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In diesen warmherzigen Romanen der beliebten, erfolgreichen Sophienlust-Serie wird die von allen bewunderte Denise Schoenecker als Leiterin des Kinderheims noch weiter in den Mittelpunkt gerückt. Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. Endlich Sommerferien! Die Sonne stand hoch am Himmel, als Friederike hinter dem Steuer ihres silbergrauen Wagens saß, das Fenster halb geöffnet, um den warmen Sommerwind hereinzulassen. Ihre Tochter Julia, die auf dem Beifahrersitz saß, schaute verträumt aus dem Fenster. Die Sonne spiegelte sich in ihren Augen, und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Wohin fahren wir eigentlich, Mama?«, fragte Julia, während sie sich eine Strähne ihres braunen Haares hinter das Ohr schob. Friederike warf ihr einen kurzen Blick zu und lächelte. »Keine Ahnung, mein Schatz. Einfach ins Blaue. Wir lassen uns überraschen.« Es war eine spontane Entscheidung gewesen, sich ein paar freie Tage zu gönnen. Die letzten Wochen waren für Friederike anstrengend gewesen, und einige Zeit mit ihrer Tochter, weit weg von Sorgen und Verpflichtungen, klang nach einem perfekten Sommerabenteuer. Die Landstraße vor ihnen wand sich durch ein Tal, das in einem satten Grün erstrahlte. Der Himmel war fast wolkenlos, nur ein paar weiße Tupfer schwebten am Horizont, als wollten sie die beiden auf ihrer Reise begleiten. Friederike atmete tief durch und genoss die Freiheit, die dieser Tag mit sich bringen sollte. Doch plötzlich begann das Auto zu ruckeln. Friederike spürte ein leichtes Zucken im Lenkrad, und der Motor hörte sich seltsam dumpf an. Ihr Herz schlug schneller, als sie einen flüchtigen Blick auf das Armaturenbrett warf. Keine Warnlichter, aber das Stottern des Motors war unüberhörbar. »Was ist das?«
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Seitenzahl: 134
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Endlich Sommerferien! Die Sonne stand hoch am Himmel, als Friederike hinter dem Steuer ihres silbergrauen Wagens saß, das Fenster halb geöffnet, um den warmen Sommerwind hereinzulassen. Ihre Tochter Julia, die auf dem Beifahrersitz saß, schaute verträumt aus dem Fenster. Die Sonne spiegelte sich in ihren Augen, und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.
»Wohin fahren wir eigentlich, Mama?«, fragte Julia, während sie sich eine Strähne ihres braunen Haares hinter das Ohr schob.
Friederike warf ihr einen kurzen Blick zu und lächelte. »Keine Ahnung, mein Schatz. Einfach ins Blaue. Wir lassen uns überraschen.«
Es war eine spontane Entscheidung gewesen, sich ein paar freie Tage zu gönnen. Die letzten Wochen waren für Friederike anstrengend gewesen, und einige Zeit mit ihrer Tochter, weit weg von Sorgen und Verpflichtungen, klang nach einem perfekten Sommerabenteuer.
Die Landstraße vor ihnen wand sich durch ein Tal, das in einem satten Grün erstrahlte. Der Himmel war fast wolkenlos, nur ein paar weiße Tupfer schwebten am Horizont, als wollten sie die beiden auf ihrer Reise begleiten. Friederike atmete tief durch und genoss die Freiheit, die dieser Tag mit sich bringen sollte.
Doch plötzlich begann das Auto zu ruckeln. Friederike spürte ein leichtes Zucken im Lenkrad, und der Motor hörte sich seltsam dumpf an. Ihr Herz schlug schneller, als sie einen flüchtigen Blick auf das Armaturenbrett warf. Keine Warnlichter, aber das Stottern des Motors war unüberhörbar.
»Was ist das?«, fragte Julia.
Friederike versuchte, ruhig zu bleiben. »Ich weiß nicht, aber es ist bestimmt nichts Schlimmes. Sicher nur eine Kleinigkeit.«
Als sich das Stottern verstärkte, musste Friederike vom Gas gehen. Der Wagen verlor an Geschwindigkeit, und Friederike lenkte ihn vorsichtig an den Straßenrand.
»Wir schaffen das schon«, sagte sie, mehr zu sich selbst als zu Julia, als sie den Motor ausschaltete. Stille breitete sich aus, nur das Rauschen des Windes durchbrach die Ruhe.
Friederike stieg aus, hob die Motorhaube an und starrte auf den Motorblock, ohne wirklich zu wissen, worauf sie achten sollte. Ein leichter Ölgeruch stieg ihr in die Nase. »Das sieht nicht gut aus«, murmelte sie.
