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Ausgerechnet St. Christoph soll der Ort für den neuen Job des gefragten Plus-Size-Models Marlene Fuchs sein. Warum der jungen Frau das so große Bauchschmerzen bereitet? Hier hat sie ihre Kindheit und Jugend verbracht, bevor sie mit achtzehn Jahren nicht schnell genug aus dem Dorf fortkommen konnte. Denn Marlenes Schulzeit war geprägt von gemeinen Hänseleien ihrer Schulkameraden und einem bösen Spitznamen: "Murmele" - wie ein behäbiges rundes Murmeltier, mit dem die etwas rundliche, pummelige Marlene damals verglichen wurde. Und es war nicht irgendwer, der diesen Namen in die Welt gesetzt hat, sondern ausgerechnet der Bursche, in den Marlene heimlich verliebt war - Simon. All diese Erinnerungen prasseln auf die junge Frau ein, die heute zu ihrem Körper steht und sich in ihrer Haut wieder wohlfühlt, als sie erst das Berghotel und wenig später das Shooting-Set betritt. Entschieden will Marlene die negativen Gefühle abschütteln und einfach nur einen guten Job machen - doch da betritt noch jemand den Raum ...
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Seitenzahl: 125
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Inhalt
Septemberzauber in St. Christoph
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Impressum
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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsbeginn
Impressum
Wenn der Spätsommer das Dorf in goldenes Licht taucht, finden Herzen zueinander
Von Verena Kufsteiner
Ausgerechnet St. Christoph soll der Ort für den neuen Job des gefragten Plus-Size-Models Marlene Fuchs sein. Warum der jungen Frau das so große Bauchschmerzen bereitet? Hier hat sie ihre Kindheit und Jugend verbracht, bevor sie mit achtzehn Jahren nicht schnell genug aus dem Dorf fortkommen konnte. Denn Marlenes Schulzeit war geprägt von gemeinen Hänseleien ihrer Schulkameraden und einem bösen Spitznamen: »Murmele« – wie ein behäbiges rundes Murmeltier, mit dem die etwas rundliche, pummelige Marlene damals verglichen wurde. Und es war nicht irgendwer, der diesen Namen in die Welt gesetzt hat, sondern ausgerechnet der Bursche, in den Marlene heimlich verliebt war – Simon. All diese Erinnerungen prasseln auf die junge Frau ein, die heute zu ihrem Körper steht und sich in ihrer Haut wieder wohlfühlt, als sie erst das Berghotel und wenig später das Shooting-Set betritt. Entschieden will Marlene die negativen Gefühle abschütteln und einfach nur einen guten Job machen – doch da betritt noch jemand den Raum ...
Die Morgensonne lag weich über dem Gelände von Schloss Seggau, südlich von Graz. Der weitläufige Innenhof mit seinen alten Steinmauern, Laubengängen und efeubewachsenen Arkaden bot die perfekte Kulisse für das neue Shooting der Trachtenmarke »Herzstück«. Ein Ort mit Geschichte – genau wie die Dirndl, die heute im Mittelpunkt standen.
Marlene Fuchs stand auf dem Kiesplatz, hob das Kinn leicht an, warf einen kurzen Blick zur Kamera und lächelte.
»Perfekt! Ja, so ist's großartig, Marlene! Bleib genau so! Ein Traum!« Der Fotograf, ein sonnengebräunter Mittvierziger mit Strohhut und lockerer Art, feuerte sie begeistert an. »Ein bisserl mehr zur Seite, ja genau – Schulter zurück, Blick über die rechte Schulter ... Zack! Wunderschön!«
Marlene wusste, was sie tat. Das dunkelgrüne Dirndl mit Miederstickerei, das ihre Taille betonte, stand ihr hervorragend und sah zu ihren kupferroten Haaren toll aus. Ihr Job war es, das schöne traditionelle Kleid gut in Szene zu setzen. Sie hob den Rocksaum leicht an und drehte sich ein wenig hin und her, um Bewegung ins Bild zu bringen. Dazu brauchte sie keine Anweisung vom Fotografen. Sie kannte ihre Schokoladenseite und arbeitete schon lange genug als Model, um zu wissen, welche Posen gut funktionierten. Sie wusste, wann sie lächeln und wann sie verführerisch dreinschauen musste. Vor der Kamera war sie ganz in ihrem Element.
