Das Berghotel 341 - Verena Kufsteiner - E-Book

Das Berghotel 341 E-Book

Verena Kufsteiner

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.

Mehr erfahren.
Beschreibung

Nach dem plötzlichen Tod ihrer Mutter hat Pianistin Lilli den Zugang zur Musik verloren. Die Klänge, die einst ihre Seele erfüllten, sind für sie zu schmerzhaften Erinnerungen geworden. Ein Musikcamp im idyllischen Zillertal soll sie der Musik und sich selbst wieder näherbringen. Dort trifft sie auf Marc, einen charismatischen Jazz-Gitarristen, und zwei Welten prallen aufeinander. Zwischen den taktvollen Strukturen ihrer Klassik und der freien Improvisation seiner Jazzklänge scheint eine Zusammenarbeit unmöglich. Doch inmitten der Bergkulisse passiert etwas Magisches: Ihre Klänge finden eine unerwartete Harmonie - und wecken Gefühle, die Lilli längst vergessen hatte. Aber gerade, als sie die Musik und sich selbst wiederfindet, droht ein Geheimnis alles zu zerstören ...


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 123

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Lillis Glücksmelodie

Vorschau

Impressum

Lillis Glücksmelodie

Wie die Musik die Traurigkeit aus ihrem Herzen vertrieb

Von Verena Kufsteiner

Nach dem plötzlichen Tod ihrer Mutter hat Pianistin Lilli den Zugang zur Musik verloren. Die Klänge, die einst ihre Seele erfüllten, sind für sie zu schmerzhaften Erinnerungen geworden. Ein Musikcamp im idyllischen Zillertal soll sie der Musik und sich selbst wieder näherbringen.

Dort trifft sie auf Marc, einen charismatischen Jazz-Gitarristen, und zwei Welten prallen aufeinander. Zwischen den taktvollen Strukturen ihrer Klassik und der freien Improvisation seiner Jazzklänge scheint eine Zusammenarbeit unmöglich. Doch inmitten der Bergkulisse passiert etwas Magisches: Ihre Klänge finden eine unerwartete Harmonie – und wecken Gefühle, die Lilli längst vergessen hatte. Aber gerade, als sie die Musik und sich selbst wiederfindet, drohen böse Gerüchte alles zu zerstören ... 

Lilli saß allein in einem Zugabteil und starrte aus dem Fenster. Die Landschaft zog an ihr vorbei, doch sie nahm die Schönheit nur am Rande wahr. Grüne Weiden, auf denen Kühe friedlich grasten, umrahmt von den imposanten Gipfeln der Zillertaler Alpen, die im Licht der Frühlingssonne vergoldet leuchteten. Der Himmel war klar, und die Luft, die durch das halbgeöffnete Zugfenster strömte, roch frisch und sauber. Es hätte ein Moment der Ruhe und des Friedens sein können, aber in Lillis Innerem herrschte alles andere als Ruhe.

Die Berge, die sich am Horizont erhoben, waren beeindruckend – so mächtig und unerschütterlich. Doch sie selbst fühlte sich alles andere als unerschütterlich. Jeder Kilometer, den der Zug mit gleichmäßigem Rattern zurücklegte, ließ sie immer tiefer in ihre eigenen Gedanken abgleiten.

»Ein Musikcamp im Zillertal«, murmelte sie leise vor sich hin, und ein humorloses Lächeln spielte auf ihren Lippen.

Die Idee, an diesem Camp teilzunehmen, war auf den ersten Blick verlockend gewesen. Es sollte ihr helfen, ihren Weg zurück zur Musik zu finden, ihre Leidenschaft zu erneuern. Ein Freund hatte ihr davon erzählt und ihr vorgeschlagen, sie könnte es doch versuchen – zu verlieren hatte sie schließlich nichts. Doch je näher sie jetzt ihrem Ziel kam, desto mehr bezweifelte sie, dass ein Camp etwas ändern konnte. Die Musik, die früher ihr Lebensinhalt war, war so fern wie nie. Seit dem Tod ihrer Mutter vor einem Jahr fühlte sie sich leer und verloren.

