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Lara Schuster hat sich als angesehene Physiotherapeutin ein erfülltes Leben im Zillertal aufgebaut. Sie ist fest verwurzelt in ihrer Heimat, aber vorsichtig geworden, wenn es um die Liebe geht. Die Wunden ihrer Jugend sind verheilt - oder doch nicht ganz? Denn als Moritz Berger, ihre erste große Liebe, nach Jahren plötzlich wieder vor ihr steht, beginnt etwas in ihr zu vibrieren: Erinnerung, Sehnsucht, Schmerz. Ein schwerer Unfall bringt den einstigen Eishockeyprofi zurück nach St. Christoph - und ausgerechnet Lara soll seine Reha übernehmen. Zwischen Therapieeinheiten und verschwiegenen Blicken flammt Vergangenes wieder auf, während der Herbst das Tal in warmes Licht hüllt. Doch Benedikt Haller, Laras ehrgeiziger Verehrer und Moritz’ alter Rivale, lässt nichts unversucht, um einen Keil zwischen sie zu treiben ...
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Seitenzahl: 128
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Inhalt
Herbstlicht
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Impressum
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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsbeginn
Impressum
Heimatroman um Hoffnung auf einezweite Chance
Von Verena Kufsteiner
Lara Schuster hat sich als angesehene Physiotherapeutin ein erfülltes Leben im Zillertal aufgebaut. Sie ist fest verwurzelt in ihrer Heimat, aber vorsichtig geworden, wenn es um die Liebe geht. Die Wunden ihrer Jugend sind verheilt – oder doch nicht ganz? Denn als Moritz Berger, ihre erste große Liebe, nach Jahren plötzlich wieder vor ihr steht, beginnt etwas in ihr zu vibrieren: Erinnerung, Sehnsucht, Schmerz.
Ein schwerer Unfall bringt den einstigen Eishockeyprofi zurück nach St. Christoph – und ausgerechnet Lara soll seine Reha übernehmen. Zwischen Therapieeinheiten und verschwiegenen Blicken flammt Vergangenes wieder auf, während der Herbst das Tal in warmes Licht hüllt. Doch Benedikt Haller, Laras ehrgeiziger Verehrer und Moritz' alter Rivale, lässt nichts unversucht, um einen Keil zwischen sie zu treiben ...
Mit einem zufriedenen Seufzer fuhr Lara Schuster die Rollos der Behandlungsräume nach unten. Es war der letzte Termin für heute gewesen – ein junger Skifahrer mit einer gereizten Sehne im Knie. Schon wieder. Seit die Trainingssaison begonnen hatte, häuften sich die Sportverletzungen. Doch Lara mochte ihre Arbeit. Nein, sie liebte sie sogar.
Ein Griff zum Lichtschalter, ein letzter prüfender Blick auf die Empfangstheke, wo ein herbstliches Gesteck aus Trockenblumen und Zweigen lag, und dann schlüpfte sie in ihre Jacke. Der weinrote Grobstrick schmiegte sich weich an ihre Schultern. Die sportliche Arbeitskleidung hatte sie bereits ausgezogen und war aus den schwarzen Leggings und dem schlichten mintgrünen Shirt mit dem Logo ihrer Praxis geschlüpft. Stattdessen trug sie jetzt Jeans, ein enges Langarmshirt und die Strickjacke.
Die bequemen Turnschuhe ließ sie an. Allzu elegant und aufgebrezelt musste sie heute nicht aussehen, beschloss sie gut gelaunt. Das leise Klicken der automatischen Tür schloss den Arbeitstag symbolisch ab.
Draußen schlug ihr die klare Herbstluft entgegen, würzig und ein bisschen rau. Lara blieb einen Moment auf der Stufe vor dem Eingang stehen, schloss die Augen und atmete tief ein. Es roch nach Laub, nach Erde, nach dem nahenden Winter, der sich mit einem Hauch von Kälte bereits in die spätherbstliche Brise mischte.
Doch noch leuchtete die Landschaft in allen Farben. Die Wälder auf den Hängen ringsum schimmerten wie Gold, dazwischen feuriges Rot, Kastanienbraun, sattes Gelb. Die Gipfel der Zillertaler Alpen zeichneten sich wie scharf konturierte Scherenschnitte gegen den Himmel ab, auf den höchsten lag bereits Schnee.
