Die Jungfrau von Orleans - Kein Drama nach Friedrich Schiller - Anno Stock - E-Book

Die Jungfrau von Orleans - Kein Drama nach Friedrich Schiller E-Book

Anno Stock

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Beschreibung

Lustspiele, Komödien, Tragödien, Dramen – viele klassische Bühnenwerke sind für die meisten Menschen heute Bücher mit sieben Siegeln. Insbesondere die altertümliche Sprache und der sprachliche Aufbau als Bühnenstück lassen nicht nur Schülerinnen und Schüler verzweifeln. Die Reihe "Kein Drama" bringt alte Klassiker in Prosa neu heraus. So werden sie endlich für jede und jeden verständlich.

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Seitenzahl: 99

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Die Personen des Dramas – Ein modernes Vorwort

Die Welt von Johanna d'Arc

Das Frankreich des frühen 15. Jahrhunderts war ein zerrissenes Land. Seit fast hundert Jahren tobte der Krieg zwischen England und Frankreich, und die französische Krone schien verloren. In dieser dunkelsten Stunde sollte ein junges Mädchen aus einem kleinen Dorf die Geschichte für immer verändern.

Am französischen Königshof

Karl der Siebte war eigentlich König von Frankreich – zumindest auf dem Papier. In Wirklichkeit kontrollierte er kaum mehr als ein paar Provinzen südlich der Loire. Mit seinen knapp dreißig Jahren wirkte er oft unsicher und zögerlich, als würde die Last der Krone zu schwer auf seinen schmalen Schultern liegen. Seine Feinde nannten ihn spöttisch den "König von Bourges", nach der kleinen Stadt, in der er Hof hielt.

Seine Mutter, Königin Isabeau, hatte ihn vor Jahren verstoßen und für illegitim erklärt. Die alternde Königin hatte sich auf die Seite der Engländer geschlagen – ein Verrat, der Karl bis ins Mark traf. "Meine eigene Mutter", murmelte er oft bitter, wenn er nachts nicht schlafen konnte. "Mein eigenes Blut kämpft gegen mich."

Trost fand der junge König nur bei Agnes Sorel, seiner Geliebten. Die schöne, kluge Frau mit dem goldenen Haar war mehr als nur eine Mätresse – sie war seine Vertraute, seine Beraterin, manchmal die einzige Person, die es wagte, ihm die Wahrheit zu sagen. "Du musst stark sein, Karl", flüsterte sie ihm zu, wenn die Zweifel ihn übermannten. "Frankreich braucht einen König, keinen Zauderer."

Die französischen Getreuen

In den Reihen der königlichen Armee kämpfte Graf Dunois, den alle nur den "Bastard von Orleans" nannten. Der uneheliche Sohn des Herzogs von Orleans trug seinen Beinamen mit Stolz. Er war ein brillanter Stratege Mitte dreißig, dessen Loyalität zu Karl unerschütterlich war, auch wenn er manchmal an dessen Führungsstärke zweifelte.

An seiner Seite kämpften die Offiziere La Hire und Du Chatel – zwei Männer, die unterschiedlicher nicht sein konnten. La Hire war ein raubeiniger Haudegen, der fluchte wie ein Kesselflicker und im Kampf keine Gnade kannte. Du Chatel dagegen war ein nachdenklicher Ritter alter Schule, der noch an Ehre und Ritterlichkeit glaubte, auch wenn der Krieg längst alle Regeln über Bord geworfen hatte.

Der Erzbischof von Reims vertrat die Kirche am Königshof. Der würdevolle alte Mann mit dem weißen Bart sah in Karl den rechtmäßigen, von Gott gesalbten König – aber die Krönung in Reims schien in unerreichbarer Ferne, solange die Engländer die Stadt und die Kathedrale kontrollierten.

Die Familie d'Arc

In dem kleinen Dorf Domrémy an der Grenze zu Lothringen lebte Thibaut d'Arc, ein wohlhabender Bauer, mit seinen drei Töchtern. Thibaut war ein Mann der alten Schule – fromm, arbeitsam und davon überzeugt, dass Frauen heiraten und Kinder bekommen sollten, nicht in den Krieg ziehen.

