Drachenbund - Dennis L. McKiernan - E-Book

Drachenbund E-Book

Dennis L. McKiernan

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Beschreibung

Die atemberaubende Drachen-Saga von Bestsellerautor Dennis L. McKiernan: In Mithgar werden zwei Auserwählte geboren – ein Kind des Lichts, ein Kind der Dunkelheit. Der Halbelf Bair ist die Hoffnung der freien Völker. Doch sein Widersacher trägt das Zeichen der Drachen, die einer Prophezeiung zufolge den gesamten Kontinent mit ihrer Magie unterwerfen werden. Das Abenteuer beginnt …

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Seitenzahl: 393

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Das Buch

Mysteriöse Zeichen weisen auf den Anbruch der Zeit der Trinität hin: Ein Kind wird mit einem Mal auf der Stirn geboren, das es als den lange erwarteten Magier-Kriegerkönig ausweist. Ein Fischer findet im Bauch eines riesigen Hais einen kostbaren Kristall, der geheimnisvoll leuchtet. Mächtige Kreaturen machen sich auf den Weg zu einem Ort tief unter dem Vulkan, wo sich einst ein Drache ins Feuer geworfen hatte – der Drachenschlund. Das eigentliche Wunder aber besteht in einer Verbindung von Mensch und Elf, die bislang für unmöglich gehalten wurde: Riatha und Urus bekommen einen Sohn, ein Elfenkind. Handelt es sich bei diesem Kind um das Unmögliche Kind, von dem die Lieder künden? Der Wolfmagier Dalavar kommt in das abgeschiedene Tal, wo der Junge behütet aufwächst, um seine Eltern zu warnen: Ihr Sohn, der Bair genannt wird, schwebt in großer Gefahr. Bald darauf verlässt Bair das Tal …

Dennis L. McKiernans MITHGAR-Romane:

Bd. 1: Zwergenkrieger Bd. 2: Zwergenzorn Bd. 3: Zwergenmacht Bd. 4: Elfenzauber Bd. 5: Elfenkrieger Bd. 6: Elfenschiffe Bd. 7: Elfensturm Bd. 8: Magiermacht Bd. 9: Magierschwur Bd. 10: Magierkrieg Bd. 11: Magierlicht Bd. 12: Drachenbann Bd. 13: Drachenmacht Bd. 14: Drachenbund Bd. 15: Drachenkrieg

Der Autor

Dennis L. McKiernan, geboren 1932 in Missouri, lebt mit seiner Familie in Ohio. Mit seinen Romanen aus der magischen Welt Mithgar gehört er zu den erfolgreichsten Fantasy-Autoren der Gegenwart.

Inhaltsverzeichnis

Das BuchDer AutorWidmungEin Teil von MithgarANMERKUNGEN DES AUTORSProlog - FLUCHT1. Kapitel - WEHEN2. Kapitel - FREUDECopyright

Für Martha Lee McKiernan So fing es an und so ist es.

Ein Teil von Mithgar

ANMERKUNGEN DES AUTORS

Drachenbund erzählt die Geschichte des Unmöglichen Kindes.

Ihre Wurzeln reichen bis in die ferne Vergangenheit zurück, wenn dieser Roman auch an einem Wintertag des Jahres 5E 1009 beginnt. Doch er springt fast unmittelbar sechsundzwanzig Jahre zurück, zum Sommertag des Jahres 5E983. Doch keine Angst, die Geschichte wird zu ihrem Anfang finden und von dort an fortschreiten.

Die Geschichte des Unmöglichen Kindes wurde aus mehreren Quellen rekonstruiert, unter denen nicht die geringste die Anmerkungen zu Faerils Tagebuch waren, von denen noch Fragmente existieren, und der verbrannte Teil der Jingarischen Schriftrolle, den ich mit Hilfe eines Infrarotscanners rekonstruieren konnte.

