit einem Blick, der Blitze über die Tafel schoss.
Somit blieb Thea nichts anderes übrig, als einen Stuhl hervorzuziehen, sich zu setzen und ihre Hände auf die Kante des Tisches zu legen, bis serviert wurde.
Sie hatte gewusst, dass dieses Thema noch einmal aufgewärmt werden würde. Immerhin hatten die von Breuningers einen überdimensionierten Scheck genau der Privatklinik zukommen lassen, die Friedrichs Behandlung übernommen hatte. Natürlich in Anwesenheit der hiesigen Presse.
Thea hätte am liebsten erwidert, dass einem städtischen Krankenhaus mit dem Geld besser geholfen gewesen wäre, hatte ihre Abneigung jedoch nur im Fernbleiben ausgedrückt. So hatte sie das Schmierentheater nicht mitspielen müssen.
Die feindseligen Worte ihres Schwiegervaters überhörte sie. Diese Kunst hatte sie sich angeeignet, kurz nachdem sie Friedrich von Breuninger in jungen Jahren geheiratet hatte. Seine Eltern hatten sich von Beginn an über die Frau entrüstet, die sich ihnen zufolge aus einem Tiroler Bauerndorf ins Schloss eingeschlichen hatte. Thea hatte ihnen einmal an den Kopf geworfen, weshalb sie Friedrich hätte heiraten sollen, wenn nicht der Liebe wegen. Danach hatte sie sich eine halbstündige Standpauke über das Ansehen und Auskommen der Familie anhören müssen. Friedrich hatte sie schließlich nach draußen begleitet und stehen gelassen. Eine Woche hatte er kein Wort mehr mit ihr gesprochen.
Dies war eine weitere Lehre, die sie kurz nach der Heirat hatte ziehen müssen – dass ihr Mann stets die Interessen seiner Familie vertrat, zu der er seine Frau scheinbar nicht zählte. Nie hatte er ihr zur Seite gestanden. Immer waren es seine Eltern gewesen, die seine Unterstützung erhalten hatten. Dass er auch mit seinem Tod nicht davon abgerückt war, hatte er damit bewiesen, dass er darauf bestanden hatte, nach seiner Krebserkrankung eingeäschert zu werden, obwohl Thea ihn inständig darum gebeten hatte, sich beerdigen zu lassen, damit sie einen Ort hätte, um seiner zu gedenken. Doch da die von Breuningers vor Jahren diese gemeinsame Verabredung getroffen hatten, um sich gemeinsam als Aschehäufchen in der Erde unterhalb einer Ulme wiederzufinden, hatte er ihr selbst diesen Gefallen nicht getan. Das war nun anderthalb Jahre her.
»Wann wirst du lernen, den Vorzügen deines Standes Ehre zu erweisen, statt dich aufzuführen wie ein rebellischer Teenager«, ärgerte sich Berthold weiter.
Und Thea konzentrierte sich auf die hellblaue Stofftapete, deren Ornamente im Licht der fahlen Sonne silbern schimmerten. Ihre Finger nestelten an den steifen Ecken der Stoffserviette.
Vor den Fenstern zog sich der Wald wie eine Gefängnismauer um das Schloss. Über dem Tisch ragte der goldene Lüster wie ein Damoklesschwert.
»Entschuldigt mich«, fuhr Thea schließlich dazwischen. Sie verzichtete darauf, in das Gesicht ihres Schwiegervaters zu blicken, sonst wäre ihr die krebsrote Farbe darin aufgefallen. »Ich habe plötzlich überhaupt keinen Appetit mehr. Aber esst ihr nur ohne mich. Ich bin sicher, dass Franziska hervorragend gekocht hat.«
Mit diesen Worten stand Thea auf und warf nachlässig die Stoffserviette auf den Porzellanteller. Erst als sie den Speisesaal verlassen hatte, hörte sie Berthold wild nach Luft schnappen.
***
Hedi Kastler schaute auf den Weg vor sich, als hätte sie Scheuklappen aufgesetzt. Der Wind kam von allen Seiten und brachte einen Nieselregen mit sich, der jeden Zentimeter ihrer Kleidung durchnässte.
»Herrschaftszeiten«, fluchte Andi, der neben ihr hereilte. »Man könnte fast auf die Idee kommen, dass die Welt heute untergehen wollte.«
Mit schweren Schritten stapfte er durch die kleinen Pfützen, die den Weg von ihrem privaten Hauserl zum Berghotel durchlöcherten. Trotz der schweren wetterfesten Wanderschuhe wirkte der Hotelier alles andere als zufrieden. Das Wasser war bereits bis zu den Knien seiner Strümpfe gespritzt. Auch die Lederne war von dunklen Flecken besprenkelt.
»Jessas Maria, wer hätte auch gedacht, dass die Wettervorhersage mal richtig liegt«, gab Hedi zu bedenken und kämpfte um die Balance ihres Schirms, an dem der Wind zerrte.