Sie spürte die vertraute Schwere in ihrer Brust, als ihre Gedanken zu ihrer Mutter glitten. Vorsichtig hob sie ihre Hand zum Medaillon, das sie um den Hals trug. Es war ein schlichtes, silbernes Schmuckstück, das ihre Mutter ihr kurz vor ihrem Tod geschenkt hatte.

Lilli öffnete es und blickte auf das winzige Foto im Inneren. Ein Bild, das sie und ihre Mutter zeigte; ihre Mutter lächelte und hielt Lilli im Arm, die damals noch ein pausbäckiges, kleines Madel gewesen war.

Ihre Mutter hatte die gleichen tiefblauen Augen wie sie, dieselben dunkelbraunen Haare. Lilli war oft das jüngere Ebenbild bezeichnet worden – etwas, das sie früher mit Stolz erfüllt hatte. Doch jetzt war es eine Erinnerung an das, was sie verloren hatte. Jedes Mal, wenn sie das Foto sah, versetzte es ihr einen Stich ins Herz.

Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie das Schmuckstück mit einem leisen Klicken wieder schloss. Die Musik hatte sie mit ihrer Mutter verbunden, sie war das Herzstück ihrer Beziehung gewesen. Ihre Mutter war eine leidenschaftliche Pianistin gewesen, die Lilli von klein auf gefördert hatte. Sie hatten gemeinsam stundenlang am Klavier gesessen, gelacht, Stücke einstudiert, improvisiert – die Musik war ihre Sprache gewesen, ihre Art, sich ohne Worte zu verstehen. Doch nach dem Tod ihrer Mutter war die Musik für Lilli still geworden, sie hatte ihre Stimme verloren. Es war, als ob jede Melodie, jeder Ton ein Stich in ihr Herz war. Das Klavier, das einst der Mittelpunkt ihres Lebens war, stand nun stumm in der Ecke ihres Zimmers in Graz.

Der Zug verlangsamte sein Tempo, als er sich der nächsten Station näherte. Lilli warf einen Blick auf das kleine Schild am Bahnsteig. Mayrhofen war darauf zu lesen, der letzte größere Halt vor ihrem Ziel. Hier musste sie aussteigen. Lilli seufzte leise und schnappte sich ihren Rucksack, der neben ihr auf dem Sitz lag. Es war nicht mehr weit bis St. Christoph, dem kleinen Ort im Zillertal, wo das Sporthotel »Am Sonnenhang« lag. Das Musikcamp würde dort stattfinden. Eine Woche voller Workshops, Proben und Musik. Eine Woche, die ihr – so hofften zumindest ihre Freunde – helfen sollte, wieder eine Verbindung zu der Musik und zu sich selbst zu finden.

Als der Zug in den Bahnhof einfuhr, schnappte sich Lilli ihren Koffer und zerrte ihn über den Gang zur Tür. Als sie hinaus auf den Bahnsteig trat, empfing die frische Bergluft sie wie eine sanfte Umarmung. Sie blickte sich um. Die Menschen auf dem Bahnsteig wirkten fröhlich und entspannt, die meisten schienen Touristen zu sein, die die schöne Landschaft und das sonnige Wetter genießen wollten. Einige standen mit Wanderstöcken und Rucksäcken bereit, um sich in die Berge aufzumachen, andere unterhielten sich lachend und warteten auf ihre Weiterreise.

Lilli hingegen fühlte sich verloren und vom Rest der Welt abgeschnitten. Es war, als ob sie durch eine unsichtbare Mauer von den Menschen um sie herum getrennt war. Sie war körperlich anwesend, doch innerlich war sie irgendwo anders, weit weg von diesem Ort und weit weg von der Freude, die die anderen ausstrahlten.

Aber vielleicht würde hier ja tatsächlich alles anders und besser werden. So ganz glaubte sie nicht daran, doch noch hatte sie nicht alle Hoffnung verloren. Sie schloss die Augen und atmete tief durch.

