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"Du bist jetzt Don Juan und ich sein Diener Sancho!" Schnell ist der Rollentausch perfekt und die diskrete Beobachtung der zukünftigen Braut kann beginnen. Der Diener mimt den Edelmann, die Braut ist schwer enttäuscht von den allzu kecken Manieren ihres Zukünftigen und beginnt sich stattdessen in den sanften und gut aussehenden Diener zu vergucken – im Prinzip ist also alles richtig, wäre da nicht der zuvor besprochene Rollentausch, der künstlich verwehrt, was natürlich möglich wäre. Aber wäre eine Komödie komisch, wenn sie schnurstracks zum Ziel führte? So kommen hinzu ein irregeleiteter Brautvater, ein verliebter Mörder, der erst auf Umwegen erkennt, wen er in Wahrheit liebt, eine Zofe mit spitzer Zunge und kantigen Griffen sowie ein Diener, der bald gar nichts mehr versteht, aber um sein Leben fürchten muss. Irrungen, Verwirrungen nehmen so ihren kaum absehbaren Verlauf, fast scheint alles verloren, doch dann… Francisco de Rojas Zorilla (1607-1648) hat eine schwungvoll-amüsante Verwechslungskomödie verfasst, die auch in der deutschen Fassung von Hans Cloppenburg unverwechselbaren spanischen Esprit versprüht. Hier klirren die Degen zum Klang der Kastagnetten, hier weht in lauer mediterraner Luft der Mantel, der Liebhaber und romantische Helden umhüllt. Am Ende dürfen sich alle standesgemäß und seufzend in die Arme fallen. Glück und Zufriedenheit allerorten und selbst der Mörder darf auf Begnadigung hoffen. Olé!
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Seitenzahl: 91
Veröffentlichungsjahr: 2015
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© 2015Gustav Kiepenheuer Bühnenvertriebs-GmbH
Schweinfurthstraße 60, 14195 Berlin
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ISBN978-3-7375-5597-5
Don Fernando
Donna Ines, seine Tochter
Don Lope, sein Neffe
Don Juan de Alvarado
Donna Anna, seine Schwester
Beatriz, Zofe der Donna Ines
Sancho, Diener des Don Juan
Bernardo, Diener des Don Lope
Der Schauplatz ist Madrid
I. Akt: eine Straße
II. Akt: Zimmer im Hause des Don Fernando
III. Akt: dasselbe Zimmer
Eine Straße. Nacht. Don Juan und Sancho kommen in Reisekleidern, gestiefelt und gespornt.
DON JUAN Madrid! Madrid!
SANCHO Gnädiger Herr!
DON JUAN Madrid!
SANCHO Ich bitt’ Euch! Nicht so laut!
DON JUAN Endlich am Ziel!
SANCHO So hört mich doch!
DON JUAN Ah, diese Luft! Durch alle Poren dringt sie! Spannt die Haut! Lungen! Herz! Alle Gedanken! Madrid!
SANCHO Gnädiger Herr!
DON JUAN Wie das vorwärts treibt! Wie das berauscht! Sancho! – Und zu denken…!
SANCHO Dass Ihr krank seid! Oder nicht bei Sinnen! Entweder Ihr kommt gleich mit in den Gasthof, oder ich hol ‘nen Arzt!
DON JUAN Arzt! Du Narr! Was weißt denn du von meiner Medizin? Da gibt’s nur eine! Nur eine! Du! Und die brennt wie Feuer!
SANCHO Mir auch recht. Alles ist mir recht: Poren! Lungen! Herz! Madrid! Alles, was Ihr wollt! Himmel! Hölle! Pech und Schwefel! Nur um eines bitt’ ich Euch: Kommt!
DON JUAN Ist das nicht die Straße, die ich suche?
SANCHO Kommt! Ich fleh’ Euch an! ‘s ist Schlafenszeit!
DON JUAN Sancho! Sie ist’s! Die Straße!
SANCHO Ja! Ja! Die Straße!
DON JUAN Donna Ines muss hier wohnen!
SANCHO Gnädiger Herr! ‘s ist Nacht!
DON JUAN Donna Ines!
SANCHO Zweiundvierzig Meilen unterwegs! Halb verhungert! Halb verdurstet! Und die Knochen lahm vor Müdigkeit! Habt Erbarmen! Habt Vernunft!