Das Paar lief bereits im Laufschritt, als endlich die heimeligen Lichter ihres wundervollen Sporthotels Am Sonnenhang zum Vorschein kamen. Hedi war es, als wäre es bereits Abend. Dabei war es früher Morgen.
Als eine weitere kräftige Böe über den grünen Hügel rauschte, packte Andi seine Frau am Ellbogen und zog sie mit sich, während er die letzten Meter zum Eingang eilte. Genau in diesem Moment ergriff die Böe die Stangen des Schirms und riss an ihnen, sodass Hedi nur mehr ein schlaffes Metallgestell in den Händen hielt, dessen nasser Stoff auf ihr Haupt platschte.
»Mei, jetzt habe ich aber genug von diesem Sauwetter«, schimpfte die Hotelchefin, als sie durch die Tür ging, die ihr Mann ihr aufhielt.
Wie zwei Gestrandete stand das Paar mitten auf dem dicken Teppich, der vom Eingang zum Empfangstresen führte. Da das Wasser von ihnen tropfte, holten sie einen Augenblick Luft.
»Hedi, Andi, was ist denn mit euch passiert?«, fragte Hausdame Gerda Stahmer erstaunt, die just in diesem Moment in die Lobby eilte. »Seid ihr in den Regen gekommen?«
»Nein, Gerda«, antwortete Andi, und es war nicht zu überhören, dass er sich den Frühling herbeiwünschte. »Wir sind nur mal eben baden gegangen. Um die Abwehrkräfte zu stärken, verstehst du?«
Hedi verdrehte ihre Augen, raffte den Schirm zusammen und ging damit zum nächsten Mülleimer. Ohne Bedauern versenkte sie das illoyale Teil und schälte sich dann aus ihrem Mantel.
»Jetzt hör schon auf, die Gerda zu pflanzen, Anderl, und mach dich erst mal trocken. Ich bin sicher, die Rosi hat danach ein ordentliches Schmankerl für dich«, redete sie beruhigend auf ihren Mann ein.
Mit dem Mantel unter dem Arm ging sie direkt auf den Empfangstresen zu und begrüßte die neue Aushilfskraft, einen Jungen, dessen Bart noch ein Flaum war, obwohl er schon seit zwei Jahren studierte.
»Jaja«, murrte Andi Kastler weiter und entledigte sich ebenfalls seiner Trachtenjacke. »Ihr Frauen haltet fei immer zusammen, gell.«
Als der Hotelchef in Richtung Küche verschwunden war, grinsten sich die beiden Frauen an.
»Du, bei dem Wetter könnte man aber auch die Wut bekommen«, meinte Gerda und folgte Hedi hinter den Tresen.
Diese wandte sich an den Jungen und fragte ihn, ob es besondere Vorkommnisse während der Nacht gegeben hatte.
»Nein«, meinte der Junge und strich sich mit dem Zeigefinger über den Bartflaum. »Aber da gibt's noch was, was ich Ihnen unbedingt sagen muss.«
»Nun lass die Frau Kastler aber erst mal ankommen«, redete Gerda auf die Aushilfe ein.
Der Junge wirkte verängstigt, wie seine unschuldigen Augen von einer zur anderen Frau huschten.
»Sag mal, Paul, kannst du mir ein schönes Haferl Kaffee bringen?«, bat Hedi den Jungen und schenkte ihm ihr schönstes Lächeln, das aufgrund der verregneten Wimperntusche ein wengerl gruselig ausschaute.
Der Junge nickte. Dann verschwand er, als hätte er nur darauf gewartet, gehen zu dürfen. Erstaunt sah Hedi der Aushilfe nach, bevor sie sich Gerda zuwandte.
»Wie macht er sich denn so?«, fragte sie sie, die normalerweise die Oberaufsicht über die Zimmermadeln führte.
Doch als Hausdame hatte Gerda über sämtliche Bereiche einen Überblick, was nicht zuletzt ihrem großen Engagement fürs Berghotel zu verdanken war.
»Du, Hedi, es dauert mich zwar, aber ich muss dir was sagen«, begann Gerda nun und senkte ihre Stimme.
Die Hotelchefin war augenblicklich alarmiert. Ihre Angestellte war von sonnigem Gemüt. Wenn sie ein Gespräch auf diese Weise begann, hatte es einen ernsten Grund.
»Jessas, Gerda, jetzt habe ich aber schon ein bisserl Angst, wenn du so sprichst«, äußerte Hedi besorgt. Doch dann zog sie Gerda auf einen Stuhl hinter dem Tresen und setzte sich sogleich neben sie. »Also sag schon. Was ist los?«
»Allzu schlimm ist es net, Hedi. Aber ich glaub, wenn wir für die kommende Saison keine Vorkehrungen treffen, geraten wir ganz schön ins Straucheln«, antwortete die Hausdame.
Hedi verstand nicht, worauf sie hinauswollte. Bevor sie aber nachfragen konnte, erschien der Junge mit dem Haferl und balancierte es hinter die Theke.