»Vielleicht ...«, flüsterte sie so leise, dass niemand auf dem wuseligen Bahnsteig es hören konnte, »vielleicht gibt es doch noch einen Weg zurück.«

Sie blickte auf die Uhr. Gleich würde der Chauffeur, den das Hotel schickte, kommen und sie hier einsammeln. Langsam und mit gesenktem Kopf schlenderte sie in Richtung des Parkplatzes. Die Sonnenstrahlen fielen schräg auf die Berge und ließen den Schnee auf den Gipfeln glitzern. Es war atemberaubend schön.

Lilli versuchte, die Natur um sich herum auf sich wirken zu lassen – die klaren Bäche, die grünen Wälder, die endlosen Wiesen –, aber in ihr war nur Leere. Würde sie jemals wieder in der Lage sein, die Musik so zu fühlen, wie sie es früher getan hatte? Würde sie jemals wieder die Freude daran finden, die ihr so lange gefehlt hatte?

***

Suchend schaute sich Lilli auf dem Parkplatz um. Plötzlich rollte ein schwarzer Mercedes vor und hielt. Ein Mann mittleren Alters stieg aus, groß, schlank und gekleidet in eine dunkelblaue Chauffeuruniform. Seine Bewegungen waren ruhig und kontrolliert, seine Miene höflich, aber distanziert.

»Frau Weber?« Er sprach in einem förmlichen Ton und hob leicht die Augenbrauen.

Lilli nickte. »Ja, genau.« Ihre Stimme klang etwas schwach, sie spürte die Müdigkeit und den leichten Druck der Nervosität, die immer in ihr aufstieg, wenn sie mit fremden Menschen sprach.

»Sehr erfreut. Ich bin Kilian Garnreiter und darf Sie als unseren geschätzten Gast hier im schönen Zillertal begrüßen. Darf ich Ihnen das Gepäck abnehmen?«

Ohne auf ihre Antwort zu warten, griff er nach ihrem Koffer, den er mit einem gezielten Ruck mühelos in den Kofferraum beförderte. Dann öffnete er ihr die Beifahrertür.

»Danke«, murmelte Lilli und stieg ein.

Drinnen roch es angenehm nach Leder und einem Hauch von frischer Bergluft. Der Wagen setzte sich leise in Bewegung, während sie aus dem Fenster blickte und die Landschaft vorbeiziehen sah. Grüne Wälder, klare Bergbäche, dann die immer steiler aufragenden Berge. Eine Landschaft wie aus einem Bilderbuch.

Kilian war freundlich, aber still. Die wenigen Fragen, die er stellte, schienen rein höflicher Natur, und seine Antworten waren knapp und formell. Die steife Höflichkeit des Mannes machte es Lilli schwer, ein Gespräch in Gang zu bringen, immerhin war ihr auch nicht nach Small Talk zumute. Und so verfielen sie beide bald in Schweigen. Irgendwann tauchte das Berghotel am Sonnenhang vor ihnen auf – ein imposantes Gebäude, das auf einem Hügel über dem Örtchen St. Christoph thronte.

»Wie hübsch«, entfuhr es ihr.

Das Hotel strahlte etwas Märchenhaftes aus und war ganz im alpinen Stil gehalten. Die dunklen Holzbalken der Fensterläden, die üppigen Blumenkästen und das alte, kunstvoll geschnitzte Holzschild schufen eine einladende, idyllische Atmosphäre.

Kilian parkte den Wagen vor dem Eingang und lud ihr Gepäck aus.

»Das ist das Berghotel. Frau Kastler erwartet Sie bereits an der Rezeption«, sagte er.

Um seine Lippen spielte ein stolzes Lächeln: Er freute sich sichtlich darüber, dass es ihr hier so gut gefiel.

Lilli trat in die Lobby und wurde sofort von der wohligen Wärme empfangen. Es roch angenehm würzig nach Holz und den Wiesenblumen, die in einer Vase auf der Rezeption standen. Gemütliche Sofas luden zum Verweilen ein. Lilli fühlte, wie sich ihre Anspannung ein wenig löste.

