Das Berghotel 152 - Verena Kufsteiner - E-Book

Das Berghotel 152 E-Book

Verena Kufsteiner

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Beschreibung

"Johann?" Flehend ruft Anika gegen das ohrenbetäubende Rauschen des Wildbachs an. "Johann, kannst du mich hören?"
Nichts. Nur das Tosen des Wildbachs.
Anika schluchzt auf. Eben noch sind sie fröhlich auf dem Pfad durch die Klamm gelaufen, als es Johann plötzlich die Beine weggezogen hat. Mit einem Aufschrei ist ihr Freund in die Tiefe gestürzt, und der sprudelnde Wildbach hat ihn mitgerissen.
Beim Versuch, ihm zu helfen, ist auch Anika ausgerutscht, konnte sich aber an einem Felsen festhalten. Da harrt sie nun, auf diesem kleinen Felsvorsprung. Es ist kalt, der Regen fällt unaufhörlich vom Himmel, und schon jetzt spürt sie ihre Finger kaum noch. Bald wird es dunkel, und Anika kann nur beten, dass man ihr Verschwinden beim Abendessen im Berghotel bemerkt. Wenn nicht, dann sind sie verloren ...

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Seitenzahl: 123

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Inhalt

Cover

Impressum

Auf dem Weg durch die Klamm

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Anne von Sarosdy / Bastei Verlag

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-5489-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Im idyllischen St. Christoph, dort, wo auch der »Bergdoktor« lebt und praktiziert, liegt das Hotel »Am Sonnenhang«. Es ist ein Haus, in dem sehr viel Wert auf Tradition und Gastlichkeit gelegt wird – und sich für die Gäste so mancher Traum erfüllt.

Auf dem Weg durch die Klamm

Ein Urlauberpaar unterschätzt die Gefahr

Von Verena Kufsteiner

»Johann?« Flehend ruft Anika gegen das ohrenbetäubende Rauschen des Wildbachs an. »Johann, kannst du mich hören?«

Nichts. Nur das Tosen des Wildbachs.

Anika schluchzt auf. Eben noch sind sie fröhlich auf dem Pfad durch die Klamm gelaufen, als es Johann plötzlich die Beine weggezogen hat. Mit einem Aufschrei ist ihr Freund in die Tiefe gestürzt, und der sprudelnde Wildbach hat ihn mitgerissen.

Beim Versuch, ihm zu helfen, ist auch Anika ausgerutscht, konnte sich aber an einem Felsen festhalten. Da harrt sie nun, auf diesem kleinen Felsvorsprung. Es ist kalt, der Regen fällt unaufhörlich vom Himmel, und schon jetzt spürt sie ihre Finger kaum noch. Bald wird es dunkel, und Anika kann nur beten, dass man ihr Verschwinden beim Abendessen im Berghotel bemerkt. Wenn nicht, dann sind sie verloren …

Wer sagte, der Herbst hätte keinen schönen Seiten? In Innsbruck hatte er die auf jeden Fall.

Wenn das Licht der tief stehenden Sonne zwischen den Häusern der Altstadt hindurchfiel und skurrile Muster auf die Wege zauberte. Wenn sich die bunt gefärbten Wälder vor dem leuchtenden Weiß des schneebedeckten Hausbergs abhoben. Und wenn die Besitzer der Straßencafés Wärmestrahler aufstellten, damit ihre Gäste die letzten milden Sonnenstrahlen dieses Jahres noch im Freien genießen konnten. Dann wusste Anika Mattersberger, dass sie an dem Ort lebte, für den sie bestimmt war.

Anika liebte es, frühmorgens am Ufer des Inn entlang zu joggen und dabei dem Rauschen des Flusses zu lauschen. In ihrer Mittagspause kaufte sie sich in einem der zahlreichen Lokale in der Innenstadt ein Marillen-Hörnchen und einen Verlängerten, setzte sich damit eine Weile auf eine Bank am Ufer und schaute dem bunten Treiben ihrer Heimatstadt zu.