Da wir gerade von dieser Jingarischen Schriftrolle sprechen, sei hier eine Korrektur angemerkt: Als ich das Nachwort zu Elfenzauber und Elfenkrieger geschrieben habe, stellte ich eine Annahme über das an, was in der Gegend geschrieben und vom Feuer zerstört worden war. Es trifft nicht zu, dass der Fischer seinen Fang zum Dorf brachte, wo er die Entdeckung machte. Seit der Zeit, in der ich diesen Epilog schrieb, und den dankenswerten Fortschritten im Bereich des Infrarotscannens ist es mir jetzt gelungen, die Ideographen auf dem verbrannten Teil der Rolle zu dechiffrieren. Und indem ich jetzt die Geschichte des Unmöglichen Kindes erzähle, habe ich die Geschichte des Fischers so geschrieben, wie sie vor langer Zeit auf dieser lange verschollenen Rolle aufgeschrieben war.

Außerdem war die Bezugsquelle Kommentare der Balladen des Barden Estor, die ich beim Verfassen eines früheren Werkes – Zwergenkrieger – nutzte, ebenfalls teilweise dem Feuer anheimgefallen, und einige Vermutungen, die ich seitdem über die Große Scheidung angestellt hatte, haben sich als Irrtümer erwiesen: 1. Beim Verfassen von Zwergenkrieger ging ich davon aus, dass die Magier aus Adonar kommen, während sie tatsächlich aus der Magierwelt von Vadaria stammen, und 2. habe ich auch angenommen, dass die Draega auf Mithgar wegen der Großen Scheidung gestrandet wären. Indem ich jetzt die Geschichte des Unmöglichen Kindes erzähle, und vor allem bei der Schilderung der Welt des Wolfmagiers Dalavar, habe ich diese Fehler korrigiert … sollte eine revidierte Version von Zwergenkrieger erscheinen, werden sie dort ebenfalls berichtigt.

Ich entschuldige mich für diese früheren Ungenauigkeiten bei meinen Lesern und werde mich in Zukunft mehr bemühen, solche Fehler zu vermeiden. Aber da meine Originalquellen so spärlich gesät sind, fülle ich die Seiten in dieser Geschichte wie auch in allen vorherigen mit Annahmen. Im Kern jedoch orientiert sich die Geschichte an ihren Quellen.

Wie auch schon in meinen anderen Werken über Mithgar gibt es hier viele Situationen, in denen sich, durch den Druck des Augenblickes veranlasst, Menschen, Magier, Elfen und andere in ihrer Muttersprache ausdrücken; um mühsame Übersetzungen zu vermeiden, habe ich ihre Worte wenn nötig ins Pellarion übertragen, der Gemeinsprache von Mithgar. In einigen Fällen jedoch habe ich die Sprache unverändert gelassen, um zu demonstrieren, wie viele Sprachen auf Mithgar gesprochen wurden. Außerdem sperren sich einige Worte und Ausdrücke einer Übersetzung; diese habe ich ebenfalls entweder nicht verändert oder in besonderen Fällen einen entsprechenden Ausdruck in Klammern dazu gesetzt, der die Besonderheit des Wortes betont, zum Beispiel (seht), (Feuer) und dergleichen. Außerdem könnte man meinen, dass einige Worte falsch geschrieben sind, deren Schreibweise in Wirklichkeit jedoch korrekt ist – zum Beispiel ist DelfHerr tatsächlich ein einziges Wort, das nur einen Großbuchstaben in der Mitte aufweist.

Die Elfensprache Sylva ist sehr alt und formal. Um ihre besondere Art zu erhalten, habe ich auch alte Formen verwendet, jedoch im Interesse der Lesbarkeit nur sehr zurückhaltend, und einige der archaischeren Ausdrücke weggelassen.

Für die Neugierigen: Das w in Rwn klingt wie ein uu, immerhin ist ein w ein doppeltes u, was ausgesprochen wie das u in Rune klingt. Also wird Rwn nicht Renn ausgesprochen, sondern Ruun.

Schließlich wird in dieser Geschichte auf verschiedene bedeutende historische Ereignisse angespielt. Denjenigen, die sich für weitere Einzelheiten interessieren, empfehle ich die entsprechenden Werke.