»Willkommen im Sporthotel ›Am Sonnenhang‹! Sie müssen die Lilli Weber sein. Wir haben Sie hier schon erwartet.« Eine fröhliche Stimme ertönte hinter der Rezeption. Vor ihr stand eine Frau in einem maigrünen Dirndl, die sie mit einem herzlichen Lächeln begrüßte. »Ich bin die Kastler-Hedi, meinem Mann und mir gehört das Hotel. Ich hoffe, die Reise war net zu anstrengend?«

»Ähm, nein, war ganz okay. Danke.« Lilli rang sich ein schwaches Lächeln ab.

Hedis Freundlichkeit schien ehrlich, und sie mochte die blonde Hotelchefin mit dem Strahlen auf dem Gesicht auf Anhieb.

»Das freut mich. Hier ist Ihr Zimmerschlüssel.« Hedi reichte ihr den Schlüssel, an dem ein kleiner Holzanhänger hing. »Ich hoffe, Sie werden sich wohlfühlen. Wenn Sie irgendetwas brauchen, melden Sie sich einfach. Die anderen Camp-Teilnehmer sind größtenteils schon eingetroffen. Ich bin dazu angehalten, allen Neuankömmlingen zu sagen, dass die Begrüßungsveranstaltung nachher draußen stattfinden wird. Das Wetter ist ja auch wunderbar.« Lächelnd deutete sie zur Tür und leicht nach rechts. »Da drüben, direkt neben dem Hotel. Sie können's gar net übersehen.«

Lilli nickte dankbar. »Alles klar. Vielen Dank.«

Sie nahm den Schlüssel und steuerte auf die große, geschwungene Treppe zu, die in den zweiten Stock führte. Sie war schon unglaublich gespannt auf die Begrüßungsveranstaltung. Hoffentlich würden die anderen Camp-Teilnehmer genauso sympathisch sein wie die Hotelchefin!

***

Lillis Zimmer lag am Ende des Flurs, und als sie die Tür öffnete, schlug ihr der Duft von frischem Zirbenholz entgegen. Das Zimmer war schlicht, aber unglaublich gemütlich. Die Möbel bestanden aus rustikalem Holz, und auf einem kleinen Tisch in der Ecke stand ein Obstkorb. Daneben lag eine Broschüre mit Ausflugstipps für die Region. Das Bett, groß und einladend, war mit einer dicken Decke bedeckt, die den Raum noch heimeliger machte. Die Vorhänge waren aus weichem Stoff, und durch das Fenster konnte sie die Berge sehen, die von der Sonne in ein warmes, goldenes Licht getaucht wurden.

Lilli stellte ihren Koffer ab und ließ sich kurz aufs Bett sinken. Die Matratze war weich, das Zimmer warm und behaglich. Für einen Moment fühlte sie sich fast zu Hause, obwohl sie auf der anderen Seite noch immer das Gefühl hatte, in einer anderen Welt zu sein. Sie schmunzelte, als ihr Blick auf einen kleinen Flyer auf dem Nachttisch fiel: Darauf stand, dass dem würzigen Duft des Zirbenholzes, aus dem fast alle Möbel und Vertäfelungen im Hotel gefertigt waren, eine heilsame Wirkung nachgesagt wurde. Es sollte nicht nur für einen guten Schlaf sorgen, sondern auch beruhigend auf die Seele wirken und gegen Stress helfen.

»Ich weiß ja net«, murmelte Lilli. »Um meine Seele zu heilen und mich gut schlafen zu lassen, ist mehr nötig als ein bisserl wohlriechendes Holz.«

Die Anreise war anstrengend gewesen, und am liebsten hätte sie sich jetzt ins Bett gekuschelt, sich die Decke über den Kopf gezogen und ein Nickerchen gemacht. Aber dafür war jetzt keine Zeit. In Kürze begann die Begrüßungsveranstaltung des Musikcamps, und sie wollte sich vorher noch frisch machen.