Langweilig wurde es hier nie. Jeden Tag kamen zahlreiche Touristen aus nah und fern, um die Hofburg und das Goldene Dachl zu besichtigen. Die Altstadt bot genügend Ziele, um einen Tag wie im Flug vergehen zu lassen.

Erst gegen Abend wurde es ruhiger auf den Straßen. Dann verlagerte sich das Leben nach drinnen, in die Restaurants und Theater. Der Nebel tastete sich vom Fluss aus durch die Gassen, und die Straßenlaternen sprangen an und erhellten den Passanten den Heimweg.

In einem gepflegten Jugendstilhaus, nur einen Steinwurf vom Inn entfernt, lud ein Schild zum Eintreten ein. Brautmoden-Bartl, stand über der Tür. Hier gab es alles rund um den großen Tag zu kaufen: von Brautkleidern und Smokings über blaue Strumpfbänder bis hin zu Servietten mit aufgestickten Tauben und bezaubernden Figuren für die Hochzeitstorte.

Das Ladengeschäft nahm die gesamte untere Etage des Hauses ein. Der Hochzeitsausstatter war ein Geheimtipp unter den Brautpaaren, weil das Angebot umfangreich und die Beratung kompetent und freundlich war.

»Gleich Feierabend.« Anika warf einen Blick auf ihre Armbanduhr und stieß einen Seufzer aus.

Ihre Füße brannten wie Feuer! Warum hatte sie sich heute Morgen nur für die nagelneuen Pumps entschieden und nicht bedacht, dass die Schuhe noch nicht eingelaufen waren? Zugegeben, süß sahen sie aus. Das marineblaue Leder war mit weißen Nähten verziert und passte wunderbar zu ihrem Kleid im Empirestil mit der hoch angesetzten Taille. Die dunkle Farbe bildete einen reizvollen Kontrast zu ihren hellblonden Haaren. Trotzdem hätte Anika jetzt fast alles für ein Paar bequeme Korksandalen gegeben. Es fühlte sich an, als würden ihre Füße aus den Schuhen bluten.

Anika biss die Zähne zusammen und hob einen der Kartons hoch, die an diesem Tag geliefert worden waren und neue Brautschleier enthielten. Dabei erhaschte sie eine Bewegung aus dem Augenwinkel. Eine Maus sauste über den Parkettboden!

»Igitt!« Anika stieß einen kleinen Schrei aus und riss die Augen auf.

Der Nager verschwand hinter dem Regal, in dem mit Perlen bestickte Handtaschen für die Braut hinter Glas ausgestellt wurden. Anscheinend hatte sie die Maus bei einem Schläfchen gestört!

Die Maus muss verschwinden, dachte Anika. Sie sucht wohl ein warmes Plätzchen für den Winter, aber hier im Laden kann sie net bleiben. Der Chef würde einen Anfall bekommen, wenn er sie entdecken würde. Ich muss sie unbedingt aufstöbern.

Der Ladeninhaber, Bartl Wenninger, war ein stattlicher Mann um die sechzig, der vor mehr als vierzig Jahren das Geschäft zusammen mit seiner Frau gegründet hatte. Seit ihrem Tod leitete er den Laden allein und hatte sich Anika als Hilfe geholt. Inzwischen gehörte sie fest zum Team. Ihr Chef hatte ihr angeboten, den Laden zu übernehmen, wenn er in den Ruhestand ging. Diese Chance wollte sie sich nicht entgehen lassen. Sie hatte viele Pläne für das Geschäft – und für mögliche Niederlassungen in anderen Städten.

An einer Wand waren Fotos festgepinnt, die auf unterschiedlichen Hochzeiten mit einer Sofortbildkamera geschossen worden waren. Die Bilder ersetzten natürlich keinen professionellen Fotografen, waren jedoch als Erinnerung für die Gäste ein nettes Extra, das gut ankam.

Hinter Anika bimmelte die Glocke über der Ladentür hell.