DENNIS L. MCKIERNAN

Weissagungen sind häufig subtil …und auch tückisch. So mögt Ihr wähnen,dass sie das eine meinen,obwohl sie etwas vollkommenanderes bedeuten.

Prolog

FLUCHT

Wintertag, 5E1009 (Gegenwart)

In einer Lawine aus Schnee sprang der Silberwolf den Berghang hinauf, während ihm ein Rudel Vulgs kläffend folgte. Ein heulender Ghûl auf einem keuchenden Hèlross galoppierte hinter ihnen her, und neben dem Leichen-Feind und seinem schuppigen Reittier erklomm eine johlende Rotte Rûkhs und Hlöks ebenfalls die Anhöhe. Schwarz gefiederte Pfeile flogen hinauf, einige zielten auf den Silberwolf, andere auf den dunklen Falken, der wütend am tosenden Himmel kreiste. Das Sirren der Pfeile und die Schreie des Falken gingen in dem heulenden Wind jedoch unter, als die Sturmfront näher kam und eine vorauseilende Bö den Schnee vom Boden aufwirbelte.

In einem Harnisch trug der Wolf eine Last auf seinem Rücken, und um den Hals der ponygroßen Kreatur baumelte ein Ring an einer Kette. Auch am Hals des Falken hoch oben in der Luft glitzerte etwas – der Vogel selbst war pechschwarz, und das Glitzern schien von etwas aus Silber und Glas zu stammen.

Jäger und Gejagte hasteten den Hang hinauf, wobei der Wolf immer wieder zu dem schwarzen Falken hinaufsah, ohne in seinem ausgreifenden Lauf innezuhalten, während ihm der Feind heulend folgte. Plötzlich wieherte das Hèlross schrill auf, stürzte rücklings den Hang hinab und zerschmetterte den Ghûl unter sich, dessen Knochen unter dem Gewicht der schuppigen Bestie krachten. Doch der Leichen-Feind erhob sich, den mit Widerhaken besetzten Speer in der Hand, schnarrte Befehle und setzte die Jagd zu Fuß fort. Das Hèlross jedoch erhob sich nicht mehr, sondern blieb im Schnee liegen, Kopf und Hals merkwürdig abgewinkelt, während seine gespaltenen Hufe im Todeskampf auf die Erde trommelten.

Der schwarze Falke stieß ein lautes Krächzen aus und schwenkte nach rechts ab, doch der Silberwolf änderte seinen Kurs nicht. Erneut schrie der Falke, aber der Wolf folgte ihm keineswegs, sondern setzte seinen Weg zu den stürmischen Höhen fort. Der Falke schrie erneut, schwenkte um, faltete die Flügel und stürzte sich in die Tiefe, auf den Wolf hinab. Als er die Schwingen wieder ausbreitete, durchbohrte ein Armbrustbolzen die eine, und mit einem schrillen Schrei taumelte das Tier durch die Luft und landete auf dem verschneiten Hang.

Noch während die Rûkhs vor Freude johlten – und trotz seiner heulenden Verfolger –, bog der Silberwolf nach rechts ab, auf seinen Gefährten zu. Sanft nahm der Wolf den verwundeten Falken in das Maul, äußerst sorgfältig, um den Bolzen in der Wunde nicht zu berühren, und rannte dann weiter den Hang hinauf, während der Schnee unter seinen Tatzen nur so stob.

Die Vulgs verfolgten ihn immer noch, diese gewaltigen, wolfsähnlichen Kreaturen, die im Hinblick auf ihren silbernen Gegner jetzt aufgeholt hatten.

Sie rannten hinauf, immer weiter, durch den kreischenden Wind, während der schwarze Himmel über ihnen sich noch mehr zu verdunkeln schien. Schließlich erreichte der Silberwolf den Kamm des Hanges und kam an eine kreisförmige Senke, die sich nach vorn und zu den Seiten bis zum blanken Fels der Steilwand hochbog, das kleine Plateau in ihrer erhabenen Umarmung umfasste und Wolf sowie Falken in einer Falle umfing.

Der Wolf – der Draega – lief weiter und legte den schwarzen Falken sanft in den Schnee, drehte sich dann mit einem tiefen, leisen Knurren herum und lief zu dem hervorstehenden Rand der Senke, die von den Bergflanken eingeschlossen war.

