Sommer, Sonne – Ferienspass! - Carina Lind - E-Book

Sommer, Sonne – Ferienspass! E-Book

Carina Lind

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Beschreibung

In diesen warmherzigen Romanen der beliebten, erfolgreichen Sophienlust-Serie wird die von allen bewunderte Denise Schoenecker als Leiterin des Kinderheims noch weiter in den Mittelpunkt gerückt. Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. In aller Herrgottsfrühe verließ Claudia Volkert ihr Haus am Stadtrand von Maibach, um Zeitungen auszutragen, so wie an jedem Wochentag. Als sie zu ihrem Auto ging, zog sie ihre Kapuze tief ins Gesicht, es hatte nämlich angefangen zu regnen. So was Dummes, dachte Claudia, ausgerechnet jetzt öffnet der Himmel seine Schleusen! Gleichzeitig versuchte sie, sich mit dem Gedanken zu trösten, dass die Natur dringend Wasser brauchte. Immerhin war es in den letzten Tagen sehr heiß und trocken gewesen. Claudias Laune war nicht die beste, als sie die Innenstadt von Maibach erreichte. Doch nicht allein der Regen war daran schuld. Auch das Telefongespräch, das sie gestern mit ihrem Mann geführt hatte, ging Claudia nicht aus dem Kopf. Patrick arbeitete als Maschinist für eine Firma in Pforzheim, seit einigen Tagen war er unterwegs auf Montage. Claudia telefonierte jeden Tag mit ihrem Mann, doch gestern hatte seine Stimme ganz anders geklungen als sonst. Sie hatte sofort gemerkt, dass ihn irgendetwas bedrückte. Doch er hatte am Telefon nicht mit der Sprache herausrücken wollen. Morgen kommt Patrick nach Hause zurück, dachte Claudia, als sie den Zeitungsverlag erreichte, dann setze ich ihm die Pistole auf die Brust! Dann muss er mir sagen, was los ist, egal ob er will oder nicht. Eiligst verließ Claudia ihren Wagen und ging in das Gebäude, wo im Foyer die Zeitungsstapel bereitlagen. Mehrmals musste sie zwischen dem Verlagsgebäude und ihrem Auto hin- und herlaufen, bis endlich alles verstaut war. Anschließend fuhr sie weiter Richtung Hauptstraße, dort fing ihre Tour an. Als Claudia wie gewohnt vor dem Maibacher Gymnasium parkte, hatte der Regen immerhin ein wenig nachgelassen. Trotzdem war ihre Arbeit alles andere als angenehm, zumal es jetzt, um vier Uhr morgens, noch stockdunkel war. Während sie von einem Briefkasten zum anderen eilte, hatte sie ihre Gedanken an Patrick mittlerweile beiseitegeschoben.

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Seitenzahl: 127

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Sophienlust - Die nächste Generation – 72 –

Sommer, Sonne – Ferienspass!

Ein aufregendes Projekt in Sophienlust

Carina Lind

In aller Herrgottsfrühe verließ Claudia Volkert ihr Haus am Stadtrand von Maibach, um Zeitungen auszutragen, so wie an jedem Wochentag. Als sie zu ihrem Auto ging, zog sie ihre Kapuze tief ins Gesicht, es hatte nämlich angefangen zu regnen.

So was Dummes, dachte Claudia, ausgerechnet jetzt öffnet der Himmel seine Schleusen! Gleichzeitig versuchte sie, sich mit dem Gedanken zu trösten, dass die Natur dringend Wasser brauchte. Immerhin war es in den letzten Tagen sehr heiß und trocken gewesen.

Claudias Laune war nicht die beste, als sie die Innenstadt von Maibach erreichte. Doch nicht allein der Regen war daran schuld. Auch das Telefongespräch, das sie gestern mit ihrem Mann geführt hatte, ging Claudia nicht aus dem Kopf. Patrick arbeitete als Maschinist für eine Firma in Pforzheim, seit einigen Tagen war er unterwegs auf Montage. Claudia telefonierte jeden Tag mit ihrem Mann, doch gestern hatte seine Stimme ganz anders geklungen als sonst. Sie hatte sofort gemerkt, dass ihn irgendetwas bedrückte. Doch er hatte am Telefon nicht mit der Sprache herausrücken wollen.

Morgen kommt Patrick nach Hause zurück, dachte Claudia, als sie den Zeitungsverlag erreichte, dann setze ich ihm die Pistole auf die Brust! Dann muss er mir sagen, was los ist, egal ob er will oder nicht. Eiligst verließ Claudia ihren Wagen und ging in das Gebäude, wo im Foyer die Zeitungsstapel bereitlagen. Mehrmals musste sie zwischen dem Verlagsgebäude und ihrem Auto hin- und herlaufen, bis endlich alles verstaut war. Anschließend fuhr sie weiter Richtung Hauptstraße, dort fing ihre Tour an.

