Das Berghotel 358 - Verena Kufsteiner - E-Book

Das Berghotel 358 E-Book

Verena Kufsteiner

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Beschreibung

Ein Wochenende in den Bergen - eigentlich soll es nur Erholung und unbeschwerte Stunden bringen. Für Eva und ihre Freundinnen ist der Kurzurlaub in St. Christoph jedoch mehr als Tradition: Es ist ein Versprechen, füreinander da zu sein. Doch dieses Jahr ist alles anders. Eva trägt eine Last, die nicht sichtbar ist, aber in jeder stillen Minute an ihr zerrt: Der Kampf gegen den Brustkrebs hat Spuren hinterlassen, an ihrem Körper und in ihrem Herzen. Während sich die Freundinnen bemühen, Normalität vorzugaukeln, spürt Eva die Schwere in jeder Geste der Fürsorge. Dann trifft sie auf Lukas. Rau, ehrlich, kantig. Ein Mann, der selbst einen Schatten mit sich trägt und doch etwas in ihr zum Schwingen bringt. Eva wird klar: Sie muss ihr Leben zurückerobern. Nicht später - jetzt. Doch kann sie wieder lernen zu vertrauen? Sich öffnen für die Liebe?

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Seitenzahl: 130

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

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Das letzte Wochenende im September

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Impressum

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Inhaltsverzeichnis

Inhaltsbeginn

Impressum

Das letzte Wochenende im September

Drei Freundinnen auf einer Reise zu sich selbst

Von Verena Kufsteiner

Ein Wochenende in den Bergen – eigentlich soll es nur Erholung und unbeschwerte Stunden bringen. Für Eva und ihre Freundinnen ist der Kurzurlaub in St. Christoph jedoch mehr als Tradition: Es ist ein Versprechen, füreinander da zu sein. Doch dieses Jahr ist alles anders. Eva trägt eine Last, die nicht sichtbar ist, aber in jeder stillen Minute an ihr zerrt: Der Kampf gegen den Brustkrebs hat Spuren hinterlassen, an ihrem Körper und in ihrem Herzen.

Während sich die Freundinnen bemühen, Normalität vorzugaukeln, spürt Eva die Schwere in jeder Geste der Fürsorge. Dann trifft sie auf Lukas. Rau, ehrlich, kantig. Ein Mann, der selbst einen Schatten mit sich trägt und doch etwas in ihr zum Schwingen bringt. Eva wird klar: Sie muss ihr Leben zurückerobern. Nicht später – jetzt. Doch kann sie wieder lernen zu vertrauen? Sich öffnen für die Liebe?

Die Aussicht ließ zu wünschen übrig. Vor ihnen leuchteten die Rücklichter unzähliger Autos. Über ihnen leuchteten orangefarbene Laternen, und neben ihnen ragte die Betonwand des Tunnels, der sich über das Auto wölbte, als wollte er es verschlucken.

»Das fängt ja gut an«, murmelte Melanie mit angestrengtem Blick auf den Stau. »Dabei haben wir nicht mal die Stadt verlassen.«

Obwohl es Donnerstag war, herrschte ein Verkehrschaos, das an die großen Ferien in den Sommermonaten erinnerte. Dabei war es fast Herbst.

»Sofern wir München hinter uns haben, lichtet sich der Stau wieder«, besänftigte Eva ihre Freundin vom Rücksitz aus.

Die Rücksitzbank teilte sie sich mit einem Korb voller Schmankerln. Müsliriegel, selbstgebackenes Bananenbrot, Äpfel, Wasser und Fruchtsäfte lagen darin. Aber im Schummerlicht des Tunnels wirkten selbst die Leckereien fad.

»Geht es dir gut? Brauchst du etwas? Wenn du Hunger bekommst, bediene dich einfach. Es ist genug von allem da«, sprudelte es aus Toni heraus, der dritten Frau in der Runde.

