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In diesen warmherzigen Romanen der beliebten, erfolgreichen Sophienlust-Serie wird die von allen bewunderte Denise Schoenecker als Leiterin des Kinderheims noch weiter in den Mittelpunkt gerückt. Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. Nach drei arbeitsfreien Tagen sollte Harald Franke für die 'Pfalzbrügger Reiseagentur' wieder den Tourenbus fahren. Seine Arbeit als Reisebusfahrer machte Harald sehr viel Freude. Er war gerne mit Menschen zusammen, zudem führten ihn die Fahrten zu den schönsten Zielen in Deutschland. Heute stand sogar eine zweitägige Reise an, welche eine Übernachtung in einem Hotel in Rüdesheim beinhaltete. Als Harald seine Tasche packte, freute er sich bereits auf die vielen Eindrücke und Begegnungen, die ihn erwarteten. Einer freute sich allerdings nicht, und das war Fietje. Kaum hatte Harald seine Tasche aus dem Schrank genommen, da wich der kleine Hund seinem Herrchen nicht mehr von der Seite, ganz so, als wolle er ihm zurufen: 'Nimm mich mit! Nimm mich mit! Das war natürlich nicht möglich. Da mochte Fietje noch so sehnsüchtig zu Herrchen aufschauen. Harald streichelte Fietje über den Kopf und kraulte ihm die Ohren. "Du musst hierbleiben, Kumpel", sagte er zu seinem Hund. "Hier im Haus bei Frau Padberg. Emmi Padberg war Haralds Nachbarin. Immer wenn Harald unterwegs war, nahm sie Fietje zu sich, und sie tat es gerne. Fietje war nämlich ein lustiger kleiner Geselle, an dem die alte Dame viel Spaß hatte. Auch Fietje mochte Frau Padberg, bei ihr ging es ihm gut, dort wurde er richtiggehend verwöhnt. Dennoch ist das eigene Herrchen für jeden Hund der Mittelpunkt der Welt. Kaum hatte Harald das Wort 'Padberg' ausgesprochen, da hüpfte Fietje mit einem Satz auf das Sofa, wo er zuerst ziemlich beleidigt herumsaß. Dann versuchte er, unter die Kissen zu kriechen und sich dort zu verstecken.
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Seitenzahl: 134
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Nach drei arbeitsfreien Tagen sollte Harald Franke für die ‚Pfalzbrügger Reiseagentur‘ wieder den Tourenbus fahren. Seine Arbeit als Reisebusfahrer machte Harald sehr viel Freude. Er war gerne mit Menschen zusammen, zudem führten ihn die Fahrten zu den schönsten Zielen in Deutschland.
Heute stand sogar eine zweitägige Reise an, welche eine Übernachtung in einem Hotel in Rüdesheim beinhaltete. Als Harald seine Tasche packte, freute er sich bereits auf die vielen Eindrücke und Begegnungen, die ihn erwarteten. Einer freute sich allerdings nicht, und das war Fietje. Kaum hatte Harald seine Tasche aus dem Schrank genommen, da wich der kleine Hund seinem Herrchen nicht mehr von der Seite, ganz so, als wolle er ihm zurufen: ‚Nimm mich mit! Nimm mich mit!’
Das war natürlich nicht möglich. Da mochte Fietje noch so sehnsüchtig zu Herrchen aufschauen. Harald streichelte Fietje über den Kopf und kraulte ihm die Ohren. „Du musst hierbleiben, Kumpel“, sagte er zu seinem Hund. „Hier im Haus bei Frau Padberg.“
Emmi Padberg war Haralds Nachbarin. Immer wenn Harald unterwegs war, nahm sie Fietje zu sich, und sie tat es gerne. Fietje war nämlich ein lustiger kleiner Geselle, an dem die alte Dame viel Spaß hatte. Auch Fietje mochte Frau Padberg, bei ihr ging es ihm gut, dort wurde er richtiggehend verwöhnt. Dennoch ist das eigene Herrchen für jeden Hund der Mittelpunkt der Welt.
