Das Berghotel 353 - Verena Kufsteiner - E-Book

Das Berghotel 353 E-Book

Verena Kufsteiner

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Beschreibung

Im idyllischen Berghotel von St. Christoph sucht Zimmermadel Carina nach Ruhe - vor der Welt, vor ihrer Angst, vor dem Lärm. Seit einem traumatischen Erlebnis in München meidet sie Menschenmengen und jede Form von Trubel. Doch gerade jetzt steht das größte Fest des Jahres bevor: das Lichterfest am Kuckuckssee - ein Spektakel aus Musik, Feuerwerk und Emotionen. Als ausgerechnet Schlagersänger Marcel, der Star des Abends, in ihr Leben tritt, treffen zwei verletzte Seelen aufeinander. Er kennt die lähmende Stille, sie die panische Angst vor dem Lauten. Beide tragen Narben, die man nicht sieht - und die nur heilen können, wenn man sich dem Leben wieder öffnet ...

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Seitenzahl: 123

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

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Das Lichterfest am Kuckuckssee

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Impressum

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Inhaltsverzeichnis

Inhaltsbeginn

Impressum

Das Lichterfest am Kuckuckssee

Romantischer Heimatroman aus St. Christoph

Von Verena Kufsteiner

Im idyllischen Berghotel von St. Christoph sucht Zimme‍rmadel Carina nach Ruhe – vor der Welt, vor ihrer Angst, vor dem Lärm. Seit einem traumatischen Erlebnis in München meidet sie Menschenmengen und jede Form von Trubel. Doch gerade jetzt steht das größte Fest des Jahres bevor: das Lichterfest am Kuckuckssee – ein Spektakel aus Musik, Feuerwerk und Emotionen.

Als ausgerechnet Schlagersänger Marcel, der Star des Abends, in ihr Leben tritt, treffen zwei verletzte Seelen aufeinander. Er kennt die lähmende Stille, sie die panische Angst vor dem Lauten. Beide tragen Narben, die man nicht sieht – und die nur heilen können, wenn man sich dem Leben wieder öffnet ...

Die Hotelchefin Hedi Kastler legte den Stift beiseite, als es an der Tür klopfte.

»Herein!«, rief sie freundlich.

Die Tür öffnete sich vorsichtig, und ein junges Madel steckte den Kopf ins Büro.

»Sie wollten mich sprechen, Frau Kastler?«, fragte Carina zaghaft. Ihre dunklen Augen wirkten noch größer als sonst, umrahmt von langen, dichten Wimpern. »Hab ich ... denn was falsch gemacht?«

Hedi lächelte beruhigend. »Nein, gar net, Carina! Setz dich bitte.« Sie deutete auf den Stuhl gegenüber. »Es ist alles in Ordnung. Ich wollt nur mal kurz mit dir plaudern.«

Die junge Frau, die erst kürzlich zum Saisonstart im Berghotel als Zimmermadel angefangen hatte, nickte. Sie trat ein und schloss die Tür leise hinter sich. Das Licht der Nachmittagssonne fiel golden durch die Fenster, draußen hörte man das fröhliche Lachen der Urlaubsgäste vom Pool herüberwehen. Es war wie üblich eine Menge los im Berghotel, das merkte man an jeder Ecke – ausgebucht bis auf den letzten Winkel. Und das Lichterfest, das vor der Tür stand, brachte noch zusätzlichen Trubel. Musiker, Bühnenbauer, Techniker ... Es war ein Gewusel sondergleichen.

»Es geht darum, dass ich mir ein bisserl Sorgen mach«, begann die Hotelchefin vorsichtig.

Carina saß nun vor ihr, die Hände im Schoß gefaltet.

»Oh«, machte sie leise.

Ihre Wangen färbten sich rosig, und Hedi dachte, dass das Madel wohl schon eine Vorahnung hatte, worauf das Gespräch hinauslaufen würde.