Wie schön der Herbst das Zillertal erstrahlen ließ! Aber eigentlich fand Lara es hier zu jeder Jahreszeit wunderbar. Hier war sie aufgewachsen, in dieser Region, in diesem Tal – und sie hatte nie das Bedürfnis verspürt, es zu verlassen.
»Weil's daheim halt doch am schönsten ist«, hatte ihr Vater früher schon immer gesagt.
Als Jugendliche hatte sie diesen Satz noch mit einem Augenrollen quittiert. Heute wusste sie, dass er recht hatte.
Ihr kleines Auto stand wie immer auf dem reservierten Platz vor der Praxis. Lara stieg ein, warf noch einen Blick in den Rückspiegel und band sich die langen, gewellten dunkelblonden Haare zu einem lockeren Zopf zusammen. Ihre rehbraunen Augen betonte sie noch rasch mit einem Hauch von Wimperntusche, dann war sie bereit für ihre Verabredung heute Abend.
Die Fahrt von Mayrhofen nach St. Christoph war kurz. Gerade einmal zehn Minuten lagen zwischen Laras Arbeitsplatz und ihrem Zuhause. Sie wohnte in einer kleinen, aber gemütlichen Wohnung im Dachgeschoss eines alten Bauernhauses, idyllisch gelegen am Rand von St. Christoph.
Doch Lara steuerte jetzt nicht nach Hause. Stattdessen nahm sie die Abzweigung, die zum Dorfplatz von St. Christoph führte. Ihr Ziel war der »Ochsenwirt«. Das Traditionsgasthaus war ein beliebter Treffpunkt im Ort und für seinen urigen Charme bekannt: alte Holzbalken, massive Türen, blumengeschmückte Fensterbänke. Hier hatte sie heute Abend ein Date: Der Haller-Benedikt hatte angekündigt, sie auf ein Bier oder einen Almdudler einzuladen.
Lara freute sich auf die Verabredung. Ben war Skilehrer, sportlich, immer gut gelaunt und bei den Damen im Ort nicht gerade unbeliebt. Auch Lara hatte ihm das ein oder andere Mal ein Lächeln geschenkt. Und in letzter Zeit waren sie einige Male miteinander ausgegangen.
Ob es diesmal etwas Ernstes werden könnte? Seit Jahren hatte sie sich auf keinen Burschen richtig eingelassen. Freilich lebte sie nicht wie eine Nonne, sie verabredete sich manchmal, und hin und wieder wurde auch geschmust, aber eine feste Beziehung? Das hatte sie sich mit keinem dieser Burschen vorstellen können. Es war immer nur um Spaß gegangen, um eine nette Zeit, aber nie um tiefe Gefühle.
Während Lara durch die herbstlichen Gassen fuhr, huschten diese Gedanken durch ihren Kopf. Die untergehende Sonne tauchte die Dächer des Dorfs in ein mildes Licht. Vor einem Haus standen geschnitzte Kürbisse, ein paar Kinder liefen lachend mit bunten Drachen über die Wiese am Rand des Ortes.
Es war ein friedlicher Anblick. Der Herbst war so eine gemütliche Jahreszeit, dachte Lara. Doch bei ihr kamen im Oktober auch jedes Jahr ein paar wehmütige Erinnerungen hoch. Sie dachte an die Lagerfeuer von damals, an ein letztes Bad im kalten See, an einen letzten Kuss auf einem alten Bootssteg – und an den Burschen, mit dem sie all das vor einigen Jahren geteilt hatte.
»Moritz«, murmelte sie den Namen, der ihr im Kopf herumspukte.
Aber das war Vergangenheit. Moritz war Vergangenheit. Lara schob die Gedanken an ihn energisch beiseite, als sie das letzte Stück zum »Ochsenwirt« zurücklegte.
***
Die kühle Herbstluft begrüßte Lara, als sie vor dem Gasthof parkte und aus dem Auto stieg. Die Sonne war jetzt bereits hinter den Gipfeln verschwunden, doch ein letztes goldenes Leuchten lag über St. Christoph. Der Himmel schimmerte in zarten Rosé- und Orangetönen, während die Berge ringsum in dunkles Violett getaucht waren. Der Wind trug den Geruch von feuchtem Laub und reifem Obst durchs Tal – ein typischer Oktobertag im Zillertal, so wie Lara ihn liebte.