DON JUAN Sancho! Sag mir, dass sie die schönste aller Frauen ist! Nein! Sagen wäre zu wenig! Eine Sünde! Gotteslästerung! Schwören musst du’s! Schwör’s mir! Willst du schwören!
SANCHO Ich schwör’s! Aber beim gerechten Gott, wenn Ihr jetzt nicht auf der Stell’ Euch schlafen legt, wünsch ich Eurer Braut ‘ne Glatze!
DON JUAN Du Schuft! schlägt ihn Vermaledeiter!
SANCHO Au! Hört auf! Ich schrei sonst alle Leute wach!
DON JUAN Hast du nicht selber gesagt: Das Bild hier ist himmlisch? holt ein Bild hervor
SANCHO Das ist’s ja gerade! Bild! Bild! Und Ihr wollt mein Herr sein? Mit Verstand? Und vergafft Euch in ‘nen lumpiges Bild?
DON JUAN Willst du wieder Prügel?
SANCHO Schlagt mich nur, aber ich sag’s grad’ heraus: Wer wie Ihr schon um ‘nen bloßen Farbenklecks den Verrückten spielt, wie mag der sich erst geben bei Fleisch und Blut! Hörner wachsen dem! Jedes sieben Fuß!
DON JUAN Da – sieh her.
SANCHO Im Gasthof gern. Bei Licht. Aber hier? Bin ich ‘ne Katze? Allergnädigster, durchlauchtigster Herr! Ihr dauert mich, bei meiner armen Hundeseele! Wirklich! Sehr! Hetzt mich von Burgos nach Madrid, zweiundvierzig Meilen! Nur weil Ihr Euch als Braut ‘ne Dame ausgewählt, von der Ihr rein nichts weiter kennt als dieses Rähmchen! Ja, wisst Ihr denn, was sich dahinter noch versteckt? Ist sie klug? Ist sie dumm? Ist sie zwanzig!? Oder fünfzig!? Wäscht sie sich? Stinkt sie nach Schweiß? Hat sie noch Zähne? Wie? Kann man’s denn wissen? Vielleicht auch ‘nen Buckel? Oder sie zankt? Oder tratscht? Oder lügt? Kratzt? Beißt? Stiehlt? Säuft am Ende gar? Schon in der Früh? Und was sie bei Nacht treibt…?
DON JUAN Jetzt ist’s genug! Du Schmiermaul! Elendes!
SANCHO Wollt Ihr jetzt auch kommen?
DON JUAN Wie, meinst du, wird ihr mein Bild gefallen haben, das ich ihr im Austausch geschickt?
SANCHO Oh lala!
DON JUAN Wie –
SANCHO Entzückt wird sie grad’ nicht gewesen sein.
DON JUAN Was soll das heißen?
SANCHO Das, was es heißt.
DON JUAN Ich bin zwar nicht eitel, alles andere als ein Geck, aber sehen lassen könnt ich mich schon, auch ohne meine Verdienste als Soldat. Ist denn mein Bild nicht gut gemacht?
SANCHO Vortrefflich – und doch unansehnlich.
DON JUAN Unansehnlich? Du bist frech! Erklär dich deutlicher!
SANCHO Und Ihr versprecht mir, nicht zu schreien?
DON JUAN Raus mit der Sprache!
SANCHO Nun denn, Donna Ines hat nicht Euer Bild.
DON JUAN Kerl!
SANCHO Nein, hat nicht.
DON JUAN Oh, du! Du – du Rübenschwein! Hab ich’s dir denn nicht gegeben?
SANCHO Ei freilich.
DON JUAN Und du hast’s nicht verpackt?
SANCHO Sorgfältig, wie befohlen.
DON JUAN Und verschickt?
SANCHO Nicht das Eure.
DON JUAN Ja, welches denn?
SANCHO Mein’s.
DON JUAN Wa…?
SANCHO Mein’s. Sanchos Bild.
DON JUAN Ist das die Wahrheit?
SANCHO Seit wann belüg’ ich Euch?
DON JUAN Du Hundsfott, du verdammter!
SANCHO Ich ersticke!
DON JUAN Du stirbst!