Die johlenden, heulenden Vulgs, Rûkhs, Hlöks und der Ghûl stürmten weiter, die Zähne gefletscht, die Klingen gezückt, Pfeile und Bolzen eingenockt und den grausam mit Haken besetzten Speer in der Hand, während die Mordlust in ihren boshaften Augen stand. In der Ferne, in dem wirbelnden Schneesturm kaum zu erkennen, erhob sich eine gewaltige, schwarze Feste, deren schwarze Wälle von Raureif und Eis gesäumt waren.

Mit einem weiteren tiefen Knurren wandte der Wolf der herankommenden Gefahr den Rücken zu und lief zu dem Falken zurück. Im selben Augenblick fegte der heulende Schneesturm über sie alle hinweg, Freund und Feind, und peitschte kreischend den stechenden Schnee über den ganzen Berghang.

1. Kapitel

WEHEN

Der Längste Tag des Jahres, 5E983 (Sechsundzwanzig Jahre früher)

Die ersten Wehen begannen, kurz nachdem sich die Dämmerung des Ha-Ji über die Steppen von Moko senkte und die junge Teiji, deren Bauch dick angeschwollen war, zum Geburtszelt geführt wurde, wo die Hebammen warteten. Sie bugsierten Teiji auf den Geburtsstuhl, der über einer flachen Mulde stand, die mit einer geflochtenen Strohmatte ausgelegt war. Die spitzen Strohhalme sollten zusammen mit dem gelben Saft den Schmerz lindern, falls er zu stark wurde. Weihrauch glühte in Schalen und verbreitete seinen beruhigenden Duft in der Jurte. Das Wasser kochte, die Tücher waren bereitgelegt, sowie auch Lappen, die das Blut aufnehmen und noch anderen Zwecken dienen sollten. Die Hebammen hatten für die anschließende Reinigung auch schon Duftöle und Seifen ausgelegt. Und – aber diskret – die Klingen für die Geburt bereitgelegt: ein ehernes Geburtsmesser, das eingesetzt werden sollte, falls die Mutter das Kind nicht herauspressen konnte und der Bauch aufgeschnitten werden musste, und ein eisernes Geburtsmesser, mit dem man dem Kind, sollte es missgebildet sein, die Gurgel durchschnitt und so dem Fluch rasch ein Ende bereitete, damit er nicht den ganzen Stamm traf. Niemand erwartete jedoch, dass eines der Messer benutzt werden musste, denn immerhin war dies hier Ha-Ji, der längste Tag des Jahres, eine günstige Zeit also, wenn es denn so etwas gab.

Chakun, die gerade elf geworden war und ihre erste Geburtshilfe leistete – sie würde in etwa einem Jahr verheiratet werden und zweifellos kurz darauf selbst gebären, also musste sie von diesen Dingen wissen –, kam im Laufschritt vom Fluss der Hochsteppe herüber, einen Wasserschlauch in der Hand. Das kalte Wasser sollte Teijis Stirn kühlen; diese Aufgabe fiel an diesem Tag Chakun zu.

Im Lager wurde Tee gebraut, den die Frauen des Stammes trinken würden, während sie es sich zum Warten gemütlich machten. Wie die Männer des Stammes der Cholui Chang würden sie an diesem Tag nicht auf ihren stämmigen Ponys über die Steppe reiten, sondern um das Feuer in der Mitte des Lagers tanzen und starke ammal palro ch’agi trinken, das ist fermentierte Stutenmilch. Denn Teiji, die jüngste Frau des chuy-ohan, sollte niederkommen.

Als es Morgen wurde im Dorf Yugu, das an den Gestaden der Jingarischen See lag, legte Wangu mit seinem kleinen Boot ab. Er stellte das abgenutzte Segel so in den Wind, dass es den schwachen, ablandigen Wind am besten nutzte, denn gewiss würde er an diesem Längsten Tag des Jahres einen Fang erbeuten, der es wert war, auf den Großen Markt in der Hafenstadt von Janjong gebracht zu werden.