Der Auslöser klickte ein paar Mal, dann senkte der Fotograf die Kamera kurz.
»Du brauchst eigentlich keine Regie. Du spürst das Bild, Marlene. Echt klasse.«
»Danke.« Sie lächelte und atmete tief ein.
Die Luft roch nach frischem Gras. Schloss Seggau thronte über den Hügeln der Südsteiermark, der Ausblick war ein Traum. Rund um Marlene herum wuselte das Produktionsteam: Assistenten und Assistentinnen richteten Lichtreflektoren aus, Make-up-Artists tupften Stirn und Wangen nach, jemand hielt Sonnenschirme bereit.
Hinter der rothaarigen Frau standen bereits die nächsten Models bereit – eine bunte Mischung aus Größen, Hautfarben und Stilen. Die neue »Herzstück«-Linie setzte auf Vielfalt. Neben Marlene posierten eine zierliche Brünette im hellblauen Baumwollkleid, eine groß gewachsene Frau mit Afro-Frisur in einem floralen Leinendirndl und eine ältere Dame mit Silberhaar in einem festlichen, bodenlangen Modell.
»Okay, jetzt kommt die Gruppenaufnahme!«, rief der Fotograf. »Marlene, du gehst bitte in die Mitte, du bist unser Anker. Alle anderen gern locker um sie herum, als würdet ihr euch auf ein Fest vorbereiten.«
Die Models rückten zusammen und strahlten in die Kamera. Eine der Frauen flüsterte einen Witz, und Marlene brach in ein spontanes Lachen aus, das die Kamera sofort einfing.
»Ja! Das ist's! Natürlich, lebendig – wunderbar!«, freute sich der Fotograf.
Ein paar Klicks später war Pause. Die Models traten beiseite, jemand reichte Marlene eine Wasserflasche. Ein junger Lichttechniker stellte einen mobilen Reflektor um, damit das Sonnenlicht nicht zu hart auf die Gesichter fiel. Eine der Stylistinnen kam mit einem Schminktäschchen näher.
»Einmal nachpudern, Marlene. Nur minimal Glanz auf der Stirn, der Rest ist top.«
Marlene nickte, schloss die Augen und ließ die schnellen, geübten Pinselstriche über sich ergehen. Das alles war ein vertrautes Ritual, sie hatte viel Routine. Dann rückte sie sich das Mieder zurecht, zupfte am Rocksaum und trat wieder vor die Kamera.
Die nächste Sequenz war romantischer angelegt. Ein kleines Set war im Laubengang aufgebaut – ein Holztisch, Weintrauben, getrocknete Blumen in alten Vasen. Marlene setzte sich auf eine Holzbank, legte die Hände locker in den Schoß und drehte den Kopf leicht zur Seite.
»Stell dir vor, du wartest auf jemanden, der dir ein Sträußerl Wiesenblumen bringt«, sagte der Fotograf augenzwinkernd.
»Tu ich doch ständig«, gab sie scherzhaft zurück, und der nächste Klick fing ihr schelmisches Lächeln ein.
So verging der Vormittag wie im Flug: posieren, lachen, Posen wechseln, kurzes Abpudern, einen Schluck trinken, dann wieder aufs Set. Marlene war ganz in ihrem Element.
***
Die Luft flirrte über dem Asphalt, als Marlene durch die Grazer Altstadt schlenderte. Ihre Füße waren müde vom langen Shooting, aber ihr Herz war leicht. Hinter ihr lag ein erfolgreicher Arbeitstag – und vor ihr ein lauer Sommerabend mit guten Freundinnen.
An der Mur war der kleine Stadtstrand aufgeschüttet worden – ein paar Tonnen feiner Sand, Palmen in Kübeln, Klappliegestühle mit bunten Stoffen und eine Bar mit Sonnenschirmen. Hier hatten Marlene und ihre Freundinnen im ganzen Sommer häufig gesessen und das heiße Wetter genossen. Jetzt stand der September vor der Tür, der Sommer neigte sich dem Ende, doch davon war in dieser urlaubshaften Atmosphäre nichts zu merken. Gut gelaunt nippten Leute an bunten Cocktails und lauschten der entspannten Musik.