Seine älteste Tochter Margot war genau so, wie er es sich wünschte: hübsch, fleißig und bereit, den reichen Bauernsohn Raimond zu heiraten, der schon lange um sie warb. Auch die mittlere Tochter Louison hatte bereits Verehrer – Etienne und Claude Marie wetteiferten um ihre Gunst.

Nur die jüngste, Johanna, bereitete ihm Sorgen. Mit ihren siebzehn Jahren war sie anders als ihre Schwestern – verschlossen, verträumt, oft stundenlang allein in den Feldern oder beim Beten in der kleinen Dorfkirche. "Was ist nur mit dir los, Kind?", fragte Thibaut sie immer wieder besorgt. Aber Johanna schwieg über die Stimmen, die sie hörte, über die Visionen, die sie heimsuchten.

Ihr Nachbar Bertrand, ein einfacher Landmann, beobachtete die seltsame junge Frau mit einer Mischung aus Furcht und Ehrfurcht. Er sollte später derjenige sein, der ihr half, zum König zu gelangen.

Die englischen Eroberer

Die englische Armee wurde von Talbot angeführt, einem erfahrenen Feldherrn Ende vierzig, dessen Name allein den französischen Soldaten Angst einjagte. Talbot war ein harter, aber fairer Kommandant, der seine Siege nicht der Brutalität, sondern überlegener Strategie und eiserner Disziplin verdankte.

Unter seinem Kommando dienten Lionel und Fastolf, zwei junge Offiziere, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Lionel war ein idealistischer Ritter Anfang zwanzig, der noch an die edlen Ideale des Rittertums glaubte. Fastolf dagegen war ein zynischer Pragmatiker, für den der Krieg nur ein blutiges Geschäft war. Der walisische Hauptmann Montgomery vervollständigte die Führungsriege – ein schweigsamer Mann, dessen Bogenschützen gefürchtet waren.

Die Burgunder – zwischen den Fronten

Herzog Philipp der Gute von Burgund war der mächtigste Adlige Frankreichs – und gleichzeitig Verbündeter der Engländer. Der stolze Herzog hatte seine eigenen Gründe, gegen Karl zu kämpfen: Karls Leute hatten vor Jahren Philipps Vater ermordet, und diese Blutschuld stand zwischen ihnen.

Mit ihm kämpften burgundische Ritter wie Chatillon und andere Adlige, die zwischen ihrer Loyalität zu Frankreich und ihrem Treueeid gegenüber Burgund hin- und hergerissen waren.

Die mystische Erscheinung

In den Schatten dieser Geschichte bewegte sich eine geheimnisvolle Gestalt – ein schwarzer Ritter, von dem niemand wusste, ob er real war oder nur eine Vision. Manche sagten, er sei der Teufel selbst, andere hielten ihn für einen Engel in dunkler Rüstung. Er sollte in Johannas schwerster Stunde erscheinen und ihr Schicksal für immer verändern.

Das einfache Volk

Und dann waren da noch die namenlosen Vielen – die Soldaten und Bürger, die Köhler und Bauern, die Ratsherren von Orleans und all die anderen, die in diesem endlosen Krieg litten, hofften und starben. Sie waren die stummen Zeugen einer Zeit, in der sich das Schicksal Frankreichs entscheiden sollte.

In den belagerten Städten hungerten sie, auf den Schlachtfeldern verbluteten sie, in den Dörfern beteten sie für ein Wunder. Und dieses Wunder sollte in Gestalt eines siebzehnjährigen Bauernmädchens kommen, das behauptete, Gottes Stimme zu hören.

Der Vorabend des Wunders

Dies waren die Menschen, deren Schicksale sich in den kommenden Monaten auf dramatische Weise verflechten sollten. Ein schwacher König, der nach Legitimität suchte. Ein junges Mädchen, das von göttlichen Visionen getrieben wurde. Feinde, die zu Verbündeten werden könnten. Und eine Nation, die am Abgrund stand.

