Die großen Sorgen des kleinen Oskar - Carina Lind - E-Book

Die großen Sorgen des kleinen Oskar E-Book

Carina Lind

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Beschreibung

In diesen warmherzigen Romanen der beliebten, erfolgreichen Sophienlust-Serie wird die von allen bewunderte Denise Schoenecker als Leiterin des Kinderheims noch weiter in den Mittelpunkt gerückt. Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. Katja hatte das Gefühl, auf heißen Kohlen zu sitzen. Ihr Chef war heute eine Viertelstunde früher gegangen als gewohnt, und eigentlich hätte auch sie jetzt gehen können. Doch gerade als sie das Immobilienbüro ›Heinzen & Partner‹ verlassen wollte, kam noch ein wichtiger Kunde. Katja hatte alle Mühe, freundlich zu bleiben, als sie ihn hereinbat und sich wieder an ihren Schreibtisch setzte, um mit ihm ein Beratungsgespräch zu führen. Dabei blickte sie gelegentlich verstohlen auf ihre Uhr, deren Zeiger rückten natürlich unbarmherzig voran. Dann endlich war es so weit, der Kunde verabschiedete sich. Auch Katja konnte das Büro verlassen, um ihren Sohn in der Kita abzuholen. Als Katja quer durch Weilenberg zur Kita fuhr, musste sich sie sehr beeilen. Ihr kleiner Sohn Oskar würde seine Mama bereits voller Unruhe erwarten, das wusste Katja nur allzu gut. An der nächsten Kreuzung trat Katja so heftig auf die Bremse, dass sie quietschte. Hastig blickte sie nach links und nach rechts, dann rauschte sie mit Vehemenz um die Kurve. Danach ging es ein ganzes Stück geradeaus, dann konnte sie endlich in eine kleine Seitenstraße einbiegen, in der sich die Kita befand. Mit einem Blick erkannte Katja, dass alle Kinder schon abgeholt worden waren. Nur Oskar stand noch vor der Tür, zusammen mit Leni, einer Kindergärtnerin. Leni hielt Oskar fest an der Hand, während sie mit ihm auf Katja wartete. Leni hatte ein ziemlich missmutiges Gesicht aufgesetzt. Natürlich gefiel es ihr überhaupt nicht, wenn jemand zu spät kam. Schon gar nicht, wenn es Oskars Mutter war. Oskar war nämlich ein echtes Mamakind, das schnell anfing zu weinen, wenn seine Mama nicht pünktlich kam. Kaum war Katja aus ihrem Wagen gestiegen, da riss sich Oskar von Leni los und stürmte auf seine Mama zu.

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Seitenzahl: 129

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Sophienlust - Die nächste Generation – 105 –Die großen Sorgen des kleinen Oskar

Unveröffentlichter Roman

Carina Lind

Katja hatte das Gefühl, auf heißen Kohlen zu sitzen. Ihr Chef war heute eine Viertelstunde früher gegangen als gewohnt, und eigentlich hätte auch sie jetzt gehen können. Doch gerade als sie das Immobilienbüro ›Heinzen & Partner‹ verlassen wollte, kam noch ein wichtiger Kunde. Katja hatte alle Mühe, freundlich zu bleiben, als sie ihn hereinbat und sich wieder an ihren Schreibtisch setzte, um mit ihm ein Beratungsgespräch zu führen. Dabei blickte sie gelegentlich verstohlen auf ihre Uhr, deren Zeiger rückten natürlich unbarmherzig voran.

Dann endlich war es so weit, der Kunde verabschiedete sich. Auch Katja konnte das Büro verlassen, um ihren Sohn in der Kita abzuholen. Als Katja quer durch Weilenberg zur Kita fuhr, musste sich sie sehr beeilen. Ihr kleiner Sohn Oskar würde seine Mama bereits voller Unruhe erwarten, das wusste Katja nur allzu gut.

An der nächsten Kreuzung trat Katja so heftig auf die Bremse, dass sie quietschte. Hastig blickte sie nach links und nach rechts, dann rauschte sie mit Vehemenz um die Kurve. Danach ging es ein ganzes Stück geradeaus, dann konnte sie endlich in eine kleine Seitenstraße einbiegen, in der sich die Kita befand.