Sie atmete tief ein. Kein Ort auf der Welt fühlte sich so sehr nach zu Hause an wie dieser. Zwischen Apfelhainen, alten Kastanienbäumen und den urigen Häusern mit ihren geschnitzten Balkonen fühlte sie sich sicher. Verwurzelt. Auch wenn sie drüben in Mayrhofen ihre eigene Praxis hatte – der Ort, an dem sie aufgewachsen war, blieb ihr Herzstück.
In dem Moment hielt auch schon ein anderes Auto direkt neben ihrem, und Benedikt Haller stieg aus. Mit seiner schicken Softshelljacke machte er wie immer einen sportlichen Eindruck, und auf seinen Lippen lag das charmante Lächeln, mit dem er schon mehr als einem Madel im Ort den Kopf verdreht hatte. Seine blonden Haare waren sonst meistens mit Gel in Form gebracht, jetzt gerade hatte der Wind sie aber zerzaust.
»Grüß dich, Ben!«, rief Lara ihm strahlend zu.
»Lara. Wie fesch du wieder ausschaust.«
Zur Begrüßung zog er sie in eine Umarmung. Als er sich vorbeugte, realisierte Lara, dass er sie küssen wollte. Instinktiv drehte sie den Kopf leicht zur Seite, sodass sein Kuss nur ihren Mundwinkel traf. Es war ein Reflex. Irgendwie war sie noch nicht so weit. Sie war sich noch nicht sicher, ob sie mit ihm so weit gehen wollte.
Dabei hatten sie schon ein paar schöne Abende miteinander verbracht. Und Benedikt war attraktiv, charmant und immer gut gelaunt. Vielleicht würde es ja beim nächsten Mal ein Busserl geben, dachte sie schulterzuckend.
»Aber geh«, erwiderte sie lachend. »Ich hab' mir nur schnell in der Praxis ein paar Alltagsklamotten angezogen, damit ich hier net im Arbeitsoutfit antanze.«
»Du bist auch in deiner Praxiskleidung eine Augenweide«, flirtete er augenzwinkernd. »Aber das Rot von deinem Pulli, das lässt deine schönen schokoladenbraunen Augen so richtig leuchten.«
Lara musste wieder lachen.
»Du Schmeichler. Du weißt echt genau, was du den Madeln sagen musst, gell? Du schaust aber auch net übel aus. Und jetzt komm, bevor uns hier draußen die Zehen abfrieren. Gehen wir lieber rein.«
Schon beim Öffnen der schweren Holztür schlug ihnen der Duft von Bratkartoffeln, Röstaromen und Gewürzen entgegen. Drinnen herrschte wie üblich reges Treiben: Stimmengewirr, Gelächter, das Klirren von Biergläsern. Der urige Gasthof war gut besucht, wie fast jeden Abend. Altholzvertäfelte Wände, rot karierte Vorhänge, Hirschgeweihe und bemalte Wandschilder gaben dem Raum sein rustikales, warmes Flair. In den alten Holznischen saßen Großbauern mit wettergegerbten Gesichtern beim Stammtisch, junge Wandergruppen aus Deutschland prosteten sich begeistert zu und ein paar verliebte Pärchen kuschelten auf den Eckbänken.
Dieses Gasthaus war eine Institution in St. Christoph – der Ort, wo man sich traf, lachte, tratschte, Feste feierte oder einfach den Tag ausklingen ließ. Und wie so oft bemerkte Lara hier auf Anhieb einige bekannte Gesichter.
»Schau, da ist die Gerti!«, sagte sie und winkte ihrer Freundin zu.
Gerti arbeite in Teilzeit ebenfalls als Physiotherapeutin, allerdings in Schwaz. Außerdem war sie Kosmetikerin im Sporthotel »Am Sonnenhang«, das hier im Ort nur als Berghotel bekannt war.