Eva, Melanie und Toni kannten sich schon seit ihrer gemeinsamen Zeit auf dem Gymnasium. Zusammen hatten sie sich die Haare gefärbt, sich in Jungs verliebt – manchmal sogar in denselben – bei Übernachtungspartys heimlich Horrorfilme angeschaut und fürs Abitur gepaukt. Das war nun über fünfzehn Jahre her. Trotzdem fühlten sich die drei Freundinnen immer noch so stark miteinander verbunden, dass sie ihre Tradition, jedes Jahr am letzten Septemberwochenende in die Berge zu fahren, bereits seit elf Jahren aufrechterhielten. Wie durch Zufall hatten sie damals das bezaubernde Berghotel in St. Christoph entdeckt. Nicht nur die herrliche Gegend hatte ihnen auf Anhieb gefallen, auch das Angebot des Hotels und die liebenswerten Hotelinhaber hatten es den Frauen angetan. Wozu sollten sie sich also jedes Jahr ein anderes Ziel aussuchen, wenn sie sich im beschaulichen St. Christoph wohlfühlten?

»Toni, wir sind erst vor einer halben Stunde losgefahren. Mir geht es wunderbar«, lachte Eva und legte von hinten eine Hand auf die zierliche Schulter ihrer Freundin, um sie zu beruhigen.

Etwas hatte sich zwischen den Freundinnen eingeschlichen. Es war kein Mann, wie bei vielen anderen Freundschaften, der ihr Verhältnis zueinander verändert hatte. Es war auch kein Beruf, der die Frauen voneinander trennte. Alle arbeiteten seit Jahren in ihren Berufen und kamen sich dabei nicht in die Quere.

Eva liebte ihre Arbeit als Museumspädagogin in einem Schlossmuseum. Toni war endlich die Leitung der Kindertagesstätte übertragen worden, in der sie seit sieben Jahren beschäftigt war. Und Melanie arbeitete weiterhin als Sicherheitsingenieurin, wenn auch noch in Teilzeit, da sie mit ihrem Mann Sebastian zwei Söhne großzog. Das, was sich in ihre Freundschaft eingeschlichen hatte, war dunkler.

»Denk daran, genug zu trinken«, erinnerte die zweifache Mutter sie nun vom Fahrersitz aus. »Zwei Liter täglich sollten es schon sein.«

Eva verdrehte ihre Augen, wenn auch so, dass die anderen es nicht sehen konnten.

»Hast du irgendwo deine Söhne versteckt?«, versuchte sie, die Stimmung ein wengerl aufzuheitern.

Es war nicht so, dass die Stimmung getrübt war. Im Gegenteil. Alle bemühten sich, stets zu lächeln. Und zwar so sehr, dass es den Gesichtsmuskeln bereits wehtat.

»Wenn ja, lass uns rechts ranfahren und sie an der Straße aussetzen«, konterte Melanie und ließ den Motor aufheulen, als sich der Stau vor ihnen in Bewegung setzte.

»Ich kann schon Licht sehen«, freute sich Toni vom Beifahrersitz aus und deutete mit ihrem Finger nach vorn.

»Vielleicht solltest du das Wasser trinken«, meinte die Fahrerin. »Wir sind hier gerade mal am Anfang des Tunnels und nicht bei einer Nahtoderfahrung.«

Schlagartig verstummten alle. Selbst die Geräusche von draußen prallten an dem Kombi ab, in dem die Frauen mit ihrem Schweigen gefangen waren.

Toni hüstelte.

Eva griff schließlich zu einer der Wasserflaschen und öffnete sie mit einem lauten Zischen. Das Wasser schmeckte, wie Wasser eben schmeckte. Nach nichts.

»Super lecker«, strahlte sie und hoffte, damit das betretene Schweigen zu vertreiben.

»Hast du heute schon Obst gegessen?«, fragte Toni und blickte über ihre Schulter nach hinten. »Iss einen Apfel. Ich habe sie erst gestern auf dem Markt gekauft.«

Aber Eva wollte keinen Apfel. Am liebsten wollte sie einen Burger essen, nur um ihren Freundinnen zu demonstrieren, wie sehr ihr die Fürsorge auf die Nerven fiel.

»Gleich vielleicht«, erwiderte sie lächelnd, spürte aber, wie ihr das Lächeln schwerer fiel.

Ein Blubbern klang aus Tonis Hand. Sofort zuckte diese zusammen und begann, auf das Smartphone zu tippen, auf dem gerade eine Nachricht eingegangen war. Schon seit ihrer Abfahrt blubberte das Handy. Tonis Lippen waren fest zusammengepresst. Dann sperrte sie den Bildschirm und hielt das Handy mit ihren Fingern umklammert, als wollte sie es warmhalten.