Mit einem Blick erkannte Katja, dass alle Kinder schon abgeholt worden waren. Nur Oskar stand noch vor der Tür, zusammen mit Leni, einer Kindergärtnerin. Leni hielt Oskar fest an der Hand, während sie mit ihm auf Katja wartete. Leni hatte ein ziemlich missmutiges Gesicht aufgesetzt. Natürlich gefiel es ihr überhaupt nicht, wenn jemand zu spät kam. Schon gar nicht, wenn es Oskars Mutter war. Oskar war nämlich ein echtes Mamakind, das schnell anfing zu weinen, wenn seine Mama nicht pünktlich kam.

Kaum war Katja aus ihrem Wagen gestiegen, da riss sich Oskar von Leni los und stürmte auf seine Mama zu. Katja nahm ihren Kleinen auf den Arm und herzte und küsste ihn. Dann stellte sie ihn wieder auf den Boden und streichelte über sein blondgelocktes Haar. Gleichzeitig warf sie Leni einen entschuldigenden Blick zu. »Tut mir leid, dass ich zu spät gekommen bin«, sagte sie. »Aber leider ...« Leni hörte gar nicht zu. Sie machte nur eine wegwerfende Handbewegung und ging wieder ins Haus.

Also ließ Katja ihr Kind in den Wagen steigen, wo sie es auf dem Rücksitz anschnallte. Dann setzte sie sich hinter das Steuer, um endlich nach Hause, nach Brückenbach, zu fahren. Jetzt natürlich in aller Gemütsruhe, sie musste sich ja nicht mehr beeilen.

Während der ganzen Fahrt wollte Oskars Plappermäulchen nicht stillstehen. Unentwegt erzählte er seiner Mama alles, was er heute in der Kita erlebt hatte. Dass er mit dem ganz großen Go-Cart gefahren war, zusammen mit seinem Freund Kasimir. Dass Lisa und Emily neidisch geguckt hatten, weil sie für den großen Go-Cart noch zu klein waren. Dass es zum Mittagessen Fischstäbchen gegeben hatte, und dass Leni eine ganz tolle Geschichte von Räuber Hotzenplotz vorgelesen hatte.

Gerade als Katja das Ortsschild von Brückenbach passierte, wurde Oskar plötzlich still. »Was ist denn, mein Kleiner?«, fragte Katja mit einem kurzen Blick in den Rückspiegel. »Du sagst ja nichts mehr.«

»Wann kommt Papa wieder?«, rief Oskar so laut, dass es seiner Mama in den Ohren schallte. »Ich will, dass Papa wiederkommt!«

»Du weißt doch, dass Papa eine neue Freundin hat und mit ihr in Berlin wohnt. Dass Papa nicht wieder zu uns zurück will.«

»Berlin ist doof. Richtig doof«, murrte Oskar und steckte seinen Dauen in den Mund. Eigentlich war er mit seinen fünf Jahren viel zu alt, um noch am Daumen zu lutschen. Doch wenn er Trost brauchte, dann musste der Daumen doch wieder herhalten.

Du kennst Berlin doch gar nicht, hatte Katja sagen wollen, doch sie schluckte die Worte herunter und sagte nichts. Um Oskar schnell auf andere Gedanken zu bringen, bog sie in eine Seitenstraße ein und parkte vor einer Pizzeria. »Soll ich uns zum Abendessen eine Pizza holen?«, fragte sie ihren Kleinen, wusste sie doch, dass Oskar Pizza über alles liebte. Vor allem die leckere Salami-Pizza mit extra viel Käse.

Sofort nahm Oskar seinen Daumen wieder aus dem Mund, um »Au ja, Pizza!« zu rufen, genauso, wie seine Mama es erwartet hatte.

Nachdem Katja zwei Pizzas geholt und das verheißungsvoll duftende Paket auf den Beifahrersitz gelegt hatte, ging es sofort in die Ebertinstraße, wo Katja und Oskar wohnten. Gleich nach dem Abendessen brachte Katja ihren Kleinen zu Bett. Wie jeden Abend legte sie sich neben ihn, und Oskar kuschelte sich ganz eng an seine Mama. Katja nahm das Kinderbuch, das auf dem Nachttisch lag, um Oskar noch ein wenig vorzulesen. Es war Oskars absolutes Lieblingsbuch, ›Pippi Langstrumpf‹ von Astrid Lindgren. Eigentlich kannte Oskar die Geschichten längst in- und auswendig, doch das war ihm egal. Er konnte sie wieder und wieder hören.

