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Theben, die verfluchte Stadt: Nach Ödipus' Fall sollten seine Söhne Eteokles und Polyneikes den Thron teilen – Jahr um Jahr abwechselnd regieren. Doch als Eteokles' Zeit um ist, weigert er sich, die Krone abzugeben. Der betrogene Polyneikes sammelt ein Heer und marschiert gegen seine eigene Heimat.Zwischen den verfeindeten Brüdern steht ihre Mutter Iokaste, zerrissen zwischen Mutterliebe und Verzweiflung über den Fluch, der auf ihrer Familie lastet. Während die Armeen vor den Toren Thebens aufmarschieren, kämpft sie verzweifelt um Versöhnung. Doch der Hass zwischen den Brüdern ist tödlich – genährt von gekränktem Stolz, blindem Machthunger und dem dunklen Erbe ihres Vaters.In diesem packenden Roman wird Racines klassische Tragödie zu einem zeitlosen Thriller über Macht, Familie und das verhängnisvolle Schicksal zweier Brüder, die sich gegenseitig vernichten. Eine Geschichte, die zeigt: Manche Flüche erfüllen sich selbst.
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Seitenzahl: 52
Veröffentlichungsjahr: 2025
Anno Stock
Die Brüder von Theben - Kein Drama nach Jean Racine
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Table of Contents
DIE BRÜDER VON THEBEN
Kapitel 1: Das Erbe des Ödipus
Kapitel 2: Der Verbannte
Kapitel 3: Die Mutter zwischen den Fronten
Kapitel 4: Im Thronsaal
Kapitel 5: Antigones Aufstand
Kapitel 6: Die letzte Nacht
Kapitel 7: Der erste Angriff
Kapitel 8: Im Auge des Sturms
Kapitel 9: Das siebte Tor
Kapitel 10: Iokastes Verzweiflung
Kapitel 11: Die Herausforderung
Kapitel 12: Zwischen den Fronten
Kapitel 13: Der letzte Kampf
Kapitel 14: Brüderblut
Kapitel 15: Nach dem Sturm
EPILOG: DAS ENDE EINES GESCHLECHTS
EPILOG: NACH DEM FLUCH
Nachwort: Die Chronistin
Impressum neobooks
Ein Roman nach Jean Racines "La Thébaïde"
Eine zeitlose Tragödie in neuem Gewand: Die Geschichte zweier Brüder, die sich im Kampf um Macht und Anerkennung selbst zerstören – erzählt mit der psychologischen Tiefe eines modernen Romans und der epischen Wucht der antiken Tragödie.
ERSTER TEIL: DER FLUCH
Der Morgen dämmerte blutrot über Theben.
Eteokles stand auf der höchsten Zinne des Palastes und beobachtete, wie die Sonne langsam über die sieben Tore der Stadt kroch. Seine Finger umklammerten das kalte Gestein der Brüstung so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. Ein Jahr. Ein verdammtes Jahr hatte er nun auf diesem Thron gesessen, und heute – heute sollte er ihn wieder abgeben.
Niemals, dachte er und spürte, wie sich seine Kiefermuskeln anspannten. Nicht an ihn.
Die Stadt unter ihm erwachte. Händler öffneten ihre Läden, Wachen wechselten ihre Posten, und irgendwo krähte ein Hahn – als wäre dies ein Tag wie jeder andere. Als läge nicht der Schatten eines uralten Fluches über allem, was sie berührten. Als wäre ihr Vater Ödipus nicht wahnsinnig geworden, nachdem er erkannt hatte, dass er seinen eigenen Vater erschlagen und seine Mutter geheiratet hatte. Als hätte er sich nicht die Augen ausgestochen und wäre schreiend in die Verbannung geflohen, während ihre Mutter Iokaste sich in ihren Gemächern erhängte.
Eteokles schloss die Augen. Er konnte noch immer das Seil knarren hören, wenn er nachts nicht schlafen konnte. Konnte noch immer den Anblick seines blinden, blutenden Vaters vor sich sehen, der mit ausgestreckten Armen durch die Hallen taumelte und nach seinen Söhnen rief – nicht um Hilfe zu erbitten, sondern um sie zu verfluchen.
"Ihr werdet euch gegenseitig töten", hatte Ödipus geschrien, während das Blut aus seinen leeren Augenhöhlen über seine Wangen lief. "Bruder wird Bruder erschlagen, und das Haus der Labdakiden wird in seinem eigenen Blut ertrinken!"