Und mit anderen Berghotel-Mitarbeitern saß sie jetzt auch gerade in einer geselligen Runde beisammen. Da waren Hedi und Andi Kastler, die Betreiber des Berghotels, außerdem der Sporttrainer Lukas Einrieder und Leo Hofbacher, der Chefkoch, der für diesen Abend seinem Sous-Chef das Kommando in der Hotelküche überlassen hatte.
Gerti erwiderte Laras Gruß mit einem fröhlichen Lächeln.
»Magst du dich net zu uns setzen?«, rief sie herüber.
»Gleich vielleicht!«, antwortete Lara. »Der Ben und ich, wir organisieren uns erst einmal Getränke.«
Sie gingen zur Theke, wo der Wirt Joschi wie meistens höchstpersönlich das Kommando hatte. Ein Fernseher über der Bar zeigte gerade Werbespots.
»Seit wann schaut man denn im Ochsenwirt fern?«, fragte Lara belustigt. »Das ist ja was ganz Neues. Oder hab' ich verpasst, dass grad Fußball-WM ist?«
»Fußball net, aber heut' ist auch wichtig!«, rief Joschi stolz. »Der Berger-Moritz spielt – live! Unser Lokalheld steht wieder auf dem Eis. Ganz Kanada zittert, wenn der Bub am Puck ist, haha!«
Lara zuckte innerlich zusammen. Moritz. Freilich. Der Name traf sie wie ein Stromstoß. Jahre war es her – und trotzdem fühlte es sich an, als wäre es gestern gewesen. Goldene Oktobertage, ein Lagerfeuer am See, ihr erster richtiger Kuss ... Es war eine Jugendliebe gewesen, und vermutlich sollte Lara gar nicht mehr daran denken.
Aber wie sollte man denn seinen Ex-Freund vergessen, wenn er im Heimatdorf als eine Art Held galt? Wenn er immer wieder im Fernsehen zu sehen war und jedes Mal alle Leute ganz aus dem Häuschen gerieten?
Benedikt schnaubte verächtlich. »Ja klar. Der große Moritz. Wenn der im Fernsehen ist, kriegt ganz St. Christoph einen Höhenflug.«
Er starrte in sein Bierglas.
Lara seufzte leise. Der Abend hatte gerade erst angefangen, doch sie hatte jetzt schon nicht übel Lust, sich nach Hause aufs Sofa zurückzuziehen.
»Ach komm, Ben«, sagte sie beschwichtigend. »Er hat halt richtig Karriere gemacht. Viele hier sind einfach stolz drauf.«
»Er war in der Nachwuchsliga, net bei den Profis. Und nach jedem Spiel stürzt er sich auch noch auf die Medien – wenn er grad net auf dem Eis steht, gibt er Interviews und lässt sich feiern. Hauptsache, jemand applaudiert.«
Lara sagte nichts. Die Antwort blieb ihr auch erspart, denn jetzt begann das Spiel. Die Kamera zeigte Moritz im weißen Trikot mit der Nummer 22, Helm auf dem Kopf, ernstes Gesicht. Er war älter geworden. Reifer. Und noch immer sah er umwerfend aus – stark, konzentriert, mit diesem entschlossenen Blick, den sie so gut kannte.
Sie schluckte schwer. Neben ihr murmelte Benedikt irgendetwas Unverständliches. Lara konnte ein Seufzen nicht unterdrücken: Der Abend verlief anders, als erwartet.
***
Lara verdrehte die Augen und warf einen Blick auf Benedikt, der düster in sein Bier starrte, als wolle er es durch bloßes Anschauen zum Überlaufen bringen. Seine Laune war ein echter Stimmungskiller. Schulterzuckend entschied sie, dass sie sich das nicht antun musste.
Ohnehin war die Stimmung längst dahin. Wie sollte man sich für ein Rendezvous öffnen, wenn im Hintergrund alle von dem Mann sprachen, von dem man sich seit Jahren innerlich zu lösen versuchte?
»Ich geh rüber zur Gerti«, erklärte sie, ohne eine Reaktion abzuwarten, und schlenderte zur großen Stammtischrunde des Berghotel-Teams.
Hier war die Stimmung gut. Gerti saß neben Hedi Kastler und lachte gerade über einen Witz von Leo, dem Koch. Lukas Einrieder prostete quer über den Tisch mit gespritztem Apfelsaft.