»Ich will ehrlich mit dir sein, Carina«, begann Hedi ruhig. »Du arbeitest wirklich fleißig. Die Lena und die Sofie haben mir auch nur Gutes berichtet. Aber ... ich merk, dass dich was bedrückt. Letztens in der Küche zum Beispiel, als wir allesamt beisammengesessen, geredet und gelacht haben – als dann auf einmal das Backblech runtergefallen ist, da bist du ganz bleich geworden, als wärst du aus einem Albtraum aufgewacht.«

Hedi hatte nicht zum ersten Mal das Gefühl, dass mit Carina etwas nicht stimmte. Sie war auffällig schreckhaft. Wirkte manchmal so verstört, als sei ihr etwas Schlimmes widerfahren. Auch laute Stimmen schienen ihr zuzusetzen, und unter vielen Menschen wurde sie nervös und ängstlich.

Carina biss sich auf die Unterlippe. Ein Moment des Schweigens lag zwischen ihnen, dann nickte sie langsam.

»Ja ... ich weiß. Es ist mir selber peinlich. Ich wollt net auffallen.«

»Ach, Madel«, seufzte Hedi mitfühlend und schob ihr ein Haferl Tee über den Tisch. »Was auch immer es ist – du musst dich net schämen. Magst du mir erzählen, was los ist?«

Carina atmete zitternd ein. »Es ist ... ein bisserl kompliziert.«

»Ich hab Zeit«, versicherte die Hotelchefin und lehnte sich zurück. »Du musst es freilich net erzählen, wenn du net magst. Aber manchmal hilft's, sich jemandem anzuvertrauen.«

Es dauerte ein paar Augenblicke, dann begann Carina leise, stockend und mit gesenktem Blick zu erzählen.

»Mir ist was Schlimmes passiert. Vor einem Jahr war ich mit Freunden auf einem Musikfestival in München. Wir haben getanzt, gelacht ... es war so eine schöne Sommernacht.« Ihre Stimme wurde noch leiser. »Und dann – auf einmal ... hat sich eine Lautsprecherbox gelöst. Einfach so. Sie ist runtergeknallt und hat eine ganze Konstruktion mitgerissen – Scheinwerfer, alles. Es hat gekracht, geblitzt – Leute haben geschrien. Manche sind hingefallen ... ich auch fast.«

Hedi hörte still zu, während Carinas Augen glasig wurden.

»Ich bin mitgerissen worden. Eingekeilt, ich hab kaum atmen können. Es war wie ... wie ein Albtraum. Ich hab's irgendwie rausgeschafft, aber ...« Sie schluckte. »Seitdem ist vieles anders. Wenn's laut wird oder zu viele Leute auf einmal um mich rum sind, dann krieg ich Panik.«

»Ach, du armes Madel«, flüsterte Hedi mitfühlend. »Das klingt furchtbar.«

Carina nickte. »Ich hab München nimmer ertragen. Zu viel Lärm. Zu viel Hektik. Ich bin dann hierher ins Zillertal gezogen, hab mir gedacht: Wenn irgendwo Ruhe ist, dann hier. Und dann ...« Sie lächelte schief. »Dann bin ich genau zur Lichterfest-Zeit im Berghotel gelandet.«

Hedi konnte sich ein mitfühlendes Schmunzeln nicht verkneifen.

»Ja, da hast du dir wirklich net den idealsten Zeitpunkt ausgesucht, wenn du Ruhe suchst.«

Carina seufzte. »Ich weiß. Aber ich komm schon zurecht. Ich will keine Sonderbehandlung. Ich pack das.«

Hedi betrachtete sie einen Moment lang still. So tapfer das Madel war – es schien, als hätte sie diesen Satz oft gesagt. Vielleicht zu oft.

»Carina«, sagte sie sanft. »Du musst net beweisen, wie stark du bist. Net vor mir, net vor sonst jemandem. Aber ich find's trotzdem bewundernswert, wie du dich schlägst.«

Ein schwaches Lächeln huschte über Carinas Gesicht.