Kaum hatte Harald das Wort ‚Padberg‘ ausgesprochen, da hüpfte Fietje mit einem Satz auf das Sofa, wo er zuerst ziemlich beleidigt herumsaß. Dann versuchte er, unter die Kissen zu kriechen und sich dort zu verstecken.
Harald ging noch einmal ins Bad und schaute in den Spiegel, um sein Outfit zu prüfen. Alles war bestens, er konnte starten, und auch für Fietje gab es jetzt kein Pardon mehr. Harald griff nach seiner Tasche, nahm Fietje an die Leine und ging hinüber zu Frau Padberg. Die alte Dame hatte die beiden bereits erwartet, sie öffnete die Tür, kaum dass Harald geklingelt hatte.
Fietje freute sich nun doch, Frau Padberg zu sehen, er wedelte mit dem Schwänzchen und hüpfte ein paarmal wie ein Gummiball auf und nieder. Doch als Harald seiner Nachbarin die Leine in die Hand legte, ließ er die Ohren hängen und schaute Harald an wie sieben Tage Regenwetter.
„Husch, husch in die Wohnung!“, forderte Frau Padberg den kleinen Hund auf, und zu Harald sagte sie: „ich wünsche Ihnen eine gute Reise, Herr Franke!“
Harald holte sein Fahrrad aus dem Keller. Wie immer, wenn er zu seinem Arbeitgeber fuhr, konnte er den Weg dorthin sehr genießen. Erst ging es über den historischen Marktplatz, wo sein Wohnhaus stand, dann weiter am Magdalenen-Brunnen vorbei bis zur Matthäus-Kirche, dem Wahrzeichen von Pfalzbrüggendorf. Um die Kirche reihten sich die malerischen Fachwerkhäuser dicht an dicht. Selbst jetzt, zu dieser frühen Stunde, waren bereits die ersten Touristen unterwegs. Die vielen kleinen Geschäfte und Boutiquen, die Restaurants und Bistros hatten natürlich noch geschlossen. Nur am Eiscafé wurden gerade die Rollos hochgezogen.
Harald radelte über das holprige Kopfsteinpflaster der Friedrichsgasse und weiter an den letzten Häusern vorbei bis zum Ufer der Murlitz. Schon bald konnte er die drei Brücken sehen, die seiner Heimatstadt ihren Namen gegeben hatten. Harald steuerte die erste, die Weihhauserbrücke an, direkt dahinter lag die ‚Pfalzbrügger Reiseagentur‘.
Noch während Harald auf das Bürogebäude zufuhr, blickte er sich verwundert um. Alle Busse standen noch immer auf dem Hof. Doch von seinen Kollegen war weit und breit nichts zu sehen. Normalerweise herrschte um diese Uhrzeit bereits Hochbetrieb. Busfahrer und Reisebegleiter bereiteten sich auf ihre Touren vor, und überall lief Frau Kerner, die Sekretärin, herum, um die letzten Anweisungen zu geben. Harald blickte auf seine Uhr. Hatte er sich etwa in der Zeit vertan? War er vielleicht zu früh gekommen? Nein, es war Punkt acht, genauso, wie es sein sollte.
In diesem Moment fuhr ein grüner PKW auf den Platz. Es war Rita Waldorf, die ihm für heute als Reisebegleiterin zugeteilt war. Auch sie wunderte sich über die seltsame Ruhe, die auf dem Hof herrschte. „Was ist denn hier los?“, fragte sie Harald, noch während sie aus ihrem Wagen stieg.
„Keine Ahnung“, musste Harald zugeben. „Ich gehe ins Haus und frage nach.“
Harald wandte sich dem Gebäude zu. Gerade als er hineingehen wollte, wurde die Tür geöffnet und die Sekretärin kam hinaus. Frau Kerner begrüßte Harald nur kurz, dabei blätterte sie in einem Stapel Papiere.