Als Claudia wie gewohnt vor dem Maibacher Gymnasium parkte, hatte der Regen immerhin ein wenig nachgelassen. Trotzdem war ihre Arbeit alles andere als angenehm, zumal es jetzt, um vier Uhr morgens, noch stockdunkel war. Während sie von einem Briefkasten zum anderen eilte, hatte sie ihre Gedanken an Patrick mittlerweile beiseitegeschoben. Es nutzte ja eh nichts, jetzt weiter über sein merkwürdiges Verhalten nachzugrübeln. Dafür tauchte plötzlich eine ganz andere Frage auf, und die beschäftigte Claudia bereits seit mehreren Tagen:

»Warum mache ich das hier eigentlich?«, murmelte sie. »Es ist doch vollkommen zwecklos!« Das gesamte Geld, das sie mit ihrem Job als Zustellerin verdiente, ging nämlich für den Sprit drauf, den Patrick für seine Fahrten nach Pforzheim brauchte. Eigentlich ist es eine komplette Milchmädchenrechnung, überlegte Claudia. Vor allem im Winter war ihre Arbeit eine Tortur. Eis, Schnee, oft sogar klirrende Kälte! Nachmittags ging es dann weiter mit ihrem Zweitjob als Kellnerin. Da war sie dann wieder stundenlang auf den Beinen. Nein, dachte Claudia, ich muss ja völlig verrückt sein! So kann es wirklich nicht weitergehen!

Um sechs Uhr war Claudias Tour endlich beendet, sie konnte zu ihrem Wagen zurückkehren. Die Fahrt zurück zu ihrem Häuschen konnte sie dann allerdings sehr genießen. Sie liebte den Geruch, den ihr neuer Skoda verströmte. Und auch das Autoradio war wirklich vom Allerfeinsten. Außerdem freute sich Claudia auf das Frühstück, welches immer ein besonderes Highlight in ihrem arbeitsreichen Tag darstellte.

Da Patrick heute nicht zu Hause da war, würde sie den Küchentisch nur für sich und ihre Tochter decken. Claudia blickte auf die Uhr. Sie musste sie pünktlich wecken, damit Malina nach dem Frühstück rechtzeitig in die Schule kam.

»Aufstehen, mein geliebtes Murmeltier«, sagte Claudia zu ihrer Tochter, als sie an Malinas Bett trat. Noch völlig schlaftrunken rieb sich das Mädchen die Augen. »Gerade habe ich was ganz Tolles geträumt«, brummelte die Kleine. »Aber jetzt ist wieder alles weg.«

»Morgen fangen die Ferien an«, sagte Claudia und gab ihrer Tochter einen Kuss. »Dann kannst du ein wenig länger schlafen. Oder du stehst ganz, ganz früh auf und begleitest mich auf meiner Zeitungstour. Vielleicht willst du mir helfen?«

»Och nö. Kinderarbeit ist verboten«, maulte Malina und schälte sich aus der Bettdecke.

»Was du nicht alles weißt!«, lachte Claudia. »Jetzt aber husch, husch ins Bad mit dir!«

Claudia ging in die Küche, um die Kaffeemaschine einzuschalten. Dann kochte sie noch einen Kakao für Malina. Natürlich aus frischer Milch und echtem Kakaopulver, kein billiges Fertiggetränk, sondern so, wie ihre kleine Prinzessin es am liebsten mochte. Zum Schluss fehlte nur noch die Sahne, die unbedingt zum Kakao gehörte, also holte Claudia den Handmixer aus dem Küchenschrank.

»Mama, darf ich mit ins Feriencamp?«, fragte Malina, kaum dass sie in die Küche gekommen war.

»Feriencamp?«, fragte Claudia. »Was meinst du damit?«

»Pünktchen hat mir gestern erzählt, dass sie und die Kinder von Sophienlust in ein Feriencamp fahren und …«

»Pünktchen? Was ist denn das für ein Name?«, unterbrach Claudia ihre Tochter.