Unschlüssig, was sie nun tun sollte, blickte sich Friederike in alle Richtungen um. Schließlich bemerkte sie am Horizont die Umrisse eines Kirchturms. Wo eine Kirche ist, da muss auch ein Dorf sein, dachte Friederike, vielleicht haben wir Glück und finden dort eine Werkstatt.
Mit der letzten verbleibenden Kraft des Motors schaffte es Friederike, den Wagen Richtung Dorf zu manövrieren. Das Ortsschild verkündete, dass es ›Wildmoos‹ hieß. Die Straßen waren ruhig und beschaulich, als sie an den hübschen Häusern vorbeiruckelte, bis sie schließlich eine kleine Autowerkstatt entdeckte. Es war kurz vor Geschäftsschluss, niemand war mehr da, nur ein Mechaniker, der gerade dabei war, die Tore zu schließen.
Friederike hielt an und sprach den Mann an. »Entschuldigen Sie, mein Auto macht Probleme. Können Sie uns vielleicht helfen?«
Der Mechaniker, ein älterer Mann mit schneeweißem Haar, blickte Friederike freundlich an. »Es ist schon spät, wir machen gerade Feierabend. Aber lassen Sie mich mal einen Blick darauf werfen.«
Nach einem kurzen Check kam er zu dem Schluss: »Sie haben Glück gehabt, dass Sie es bis hierher geschafft haben. Genaueres kann man allerdings erst am Montag sagen. Jetzt ist niemand mehr hier. Allerdings würde ich Ihnen raten, nicht mehr weiterzufahren. Sie können ihren Wagen über das Wochenende hier bei uns lassen.«
»Hier? Einfach so?«, fragte Friederike erstaunt. Sie war noch nie in Wildmoos gewesen, sie kannte weder die Autowerkstatt noch den Mechaniker. »Wo sollen meine Tochter und ich dann übernachten? Gibt es hier ein Hotel?«
»Ja, allerdings. Der ›Weiße Hirsch‹ ist nicht weit von hier. Ein gemütlicher Gasthof, drüben am Dorfrand. Da werden Sie gut unterkommen. Wenn Sie wollen, fahre ich Sie dorthin, dann müssen Sie Ihr Gepäck nicht schleppen.«
Halb skeptisch, halb dankbar nahm Friederike das Angebot an. Also steuerte sie den Silbergrauen auf den Hof vor der Werkstatt. Nachdem sie noch einige Formalitäten mit dem Mechaniker geregelt hatte, legte sie ihr Gepäck in sein Auto. Dann stiegen sie und Julia ein.
*
Ich hatte mich auf ein Abenteuer gefreut, dachte Friederike, als sie am nächsten Morgen im ›Weißen Hirsch‹ erwachte, und schon hat uns das Schicksal eines geliefert! Wer weiß, was daraus noch werden kann ... Jetzt will ich aber erst mal wissen, wo wir eigentlich gelandet sind. Also nichts wie raus den Federn und die Umgebung erkundet!
Das Zimmer im ›Weißen Hirsch‹ war sehr hübsch, aber auch klein. Ein Doppelbett, links und rechts ein Nachttisch, ein kleiner Tisch, ein Stuhl, mehr gab es nicht. Dafür war es preiswert, und das war Friederike sehr recht. Bisher hatte sie in einer Festanstellung als Gärtnerin gearbeitet, ein Job, der ihr immer viel Spaß gemacht hatte. Doch jetzt war ihr Arbeitgeber in die Insolvenz gegangen, sie war plötzlich arbeitslos. Anstatt zu verzweifeln, hatte Friederike beschlossen, einen Neuanfang zu wagen. In ihr war nämlich seit Langem die Idee gereift, eine Ausbildung zur Heilpraktikerin zu machen. Dafür hatte sie bereits lange gespart, doch dann kam die große Überraschung. Als sie ihrer Patentante Elfriede erzählte, dass sie ihr Vorhaben in die Tat umsetzen wollte, hatte die ihr versprochen, die Ausbildung zu bezahlen. Elfriede war gut betucht, deshalb hatte Friederike das Angebot annehmen dürfen. Nichtsdestotrotz wollte sie sparsam mit ihren Finanzen umgehen.
Friederike drehte sich auf die Seite und betrachtete ihre Tochter, die noch immer in süßem Schlummer lag, dabei streichelte sie über ihr Haar. »Aufwachen, Mäuschen«, sagte sie leise, um Julia sanft zu wecken.