„Hier sind die letzten Anweisungen für Ihre Tour“, sagte sie. „Voucher, Zahlungsbelege, Adressen, das Übliche halt.“ Frau Kerner steckte die Papiere in einen Umschlag und drückte ihn Harald in die Hand.
„Dann fahren wir also los, wie geplant?“, fragte Harald.
„Selbstverständlich. Was haben Sie denn gedacht?“ Frau Kerner blickte Harald mit einem sehr ernsten Gesichtsausdruck an.
„Ich wunderte mich, dass Frau Waldorf und ich als Einzige heute hier sind“, versuchte Harald zu erklären. „Wo sind denn alle anderen? Finden heute keine weiteren Touren statt?“
„Das hat nicht Ihre Sorge zu sein“, sagte Frau Kerner kühl. „Im Übrigen bittet Sie der Chef in sein Büro, wenn Sie morgen wieder zurückkommen. Sie und Frau Waldorf.“
„Okay“, murmelte Harald, während er sich den Umschlag unter den Arm klemmte und Rita winkte, ihm zum Bus zu folgen.
„Und? Was hat Frau Kerner gesagt?“, wollte Rita wissen, während sie und Harald in den Bus stiegen.
„Eigentlich nichts“, sagte Harald und startete den Motor. „Nur dass wir morgen zum Chef kommen sollen.“
„Seltsam“, bemerkte Rita. „Aber was soll’s? Jetzt wollen wir uns auf unsere Tour freuen!“
„Ganz genau. Also auf zu den schönsten Reisezielen von Deutschland!“
Bevor es richtig losgehen konnte, musste Harald noch die Fahrgäste abholen, die sich wie üblich vor dem Bahnhof von Pfalzbrüggendorf versammelt hatten. Es waren fast alles ältere Menschen, die sich ihren Lebensabend mit unterhaltsamen Busreisen versüßen wollten. Viele Gäste kannten Harald und Rita von früheren Touren. Sie freuten sich sehr, Harald und Rita wiederzusehen. Beide waren nämlich sehr beliebt.
Nachdem auch die letzte Reisetasche verstaut, nachdem jeder Gast seinen Platz gefunden hatte, konnte Harald endlich starten. Der erste Teil der Strecke führte über die Autobahn. Dieser Teil war für die Fahrgäste ziemlich langweilig, deshalb schaltete Harald den CD-Player ein und spielte die Musik, die bei den Älteren besonders beliebt war. Natürlich waren es alte Schlager, die alle aus ihrer Jugendzeit kannten. Harald ahnte, dass die jüngeren Mitreisenden von dieser Musik nicht sonderlich begeistert sein würden. Doch wenn er die eine oder andere Zeile mitsang und gelegentlich einen Witz machte, dann ließen auch sie sich mitreißen. Dann kam die fröhliche Stimmung auf, die Harald so liebte.
Alle waren bester Laune, als der Bus das erste Etappenziel erreichte, das malerische Städtchen Appenburg. Während Rita die Gäste erst durch die verwinkelten Gassen und dann zur Burgruine führte, konnte sich Harald eine Pause genehmigen. Er machte es sich im Bus gemütlich und widmete sich voller Behagen dem Lunchpaket, das er für heute mitgenommen hatte.
Von Appenburg ging es weiter nach Rüdesheim. Jetzt kam die schönste Strecke der Reise, die Fahrt durch das romantische Rheintal. Harald fuhr bewusst langsam, damit die Gäste die Weinberge und die entzückenden Städte und Dörfer in aller Ruhe betrachten konnten. Natürlich auch die Eisenbahn auf der anderen Rheinseite, die immer wie eine Spielzeugbahn wirkte. Und nicht zu vergessen, die Ausflugsdampfer auf Vater Rhein, der so gemächlich dahinströmte.