»Bin gleich bei Ihnen!«

Anika bemerkte eine Bewegung zu ihrer Linken. Die Maus flitzte am Ladentisch hoch, erklomm das Glas mit den Hochzeitsmandeln – und purzelte im nächsten Augenblick hinein. »Hab ich dich!« Anika schnappte sich einen der Kataloge und legte ihn auf das Glas. Damit war die Maus gefangen und der Frieden im Geschäft gesichert.

Aufatmend drehte sich Anika um. In der nächsten Sekunde machte ihr Herz einen verräterischen Satz, als sie ihren Freund erkannte.

Johann Sterzl war ein Mann, nach dem sich die Frauen umdrehten: groß, sportlich und mit einem sanften Funkeln in den Augen, das einer Frau alles versprach. Seine dunklen Haare waren kurz geschnitten. Er trug Jeans und ein Sakko, unter dem ein Hemdkragen hervorblitzte.

»Hallo, Spatzerl.« Er beugte sich über die Theke und drückte ihr ein Busserl mitten auf den Mund.

»Doch net bei der Arbeit, Johann!« Erschrocken blickte sie sich um. Ihr Chef sah es nicht gern, wenn sie im Laden privaten Besuch erhielt.

»Keine Bange. Ich hab deinen Chef gerade gehen gesehen. Wir sind also allein im Laden.«

»Für einen Journalisten besitzt du ein ziemlich gutes detektivisches Gespür.«

»Das ist in meinem Beruf manchmal net verkehrt.« Johann seufzte leise. »Wo wir gerade bei der Arbeit sind: Ich muss unser geplantes Abendessen heute leider absagen. Der Chef hat mich kurzfristig zu einem Abendtermin eingeteilt.«

»Verstehe. Morgen also?«

»Auf jeden Fall«, versprach er und lächelte.

»Warum hast du dir die Mühe gemacht, deswegen extra herzukommen? Du hättest mich auch anrufen können, um abzusagen. Das wär schneller gegangen.«

»Stimmt, aber dann hätte ich das hier net tun können.« Er schlang die Arme um sie und zog sie an sich.

Dann küsste er sie liebevoll, und Annikas Gefühle wurden gehörig durcheinandergewirbelt. Sie schmiegte sich an ihren Freund und vergaß sekundenlang alles um sich herum. Erst als draußen die ersten Regentropfen gegen das Schaufenster trommelten, lösten sie sich wieder voneinander.

»Heute werden wohl keine Kunden mehr kommen«, stellte Anika atemlos fest. »Wenn wir net essen gehen, werd ich gleich den Laden abschließen, heimgehen und mich mit einem Buch in die Badewanne legen.«

»Das hört sich nach einem tollen Plan an. Ich würde dir liebend gern den Rücken einseifen und massieren.«

»Du arbeitest ja lieber«, zog sie ihn auf.

»Von lieber kann keine Rede sein«, brummte er. »Was hältst du davon, wenn ich nach meinem Termin zu dir komme und dich abtrockne?« Seine Stimme war ein wenig rauer als sonst und verriet, dass er weit mehr im Sinn hatte.

Zärtlich strich er mit der Daumenkuppe über ihre empfindliche Halsbeuge, und Anika rieselte eine wohlige Gänsehaut über den Körper. Es war beinahe beängstigend, wie leicht er sie erobern konnte. Johann hatte die Macht, sie mit seinen Händen und Lippen in ein wildes Herzklopfen zu verwandeln, das nur noch eins begehrte: ihn!

»Also?«, hakte er nach und ließ seine Lippen seiner Hand folgen.

Anika erschauerte und beugte den Hals noch ein wenig weiter, um ihm mehr Raum zu verschaffen.

»Das würde mir gefallen«, flüsterte sie.