»Eigentlich heißt sie Angelina. Aber alle nennen sie ›Pünktchen‹, weil sie so viele Sommersprossen hat. Pünktchen hat gesagt, dass noch ein Platz im Feriencamp frei ist. Und weil wir nicht in Urlaub fahren, du und Papa und ich, ich meinte einen richtigen Urlaub, nach Mallorca oder so, da dachte ich mir, dass ich mitfahren kann. So ein Feriencamp ist immerhin besser als nichts.«

»Soso, das dachtest du dir«, lachte Claudia und stellte die Sahne auf den Tisch. Dann setzte sie sich zu ihrer Tochter und bestrich sich ein Butterbrot. »Was ist das überhaupt für ein Camp? Und wer fährt alles mit?«

»Alle Kinder von Sophienlust«, verkündete Malina. »Pünktchen natürlich, Vicky und Angelika. Fabian, Martin und Simon. Die gehen auch auf unser Gymnasium. Und dann noch zwei, die ich nicht kenne, weil sie noch in die Grundschule gehen. Kim und Heidi heißen sie. Es sind also acht, und mit mir dann neun.« Malina hatte alle an ihren Fingern abgezählt. »Die wohnen alle in Sophienlust. Das ist ein Kinderheim, ganz in der Nähe.«

»Ja, ich weiß, dass Sophienlust ein Kinderheim ist. – Aber will man dich überhaupt mitnehmen?«

»Natürlich muss man den Chef von Sophienlust fragen«, plapperte Malina munter weiter. »Pünktchen hat gesagt, dass er total nett ist. Da kann man ihn bestimmt leicht beschwatzen. Er heißt übrigens Nick, jedenfalls nennen ihn alle so. Aber eigentlich heißt er Dominik von Schoener-Welle oder so ähnlich. Den genauen Namen habe ich wieder vergessen, aber den findest du sicher ganz leicht heraus, Mama, wenn du in Sophienlust anrufst.«

»Hach!«, lachte Claudia. »Das hast du dir ja schön ausgedacht!«

»Ach, Mama, bitte!«, verlegte sich Malina jetzt aufs Schmeicheln. »Bitte lass mich doch mitfahren! In dem Camp soll es richtig klasse sein. Da gibt es nämlich einen Badesee und rudern kann man auch. Wir können Volleyball spielen und eine Schnitzeljagd machen. Abends sitzen wir dann am Lagerfeuer und erzählen uns Gespenstergeschichten. Dabei werden dann auch noch Würstchen gegrillt.«

»Dieser Nick, oder wie immer er heißt, fährt der auch mit?«

»Ja«, nickte Malina eifrig. »Er und Schwester Regine. Die arbeitet nämlich in Sophienlust. Eigentlich wollte noch eine Frau mitkommen, die auch in Sophienlust arbeitet. Sie heißt ›Tante Ma‹. Aber sie kann nicht, weil sie nicht auf einer Luftmatratze schlafen kann. Dann bekommt sie Rückenschmerzen, sie ist nämlich schon ein bisschen älter. Weil Tante Ma nicht mitkommt, ist Harald Franke eingesprungen. Er ist der Busfahrer von Sophienlust, er bringt Pünktchen und die anderen Kinder immer morgens zum Gymnasium. Und dann kommt auch noch die Hausmeisterin von meiner Schule mit.«

»Frau Conradi?«, wunderte sich Claudia. »Wieso das denn?«

Malina blickte ihre Mama mit einem breiten Grinsen an. »Unsere Hausmeisterin und der Busfahrer haben sich ineinander verknallt. Jetzt sind sie ein Liebespaar, jedenfalls seit einigen Wochen. Harald und Silke, ist das nicht süß, Mama?«

»Aha, vier Erwachsene und acht Kinder.«

»Neun, Mama! Mit mir sind es neun!«

»Okay, eventuell neun. – Wann soll es denn losgehen?«

»Morgen. Morgen früh um neun. Das passt doch prima, Mama! Dann kannst du mich gleich nach dem Frühstück nach Sophienlust bringen.«

»Uff.« Mehr sagte Claudia nicht, als sie aufstand, um noch einmal zum Kühlschrank zu gehen.

»Ach bitte, Mama! Lass mich doch mitfahren!«, tönte es vom Küchentisch, während Claudia nach dem Westfälischen Schinken suchte, den sie vorhin beim Tischdecken vergessen hatte. Na endlich, da war er ja, ganz hinten links in der Ecke.

»Mama, bitte, du musst noch heute in Sophienlust anrufen und dem Nick sagen, dass ich mitfahren will!«, quengelte Malina immer weiter.