»Mama. Du bist schon wach?« Julia setzte sich auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen. »Was machen wir heute?«, wollte sie wissen.
»Wir fahren in die nächstgrößere Stadt und schauen uns alles an. Dabei werden wir sicher auch eine Eisdiele finden.«
»Ah, Eis!« Julia sprang mit einem Satz aus dem Bett. »Aber wie kommen wir dahin? Wir haben doch kein Auto.«
»Sicher gibt es einen Bus. Ich werde gleich den Wirt fragen.«
Beim Frühstück erklärte Hubert Freitag, der Wirt, dass Maibach die nächstgrößere Stadt war. »Es gibt einen Bus, der von Wildmoos direkt nach Maibach fährt. Sie müssen nicht einmal umsteigen. Die Haltestelle ist ganz in der Nähe, sie können sie gar nicht verfehlen.«
»Prima!«, freute sich Friederike. »Dann werden wir gleich nach dem Frühstück starten.«
Gesagt, getan. Die Busfahrt führte zunächst durch das malerische Wildmoos, dahinter erstreckten sich Wiesen und Felder, vereinzelte Bauernhöfe zogen am Fenster vorbei, und in der Ferne konnte man einen Laubwald erkennen, dessen Wipfel sich sanft im Wind wiegten. Der Himmel war klar, die Sonnenstrahlen tanzten über die Landschaft und tauchten alles in ein goldenes Licht.
In Maibach ließen sich Friederike und Julia einfach treiben. Sie schlenderten durch die kleinen, verwinkelten Gassen und schauten sich die Auslagen in den Geschäften an, wo handgefertigte Kerzen, bunte Batik-Tücher und kuriose Souvenirs ausgestellt waren. Aus einer Bäckerei strömte der Duft von frisch gebackenen Brezeln und süßen Törtchen, daneben gab es einen Kräuterladen, für den sich Friederike ganz besonders interessierte. In einem Eiscafé genehmigten sich Mutter und Tochter einen köstlichen Bananensplit, danach lauschten sie den zauberhaften Klängen eines Straßenmusikers, der sein Können auf dem Marktplatz zum Besten gab.
Im Schaufenster eines Buchladens entdeckte Friederike einen vielversprechenden Band über alternative Heilmethoden. Der war zwar recht teuer, dennoch ging sie in das Geschäft, um sich ihn zeigen zu lassen und ihn anschließend zu kaufen. Währenddessen stöberte Julia in der Abteilung für Kinderbücher und Comics.
»Mama! Kann ich das haben?« Mit diesen Worten und mit einem Buch in der Hand kam Julia plötzlich auf ihre Mama zugestürmt.
»Na, da hast du aber reichlich Lesestoff«, meinte Friederike, während sie das Kinderbuch durchblätterte. Als sie danach in Julias begehrliche Augen blickte, konnte sie nicht anders, als ihrer Tochter das Buch zu kaufen.
Beglückt verließen beide das Buchgeschäft, um nach einer Pizzeria Ausschau zu halten. Inzwischen war die Zeit schon weit vorangeschritten, ohne dass Julia und Friederike es überhaupt bemerkt hätten. Doch jetzt meldete sich der Hunger.
Nachdem sich beide gestärkt hatten, wäre Julia am liebsten noch einmal zum Marktplatz gegangen, um dem Straßenmusiker zuzuhören, doch Friederike hielt das für keine gute Idee. Als sie nämlich in den Himmel blickte, merkte sie, dass dicke Wolken aufgezogen waren. »Wenn wir Pech haben, dann fängt es gleich an zu regnen«, meinte Friederike mit einem Blick auf ihre Uhr. »Vielleicht sollten wir besser wieder zum Gasthof fahren. In einer Viertelstunde kommt der nächste Bus, wenn wir uns ein wenig beeilen, können wir den noch erwischen.«
»Okay«, nickte Julia. »Ich habe auch keine Lust, nass zu werden. Außerdem tun mir schon die Füße weh.«
»Ach? Ich dachte, du wolltest noch einmal zum Marktplatz.«
»Och nö, ich habe es mir gerade anders überlegt.«
*
Zurück im Gasthof wollte sich Friederike ein Mittagsschläfchen gönnen, deshalb legte sie sich auf das Bett. Julia legte sich neben sie und fing an, in ihrem Buch zu schmökern. Allerdings hatte der lange Spaziergang das Mädchen müde gemacht. Bald fielen ihm die Augen zu. Mit dem Kopf auf dem aufgeschlagenen Kinderbuch atmete Julia leise und gleichmäßig vor sich hin.