»Alles in Ordnung?«, erkundigte sich Eva und beugte sich ein bisserl vor.

»Alles super«, erwiderte Toni und zog den Mund in die Breite.

»Wenn du müde bist, kannst du dich auch hinlegen, Eva. Stell den Korb einfach auf den Boden, dann müsste das schon gehen«, erklärte Melanie und lenkte den Wagen auf die Überholspur.

»Alles klar«, antwortete Eva und ließ sich wieder zurück in den Sitz fallen.

Aber sie wollte nicht liegen. Sie wollte sitzen. Sie wollte aufrecht bleiben. Gelegen hatte sie genug.

Doch während sich der Stau langsam auflöste und die drei Freundinnen nun freie Fahrt in Richtung Tirol hatten, kam ihr der Gedanke, dass sie zu viert auf dieser Reise waren. Der Brustkrebs war unaufgefordert mitgekommen.

***

Lukas hockte auf einem Felsvorsprung. Von hier aus hatte er die beste Sicht. Die Sonne stand genau richtig, sodass er nicht geblendet wurde. Die Schatten waren noch kurz, der Nachmittag daher noch lang. Sein Atem ging ruhig und war im Rauschen des leisen Windes geräuschlos. Der Duft von Gräsern umwehte ihn. Seine Beine schmerzten, sodass er sich augenblicklich anders positionierte, die Kamera weiterhin auf das Spektakel weiter unten gerichtet.

Der Kopf eines Murmeltiers ruckte in die eine Richtung, dann in die andere. Ein schrilles Pfeifen ertönte, das sogar Lukas auf dem Felsvorsprung erreichte. Schnell duckte sich das Tier wieder, nur um im nächsten Moment wieder in die Höhe zu schießen.

Vorsichtig lehnte sich Lukas vor, dann betätigte er den Auslöser. Ein leises Klicken erklang, sodass das Murmeltier nun in seine Richtung blickte. Schnell wie ein Blitz huschte es in seine Höhle.

Lukas ließ sich auf den Felsen nieder und sah sich das Bild an. Ein Murmeltier auf einer grünen Wiese, auf der Kräuter wuchsen. Noch mehr Idylle hätte er nicht einfangen können. Schnell klickte er weiter, um sich die vorigen Fotos anzusehen. Alle Bilder waren schwarz-weiß. Allesamt hatten sie etwas gemeinsam. Sie dokumentierten den Verfall der Dinge.

Auf dem Bildschirm der Kamera erschien das Abbild eines verfallenen Kinderkrankenhauses. Der Ort war mittlerweile ein beliebtes Ziel für Geocacher, die den besonderen Kick suchten. Lukas hatte die unheimliche Atmosphäre des verlassenen Krankenhauses selbst gespürt, als er ein ehemaliges Patientenzimmer mit alten Gitterbetten fotografiert hatte.

Auf einem anderen Bild waren die Überreste einer Mauer zu sehen. Es handelte sich um eine alte Burgruine.

Lukas klickte weiter, fand Bild für Bild, alle passend zueinander. Dann klickte er zurück zu dem Murmeltier auf der lächerlich sonnenbeschienenen Wiese. Er löschte es.

Als er sich aufstellte und seine Beine durchstreckte, spürte er ein Ziehen in seinen Muskeln. Lukas war groß. Sein kräftiger Körperbau war das Ergebnis etlicher Trainingsstunden und Wanderungen. Dabei grenzte er sich von den albernen Wichtigtuern im Fitnessstudio ab. Im Gegensatz zu ihnen trainierte er nicht, um seine Muskeln zu definieren und zu präsentieren. Er verlangte seinem Körper alles ab, um sich abzulenken. Solange sein Körper aktiv genug war, konnte er sein Gehirn ausschalten und die Bilder verdrängen, die sich ja doch in sein Inneres eingefressen hatten.

Mit der freien Hand fuhr er sich kurz durch das dichte, dunkle Haar, das etwas wüst von seinem Kopf abstand. Dann machte er sich davon.