»Da bist du ja endlich!«, rief Luise und winkte Marlene mit ihrem Cocktailglas.
Sie trug ein luftiges Leinenkleid und hatte sich barfuß in einen Liegestuhl fallen lassen.
Marlene schob sich die Sonnenbrille ins Haar und ließ sich neben die Freundin in den nächsten Stuhl sinken. Der Stoff knarzte, der Sand war noch warm unter ihren Füßen.
»Na, Marlene? Du hast ja heut' wieder ein Fotoshooting gehabt, gell? Unsere Frau Topmodel«, sagte Anna gespielt ehrfürchtig. »Wie aufregend! Wie war's?«
»Hör auf! Du redest ja, als wär' ich Heidi Klum persönlich.« Marlene lachte. »Aber schön war's. Schloss Seggau ist eine traumhafte Kulisse. Super Team, tolle Stimmung. Ich hatte ein Dirndl an in Dunkelgrün mit Goldstickerei, total elegant.«
»Klingt königlich«, befand Luise und prostete ihr zu. »Auf dich, Model-Marlene!«
»Model-Marlene«, wiederholte Anna kichernd. »Stell dir vor, das sag ich irgendwann mal meinem Friseur: ›Eine Freundin von mir ist Plus-Size-Model und wurde unter anderem von ›Herzstück' gebucht!' Und er so: ›Oida, kenn i!‹ Da krieg' ich ja sicher einen Haarschnitt gratis.«
Marlene grinste und nippte an ihrem Cocktail – irgendwas mit Maracuja und Minze, süß und kühl zugleich. Das Sonnenlicht spiegelte sich auf der Mur, die langsam und träge dahinfloss.
»Ich hab' ein Gruppenbild gesehen, das sie heut' auf Social Media gepostet haben«, erzählte Luise. »Du stichst total raus. Im besten Sinn.«
Marlene winkte ab. »Ist alles Übung. Ich weiß mittlerweile einfach, wie ich mich hinstellen muss. Der Fotograf war nett. Hat kaum Anweisungen gegeben, das lief fast von allein.«
»Es ist mehr als Routine«, entgegnete Luise entschlossen. »Es ist deine Ausstrahlung. Du hast einfach so ein Selbstbewusstsein. Das lässt dich richtig leuchten.«
»Ich könnt' das net. Das wär' nix für mich«, seufzte Anna und streckte die Beine im Sand aus. Unwillkürlich zog sie die weite Baumwollbluse zurecht, sodass sie locker über den Hosenbund fiel. Sie haderte seit Jahren mit ihrer Figur, mal mehr, mal weniger, machte eine Diät nach der anderen und versuchte meistens, ihre Rundungen zu kaschieren. »Ich würd' mich andauernd fragen, ob mein Bauch komisch ausschaut.«
»Das hab' ich früher auch gemacht«, gestand Marlene leise. »Heut' net mehr. Jetzt denk' ich: Mein Bauch gehört zu mir. So wie mein Lachen und meine Locken.«
Sie schwiegen kurz. Dann klatschte Luise in die Hände.
»Das ist das neue Lebensgefühl, Mädels. Selbstliebe statt Diätplan.«
»Amen!«, rief Anna.
Ein paar Plätze weiter hatten sich zwei junge Männer in weißen Leinenhemden niedergelassen. Einer von ihnen, ein großer mit Sommersprossen und dunklen Locken, blickte wiederholt zu Marlene herüber. Schließlich stand er auf, ging zur Bar und kam mit drei neuen Cocktails zurück.
»Verzeihung«, sagte er mit einem entwaffnenden Lächeln. »Aber ich hab' mir gedacht, schöne Damen wie ihr sollten net trocken dasitzen.«
Anna gluckste. »Da hat jemand gute Manieren.«
»Und Geschmack«, murmelte Luise und stieß Marlene leicht mit dem Ellenbogen an.
Der junge Mann reichte ihr das Glas.
»Für dich ... Weil du offenbar Maracuja magst.«
Marlene nahm den Drink und schenkte ihm ein charmantes Lächeln.