Friederike hingegen konnte nicht einschlafen, sie blickte kurz aus dem Fenster. Auf der Rückfahrt von Maibach nach Wildmoos hatte es ein bisschen genieselt, doch jetzt strahlte der Himmel wieder in herrlichem Blau. Also beschloss sie, noch ein wenig spazieren zu gehen. Zuerst überlegte Friederike, ob sie ihre Tochter wecken sollte, doch dann brachte sie es nicht über das Herz. Also ließ sie Julia schlafen und ging leise aus dem Zimmer.
Draußen sog Friederike die frische Landluft, die so wunderbar nach Heu duftete, tief in sich ein. Herrlich!, dachte sie, während sie sich daranmachte, einmal um den Gasthof herumzugehen.
Sie hatte ihre Runde noch nicht ganz beendet, als sie einen Wanderweg entdeckte, der zu einem Wäldchen führte. Friederike blickte auf ihre Uhr, sie war erst zehn Minuten fort, Julia würde mit Sicherheit noch immer schlafen.
Also steuerte Friederike den Wanderweg an. Nach einer Weile blieb sie stehen und drehte sich um, der Gasthof schien nur noch ein Punkt in der Ferne zu sein. Sollte sie schon umkehren oder noch weiter wandern? Nein, dachte sie, ich gehe noch mindestens bis zu dem Wald.
Gerade, als sie die ersten Buchen und Eichen erreichte, hörte sie Stimmen, die aus dem Wald zu ihr herüberschallten. Diese Stimmen kamen ihr irgendwie bekannt vor. Ein ungutes Gefühl breitete sich in ihrer Magengegend aus, also beschloss sie, zum Gasthaus zurückzukehren.
Bereits nach wenigen Metern hörte sie Schritte hinter sich, und jemand rief: »Friederike?!«
Friederike blieb abrupt stehen. Fast wollte ihr der Atem stocken, als sie drei Männer erkannte, die mit ihrem Ex-Mann befreundet waren. Erinnerungen an gemeinsame Abende blitzten in ihr auf, an Momente, die allerdings schon so weit zurücklagen, dass sie sie fast vergessen hatte.
Friederike zwang sich zu einem Lächeln. »Marvin? Anton? Und Joachim?! Mit euch hätte ich nun gar nicht gerechnet. Was macht ihr denn hier?«
»Dasselbe könnten wir dich fragen«, sagte Joachim. »Wir vier machen jedenfalls eine Männertour.«
»Vier? Ich sehe nur euch drei. Wo ist denn der Vierte?«
»Der ist schon ein Stück vorausgelaufen, uns ist nämlich das Bier ausgegangen, und er meinte, er müsste sofort etwas trinken, sonst würde er verdursten. Drüben gibt es nämlich einen Gasthof, ›Zum Weißen Hirsch‹ heißt der. Dort haben wir unsere Zimmer.«
»Aha. Wer ist denn der Vierte? Kenne ich ihn?«
Die Männer antworteten nicht, sie blickten einander nur an. Offensichtlich wollten sie nicht mit der Sprache herausrücken. Verwundert blickte Friederike von einem zum anderen, dabei keimte eine dumpfe Ahnung in ihr auf. Auch wenn die junge Frau es nicht wahrhaben wollte, - war der Vierte etwa ihr Ex-Mann?
Schließlich hielt Friederike es nicht mehr aus. »Es ist Ulf!«, stieß sie hervor.
»Ja, es ist Ulf«, bestätigte Marvin mit einem verlegenen Lächeln.
»Ulf! Ausgerechnet Ulf!«, ereiferte sich Friederike. »Da lande ich am Ende der Welt, und dann soll mir Ulf über den Weg laufen?! Das darf doch wohl alles nicht wahr sein!«
»Du musst ihm doch gar nicht begegnen«, meinte Marvin beschwichtigend.
»Wie soll ich das denn machen? Meine Tochter und ich wohnen auch im ›Weißen Hirsch‹! Und das noch mindestens bis Montag.«
»Du kannst ihm doch aus dem Weg gehen.«
»Ach ja? Der Gasthof ist klein, das ist gar nicht möglich. Und überhaupt, warum sollte ich vor ihm weglaufen? Besser, er versteckt sich vor mir!«
»Vielleicht solltet ihr euch überhaupt nicht voreinander verstecken«, meinte Anton. »Das wird sicherlich nicht mehr nötig sein.«
»Was soll das denn nun wieder heißen?«
Anton blickte seine beiden Buddies an, dabei machte er eine vielsagende Kopfbewegung Richtung Gasthof. Auch wenn er nichts sagte, verstanden Marvin und Joachim sofort, was er damit zum Ausdruck bringen wollte. Sie sollten schon einmal vorausgehen, damit er mit Friederike allein reden konnte.