Was hatte er sich dabei gedacht, ein Murmeltier zu fotografieren? Gehörte er jetzt der Sorte Weichspüler an, die schöne Landschaften und süße Tiere festhielten, um sie später ihren Familien zu zeigen? Lukas hatte keine Familie. Er war allein. Seit Isabell ihn verlassen hatte, hatte er nichts mehr. Niemanden, mit dem er irgendetwas teilen konnte. Alles, was geblieben war, war der Schmerz und manchmal auch eine Verbitterung, wenn die Tage so sonnig und schön waren, dass er am liebsten die Vorhänge zuziehen wollte, um diese widerliche Demonstration von Idylle auszublenden. So wie der Tag heute. Aber er hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben. In der Nähe von Innsbruck lag ein Hotel, das auf seiner Liste sehenswerter Baracken stand. Und wenn dieses miese Heile-Welt-Wetter sich weiterhin hielt, blieb ihm immerhin noch die Möglichkeit, sich im Fitnessraum des Berghotels einzuschließen.

Lukas trat den Rückweg an. Irgendwo in der Ferne hörte er ein Pfeifen. Diesmal von keinem Murmeltier, sondern von einem Menschen, denn das Pfeifen formte sich zu einem Lied. Am liebsten würde er sich die Ohren zuhalten. So viel Heiterkeit war unerträglich. Langsam zweifelte er am Sinn seiner Reisen. Die Erinnerungen würden ihn ja doch überall einholen.

***

»Jetzt seht euch mal diese Landschaft an«, rief Melanie und breitete die Arme aus. Sie sah aus, als wollte sie die ganze Welt umarmen.

Eva näherte sich ihr vorsichtig, um keine der Insekten aufzuscheuchen, die auf der Wiese noch immer nach Nektar suchten. Vor ihren Füßen sprangen Grashüpfer zur Seite. Eine kleine Choreografie, die wie einstudiert wirkte.

Toni hakte sich bei ihr unter und lächelte zuversichtlich.

»Das wird ein tolles Wochenende«, freute sie sich.

»Wir kommen jedes Jahr her, und jedes Jahr machst du dasselbe Theater um die Berge«, amüsierte sich Eva, als sie ihre ältere Freundin schließlich erreichte.

Diese drehte sich brüsk um und stemmte die Hände in die Seiten. Obwohl sie mit ihrer schlanken Figur und den langen dunklen Haaren noch immer mädchenhaft aussah, hatte sie auch etwas Burschikoses an sich. Vielleicht war das etwas, das die Mutterschaft mit sich brachte, überlegte Eva. So oder so bewunderte sie das starke Auftreten ihrer Freundin.

»Wären eure Augen nicht andauernd auf eure Handys gerichtet, müsste ich euch nicht jedes Mal an die Aussicht erinnern«, murrte Melanie.

Eva hob abwehrend die Hände. »Ich habe gar nichts gemacht«, verteidigte sie sich und blickte amüsiert zu Toni.

»Ich hatte keine andere Wahl«, meinte diese. »Jan macht sich immer so Sorgen. Deshalb musste ich ihm versprechen, dass wir nichts tun werden, was ihn beunruhigen könnte.«

Melanie warf der Jüngsten von ihnen einen skeptischen Blick zu.

»Was wäre das denn? So Sachen wie das Zimmer zu verlassen? Mit anderen Leuten zu reden? Hui, ich bekomme schon eine Gänsehaut, wenn ich nur daran denke.« Sie rieb sich fröstelnd die Arme, während sie zurück zum Wagen lief.

Schnell folgte ihr Toni. »So schlimm ist es nicht«, lachte sie. »Du tust ihm unrecht. Jan ist nur besorgt, dass mir etwas passieren könnte. Ehrlich. Eigentlich ist er ein toller Mann.«

Alles, was in Evas Ohren hängen blieb, war eigentlich. Denn auch sie hatte die Vermutung, dass Jan ihrer Freundin nicht guttat. Seit Toni mit ihm zusammen war, machte sie sich mehr und mehr rar. Sofern sie oder Melanie sie fragten, ob sie mit ins Kino, zu einem Festival oder einfach nur essen gehen wollte, hatte sie eine Entschuldigung parat. Doch weder Melanie noch sie kannten den Mann gut genug, um ein Urteil über ihn fällen zu können, daher war sie sich ihrer Ungerechtigkeit ihm gegenüber bewusst.