»Das kann ich nicht allein entscheiden«, sagte Claudia und legte den Schinken auf den Tisch. »Ich will erst mit Papa sprechen.«

»Wenn er Ja sagt, dann darf ich mit?«

»Das habe ich nicht gesagt. Ich will ihn nur fragen, ob er grundsätzlich einverstanden ist.« Claudia nahm ihr Handy hervor und tippte Patricks Nummer ein. Doch er war nicht zu erreichen, es meldete sich nur die Mailbox. »Es hat keinen Zweck, auf die Mailbox zu sprechen«, seufzte sie. »Dann muss ich die Entscheidung wohl alleine treffen.«

Während Claudia Malinas Schulbrote mit Butter bestrich und dick mit Schinken belegte, überlegte sie, was so eine Reise wohl kosten würde. Unerwartete Ausgaben waren in ihrer und Patricks Finanzplanung nicht vorgesehen. Andererseits ging es um ihre Tochter, und Malinas Wünsche zu erfüllen war selbstverständlich. Claudias dringender Kinderwunsch hatte sich erst sehr spät erfüllt. Deshalb betrachteten sie und Patrick Malina als ihre kleine Prinzessin. Da sollte man ihr ein bisschen Ferienspaß doch wohl gönnen.

»Wie lange soll die Ferienreise denn dauern?«, fragte Claudia schließlich. »Und wo geht es eigentlich hin?«

»Es geht in ein Zeltlager, es heißt ›Kiddies Camp‹«, erklärte ihre Tochter eifrig. »Es ist gar nicht weit von hier, in der Nähe von Wiesingen. Herr Franke bringt uns mit dem Bus hin, und wir bleiben zwei Wochen.«

Claudia legte die Schulbrote in eine Vesperdose und gab noch eine Tomate und einen Apfel dazu. Dann stand sie auf, um Malinas Ranzen zu holen und die Dose hineinzulegen. »Nun komm, Schatz!«, rief sie aus der Diele in die Küche hinein. »Höchste Zeit, dass du in die Schule kommst!«

Claudia begleitete ihre Tochter bis zur Haustür. Bevor Malina auf ihr Fahrrad stieg, blickte sie ihre Mama noch einmal ganz treuherzig an: »Nicht wahr, Mama, gleich telefonierst du mit Nick?«, schmeichelte sie. »Du meldest mich für das Feriencamp an!«

»Mal sehen, was ich machen kann. Und nun ab die Post, Kleines!« Claudia winkte ihrer Tochter hinterher, bis sie um eine Kurve verschwand.

Zurück im Haus schaltete Claudia sofort den Computer ein, um nach ›Kiddies Camp‹ zu googeln. Schnell hatte sie eine Website gefunden, die wahre Ferienfreuden verhieß, jedenfalls ließen die Fotos im Internet dieses vermuten. Claudia erfuhr auch, dass das Camp an einen großen Bauernhof angeschlossen war, der einem gewissen Ludwig Hochstedt gehörte. Jugendorganisationen und andere soziale Einrichtungen konnten das Camp mieten, und davon wurde offensichtlich reger Gebrauch gemacht. Eine Tabelle verriet nämlich, welche Organisation das Camp für welchen Zeitraum gemietet hatte. Die kompletten Sommerferien waren ausgebucht, die ersten zwei Wochen tatsächlich für Sophienlust reserviert.

Als Nächstes googelte Claudia nach Sophienlust, um die Telefonnummer und den genauen Namen von Nick zu erfahren. Aha, Dominik von Wellentin-Schoenecker hieß er also.

Als Claudia seine Nummer wählte, meldete sich eine jung klingende Männerstimme:

»Kinderheim Sophienlust, Dominik von Wellentin-Schoenecker am Apparat.«

Claudia fand diese Stimme sehr sympathisch. Nachdem sie sich vorgestellt hatte, fragte sie rundheraus, ob ihre Tochter an der Ferienfreizeit teilnehmen dürfe: »Mein Mann und ich können uns einen Urlaub nicht leisten«, sagte sie, ohne sich dafür zu schämen. »Wir haben auch gar keine Zeit zu verreisen. Wir haben uns gerade ein Häuschen gekauft, da muss noch viel renoviert werden. Ich habe zwei Jobs, mein Mann arbeitet natürlich auch, dazu die Arbeit im Haus, da sind wir oft sehr gestresst, das werden Sie sicher verstehen. Deshalb kommt unsere Tochter häufig zu kurz, und das macht mich sehr traurig. Ich möchte unserer Tochter gerne einmal etwas Schönes gönnen. Deshalb möchte ich Sie bitten, Malina mitzunehmen.«

»Sie haben Glück«, sagte Nick am anderen Ende der Leitung. »Eigentlich sollte auch unsere Irmela mitfahren. Doch vor einigen Tagen hat sie sich den Fuß verstaucht, darum muss sie leider hierbleiben. Ich hatte das Camp aber für neun Kinder und vier Erwachsene gebucht, und jetzt, wo Irmela ausfällt …«

»… ist kurzfristig ein Platz frei geworden«, fiel Claudia Nick ins Wort.