Nachdem die beiden ein gutes Stück Weg zurückgelegt hatten, wandte sich Anton wieder an Friederike: »Ich denke, es ist sogar gut, dass ihr euch hier wiederbegegnet. Hier in dieser schönen Umgebung, in diesem romantischen Gasthaus. Erst neulich hat Ulf mir nämlich anvertraut, dass ...«
»Dass was?«
»Ulf hat in der letzten Zeit viel nachgedacht, und jetzt scheint er es wirklich zu bereuen. Die Sache mit der anderen Frau ..., die meine ich. Das war der größte Fehler seines Lebens, hat Ulf gesagt, und warum sollte ich ihm nicht glauben? Inzwischen hat er sich von Petra getrennt, er will zu dir und Julia zurück.«
Die Worte trafen Friederike wie ein Schlag. Die Erinnerung an die lange Zeit des Schmerzes und der Verzweiflung drängte sich mit Macht in ihr Bewusstsein. Dazu war es schwer zu glauben, dass Ulf sein Handeln wirklich bereute, nach allem, was passiert war. Friederike war völlig verunsichert, und das mulmige Gefühl in ihrem Magen wurde noch stärker.
»Warum ist er nicht zu mir gekommen? Warum hat er dir das erzählt und nicht mir?«, fragte sie schließlich mit einer Mischung aus Zorn, Hoffnung und tief verwurzeltem Misstrauen.
»Die Trennung von seiner Zweit-Frau liegt noch nicht lange zurück. Petra hat ihm mächtig zugesetzt, und das musste er erst einmal verdauen. Inzwischen hat er sich wieder einigermaßen gefangen. Jetzt will er alles wiedergutmachen. Er liebt dich nämlich immer noch, Friederike. Er sehnt sich nach dir und nach Julia zurück. Das hat er mir sehr glaubhaft versichert.«
»Ja, ja, Ulf kann sehr überzeugend sein«, murmelte Friederike.
Auf dem Rückweg zum Gasthof sagte sie kein einziges Wort mehr. Anton konnte die junge Frau sehr gut verstehen, also ließ er sie in Ruhe. Schweigend gingen die beiden nebeneinander her.
*
Er bereut es wirklich … Er will dich und Julia zurück ..., Antons Worte hallten wie ein Echo in Friederikes Kopf. Die Vorstellung, Ulf wiederzusehen, hatte sie in ein wahres Gefühlschaos gestürzt. Wie sollte sie sich ihm gegenüber verhalten? Was sollte sie ihm sagen? Sie hatte sich so sehr bemüht, dieses Kapitel ihres Lebens hinter sich zu lassen. Nun sollte alles wieder hochkommen? Erinnerung über Erinnerung tauchte aus ihrem Unterbewusstsein auf, ungewollt und schmerzhaft. Wie sehr hatte sie Ulf geliebt, wie sehr hatte sie an ihre Ehe geglaubt. Doch dann war alles zerbrochen.
Aber nun kehrte Ulf plötzlich in ihr Leben zurück. Bereute er wirklich, was er getan hatte? War Ulf ein anderer Mensch geworden? Die Gedanken kreisten in ihrem Kopf, herum und herum, wie ein Karussell. Bald meldete sich dazu noch eine kleine Stimme, erst zaghaft, dann immer lauter. Sollte sie Ulf eine zweite Chance geben? War es möglich, trotz der alten Wunden neu zu beginnen?
Friederike schüttelte unmerklich den Kopf. Nein, das konnte sie nicht. Sie hatte zu viel durchgemacht, um wieder in alte Muster zu verfallen. Aber warum ließ sie das Ganze dann nicht einfach los? Warum hingen ihre Gedanken immer noch an ihrem Ex? An dem, was sie gemeinsam gehabt hatten und vielleicht wiederbekommen konnten? Und was war mit Julia? Wie würde ihre Tochter reagieren, wenn ihr Papa wieder in ihr Leben trat?
Als sie und Anton den Gasthof erreichten, spürte Friederike, wie sich ein Kloß in ihrem Hals bildete. Bald würde sie Ulf gegenüberstehen, und sie wusste noch immer nicht, wie sie sich verhalten sollte. Ein Teil von ihr wollte einfach fortlaufen, aber sie wusste, dass sie sich der Begegnung nicht entziehen konnte. Sie musste eine Entscheidung treffen.