Während sie ihren Freundinnen folgte, betrachtete sie das Sporthotel »Am Sonnenhang«. Wie jedes Jahr ließ sie sich von dem Anblick des Tiroler Prachtbaus überwältigen. Das Hotel thronte malerisch über dem Tal, eingerahmt von sanften Almwiesen und majestätischen Gipfeln. Die Holzfassade glänzte warm in der Nachmittagssonne, während große Panoramafenster einen einladenden Blick ins elegante Innere freigaben. Auf den Balkonen rankten farbenfrohe Geranien, und im Hotel versprachen gemütliche Lounges mit Zirbelholz, ein moderner Wellnessbereich und herzliche Gastfreundschaft unvergessliche Urlaubstage.

»Ich möchte nur für wenige Tage vergessen können«, flüsterte sie.

Melanie strahlte sie vom Kofferraum aus an.

»Deine Wünsche fürs Wochenende?«, mutmaßte sie.

Eva nickte. »Aber ich werde einen Teufel tun und sie euch verraten.«

»Ach, Süße«, sagte Toni und legte fürsorglich einen Arm um Evas Schulter. »Dabei werden wir alles tun, um dir jeden Wunsch von den Lippen abzulesen.«

Eva wollte gerade widersprechen, aber da wurden sie von einem heraneilenden Mann gestört.

»Entschuldigen Sie, wenn es Ihnen beliebt, würde ich mich gerne um das Gepäck kümmern.«

»Herr Garnreiter«, freute sich Melanie und klopfte dem verdutzten Mann auf den Oberarm. »Mensch, Sie sind ja auch noch hier. Was macht das Leben?«

Kilian Garnreiter gehörte zum Inventar des Berghotels. Das hatten die Frauen schon während ihres ersten Aufenthalts hier erfahren. Hedi Kastler, die Hotelchefin, hatte ihnen verraten, dass sie ohne dessen tatkräftige Unterstützung das Hotel vermutlich schließen könnten. Allen war bewusst gewesen, dass die Hotelchefin übertrieben hatte. Trotzdem glaubte Eva, dass dem Gesagten ein Stückerl Wahrheit anhaftete.

»Das Leben läuft«, antwortete der wortkarge Angestellte und wandte sich schließlich dem Gepäck der Gäste zu.

»Na, dann hoffe ich aber, dass wir diesmal zusammen anstoßen werden«, ließ Melanie nicht locker, bis sie den schiefen Blick Tonis einfing.

Eva musste ihre Hand vor den Mund halten, um nicht laut loszulachen. Der schüchterne Mann schien völlig überfordert zu sein von so viel Zuwendung.

Noch während sich die Freundinnen auf dem Weg zum Eingang machten, zischte Toni: »Musst du ihn jedes Mal so aufziehen?«

Melanie aber machte ein unschuldiges Gesicht.

»Wer zieht denn hier wen auf? Ich meinte es absolut ernst. Oder bist du auch der Meinung, dass ich Kilian aufziehe?«, wandte sie sich nun an Eva.

Diese schüttelte mit erhobenen Augenbrauen den Kopf.

»Macht das unter euch aus. Aber vielleicht näherst du dich dem armen Kerl ein wenig vorsichtiger. Nachher verscheuchst du ihn noch.«

»Pf«, machte Melanie und zog die Tür zur Lobby auf.

Noch während Eva hindurchschlüpfte, stieg ihr der Geruch der heimischen Zirbelkiefer in die Nase. Wie sehr sie diesen Duft vermisst hatte. Sofort fühlte sie sich an die vergangenen Jahre erinnert, in denen sie ihre letzten Septemberwochenenden hier verbracht hatten. Einmal hatte Melanie aus Versehen eine alte Dame umgeworfen, weil sie zu wild gestikuliert hatte. Bis auf einen dauerhaften Lachanfall hatte sie glücklicherweise keine weiteren Verletzungen verursacht. Und einmal war Toni in einen Mann hineingerannt, den sie seitdem nicht mehr losgeworden war. Franz hatte sich jedoch als achtzehnjähriger Jüngling erwiesen, der zusammen mit seinen Eltern hergereist war. Es waren schöne Tage gewesen. Stunden voller Unbekümmertheit. Ob es diesmal wieder so sein würde? Eva bezweifelte es.

Automatisch verschränkte sie ihre Arme vor dem Oberkörper, sodass sie unauffällig mit einer Hand ihre Brust abtasten konnte. Da, wo früher eine weiche Rundung gewesen war, war nun etwas Unnatürliches. Noch immer fühlte sich die Stelle falsch an.