In Rüdesheim ließ Harald Rita und die Gäste am Adlerturm aussteigen. Von dort würde Rita alle zum Hotel bringen. Danach stand eine Führung zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt auf dem Plan. Das Highlight war natürlich der Besuch des Mechanischen Musikkabinetts mit seinen Spieluhren und Drehorgeln.
Harald fuhr den Bus ein Stück aus der Stadt hinaus, bis zu dem großen Parkplatz. Von dort ging er zu Fuß zum Hotel, für heute war sein Arbeitstag beendet.
*
Nach den Besichtigungen und dem Abendessen im Hotel wollten die Gäste, die zu Haralds und Ritas Tour gehörten, in die berühmte Drosselgasse gehen. Dort reihte sich ein Weinlokal an das andere. Einige luden Rita und Harald ein, sie zu begleiten, doch beide lehnten das Angebot sehr freundlich ab. Den Angestellten der ‚Pfalzbrügger Reiseagentur‘ war es strikt untersagt, auf den Reisen Alkohol zu trinken. Und bei Wasser oder Cola in einem Weinlokal zu sitzen, das mochten weder Harald noch Rita. Außerdem hatten sie einen sehr anstrengenden Tag hinter sich, und gleich morgen würde es weitergehen.
Es war aber noch zu früh, um sich schlafen zu legen. Deshalb beschlossen sie, noch einen kleinen Abendspaziergang zu unternehmen. Harald zog es wie immer, wenn er in Rüdesheim war, zur Platanenallee, die sich am Rheinufer entlangzog. Während in der Drosselgasse und den umliegenden Straßen Jubel, Trubel, Heiterkeit herrschten, war es abends in der Platanenallee eher ruhig. Hier konnte man sich wirklich entspannen.
„Die alten Bäume sind sehr faszinierend“, sagte Rita und hängte sich bei Harald ein. „Die Platanenallee direkt hier am Rhein ist wirklich wunderschön.“ Gemeinsam schlenderten beide die Allee entlang. Schließlich setzten sie sich auf eine Bank, um die letzten Strahlen der Abendsonne zu genießen.
Lange saßen sie schweigend nebeneinander. Plötzlich blickte Rita Harald von der Seite an. „Nun sind wir schon auf vielen Reisen zusammen gewesen“, sagte sie. „Aber eigentlich weiß ich gar nichts von dir. Du erzählst niemals etwas aus deinem Leben.“
„Was soll ich erzählen?“, fragte Harald. „Was willst du denn wissen?“
„Egal, irgendetwas. – Bist du eigentlich verheiratet?“
Harald verschränkte seine Arme vor der Brust und lehnte sich auf der Bank zurück. Dabei schloss er die Augen und presste seine Lippen zusammen. Erschrocken rückte Rita ein Stück zur Seite, offenbar hatte sie einen wunden Punkt getroffen. „Tut mir leid, wenn ich dir zu nahe getreten bin“, sagte sie leise. „Das wollte ich nicht.“
Harald atmete einige Male tief durch, dann öffnete er seine Augen wieder. „Ich war verheiratet“, sagte er. „Doch meine Frau ist vor drei Jahren an Krebs verstorben. Sie hat sehr heftig gegen die Krankheit gekämpft, zum Schluss schien es ihr sogar wieder besser zu gehen. Marianne war bereits voller Hoffnung, dass sie die tückische Krankheit besiegt hatte. Doch dann ist der Krebs wieder zurückgekehrt, und das mit aller Macht. Marianne ist in meinen Armen gestorben. Seitdem bin ich allein.“
„Oh Gott, wie schrecklich! Das tut mir sehr leid für dich.“
Rita streichelte Harald über den Arm, dann blickte sie wieder auf den Fluss. Die Abendsonne hatte inzwischen rötliche Lichter auf das Wasser gezaubert. Minutenlang sagte Rita nichts mehr. Dann wollte sie doch noch etwas wissen: „Hast du denn keine Kinder?“, fragte sie.