SANCHO Gnade! Nur zwei Minuten!
DON JUAN Kein Wort mehr!
SANCHO Deswegen bleibt Sanchos Bild doch immer nur dasselbe.
DON JUAN Diese Fratze! Und Ines glaubt, ich bin’s. Oh, du! Du stirbst mir doch noch! Missgeburt! Was für ein Teufel hat dich denn verhext, dein Bild für meins zu schicken?
SANCHO Ihr lasst mich ja nicht reden.
DON JUAN Los! Aber beeil dich!
SANCHO Damals in Flandern…
DON JUAN Was damals! Ist das ’ne Antwort auf meine Frage?
SANCHO Gehört dazu.
DON JUAN Kerl, bring mich nicht noch mehr in Wut! Antwort will ich haben!
SANCHO Die Antwort hat ’ne Vorgeschichte.
DON JUAN Sancho!
SANCHO Damals in Flandern, als Ihr noch Leutnant wart, ach, waren das Zeiten!
DON JUAN Sancho!
SANCHO Schön, nicht wahr? Unwiederbringlich!
DON JUAN ’s war Krieg.
SANCHO Und Ihr wart ein Held! Ein Mann! Und nicht wie’s Frauenzimmer! Schwanger mit ’nem Bild!
DON JUAN Nicht noch mal, du! Ich warne dich!
SANCHO A propos Bild, entsinnt Ihr Euch noch an den Maler, der berühmt geworden ist, weil er meine Fratze hat konterfeit? Was immerhin nicht einfach ist.
DON JUAN Weiter, weiter!
SANCHO Nun, von besagtem Maler stammt auch Euer Bild.
DON JUAN Ja, und…?
SANCHO Ja, und wie ich das Bild verschicken will, hol ich mir meins hervor, und tu’s damit vergleichen.
DON JUAN Und…!
SANCHO Aus, die Geschicht.
DON JUAN Wie?
SANCHO Ja, dann kam das Malheur! Oder wie soll man’s nennen? Zufall? Absicht? Höh’re Fügung?
DON JUAN Du willst mich obendrein wohl noch verhöhnen?
SANCHO Kurzum vertauscht.
DON JUAN Oh, Donna Ines! Verloren! Alles aus! Und nicht mal ihre Wohnung kenne ich!
SANCHO Sst! Da hör ich Schritte!
SANCHO Ha, später Wandersmann! Wenn Ihr bekannt in diesem Viertel hier, könnt Ihr vielleicht mir gütigst sagen, ob in der Näh’ ein Ritter mit Namen Don Fernando wohnt?
BERNARDO Ihr steht ja grad’ vor seinem Haus.
SANCHO In welchem Stockwerk? Den Ritter mein ich.
BERNARDO Vom Dach bis zum Keller.
SANCHO Reich also, der Vater. Gut, gut. Ausgezeichnet. Das Bild steigt im Wert. – Ich dank Euch, wohltätiger Geist, Ihr seid beurlaubt. Gnädiger Herr, habt Ihr gehört? Vom Dach bis zum Keller!
DON JUAN Hier also: Ines!
BERNARDO Ines! Verzeiht, habt Ihr eben Ines gerufen?
SANCHO Warum sollten wir’s nicht? ’s ist unsere Katze. Ein tolles Vieh, sag ich Euch!
DON JUAN Sancho!
SANCHO Braucht nur ’nen Kater zu wittern! Da gibt’s kein Halten mehr und keine Ruh! Auf und davon! Hast du nicht gesehen! Ach ja, wenn die Brunstzeit über die Tiere kommt!
DON JUAN Sancho!
BERNARDO Ihr Herren, leiser, wenn ich bitten darf, hier gegenüber liegen Kranke, die ihre Ruhe haben wollen.
SANCHO Was gehn uns Eure Kranken an? Wir fühlen uns quietschlebendig!
BERNARDO Das scheint mir auch so. Und Euer ganzer Katzenfang!
SANCHO Kennt Ihr Flandern?
BERNARDO Versteh Euch nicht.
SANCHO Ist auch nicht nötig.
BERNARDO Bist du betrunken, Mensch?
SANCHO Du lutschst wohl noch an der Amme?
BERNARDO Suchst Händel, was?
SANCHO Bist du Soldat?