»Und das Fest selbst – da musst du net hin. Niemand zwingt dich, zwischen hunderten Leuten zu stehen, wenn's dir net gut dabei geht.«

Carina nickte. »Ich weiß. Ich hab eh net vor, hinzugehen. Das Feuerwerk ... ich glaub, das wär mir zu viel.«

Hedi überlegte kurz.

Dann sagte sie: »Wenn du dir's anders überlegst – ich hab ein paar ruhige Plätze am See, wo man das Fest von weiter weg anschauen kann. Falls du das willst, meld dich einfach.«

»Danke«, murmelte Carina leise. »Echt. Dass Sie so verständnisvoll sind.«

»Ich hab im Leben schon vieles gesehen«, sagte Hedi mit einem mütterlichen Lächeln. »Und ich hab gelernt: Jeder schleppt sein Packerl. Aber manchmal wird's leichter, wenn man's net allein trägt.«

Carinas Augen glänzten verdächtig, doch sie nickte tapfer.

»Ich ... geh dann wieder an die Arbeit.«

Hedi stand auf und legte ihr die Hand auf die Schulter.

»Wenn du was brauchst – ich bin da.«

Als Carina das Büro verließ, blieb Hedi noch einen Moment sitzen und schaute gedankenverloren in die Landschaft hinaus. Carina tat ihr leid, aber sie hatte auch das Gefühl, dass dieses stille, sanfte Madel stärker war, als es das selbst ahnte.

***

Als sich die Tür hinter ihr schloss, atmete Carina erst einmal tief durch. Sie blieb einen Moment im Gang stehen, legte die Hand auf ihre Brust, als könnte sie so ihr Herz beruhigen. Es klopfte schneller als sonst, aber nicht mehr aus Angst – eher aus Erleichterung.

Die Kastler-Hedi war wirklich ein Schatz. So verständnisvoll, so herzlich. Carina hätte sich keine bessere Chefin wünschen können. Trotzdem ... dieses Gespräch hatte mehr mit ihr gemacht, als sie zugeben wollte.

Sie lief langsam den Gang entlang, das Licht der Nachmittagssonne spiegelte sich auf den polierten Fliesen. Durch ein geöffnetes Fenster drangen die Geräusche vom Pool herüber: Kinderlachen, das Plätschern von Wasser, fröhliche Stimmen. Alles ganz normal. Alles ganz friedlich.

»Ich komm schon zurecht«, murmelte Carina leise zu sich selbst.

Sie sprach es aus, um sich zu versichern. Um sich daran zu erinnern. Ja, das Trauma war da. Der Vorfall auf dem Festival würde sie ihr Leben lang begleiten. Aber sie musste sich immer wieder vor Augen halten: Sie war mit dem Schrecken davongekommen. Sie lebte. Sie war gesund. Sie war hier.

Das Leben ging weiter – und sie wollte es nicht im Schatten der Angst verbringen.

Carina blieb am Fenster stehen und schaute hinaus. Ihr Blick wanderte über das Tal, wo sich die sattgrünen Wiesen zwischen den Hängen ausbreiteten wie ein Teppich. Die Berge der Zillertaler Alpen ragten stolz in den Himmel, ihre Gipfel noch von letzten Schneeresten gekrönt, obwohl es schon sommerlich warm war. Kühe grasten träge unter der Nachmittagssonne, und die Häuser von St. Christoph wirkten wie aus einem Bilderbuch.

Ja. Genau deshalb war sie hergezogen. Weil sie den Trubel nicht mehr ertragen hatte. Weil ihr das grelle, hektische Leben in der Großstadt München irgendwann die Luft zum Atmen genommen hatte. Jeder Tag dort war wie ein lautes, pulsierendes Gewitter gewesen, und sie war mittendrin gewesen – mit zitternden Nerven und einem Herz, das zu oft zu schnell geschlagen hatte. Im Vergleich dazu war das hier das Paradies.