Die Geschichte, die ich euch erzählen werde, handelt von Mut und Verrat, von Glaube und Zweifel, von Liebe und Opfer. Es ist die Geschichte von Johanna d'Arc – der Jungfrau von Orleans –, die Frankreich rettete und dafür mit ihrem Leben bezahlte.

Aber bevor das Wunder geschah, bevor die Stimmen Johanna zum König führten, bevor die ersten Schlachten geschlagen wurden, war da nur ein kleines Dorf an der Maas, wo ein Vater sich Sorgen um seine jüngste Tochter machte...

Kapitel 1: Die Schatten des Krieges

Das Tal von Domrémy

Der Morgen dämmerte über dem Tal von Domrémy, und die ersten Sonnenstrahlen brachen durch den Nebel, der wie ein silberner Schleier über den Wiesen lag. Die alte Eiche am Dorfrand warf lange Schatten über das taufeuchte Gras, während in der kleinen Kapelle daneben die verwitterte Statue der Heiligen Jungfrau stumm über das Land wachte.

Thibaut d'Arc stand vor seinem Haus und betrachtete die friedliche Szene mit düsteren Gedanken. Er war ein kräftiger Mann Mitte fünfzig, dessen wettergebräuntes Gesicht von Jahren harter Arbeit auf den Feldern gezeichnet war. Doch heute lastete mehr als nur die übliche Sorge eines Bauern auf seinen breiten Schultern.

Die Nachbarn hatten sich bereits im Hof versammelt – Männer und Frauen aus dem Dorf, deren Gesichter die gleiche Mischung aus Angst und Entschlossenheit zeigten. Auch die drei jungen Schäfer waren gekommen: Etienne, ein stämmiger Bursche mit ehrlichem Gesicht; Claude Marie, schlank und nachdenklich; und Raimond, der Jüngste und Schönste von ihnen, dessen dunkle Augen immer wieder suchend umherschweiften.

Thibauts drei Töchter standen neben ihm. Margot, die Älteste, hatte das praktische Wesen ihrer Mutter geerbt und blickte ruhig in die Runde. Louison, die Mittlere, spielte nervös mit einer Haarsträhne und warf verstohlen Blicke zu Claude Marie hinüber. Nur Johanna, die Jüngste mit ihren siebzehn Jahren, stand abseits und starrte in die Ferne, als könnte sie durch den Morgennebel hindurch etwas sehen, was den anderen verborgen blieb.

Die Ansprache

Thibaut räusperte sich und trat einen Schritt vor. Seine tiefe Stimme durchbrach die morgendliche Stille.

"Ja, liebe Nachbarn", begann er schwer. "Heute sind wir noch Franzosen. Noch sind wir freie Bürger und Herren über den alten Boden, den unsere Väter seit Generationen gepflügt haben." Er machte eine Pause und ließ seinen Blick über die besorgten Gesichter schweifen. "Aber wer weiß, wer morgen über uns befehlen wird?"

Ein Murmeln ging durch die Menge. Eine alte Frau bekreuzigte sich.

"Überall lässt der Engländer sein siegreiches Banner wehen", fuhr Thibaut fort, und seine Stimme wurde härter. "Seine Reiter zerstampfen Frankreichs blühende Felder. Paris – unsere stolze Hauptstadt – hat ihn bereits als Sieger empfangen. Mit der alten Krone Dagoberts schmücken sie jetzt den Sprössling eines fremden Stammes."

Er ballte die Fäuste. "Der rechtmäßige Enkel unserer Könige muss wie ein Bettler durch sein eigenes Reich irren, enterbt und auf der Flucht. Und gegen ihn kämpft sein eigener Vetter, sein wichtigster Pair – ja, sogar seine eigene Mutter, diese Rabenmutter, führt die Feinde an!"

Die Zuhörer schüttelten empört die Köpfe. Königin Isabeau war für sie zur Verräterin geworden, schlimmer als die Engländer selbst.