Obwohl Oskar Pippi Langstrumpf über alles liebte, dauerte es gar nicht lange, bis ihm die Augen zufielen. Wahrscheinlich träumt er jetzt von der Villa Kunterbunt, in der Pippi lebt, dachte Katja und schälte sich vorsichtig aus dem Bett. Sie wollte Oskar nicht wieder aufwecken. Auf Zehenspitzen schlich sie zur Tür, doch kaum hatte sie diese erreicht, da wurde Oskar mit einem Mal hellwach. »Wo willst du hin, Mama?«, fragte er.

»Ich will es mir im Wohnzimmer gemütlich machen. Der Tag heute ist sehr anstrengend gewesen.«

»Und du gehst wirklich nicht klammheimlich weg, Mama? Du lässt mich nicht allein in der Wohnung?«

»Aber natürlich nicht, mein Schatz! Wie kommst du nur auf so eine Idee?«

»Du darfst mich nie allein lassen, Mama!«

Katja kehrte noch einmal zu Oskars Bett zurück, um ihrem Liebling einen Kuss zu geben. Dann wandte sie sich wieder zum Gehen.

»Du musst die Tür aber einen Spalt auflassen, Mama!«, rief Oskar noch hinter ihr her. »Und die Lampe neben der Tür musst du auch anlassen!«

»Aber das weiß ich doch, Schatz!«, lächelte Katja und nickte Oskar noch einmal zu, bevor sie das Zimmer verließ.

*

Endlich konnte Katja ins Wohnzimmer gehen, wo sie sich sofort auf das Sofa warf und ihre Füße hochlegte. Doch entspannen konnte sie sich zunächst nicht. Da waren nämlich noch tausend Gedanken, die durch ihren Kopf rasten. Tausend Gedanken an alles, was sie heute im Immobilienbüro erlebt hatte. Gedanken, die ihren Chef, Franz Heinzen, betrafen. Gedanken an den wichtigen Kunden, der überraschenderweise in letzter Sekunde gekommen war. Gedanken an die diversen Wohnobjekte, die sie und Herr Heinzen vermitteln wollten. Und zwischendurch tauchte immer wieder das Gesicht von Thorsten auf. Thorsten, der sie vor zwei Jahren verlassen hatte, einen Tag nach Oskars drittem Geburtstag. Der zu einer Anderen nach Berlin gezogen war, und die war sogar von ihm schwanger geworden. Wahrscheinlich wird Thorsten seine Neue auch wieder verlassen, wenn das Kind zwei, drei Jahre alt ist, dachte Katja voller Bitterkeit. Nach einer Weile stand sie auf, um zur Anrichte zu gehen und sich ein Glas Wein zu holen.

Gerade als Katja zum Sofa zurückkehrte, schrillte das Telefon. Es war Vanessa, ihre Freundin.

»Kann ich auf einen Sprung zu dir rüberkommen?«, fragte Vanessa rundheraus. »Es ist etwas ganz Furchtbares passiert.«

»Natürlich kannst du zu mir kommen. Wo bist du denn jetzt? Und was ist so Furchtbares passiert?«

»Ich bin jetzt in Maibach. Das andere erzähle ich dir, wenn ich da bin.«

»Wenn du kommst, dann darfst du bitte nicht Sturmklingeln. Oskar ist gerade eingeschlafen.«

»Mache ich. Versprochen.« Und schon hatte Vanessa wieder aufgelegt.

Während Katja an ihrem Wein nippte, überlegte sie, was denn so Furchtbares geschehen sein mochte. Wahrscheinlich hat sich Vanessa wieder mit ihrem Freund gestritten, überlegte sie. Jetzt will sie sich bei mir ausweinen, und dann reumütig zu Daniel zurückkehren, so wie sie es immer macht. Etwas wirklich Furchtbares konnte sich Katja nicht vorstellen, immerhin neigte Vanessa zu Dramatisierungen und machte gerne aus einer Mücke einen Elefanten.

Es dauerte kaum zwanzig Minuten, bis es an der Tür klingelte. Tatsächlich klingelte Vanessa nur einmal, so wie sie es versprochen hatte. Als Katja ihrer Freundin öffnete, bedeutete sie ihr, leise zu sein. Dann führte sie Vanessa ins Wohnzimmer und zog die hinter sich Tür zu.