BERNARDO Mit dir nehm ich’s noch zehnmal auf!
SANCHO Versuch’s doch, Waschweib!
BERNARDO Großmaul!
SANCHO Arschloch!
BERNARDO Das ist Beleidigung!
SANCHO Gezogen!
BERNARDO Hilfe! läuft fort
SANCHO Kennst du jetzt Flandern?
DON JUAN Lass ihn laufen. lacht
SANCHO So ’ne Memme!
DON JUAN Da! Sancho! Da! Siehst du nichts?
SANCHOpfeift zwischen den Zähnen Krankenbesuch, wie?
DON JUAN Ruhig, Kerl!
Vorige. Don Lopeklettert behutsam vom Balkon des Hauses Don Fernando herunter.
DON LOPEflüstert Bernardo! Bis du’s?
SANCHOmiaut
DON JUAN Sst!
DON LOPE Bernardo!
DON JUAN So ein Hund!
SANCHO Wo denkt Ihr hin? Dem Kätzchen sein Kater!
DON JUAN Ich schlag ihn nieder!
DON LOPEspringt auf die Erde Wer da?
DON JUAN Stirb, Bube! dringt mit dem Degen auf ihn ein
DON LOPE Braucht Ihr Geld? Wieviel?
SANCHO Was gebt Ihr gutwillig?
DON JUAN Mir aus dem Wege, Sancho! Der Kerl muss krepieren!
DON LOPE Oho! Raufbolde also! Zieht ebenfalls seinen Degen, sie fechten. Mit wem habe ich das Vergnügen?
DON JUAN Das sollst du gleich erfahren.
DON LOPE So kämpft kein Edelmann! entkommt
Don Juan,Sancho
DON JUANdringt auf Sancho ein Denkst du, du kannst mir entweichen?
SANCHO Hört auf, ich bitt’ Euch! Wollt Ihr mich morden?!
DON JUAN Das will ich!
SANCHO Jesus Maria! Seid Ihr denn blind? Ich bins! Sancho!
DON JUAN Sancho? Eben war’s doch noch der andere?
SANCHO Kommt zu Euch, der Kater ist schon weit.
DON JUAN Ihm nach!
SANCHO Womit? Habt Ihr Pferde?
DON JUAN Verflucht! Was jetzt?
SANCHO Zurück nach Flandern.
DON JUAN Affe! Halt’s Maul! Du hast wohl noch nicht begriffen, was hier vor sich geht?
SANCHO Leider alles.
DON JUAN Was?
SANCHO Der, dem unser flinker Kater eben „Bernardo“ zugeflüstert hat, ist vermutlich sein Diener.
DON JUAN Richtig.
SANCHO Auch so’n armer Sancho. Muss draußen Wache stehn, derweil der Kater beim Kätzchen…
DON JUAN Oh, nicht weiter!
SANCHO Wozu denn auch? Das himmlische Bild hat nur ’nen kleinen Schönheitsfehler gekriegt.
DON JUAN Nein!
SANCHO Nein?
DON JUAN Nein!
SANCHO Gut. Wir Ihr’s wollt. Ihr seid der Herr. Das Bild ist vollkommen!
DON JUAN Nein! Nein! Nein!
SANCHO Was? Auch wieder nicht recht? Ihr macht mir das Dienen heut nacht sehr sauer.
DON JUAN Hab Geduld mit mir, Sancho. Sancho!
SANCHO Gnädiger Herr?
DON JUAN Ich kann’s noch nicht glauben! Und doch – ! Kein Zweifel! Oh! Da dien’ ich meinem König treu in Flandern, komm glücklich wieder heim nach Burgos und denk, jetzt hast du endlich Frieden! Stattdessen…!
SANCHO Ja, gnädiger Herr, ’s ist für Euch bitter.
DON JUAN Der Vater tot, der Bruder ermordet, die Schwester auf und davon. Das ganze Elternhaus ein ödes Grab! Und da sollt ich mich nicht klammern dürfen an ein Bild?! Den einzigen Lichtstrahl in dieser Finsternis? Aber auch das ist Trug! Ach, Sancho, wie war es doch schön in Flandern!
SANCHO Don Fernando hat Geld, vergesst das nicht.
DON JUAN