»Genauso ist es. Deshalb könnte Ihre Tochter eigentlich mitfahren. Allerdings kann ich eine Zusage nicht am Telefon geben. Ich möchte Sie bitten, zu uns nach Sophienlust zu kommen. Und das bitte noch heute, immerhin wollen wir schon morgen fahren.«

»Wenn es Ihnen recht ist, würde ich gerne um elf Uhr kommen. Um zwölf muss ich nämlich nach Leiningen zu meiner zweiten Arbeitsstelle. Frühmorgens trage ich in Maibach Zeitungen aus, nachmittags arbeite ich im ›Bräuhof‹ als Servicekraft.« Claudia machte eine kurze Pause, dann fragte sie nach dem Preis der Ferienfreizeit. Als Nick eine recht moderate Summe nannte, atmete sie erleichtert auf. »Das geht in Ordnung«, sagte sie zu Nick. Ja, dachte sie dabei, diesen Betrag kann ich ausgeben, ohne Patrick gefragt zu haben.

»Sehr schön«, antwortete Nick. »Ich erwarte Sie also um elf. Inzwischen werde ich schon einen Betreuungsvertrag vorbereiten. Den müssen sie dann nur noch unterschreiben.«

*

Nach dem Gespräch mit Nick stürzte sich Claudia mit Vehemenz in ihre Hausarbeit, so wie an jedem Vormittag. Zuerst räumte sie die Küche auf, dann stellte sie die Waschmaschine im Keller an und wischte die Fliesen in der Diele. Dabei blickte sie immer wieder auf ihre Uhr. Heute hatte sie weniger Zeit als sonst, sie musste ja noch nach Sophienlust, und sie wollte auf jeden Fall pünktlich sein.

Claudia kannte Sophienlust bisher nur vom Hörensagen, jetzt war sie gespannt darauf, das Heim kennenzulernen. Angeblich war es ein sehr stattliches Herrenhaus, das inmitten eines großen Parks gelegen war.

Der Weg dorthin war nicht weit, das Navi führte Claudia in den kleinen Ort Wildmoos und dann zielsicher bis zu dem großen schmiedeeisernen Eingangstor. Hinter dem Tor breitete sich tatsächlich ein weitläufiger Park aus. Claudia fuhr an einem Spielplatz vorbei, und weiter hinten konnte sie einen hübschen Pavillon erkennen. Das Herrenhaus war sogar noch größer und schöner, als sie es erwartet hatte, es wirkte fast wie ein Schloss.

Bald hatte sie die breite Freitreppe erreicht, die zum Gebäude hinaufführte. Direkt daneben befand sich der Parkplatz. Dort traf sie auf eine blonde junge Frau, die ein Kleinkind auf dem Arm hatte und einen etwa vierjährigen Jungen an der Hand führte. Sie stellte sich als Schwester Regine vor.

»Und sie müssen Claudia Volkert sein«, lächelte Regine und nickte ihr freundlich zu »Nick erwartet sie schon in seinem Büro. Wenn Sie die Treppe hinaufgehen und durch das Portal in die Eingangshalle kommen, ist es die Tür schräg gegenüber. ›Büro 1‹ steht dran. Ich würde Sie gern hinbringen, aber mit unseren Kleinen hier, Leon und Marie, ist es ein bisschen schwierig.«

Wie ihr gewiesen wurde, erklomm Claudia die Freitreppe, ging durch das Portal und gelangte in eine große, helle Eingangshalle, von der zwei Flure abzweigten. Schräg gegenüber befand sich tatsächlich eine Tür mit der Aufschrift ›Büro 1‹. Claudia klopfte und trat ein.

»Frau Volkert?«, vergewisserte sich Nick und erhob sich hinter seinem Schreibtisch. »Herzlich willkommen im Haus der glücklichen Kinder.« Er reichte ihr die Hand. »Bitte nehmen Sie doch Platz!« Höflich rückte er für Claudia einen Stuhl zurecht, dann setzte er sich wieder hinter seinen Schreibtisch.

Zuerst plauderten sie über dieses und jenes. Dann erzählte Nick von Sophienlust, das Heim, das er leitete. Während des ganzen Gesprächs wunderte sich Claudia darüber, dass Nick noch so jung war. Und dass er trotz seiner jungen Jahre offenbar ein sehr pflichtbewusster Mensch war. Schon bald hatte sie sich ein Urteil über Nick gebildet. Ja, dachte sie, ich kann ihm mein Kind wirklich anvertrauen.