„Doch. Ich habe eine Tochter“, seufzte Harald. „Sie heißt Sabine. Sabine lebt mit ihrer Familie in Köln. Leider können wir uns nur sehr selten sehen. Sabine arbeitet als Büroangestellte, und an den Wochenenden bin ich mit dem Bus unterwegs. Außerdem ist unser Verhältnis ziemlich angespannt. Damals, als Marianne so krank war, habe ich Sabine vorgeworfen, dass sie sich zu wenig um ihre Mutter kümmert. Deswegen ist Sabine noch heute nicht gut auf mich zu sprechen.“
„Aber eine Tochter muss sich doch um ihre Mutter kümmern, wenn sie krank ist!“, empörte sich Rita. „Und um ihren Vater auch!“
„Aber Sabine konnte doch nicht!“, versuchte Harald, seine Tochter in Schutz zu nehmen. „Ihr Job ist sehr anstrengend. Dazu hat sie ihren Mann, den Haushalt und natürlich Mathilda.“
„Wer ist denn Mathilda?“, fragte Rita.
„Mathilda ist meine Enkelin.“ Als Harald Mathilda erwähnte, ging ein kurzes Leuchten über sein Gesicht. „Mathilda ist wirklich ein Sonnenschein. Sie wird bald elf Jahre alt, sie ist schon sehr verständig für ihr Alter. Leider bekomme ich auch Mathilda nur selten zu sehen. Wir telefonieren aber oft miteinander. Im Übrigen bekommt Sabine bald noch ein Kind. Es wird ein Mädchen, es soll ‚Attilia‘ heißen.“
„Attilia?“, fragte Rita verdutzt. „So einen seltsamen Namen habe ich ja noch nie gehört.“
„Ich auch nicht. Ich finde ihn nicht nur seltsam, ich finde ihn regelrecht komisch. Hoffentlich bekommt das arme Kind später keine Probleme damit. Aber das darf ich Sabine natürlich nicht sagen. Dann ist meine Tochter erst recht sauer auf mich.“
Harald blickte auf seine Uhr, dann erhob er sich von der Bank. „Lass uns zum Hotel zurückgehen“, sagte er. „Ich möchte jetzt doch zu Bett gehen. Ich muss mich gründlich ausschlafen, damit ich morgen früh wieder fit bin. Ich liebe es, einen Reisebus zu fahren. Aber es bedeutet auch eine große Verantwortung.“
*
Am nächsten Tag ging die Fahrt zunächst wieder durch das wunderschöne Rheintal. Hinter Worms bog Harald Richtung Bad Autal ab, der nächsten Etappe der Reise. Die Stimmung im Bus war ausgelassen und fröhlich, als Harald den Busparkplatz am Fuß der Autaler Höhen erreichte. Von hier führte Rita die Gäste in die schmucke Kleinstadt mit ihren hübschen Fachwerkhäusern. Auch die barocke Marienkirche wollte man natürlich besichtigen.
Unterdessen wartete Harald auf dem Parkplatz. Erst lief er ein wenig herum, um sich die Beine zu vertreten. Dann stieg er wieder in den Bus und lehnte sich auf dem Fahrersitz zurück. Rita und die Fahrgäste würden erst in zwei Stunden zurückkommen, er wollte sich ein wenig entspannen.
Doch es gelang ihm nicht. Immer wieder ging ihm das Gespräch durch den Kopf, das er gestern mit Rita an der Platanenallee geführt hatte. Vielleicht hätte er gar nicht von Sabine und der angespannten Beziehung zu ihr erzählen sollen, doch nun war es geschehen und ließ sich nicht mehr ändern. Harald dachte auch an Thorsten, seinen Schwiegersohn, und natürlich an Mathilda. Und an Fietje, der würde sich freuen wie Bolle, wenn sein Herrchen heute Abend zurückkam. Harald dachte auch an Sabines Baby, das bald das Licht der Welt erblicken würde, das Baby, das ‚Attilia‘ heißen sollte. Ausgerechnet Attilia! Harald konnte sich noch immer nicht an den Namen gewöhnen.