Nur gut, dass wir den Jungspund net im Service eingesetzt haben, dachte Hedi sich, nahm das Haferl aber dankend entgegen.
»Was genau meinst du denn, Gerda? Sprich's schon aus. Heute kann mich nix mehr erschüttern«, scherzte Hedi und trank von ihrem Kaffee.
Das Getränk ließ duftenden Dampf in ihre Nase steigen, sodass sie augenblicklich die Lider schloss. Nichts genoss die Frau mit den goldblonden Haaren so sehr wie den ersten Schluck heißen Kaffees.
»Na ja, bald fängt doch die neue Saison an, weshalb wir wieder mehr Aushilfskräfte einstellen müssen«, begann Gerda, zu erzählen. Ihre Hände lagen gefaltet in ihrem Schoß, was ihr etwas Braves verlieh. »Nun haben aber allein heute schon drei Aushilfen abgesagt, weil sie wegen ihrer Klausuren sonst keine Zeit zum Lernen fänden.«
»Jessas Maria, das ist aber doch kein Grund, gleich in Panik zu verfallen«, befand Hedi und drückte freundschaftlich die Hände ihrer Angestellten. »Dann machen wir einen Aushang, den wir in Mayrhofen aufhängen, und finden fix neues Personal.«
»Hedi, du musst mir schon zuhören«, mahnte Gerda sie jedoch und zog die Augenbrauen kraus.
Erst jetzt wurde der Angesprochenen bewusst, dass es sich um ein ernsteres Problem handeln musste.
»Als ihr gestern euren freien Tag hattet, hat noch ein Bursche abgesagt. Das sind nun schon vier Kräfte, auf die wir in der kommenden Saison verzichten müssen«, beharrte Gerda weiter.
Freilich hörte sich die Zahl nicht beängstigend an. Doch war es bereits November. Wenn die Kastlers bis Ende des Monats keine neuen Aushilfen fanden, würden sie Schwierigkeiten mit dem Hotelbetrieb bekommen. Die Zimmer waren von Mitte Dezember bis Mitte Januar ausgebucht. Jede Hand, die fehlte, würde ein Loch in das Zahnrad des Betriebs reißen. Schlimmstenfalls müsste das bestehende Personal noch mehr Überstunden übernehmen, als es ohnehin schon der Fall war.
Ein Hüsteln holte Hedi zurück in die Realität. Verdutzt blickte sie sich um und fand den Jungen mit dem Bartflaum verlegen hinter sich stehen.
Wie ein Geist, dachte sie sich und wandte sich ihm zu.
»Also, ich müsste da auch noch etwas besprechen«, sagte der Student, dessen Wangen sich röteten, als wollten sie mit dem Rest seines Gesichts nichts zu tun haben.
»Ja?«, fragte Hedi vorsichtig.
Da der junge Mann so zerbrechlich wirkte, hatte sie bei ihm stets die Befürchtung, er könnte in Tränen ausbrechen, wenn sie ihm zu laut begegnete.
»Also, ich muss leider auch kündigen«, brachte er mühsam hervor, wobei seine Stimme zittrig wirkte.
»Mei, du auch noch«, wiederholte Hedi und stellte ihr Haferl ab. Langsam bekam sie den Eindruck, dass dieser Tag sich zu einem einzigen Albtraum entwickelte. »Aber warum denn?«
Der Junge biss sich auf die Lippe. Es war nicht zu übersehen, dass ihm das Gespräch unangenehm war.
»Meine Oma hat mich zu einer Kreuzfahrt eingeladen.«
Beide Frauen sahen zu dem Jungen auf. Sie hatten mit allem gerechnet, aber nicht mit einer Kreuzfahrt.
Unruhig stellte sich die Aushilfe von einem Fuß auf den anderen. Erst dann fasste sich Hedi wieder und stand auf.
»Mei, das ist zwar ein großer Schlamassel für uns, Bub, aber ich freu mich für dich, dass du mit der Oma so eine schöne Reise planst«, versicherte sie.
Später, als Gerda sich wieder ihrer Arbeit bei den Zimmermadeln gewidmet hatte und der Junge nach seiner Nachtschicht verschwunden war, ließ Hedi die Ereignisse noch mal Revue passieren. Schwere Schritte näherten sich irgendwann dem Tresen, sodass sie ihren Blick hob. Vor sich sah sie einen Andi Kastler, der mit schreckgeweiteten Augen vor ihr stand.
»Spatzl, du schaust fei aus wie der Alice Cooper«, rief er.
Zunächst verwirrt, dann erschrocken, sprang die Hotelchefin von ihrem Stuhl auf und eilte ins nächste WC. Im Spiegel sah sie den Schlamassel. Ihre Wimperntusche war in wilden Bahnen über ihre Wangen verlaufen. Alice Cooper war nichts gegen das Schreckgespenst, das ihr vom Spiegel aus entgegenblickte – und keiner der Angestellten hatte sich getraut, etwas zu sagen.
***