»Lieb von dir! Danke.«
Als die Männer wieder Platz nahmen, beugte sich Luise verstohlen zu ihr hinüber.
»Hast du gesehen, wie der dich angeschaut hat? Als würd' er dich am liebsten sofort vernaschen wollen.«
Marlene schmunzelte. »Da muss er sich aber mehr ins Zeug legen.«
Anna seufzte tief. »Ich wünschte, mir würden die Burschen auch so hinterherlaufen.«
Da musste Marlene lachen und zuckte mit den Schultern.
»Aber geh. Erstens hast du auch so deine Verehrer ...«
»Aber du bist richtig umschwirrt von Verehrern!«, fiel Anna ihr ins Wort.
»Und zweitens ist so ein Flirt dann und wann zwar ganz lustig, aber zu mehr führt's bei mir ja eigentlich nie. Irgendwie fehlt mir immer was.«
Anna sah sie an. »Du meinst ... der Funke springt nie so richtig über? Warst du denn mal so richtig verliebt?«
Marlene nickte und verzog das Gesicht.
»Oh ja. Und wie. Als Teenager hat's mich so richtig erwischt, ich war Hals über Kopf verliebt in einen Burschen. Tja, was soll ich sagen? Dummerweise hat er das net erwidert. Offensichtlich haben ihm nur gertenschlanke Madeln gefallen, ich war wohl einfach net sein Typ. Es war richtig schlimm. Hat sich angefühlt, als würd' meine Welt untergehen.« Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie alte Erinnerungen abschütteln. Die kupferroten Haare tanzten um ihr Gesicht. »Und seitdem ... na ja, seitdem hat mich kein Bursche mehr so richtig umgehauen.«
Sie lächelte, aber es war ein wehmütiges Lächeln – die Art, bei der man spürte, dass irgendwo darunter noch ein alter Schmerz lag.
Luise wollte etwas sagen, doch da klang Musik vom Lautsprecher herüber. Ein Sommersong, der vom Wegfahren und Heimkommen handelte, von Abenden am Wasser und großen Gefühlen.
Die Sonne berührte langsam den Horizont. Die Männer prosteten ihnen zu, und der Abend nahm seinen Lauf. Es wurde gelacht, getanzt, flüchtig berührt. Sand klebte an nackten Füßen, Lippen schmeckten nach Limette, und irgendwo inmitten all dessen konnte Marlene die alten Erinnerungen wieder verdrängen.
Doch als sie später durch die laue Nacht Richtung Heimweg schlenderte, kehrte der Gedanke zurück: Wann würde sie sich mal wieder so richtig verlieben? So wie damals – nur hoffentlich mit Happy End und ohne bittere Tränen.
***
Das Licht fiel in weichen Streifen durch die halb geschlossenen Jalousien. Marlene öffnete blinzelnd ein Auge, dann das andere und stöhnte leise. Ihr Kopf pochte. Nicht schlimm, aber deutlich genug, um sie daran zu erinnern, dass der Abend am Stadtstrand etwas später und alkoholreicher geendet hatte, als ursprünglich geplant.
Sie richtete sich langsam auf, streifte die dünne Decke beiseite und gähnte ausgiebig. Ihr kleines Schlafzimmer war zwar schlicht eingerichtet, aber liebevoll – weiße Holzmöbel, ein alter Wecker auf dem Nachtkästchen, der schnarrend ticken würde, wäre nicht längst die Batterie leer. Draußen summte der Verkehr der Grazer Innenstadt, doch in ihrer Wohnung herrschte noch diese besondere, morgendliche Stille.
In der Küche wartete der Trost der Zivilisation: Kaffee.
Barfuß schlurfte sie über das knarrende Parkett, warf sich ein großes Hemd über und öffnete die Fenster. Frische Luft strömte herein. Und wenn sie sich ein bisschen reckte, konnte sie – zwischen zwei Hausdächern hindurch – den Grazer Schlossberg sehen. Ganz oben thronte der Uhrturm.