»Dann ist das abgemacht. Du ahnst gar net, wie gern ich bei dir bleiben würde, aber ich muss leider schon wieder weiter.« Johann tupfte ihr einen Kuss auf die Stirn. »Sag mal, was hast du eigentlich mit Micky vor?« Er deutete auf das Glas neben der Registrierkasse, das ihrem Besucher zur Falle geworden war.

Die Maus saß inmitten der Süßigkeiten und knabberte an einer Hochzeitsmandel herum. Dabei blickte sie sich aus schwarzen Knopfaugen um.

»Ich werd den Kleinen mitnehmen und irgendwo am Flussufer aussetzen«, entschied Anika. »Ich bring es net über mich, ihm etwas zu tun.«

»Du hast ein gutes Herz.«

»Guck ihn dir doch an. Er ist gerade im Mäusehimmel. So viele Mandeln. Davon erzählt er vermutlich noch seinen Kindern und Enkeln.« Anika blickte lächelnd hoch und begegnete dem Blick ihres Freundes, der sie versonnen ansah. »Was ist?«

»Eine Frau wie dich könnte man heiraten, weißt du das?«

Sie lachte leise. »Weil ich Mäuse rette?«

»Weil du stark, bodenständig und klug bist. Und weil du mich dazu bringst, der beste Mensch sein zu wollen, der ich sein kann. Für dich!« Johann fasste nach ihrer Hand. »Ich mein es ernst: Lass uns heiraten.«

»Heiraten? Du meinst das wirklich ernst, oder?« Überrumpelt sah sie ihn an. Sie waren seit zwei Jahren zusammen, aber bisher hatten sie noch nicht darüber gesprochen, einen Schritt weiterzugehen. Und das wollte sie auch nicht. »Mei, Johann …«

»Es ist das Richtige, Anika. Wir beide passen perfekt zueinander. Wir können uns ein Haus kaufen und eine Familie gründen. Ich liebe dich! Früher konnte ich mir nie vorstellen, mich für ein ganzes Leben an eine Frau zu binden. Und jetzt? Jetzt kann ich mir nimmer vorstellen, ohne dich zu leben. Ich weiß endlich, wo mein Herz hingehört: nämlich zu dir! Geht’s dir net auch so?«

Anika schwieg, während sie hoffte, er würde nicht bemerken, wie sich ihre Nackenhärchen bei dem Gedanken an eine Ehe aufstellten. Solange sie zurückdenken konnte, hatte sich ihre Mutter abgerackert, um ihr Auskommen zu sichern. Ihr Vater hatte sie schon vor ihrer Geburt verlassen, deshalb hatte es immer nur sie beide gegeben. Ein schweres Leben hatte ihre Mutter gehabt. Anstatt ihr Studium abzuschließen, hatte sie sich von Job zu Job gehangelt und oft drei Jobs gleichzeitig gehabt.

Nein, sie glaubte nicht an die Ehe. Das sollte ihr nicht passieren. Anika dachte noch nicht an eine eigene Familie. Sie wollte erst Karriere machen und auf sicheren Beinen stehen, ehe sie heiratete.

Johann jedoch … Er wollte sie offenbar lieber heute als morgen zu seiner Frau machen und Kinder mit ihr haben.

Wie sollte das bloß zusammenpassen?

Anika fasste sich an den Hals. »Johann, es tut mir leid, aber ich kann dich net heiraten.«

Auf ihre Worte hin wurde es plötzlich ganz still. Sekundenlang sagte keiner von ihnen ein Wort. Das Trommeln des Regens wirkte überlaut.

Johann sah sie bestürzt an. »Liebst du mich denn net?«

»Das hat damit wirklich nichts zu tun. Ich bin nur noch net bereit, mich fest zu binden. Eine Ehe bedeutet eine Menge. Man darf sie net leichtfertig eingehen.«

»Das tu ich auch net. Ich hab mir das reiflich überlegt. Ehrlich gesagt, denk ich schon seit Monaten darüber nach.«

»Wirklich?« Anika sah ihn verblüfft an.

Er nickte. »Du etwa net?«

»Nein«, erwiderte sie kleinlaut.