Hedi hatte recht: Das Lichterfest am Kuckuckssee war vielleicht nicht der ruhigste Zeitpunkt für einen Neuanfang, aber das konnte sie schon überstehen. Ein paar Tage Trubel – das war zu schaffen. Und sie musste ja nicht hingehen. Niemand zwang sie, sich unter hunderte Menschen zu mischen oder sich das Feuerwerk anzusehen. Sie konnte einfach hierbleiben, in der beruhigenden Stille des Berghotels. Vielleicht würde sie sich sogar ein ruhiges Plätzchen am See suchen, ganz weit weg vom Trubel.

Dass Hedi mit ihr reden wollte, hatte sie zunächst völlig aus dem Konzept gebracht. Als das Telefonat kam und man sie ins Büro bat, war ihr das Herz in die Hose gerutscht. Für einen Moment hatte sie wirklich geglaubt, man wäre mit ihrer Arbeit unzufrieden. Und das ... das hätte sie sehr getroffen. Denn so viel war sicher: Sie mochte den Job hier. Sogar sehr.

Das Berghotel war ein wunderschöner Ort. Nicht zu groß, nicht zu anonym – sondern heimelig, gemütlich. Eine Mischung aus Tiroler Tradition und liebevoller Herzlichkeit. Hedi und ihr Mann Andi führten das Haus mit einer Wärme, die man spürte, sobald man durch die Tür trat.

Und auch das Team war toll. Die anderen Zimmermadeln – allen voran Lena und Sofie – hatten sie sofort freundlich aufgenommen. Man half einander, lachte gemeinsam beim Wäschezusammenlegen, tauschte Geschichten in der Teeküche aus. Es fühlte sich gut an, Teil dieses kleinen Teams zu sein. Fast so, als hätte sie nach langer Suche endlich ein Stück Zuhause gefunden.

Carina drehte sich vom Fenster weg, ihre Schritte wurden wieder fester. Sie ging zum Putzschrank, holte frische Handtücher, ein paar neue Seifenstücke und machte sich daran, die nächsten Gästezimmer zu richten. Heute war der Check-in-Tag von gleich mehreren Gruppen, darunter auch einige Musiker, die für das Lichterfest gebucht worden waren.

Na wunderbar. Musiker. Laut, schrill, unruhig – jedenfalls hatte sie solche im Kopf, wenn sie an ihre Münchner Zeit zurückdachte. Und freilich erinnerten Musik und Musiker sie an das Festival von damals, das ihr das schlimmste Andenken ihres Lebens beschert hatte.

Sie seufzte leise über sich selbst, während sie das Bett neu bezog. Sie würde es ja sehen. Sie war jedenfalls fest entschlossen, sich im Zillertal wohlzufühlen und sich den Aufenthalt hier nicht von einem Festl verderben zu lassen. Sie war hier, um ihr Leben neu zu sortieren. Um wieder durchzuatmen. Und jetzt gerade, in diesem friedlichen Moment, während die Sonne durch das Fenster fiel und sie die Kissen aufschüttelte – war die Welt einfach nur schön.

***

Bunte Lichter tanzten über den Nachthimmel. Die Luft war warm, schwer vom Duft nach gebrannten Mandeln, Sonnencreme und Freiheit. Musik wummerte durch den Boden, durch ihren Körper, durch ihre Adern. Carina lachte, hob die Arme, drehte sich im Takt der Musik. Der Bass vibrierte in ihrer Brust. Neben ihr grinsten ihre Freundinnen, hielten ihre Plastikbecher in die Höhe. Der Refrain eines Sommerhits erklang – der ganze Platz sang mit.

Carina fühlte sich leicht, ausgelassen. Ihre Füße hüpften über das Gras, ihre Haare klebten an der Stirn, sie war glücklich. Glücklich wie schon lange nicht mehr. Es schien überhaupt keine Sorgen auf der Welt zu geben.

Dann – ein Knall. Laut. Hart. Gnadenlos. Er schnitt durch die Musik wie ein Messer durch Stoff, ließ alles in ihr zusammenzucken.