Sie schälte sich aus ihrem zerknitterten Reisekleid und zog stattdessen ein fließendes, zartblaues Kleid an, das ihre elfengleiche Statur betonte. Schnell bürstete sie ihre langen, braunen Haare, die nach der langen Fahrt etwas verstrubbelt waren, und betrachtete sich im Spiegel. Ihre Augen sahen müde aus, ihre Haut war blass – aber das Kleid ließ sie zumindest ein wenig frischer wirken.

Mit einem leisen Seufzer griff sie nach ihrer Tasche und verließ das Zimmer. Es war Zeit, hinunterzugehen und sich den anderen Teilnehmern des Musikcamps anzuschließen – und sich endlich wieder der Musik zu stellen, die ihr einst so viel bedeutet hatte.

***

Hedi Kastler eilte mit großen Schritten über die sonnige Wiese vor dem Berghotel und lächelte zufrieden, während sie sich die Hände an ihrer Schürze abwischte. Der Rock des Dirndls bauschte sich bei jedem Schritt um ihre Beine. Die Vorfreude auf die kommenden Wochen ließ das Herz der Hotelchefin höherschlagen. Ihr geliebtes Berghotel würde von Musik erfüllt sein – von talentierten jungen Menschen, die hier zusammenkamen, um zu lernen, sich auszutauschen und gemeinsam ihre Leidenschaft zur Musik zu teilen. Hedi konnte sich nichts Schöneres vorstellen. Es war das erste Mal, dass ein Musikcamp im Hotel stattfand, und sie war gespannt, wie die Teilnehmer ihre Kreativität in die beschauliche Bergwelt bringen würden.

Die Vorbereitung auf die Begrüßungsveranstaltung war in vollem Gange. Persönlich half Hedi dabei, die Häppchen und Getränke auf die Tische zu stellen, die auf der Wiese aufgebaut worden waren. Ein kleines Büfett mit erfrischenden Getränken, belegten Brötchen und Obst war vorbereitet worden, damit sich die Teilnehmer gleich willkommen fühlten. Die Bänke und Stühle waren im Halbschatten der großen Kastanienbäume aufgestellt, und die Zillertaler Bergkulisse bot einen herrlichen Rahmen für das, was Hedi in Gedanken als »ein Fest der Musik« bezeichnete.

Mit einem zufriedenen Seufzer sah sie sich um und beobachtete, wie die ersten Teilnehmer des Camps auf der Wiese eintrafen. Junge Leute, die ihre Instrumente geschultert hatten, einige mit Gitarrenkoffern, andere mit Violinen oder Trompeten. Die Begeisterung, die in der Luft lag, war ansteckend. Hedi konnte spüren, wie die Atmosphäre sich mit Vorfreude und einem Hauch von Aufregung füllte.

»Es wird eine ganz besondere Zeit«, murmelte sie vor sich hin und rückte eine Schale mit frischen Semmeln gerade.

Für Hedi war das Berghotel viel mehr als ein Arbeitsplatz. Es war ihr Lebenswerk, das sie mit ihrem Mann Andi seit Jahren gemeinsam betrieb. Jede Veranstaltung, jedes Fest, das sie ausrichteten, war für sie etwas Persönliches. Aber dieses Musikcamp... das war etwas Besonderes. All diese jungen Talente, die sich hier für Wochen aufhielten, ihre Musik, ihre Geschichten, all das würde dem Hotel eine neue, besondere Energie verleihen.

Während Hedi weiter die Tische arrangierte, fiel ihr Blick auf eine Teilnehmerin, die etwas abseits stand und in die Ferne schaute. Das war Lilli, erinnerte sie sich. Sie hatte die junge Frau vorhin an der Rezeption begrüßt, und schon damals hatte Hedi das Gefühl gehabt, dass Lilli etwas Besonderes war – nicht nur wegen ihrer zarten Schönheit, sondern auch wegen der Traurigkeit, die sie umgab. Es war, als trüge sie eine unsichtbare Last mit sich herum. Ihre tiefblauen Augen hatten Hedi fast sofort gefesselt, aber es war die leise, in sich gekehrte Art, die sie wirklich bewegte.

»Da hat wohl jemand etwas Schlimmes durchgemacht«, murmelte Hedi nachdenklich und wischte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.