»Niemals?« Er klang so ehrlich bestürzt, dass sich etwas in ihr krümmte. »Du hast noch kein einziges Mal darüber nachgedacht, mich zu heiraten?«

Anika schüttelte den Kopf und wusste plötzlich nicht wohin mit ihren Händen. Hin und wieder hatte der Gedanke an eine Heirat natürlich an ihrem Bewusstsein angeklopft, aber sie hatte ihn immer rasch wieder in den hintersten Winkel ihres Bewusstseins verbannt.

»Es tut mir leid.«

»Es tut dir leid«, echote Johann und betrachtete sie, als würde er sie zum ersten Mal sehen.

Er schüttelte dumpf den Kopf. Dann verließ er den Laden, ohne noch ein Wort zu sagen.

»Johann«, flehte Anika, aber er drehte sich nicht mehr um.

Sie konnte beinahe hören, wie die Brücke zwischen ihnen brach …

***

Als Anika die Wohnungstür hinter sich schloss, bahnten sich die Tränen Bahn, die sie bisher mühsam zurückgehalten hatte. Noch immer konnte sie nicht fassen, was in der vergangenen Stunde geschehen war. Hatte Johann ihr wirklich einen Heiratsantrag gemacht? Hatte sie Nein gesagt? Und die grenzenlose Enttäuschung in seinen Augen gesehen, als er erkannte, dass sie es ernst meinte?

Sein Antrag kam unerwartet. Was hätte ich geantwortet, wenn ich geahnt hätte, dass er ernsthaft ans Heiraten denkt? Wäre meine Antwort dann anders ausgefallen?

Nein, auf keinen Fall. Ich kann net heiraten. Weder Johann noch sonst jemanden. Jetzt jedenfalls noch net.

Anika war stets ehrlich zu sich selbst und gab zu, dass sie eine Heidenangst vor der Ehe hatte. Eigentlich war es absurd: Sie arbeitete in einem Geschäft, das Hochzeiten ausstattete, aber selbst erfasste sie die nackte Panik, wenn sie ans Heiraten dachte. Vermutlich kam das daher, dass sie als Kind miterlebt hatte, wie hart ihre Mutter kämpfen musste, um ihnen ein schönes Zuhause zu bereiten. Es hatte ihnen nie an etwas gefehlt, aber der Preis dafür war hoch gewesen.

Anika wusste, dass ihre Mutter ihren Vater hatte heiraten wollen – und dass daraus aus irgendwelchen Gründen nichts geworden war. Seitdem war ihr die Ehe nicht geheuer. Wenn ein anderer Mensch einen so im Stich lassen konnte, verließ sie sich lieber nur auf sich selbst.

Sie schlüpfte aus ihren Schuhen und reckte die müden Zehen. Dann hängte sie ihre Jacke auf einen Bügel und tappte barfuß in die Küche, um sich ein Glas Milch einzuschenken.

Ihre Wohnung war ganz in Grün und Gelb eingerichtet – von dem flauschigen Teppich unter dem Esstisch, über die Kissen und die Vorhänge. Anika mochte die hellen Farben, die sie an einen Wald im Frühling denken ließen.

Ihr Blick fiel durch die offene Tür in das Wohnzimmer. Neben der Balkontür stand ein Schaukelstuhl, darauf lag eine grün-karierte Decke. Es war die Leseecke ihrer Mutter gewesen. Anika sah sie noch dort sitzen – mit einem ihrer obligatorischen Liebesromane in der Hand. Sie hatte Bücher geliebt. Seit ihrem Tod standen ihre Bände ungelesen im Regal. Nur das Ticken der Wanduhr unterbrach die Stille.

Seit dem Tod der Mutter lebte sie nun allein hier. Vom Balkon hatte man bei schönem Wetter einen reizvollen Ausblick auf den Inn. Jetzt waberten Nebelschwaden vor den Fenstern und ließen es früher dunkel werden als sonst.