"Rings um uns brennen Dörfer und Städte", Thibauts Stimme wurde leiser, eindringlicher. "Immer näher wälzt sich der Rauch der Verwüstung an unsere Täler heran, die noch friedlich ruhen. Wie lange noch?"

Er wandte sich seinen Töchtern zu. "Darum, liebe Nachbarn, habe ich mich mit Gott entschlossen – solange ich es heute noch vermag – meine Töchter zu versorgen. Denn in Kriegszeiten braucht eine Frau einen Beschützer. Und treue Liebe hilft, alle Lasten zu tragen."

Die Verlobungen

Thibaut winkte Etienne zu sich. Der junge Mann trat nervös vor, seine Wangen röteten sich.

"Kommt, Etienne!", rief Thibaut mit einem Anflug von Wärme in der Stimme. "Ihr werbt schon lange um meine Margot. Unsere Äcker grenzen aneinander, und eure Herzen stimmen überein – das gibt ein gutes Ehebündnis!"

Margot lächelte und trat zu Etienne. Sie legte ihre Hand in seine, und ein zufriedenes Raunen ging durch die Menge.

Dann wandte sich Thibaut an Claude Marie. "Claude Marie! Ihr schweigt, und meine Louison schlägt die Augen nieder?" Ein verschmitztes Lächeln huschte über sein Gesicht. "Soll ich etwa zwei Herzen trennen, die sich gefunden haben, nur weil ihr mir keine Schätze bieten könnt?"

Er schüttelte den Kopf. "Wer hat in diesen Zeiten schon Schätze? Haus und Scheune können morgen schon Beute des nächsten Feindes oder Opfer der Flammen sein. Die treue Brust eines braven Mannes – das ist das einzige sturmfeste Dach in diesen Zeiten!"

"Mein Vater!", rief Louison glücklich und fiel ihm um den Hals.

"Meine Louison!", Claude Marie strahlte und nahm ihre Hand.

Louison löste sich von ihrem Vater und umarmte Johanna. "Liebe Schwester!", flüsterte sie mit Tränen der Freude in den Augen.

Thibaut nickte zufrieden. "Ich gebe jeder von euch dreißig Morgen Land, eine Kuh, ein Pferd und einen Pflug. Und wie Gott mich gesegnet hat, so segne ich euch!"

Die Menge jubelte. Margot umarmte ihre jüngste Schwester und flüsterte ihr zu: "Mach unseren Vater glücklich, Johanna! Tu es wie wir! Lass diesen Tag drei Hochzeiten sehen!"

Doch Johanna schwieg und wich ihrem Blick aus.

Der unerfüllte Wunsch

Thibaut entließ die Verlobten mit einer Handbewegung. "Geht nun und bereitet alles für den Empfang der Gäste vor, die morgen zum Fest kommen werden!"

Die beiden Paare gingen Arm in Arm davon, gefolgt von den meisten Nachbarn, die aufgeregt über die bevorstehenden Hochzeiten plauderten. Nur Thibaut, Raimond und Johanna blieben zurück.

Die Stille, die nun folgte, war schwer und drückend. Thibaut betrachtete seine jüngste Tochter mit einer Mischung aus Sorge und Frustration.

"Deine Schwestern, Johanna", begann er langsam, "machen mir Freude. Ich sehe sie gern als glückliche Bräute – sie werden mein Alter erhellen." Er seufzte tief. "Aber du, meine Jüngste, du bereitest mir Kummer."

Raimond trat einen Schritt vor. "Was fehlt ihr denn, Vater Arc? Warum tadelt Ihr Euer Kind?"

Thibaut deutete auf den jungen Mann. "Hier steht dieser edle Jüngling, Raimond – der beste Schäfer im ganzen Dorf! Drei Jahre lang hat er dir treu sein Herz bewahrt, Johanna. Drei Jahre! Und du? Du verschmähst ihn kalt und sprichst kein einziges freundliches Wort zu ihm."