Dann fiel ihr Blick auf die Küchenplatte und auf den zerknitterten Zettel, der dort lag. In krakeliger Handschrift stand über einer Zahlenabfolge ein Name, den sie nicht mehr ganz zuordnen konnte. War es Max gewesen? Oder Marc? Auf jeden Fall der Typ mit dem frechen Grinsen, der sie gestern auf den Drink eingeladen hatte. Und der ihr dann, am Ende des Abends, seine Handynummer zugesteckt hatte, ganz altmodisch auf einem Zettelchen.
»Luise ...«, murmelte sie grinsend und schüttelte den Kopf.
Freilich hatte ihre Freundin den Burschen stecken müssen, dass Marlene Model war. Das wirkte wie ein Magnet auf viele Männer. Kaum war das Wort gefallen, war sie von charmanten Blicken umgeben gewesen und hatte sich vor Aufmerksamkeit kaum retten können.
Sie griff nach dem Zettel und drehte ihn zwischen den Fingern, während sie mit der anderen Hand ihre Lieblingstasse aus dem Regal holte – dunkelgrün mit Goldschrift: Schönheit beginnt im Herzen. Gerade als sie die Kaffeemaschine einschalten wollte, vibrierte ihr Handy auf der Anrichte ganz unerwartet los. Marlene zuckte zusammen und wäre vor Schreck beinahe sowohl Tasse als auch Zettel losgeworden.
»Wer ruft denn um die Uhrzeit an ...?«, brummte sie und griff zum Telefon.
Kurz zögerte sie. War es etwa ... dieser Max-Marc-Irgendwas? Hatte sie ihm doch ihre Nummer gegeben?
Aber auf dem Display stand: Martina Agentur Wien. Ihre Model-Agentin.
Sie nahm ab. »Hallo?«
»Marlene! Gut, dass ich dich erreiche. Ich hoff', ich weck' dich net – oder doch? Klingst ein bisserl verschlafen.«
Martina war ein echter Wirbelwind, und dementsprechend klang ihre Stimme: schnell, aufgeregt, motiviert.
»Ach, ich bin schon wach ... halb zumindest.«
»Dann weck' ich dich jetzt richtig: Ich hab' einen Job für dich. Und zwar keinen kleinen! Eine große Werbekampagne für eine Trachtenmoden-Boutique. Fotoshooting draußen, ganz romantisch, spätsommerlich bis herbstlich. Mit Videoaufnahmen, Social Media, sogar einer Modenschau. Das ganze Paket. Und sie wollen dich unbedingt! Sie waren ganz begeistert von deiner Sedcard und wollen dich vom Fleck weg buchen.«
Marlene hielt inne. Jetzt war sie tatsächlich hellwach. Ihre freie Hand suchte automatisch nach einem Stift. Sie klemmte das Handy zwischen Ohr und Schulter, wischte sich ein paar Locken aus der Stirn und öffnete den kleinen Notizblock neben dem Kühlschrank.
»Erzähl mehr! Wo, wann, wie lange?«
»Zwei, drei Wochen. Unterkunft wird gestellt, Bezahlung ist super, das Ganze ist fast schon ein Mini-Imagefilm für die Boutique. Du kriegst freilich eine Rechnungspauschale obendrauf, und das Beste: Das Team ist großartig – ich kenn' die Stylistin, mit der arbeitest du ja öfter.«
»Klingt super!« Eifrig machte Marlene sich Notizen. »Und wo soll das stattfinden?«
Martina klang so, als würde sie verschmitzt grinsen.
»Jetzt kommt der Clou. Rat doch mal.«
»Keine Ahnung ... wo denn?«
Martina lachte kurz. »Das ist das Lustigste überhaupt. In einem Ort namens St. Christoph. Sagt dir das was? Ich glaub', da hast du doch mal gewohnt, oder? Ist das net ein witziger Zufall?«
Für einen Moment war es ganz still in Marlenes Küche. Das Handy rutschte ihr fast von der Schulter. Sie fing es im letzten Moment auf.
»St. Christoph?«, wiederholte sie krächzend.
Ihr Herz klopfte schneller. Unwillkürlich sah sie aus dem Fenster, als könnte sie zwischen den Altbauten hindurch die Zillertaler Alpen sehen.
»Alles gut?«, fragte Martina. »Bist du noch dran?«