Für einen Moment herrschte Verwirrung. Einige Leute lachten nervös, als hätten sie geglaubt, es sei ein Feuerwerk. Doch dann hörte sie es – ein panisches Schreien. Jemand rief: »Die Box! Die Lautsprecherbox ist runtergekracht!«

Ein weiteres Krachen. Splittern von Glas. Ein Quietschen, als würde Metall unter Gewalt nachgeben.

Die Musik verstummte. Stattdessen: Tumult. Stimmen. Durcheinander. Jemand schrie.

Ein Teil der Bühne war eingestürzt. Carina konnte es nicht ganz erkennen, aber irgendetwas war von oben gefallen – in die Menge.

Dann setzte sich alles in Bewegung. Menschen drängten, schoben, rannten. Panik wogte durch die Masse. Carina wurde mitgerissen, spürte Ellbogen an ihrem Rücken, Hände, die sie wegschoben. Sie stolperte. Knallte mit dem Knie auf den Boden. Kurz war ihr Blick auf Kniehöhe – ein Meer aus Beinen.

Ein Fuß verfehlte knapp ihr Gesicht. Panik. Sie zwang sich aufzurichten, stemmte sich irgendwie hoch, atmete flach. Der Rauch der Pyrotechnik lag noch in der Luft, gemischt mit Schweiß und Angst.

»Ich muss hier weg«, flüsterte sie.

Ihre eigene Stimme ging in der Kakophonie aus Schreien, Rufen und Stampfen unter. Das flackernde Licht warf gespenstische Schatten. Alles verschwamm. Die Welt war ein grelles, lärmendes Kaleidoskop aus Chaos.

Rechts neben ihr stürzte jemand. Ein junger Mann. Er schlug hart auf. Sie sah ihn, wollte helfen und streckte die Hand aus. Doch da – noch jemand, der nicht mehr bremsen konnte. Der Mann wurde förmlich niedergetrampelt.

»Nein!«, rief sie, konnte aber kaum atmen.

Sie wollte sich bücken, ihn hochziehen, aber es war zu spät. Die Menge riss sie weiter. Tränen brannten in ihren Augen. Sie stolperte wieder, taumelte. Jeder Schritt war ein Kampf. In ihren Ohren rauschte es. Ihr Herz hämmerte so laut, dass es den Rest der Geräusche fast überdeckte.

Panik packte sie mit eisigen Fingern.

War das das Ende? War das ihr Ende?

***

Carina schreckte hoch.

Ihre Brust hob und senkte sich heftig, als würde sie gerade um ihr Leben laufen. Das Herz hämmerte wild gegen ihre Rippen, ihre Stirn war schweißnass. Einen Moment lang wusste sie nicht, wo sie war. Der Nachhall von Schreien, splitterndem Glas und wummerndem Bass lag noch in ihren Ohren. Ihr Magen krampfte sich zusammen, Panik flutete durch ihren Körper, und sie atmete schwer.

Erst langsam drang die Wirklichkeit zu ihr durch. Sie war nicht in München. Nicht mehr. Nicht auf dem Festival. Sie war in St. Christoph. In ihrer kleinen Dachgeschosswohnung mit den schrägen Wänden, den knarzenden Dielen und dem Fenster mit Blick auf den Kirchturm.

Sie fuhr sich mit einer zitternden Hand durch das feuchte Haar und richtete sich mühsam auf. Die Bettdecke war zerwühlt, das Nachthemd klebte an ihrem Rücken. Sie saß eine Weile einfach nur da, starrte auf ihre Knie und atmete durch. Tief ein, langsam aus.

Die Bilder aus dem Traum hatten sich so real angefühlt. Als wäre sie wieder dort gewesen. Sie glaubte, die flackernden Lichter noch zu sehen, das Dröhnen der Musik zu hören, den beißenden Geruch nach Angstschweiß und heißer Technik in der Nase zu haben. Alles war wieder da gewesen – so nah, so furchtbar lebendig.

»Es war nur ein Traum«, murmelte sie leise.