Im Wohnzimmer warf sich Vanessa sofort auf das Sofa und fing an zu weinen. »Es ist aus! Es ist endgültig aus!«, schluchzte sie. »Daniel will nichts mehr von mir wissen!«

»Ach, Kindchen! So schlimm wird es doch wohl nicht sein!« Katja war einige Jahre älter als ihre Freundin. Als sie sich neben Vanessa setzte und ganz mütterlich einen Arm um sie legte, konnte sich Vanessa immerhin ein bisschen beruhigen.

»Jetzt erzähle mir doch bitte, was genau vorgefallen ist«, sagte Katja.

»Du weißt, dass es zwischen mir und Daniel manchmal kriselt«, wollte Vanessa beginnen, doch sie wurde sogleich von Katja unterbrochen: »Ich weiß, Liebes. Daniel ist ein sehr korrekter, ordnungsliebender Mensch. Aber du ...«

» ... ich bin ihm einfach zu flippig.« Vanessa fing wieder an zu schluchzen, dann sagte sie eine ganze Weile nichts mehr.

Katja nahm ihren Arm von Vanessas Schultern und stand auf, um auch für ihre Freundin ein Glas zu holen. Nachdem sie Vanessa von dem köstlichen Rotwein eingeschenkt hatte, setzte sie sich in einen Sessel, Vanessa genau gegenüber.

Katja erhob ihr Glas und prostete Vanessa zu. Vanessa trank das halbe Glas in einem Zug leer, dann setzte sie es so heftig auf den Couchtisch, dass der Rest beinahe über den Rand schwappte. Vanessa richtete sich kerzengerade auf und verschränkte ihre Arme vor der Brust. »Daniel hat eine Andere kennengelernt!«, platzte sie heraus. »Er will mich verlassen! Er will mich rausschmeißen, und das am liebsten heute noch! So, jetzt ist es heraus!« Vanessa nahm ihre Arme wieder herunter und sackte wie ein Häufchen Elend in sich zusammen, dabei schniefte sie leise vor sich hin.

Katja überlegte einen Moment, ob sie sich wieder neben Vanessa setzen sollte, doch dann blieb sie in ihrem Sessel und blickte ihre Freundin eindringlich an. Einerseits verspürte sie Mitleid, andererseits konnte sie auch Daniel verstehen. Vanessa war in der Tat eine ziemlich flippige Person, aber gerade das mochte Katja an Vanessa besonders gern. Daniel hingegen war das genaue Gegenteil. Er war etliche Jahre älter als Vanessa, ein seriöser Geschäftsmann, gut situiert. Katja hatte sich schon oft die Frage gestellt, wie Daniel es so lange mit Vanessa ausgehalten hatte. Ja, sie war hübsch, außerordentlich hübsch sogar. Und sie war sexy. Doch eine so unstete Person wie Vanessa an Daniels Seite? Das hatte auf Dauer nicht gut gehen können. Jedenfalls nicht nach Katjas Meinung.

Nach einer Weile fasste sich Vanessa mit beiden Händen an die Stirn. »Was bin ich doch für ein Rindvieh!«, rief sie lauthals. »Warum bin ich vorhin nur so übel ausgerastet!? Ich hätte Daniel niemals so behandeln dürfen, wie ich es getan habe! Wie konnte ich nur so dumm sein!«

»Und diesmal gibt es kein Zurück mehr?«, fragte Katja so zartfühlend, wie sie nur konnte.

»Nein, ich glaube nicht. Er hat mir wortwörtlich erklärt, dass er die Faxen dick hat. Wortwörtlich, Katja, wortwörtlich! Und so ein Ausspruch bei Daniel, dem Super-Super-Seriösen!«

»Ja, das will schon etwas heißen! Und wie soll es jetzt weitergehen?«

»Aber das weiß ich doch auch nicht! Ich soll meine Sachen packen und aus Daniels Wohnung ausziehen! Das hat er von mir verlangt! Gleich morgen schon! Daniel hat gesagt, dass es kein Zurück mehr gibt!«

»Schon morgen? So schnell?« Puh, jetzt musste Katja erst einmal tief durchatmen, natürlich ahnte sie schon, was gleich folgen würde. »Und wo willst du jetzt hin?«, fragte sie nachdenklich.