»Na, schau an!«, rief Gerti fröhlich, als Lara sich näherte. »Und, wie läuft das Rendezvous?«
»Darf ich mich zu euch setzen? Mein Date hat schlechte Laune«, gab Lara trocken zurück, als sie Platz nahm.
Gerti grinste und senkte die Stimme leicht.
»Hat man gemerkt. Der Ben ist ja heut' in fürchterlicher Stimmung.«
Lara hob die Schultern. »Er ist net grad Moritz' größter Fan.«
»Weil er eifersüchtig ist?« Gerti feixte. »Weil der Moritz dein Ex ist?«
Lara schnaubte leise. »Nein, daran liegt's net. Ich weiß gar net, wie viel der Ben wirklich weiß, was sich damals zwischen dem Moritz und mir abgespielt hat. Und so ernst ist das mit ihm eh nicht – wir sind kein Paar oder so.«
»Aber man sieht euch oft miteinander. Und er wirkt ehrlich interessiert«, meinte Gerti und trank einen Schluck vom Zwetschgenmost.
»Mal schauen, was sich ergibt«, erwiderte Lara ausweichend und ließ ihren Blick wieder zu Benedikt gleiten, der immer noch am Tresen saß.
Sie versuchte, irgendetwas zu fühlen – Herzklopfen, Kribbeln, Neugier –, doch da war nicht viel, eigentlich gar nichts, wenn sie ehrlich zu sich selbst war.
»Hm«, machte Gerti und ließ den Most im Glas kreisen. »Aber warum kann der Ben den Moritz dann net leiden, wenn's gar net um dich geht?«
»Die zwei waren früher, als junge Burschen, immer Rivalen auf dem Eis«, erzählte Lara leise. »Beide wollten ganz nach oben. Der Benedikt war nie gut darin, Zweiter zu sein. Und er ist nie richtig drüber weggekommen, dass Moritz es geschafft hat – in die Profiliga –, und er eben net. Er musste dann zum Skilehrer umsatteln. Was ja kein schlechter Beruf ist, aber ... na ja. Es war halt net sein Traum.«
Da ging ein Raunen durch den Raum. Ein vielstimmiges »Ooooh!« schwappte wie eine Welle durch das Gasthaus. Die Madeln unterbrachen ihr Gespräch und hoben den Blick. Oben, über der Bar, flimmerte das Spiel über den Bildschirm. Die Kamera schwenkte gerade über das eisige Spielfeld und zoomte heran auf die Stelle, wo sich ein Spielzug anbahnte.
»Ah, schaut her«, meinte Lukas Einrieder und deutete mit dem Gabelstiel in die Richtung des Fernsehers. »Jetzt geht's rund!«
Lara hielt unwillkürlich den Atem an. Sie konnte den Blick nicht von Moritz abwenden. Auf dem Eis war er wie ein anderer Mensch – wild, elegant, stark. Er war ganz in seinem Element.
Die Kamera zeigte, wie Moritz über die blaue Linie zog, den Puck annahm, blitzschnell beschleunigte. Dann – eine Sekunde Unachtsamkeit. Oder ein Gegner zu viel. Ein kräftiger Verteidiger kam seitlich angerauscht und schoss quer über die Bahn. Moritz versuchte noch, auszuweichen, kam ins Straucheln – und dann geschah es.
Lara schnappte nach Luft.
Die Kollision war heftig. Moritz wurde hart getroffen, drehte sich unkontrolliert, stürzte auf die Schulter – der Helm krachte auf das Eis, der Körper blieb seltsam verdreht liegen.
Die Menge in der Halle im Fernsehen verstummte für einen Moment. Auch im Gasthaus war es auf einmal totenstill.
Moritz rührte sich nicht.
»Oh Gott!«, entfuhr es Lara.
Bestürzt presste sie sich beide Hände auf den Mund. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, ohne dass sie etwas dagegen tun konnte. Der Wirtsraum schien schlagartig jeglichen Sauerstoff verloren zu haben – sie atmete ein, aber die Luft schien gar nicht in ihrer Lunge anzukommen. Sie starrte auf den Fernseher und wartete angespannt auf irgendein Lebenszeichen von Moritz.
***