Ein Schauer lief über Eteokles' Rücken. Er öffnete die Augen wieder und zwang sich, an die Gegenwart zu denken. An die Macht, die er in Händen hielt. An die Armee, die ihm gehorchte. An die Stadt, die unter seiner Herrschaft gedieh.
Polyneikes konnte ruhig kommen. Sollte er doch versuchen, ihm den Thron zu entreißen.
"Mein König?"
Eteokles drehte sich um. Kreon, sein Onkel und wichtigster Berater, stand in der Tür zum Wehrgang. Sein Gesicht war wie immer eine undurchdringliche Maske – ein Mann, der gelernt hatte, seine wahren Gedanken tief zu verbergen. Eteokles hatte nie herausgefunden, ob Kreon ihm wirklich loyal war oder nur auf seine Chance wartete.
"Was gibt es, Onkel?"
"Ein Bote ist eingetroffen. Aus Argos."
Argos. Natürlich. Dort hatte Polyneikes Zuflucht gefunden, nachdem Eteokles sich geweigert hatte, den Thron nach dem vereinbarten Jahr abzugeben. Dort hatte er die Tochter des Königs Adrastos geheiratet und sich Verbündete gesucht.
"Was will er?"
Kreon trat näher, und Eteokles sah zum ersten Mal so etwas wie Besorgnis in seinen Augen aufflackern. "Dein Bruder marschiert mit einer Armee auf Theben zu. Sieben Fürsten führen sieben Heerscharen gegen unsere sieben Tore."
Die Nachricht traf Eteokles wie ein Schlag in die Magengrube, aber er ließ es sich nicht anmerken. Stattdessen lächelte er kalt. "Dann soll er kommen. Thebens Mauern haben schon ganz andere Stürme überstanden."
"Eteokles..." Kreon zögerte, was ungewöhnlich für ihn war. "Deine Mutter wünscht dich zu sprechen. Sie... sie hat einen Vorschlag."
Mutter. Iokaste. Die Frau, die gleichzeitig seine Mutter und seine Großmutter war. Die Frau, die den Wahnsinn überlebt hatte, der ihren Mann – ihren Sohn – zerstört hatte. Die einzige, die vielleicht noch schlimmer unter dem Fluch litt als er und Polyneikes selbst.
"Lass sie kommen", sagte Eteokles und wandte sich wieder der aufgehenden Sonne zu. "Aber sag ihr, dass meine Entscheidung feststeht. Ich werde nicht weichen."
Polyneikes ritt an der Spitze seiner Armee, und mit jedem Schritt, den sein Pferd machte, kam er Theben näher. Seiner Heimat. Seinem rechtmäßigen Erbe. Seinem verräterischen Bruder.
Der Staub der marschierenden Soldaten hüllte alles in einen feinen, grauen Schleier. Siebentausend Mann folgten ihm – die besten Krieger aus Argos und den verbündeten Städten. Männer, die bereit waren, für ihn zu sterben. Oder besser gesagt: für das Gold und die Beute, die er ihnen versprochen hatte.
Bin ich wirklich so weit gesunken?, fragte er sich, während er die Reihen seiner Söldner musterte. Dass ich Fremde anheuere, um gegen meine eigene Stadt zu kämpfen?
Aber was blieb ihm anderes übrig? Eteokles hatte sein Wort gebrochen. Sie hatten sich geeinigt, jeder ein Jahr zu herrschen, abwechselnd, um den Frieden zu wahren. Polyneikes hatte das erste Jahr im Exil verbracht, hatte gewartet, hatte die Demütigung ertragen. Und als seine Zeit gekommen war, hatte Eteokles einfach gelacht.
"Der Thron gehört dem, der stark genug ist, ihn zu halten", hatte sein Bruder gesagt, als Polyneikes vor den Toren Thebens stand und Einlass begehrte. "Und du, kleiner Bruder, bist nicht stark genug."
Kleiner Bruder. Als ob die paar Minuten, die Eteokles früher aus dem Leib ihrer Mutter gekommen war, ihm das Recht gäben, alles zu besitzen.
"Mein Fürst!"
Polyneikes wurde aus seinen Gedanken gerissen. Tydeus, einer seiner wichtigsten Hauptleute und der wildeste Krieger, den er je gesehen hatte, ritt an seine Seite. Der Mann war klein und untersetzt, aber in seinen Augen brannte ein Feuer, das selbst Polyneikes manchmal unheimlich war.
"Was gibt es, Tydeus?"
"Die Späher melden, dass Thebens Tore verschlossen sind. Die Mauern sind bemannt. Dein Bruder erwartet uns."