»Keine Ahnung! Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht, Katja! Ich habe ja keine eigene Wohnung! Nicht mal ein eigenes Zimmer! Kannst du mir vielleicht etwas besorgen? In deinem Immobilienbüro gibt es doch bestimmt etwas Passendes! Es muss aber sehr schnell gehen.«

Katja musste nicht lange überlegen. »Ganz bestimmt kann ich etwas besorgen. Ich glaube, ich habe sogar schon eine Idee.«

»Es muss aber richtig günstig sein. Ich habe nämlich nicht viel Geld.«

»Aber das weiß ich doch, Liebes!«

»Mit meiner Musik verdiene ich zurzeit noch nicht so viel. Aber das wird sich ändern, Katja, das weiß ich hundertprozentig! Ich und meine Band werden ganz groß rauskommen, Katja! Ganz groß! Aber bis dahin ...«

» ... bis dahin musst du dich mit Gelegenheitsjobs über Wasser halten. Bist du eigentlich noch immer in diesem Supermarkt? Erst neulich hast du mir erzählt, dass es Schwierigkeiten gibt.«

»Ja, ich stehe noch immer hinter der Käsetheke. Eigentlich klappt es ganz gut, wenn nur dieser blöde Verkaufsleiter nicht wäre. Der hat mich echt auf dem Kieker. Jeden Tag sagt er mir, dass ich meine Haare schwarz, braun oder blond färben soll. Ich verstehe überhaupt nicht, was er gegen Rosa hat.«

»Wenn ich ehrlich bin, finde ich Rosa auch irgendwie komisch.«

»Ach ja? Das hast du mir ja noch nie gesagt. Ist aber auch egal. Als Leadsängerin von ›Music Girlfire‹ muss ich natürlich auffallen.« Vanessa griff in ihr wild toupiertes Haar und zupfte an den Strähnen herum. »Und wo soll ich jetzt bleiben, Katja?«, fragte sie dabei. »Du hast zwar gesagt, dass du mir eine Bleibe besorgen kannst. Aber heute Abend klappt das bestimmt nicht mehr. Wo soll ich denn jetzt die Nacht verbringen? In meinem Auto? Oder etwa auf der Straße? Kann ich nicht bei dir einziehen?«

»Heute Nacht kannst du bei mir schlafen. Gleich morgen finden wir eine Wohnung für dich. Ich habe da bereits etwas im Auge. Ganz hier in der Nähe, in Brückenbach. Sehr klein, aber außerordentlich günstig.«

Als Katja den Mietpreis nannte, nickte Vanessa zustimmend mit dem Kopf. Obwohl ihr der Gedanke, in Brückenbach zu wohnen, nicht sonderlich gefiel. Immerhin war sie der felsenfesten Meinung, etwas Besseres zu sein und mit ihrer Band schon bald sehr berühmt zu werden. Da sollte man schon einen standesgemäßen Wohnort haben.

Katja stand auf und ging in ihr Arbeitszimmer, um ihr Laptop zu holen. Sie wollte Vanessa die Wohnung zeigen, die eventuell für sie infrage kam. Katja rief die Homepage ihres Maklerbüros auf, wo eine kleine Einzimmerwohnung angezeigt wurde. Vanessa war sofort einverstanden, obwohl sie die Wohnung noch gar nicht besichtigt hatte. Vanessa vertraute ihrer Freundin, zumal ihr in ihrer Situation sowieso nichts anderes übrig blieb. Dass Vanessa Brückenbach als Wohnort für einen zukünftigen Mega-Star zu spießig fand, durfte da auch keine Rolle spielen. Außerdem befand sich die Wohnung ganz in der Nähe der Ebertinstraße, wo Katja lebte. Das war immerhin ein kleines Trostpflaster für Vanessa.

Katja markierte die Wohnung als ›vermietet‹, dann holte sie Bettzeug, damit Vanessa im Wohnzimmer auf der Couch schlafen konnte. Die Freundinnen saßen noch eine Weile zusammen, um noch ein Glas Wein zu trinken und über Daniel, die neue Wohnung und Vanessas Zukunft zu reden. Schließlich war es höchste Zeit für Katja, ins Bett zu gehen, sie musste morgen sehr früh aus den Federn. Katja nahm Vanessa in den Arm und fragte sie, ob sie noch irgendetwas brauchte, dann zog sie sich in ihr Schlafzimmer zurück.