Er seufzte und kuschelte sich noch tiefer in seinen Fahrersessel hinein, als schließlich Mariannes Bild auftauchte. Wir sehr hatten er und sie sich geliebt! So viele wunderschöne Jahre, die sie miteinander verbringen durften! Die Freude über das gemeinsame Kind, Sabine, die wohlbehütet aufgewachsen und schließlich erwachsen geworden war …, die zu Thorsten nach Köln gezogen war … Mit der Zeit fielen Harald die Augen zu, langsam dämmerte er in das Land der Träume hinüber …
„Harald! Wieso bist du hier?“ Harald zuckte erschrocken zusammen, mit einem Schlag war er wieder hellwach. Einer seiner Kollegen stand im Fahrerraum. Es war Kuno Welser, der als Busfahrer für ein Stuttgarter Reiseunternehmen arbeitete.
„Wir haben eine Tour nach Appenburg, nach Rüdesheim und Bad Autal“, erklärte Harald. „Wieso fragst du?“
„Ich dachte, die ‚Pfalzbrügger Reiseagentur‘ fährt gar nicht mehr“, sagte Kuno.
„Wieso sollten wir nicht mehr fahren? Du siehst doch, dass wir hier sind.“
„Ach so“, sagte Kuno. „Na ja, dann war alles wohl nur Gerede.“
„Ich verstehe überhaupt nicht, wovon du sprichst.“ Harald war wirklich ratlos.
„Die Kollegen haben heute Morgen alle möglichen Spekulationen angestellt … Sorry, Harald, ich muss zurück zu meinem Bus. Meine Reisegruppe kommt gerade zurück.“ Und schon war Kuno wieder verschwunden.
Harald verließ seinen Platz, so schnell er konnte. Er wollte Kuno fragen, was der mit seinen Andeutungen meinte. Inzwischen war Kuno jedoch von einer Menschentraube umringt. Die Gelegenheit, ihn zu befragen, war denkbar ungünstig. Also ging Harald zurück zu seinem Bus und setzte sich wieder auf den Fahrersitz. Dabei kam ihm erneut die merkwürdige Situation in den Sinn, die er gestern auf dem Hof der ‚Pfalzbrügger Reiseagentur‘ vorgefunden hatte, diese seltsame Leere …
Harald war froh, als Rita und die Reisegruppe wieder zurückkamen. Rita setzte sich auf den Platz, welcher der Reiseleiterin vorbehalten war. Harald fuhr noch eine ganze Strecke über die Landstraße, zum Schluss ging es wieder über die Autobahn. Inzwischen hatte die Hauptverkehrszeit eingesetzt, doch das war eigentlich kein Problem. Die Fahrtzeit, die man dafür veranschlagen musste, hatte Haralds Reiseunternehmen natürlich einkalkuliert.
Nicht jedoch den Stau, in dem der Bus bald feststeckte. Es ging nur im Schneckentempo voran, weshalb Harald eine dreiviertel Stunde zu spät am Bahnhof von Pfalzbrüggendorf ankam.
Die Fahrgäste hatten die Reise sehr genossen, sie verabschiedeten sich überschwänglich von ihrem Busfahrer und der Reiseleiterin. Harald und Rita winkten den Gästen noch einmal zu, während sie wieder in den Bus stiegen. Dann fuhren sie zurück zur ‚Pfalzbrügger Reiseagentur‘.
Auf der Weihhauserbrücke wandte sich Harald an Rita: „Vorhin habe ich Kuno Welser getroffen, du kennst ihn sicher auch“, sagte er.
„Natürlich“, bestätigte Rita.