Er nahm Kurs auf die Gewässer vor dem östlichen Ufer von Shàbíng, der kleinen Felsinsel, die sich wie ein Wachposten am Rand des tiefen Meeres befand. Während er segelte, bereitete er seine vielfach verzweigte seidene Leine vor; vielleicht war diese neue Angelschnur ja stark genug, auch dem Zug des größten Fisches standzuhalten, im Gegensatz zu der vorherigen, die unter dem Zug von etwas Großem zerrissen war, das Wangu nicht einmal zu Gesicht bekommen hatte.

In der Jurte wurden Teijis Wehen stärker, ihr Stöhnen lauter – obwohl ihre Fruchtblase noch nicht geplatzt war, während die Sonne draußen vor dem Zelt hoch in den Himmel stieg und der Längste Tag mit jedem Kerzenstrich heißer wurde. Die junge Chakun wurde erneut zum kalten Fluss geschickt, den Wasserschlauch neu zu füllen, und wie schon bei den Malen davor schlug sie auch diesmal einen weiten Bogen um die Männer, die um das Lagerfeuer herum saßen, tranken, ihr Seitenblicke zuwarfen und beunruhigende Kommentare machten.

Wangu band seine neue Seidenschnur an ein kurzes Stück der kostbaren Eisenkette, die an seinem größten Haken hing, und hängte einen Netzbeutel mit Innereien an die Spitze. Dann betete er kurz zu den Göttern der Tiefe, warf Haken und Kette über Bord und ließ die seidene Schnur nach. Der Beutel mit den Innereien schien in der Tiefe unter dem Boot zu verschwinden. Kurz hinter Wangu erhoben sich die spitzen Klippen von Shàbíng aus dem Meer, deren Felsflanken streng und unnachgiebig in den Abgrund vor ihnen starrten.

Am Vormittag schließlich platzte endlich Teijis Fruchtblase. Chakun, die Teijis Stirn unablässig mit einem feuchten Tuch gekühlt hatte, sah erstaunt zu, wie die rötliche Flüssigkeit auslief. Als die Hebammen Teiji auf die Füße halfen, damit sie in dem Zelt herumgehen und so die Geburt ihres Kindes unterstützen konnte, wurde Chakun die Aufgabe zugeteilt, die Geburtsmatte in der Mulde zu erneuern und die schmutzige zum Feuer zu bringen und hineinzuwerfen. Als das kleine Mädchen die Matte in die Flammen warf, jubelten die Männer, denn es bedeutete, dass Teiji jetzt kurz vor der Geburt stand. Die Flammen loderten auf, verzehrten die Strohmatte, aber Chakun wartete nicht ab, bis sie verbrannt war, sondern hastete schnell fort. Einige der Männer starrten sie an, und ihr breites, trunkenes Grinsen beunruhigte das Mädchen. Chakun kam zum Zelt zurück, als die Alte Tal gerade ihre Hand zwischen Teijis Schenkeln zurückzog, wo sie die Öffnung des Muttermundes ertastet hatte. Die alte Frau runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Nicht mal einen Fingerbreit.« Chakun fuhr ein furchtsamer Stich durch die Brust, denn das waren schlechte Neuigkeiten. Jedenfalls schien es ihr so. Obwohl Teiji die Worte der Alten wegen ihres eigenen gequälten Stöhnens nicht hatte hören können, schien dieses Stöhnen lauter zu werden.

Mit einem lauten Zischen surrte die Leine ins Wasser. Etwas musste den Haken mit dem Köder geschluckt haben und schwamm davon.

»Ai!«, rief Wangu voller Freude. »Jetzt hab ich dich!« Er griff nach der Seidenschnur und wollte sie festhalten, schrie jedoch nur vor Schmerz und zuckte zurück, als sich die feine Schnur in seine Handfläche brannte. Er beugte sich über das Heck und tauchte seine Unterarme in das salzige Wasser der Jingarian-See, das zwar in der Wunde brannte, den Schmerz seiner durch die Leine versengten Hände aber trotzdem linderte.

Während er sich vorbeugte, sah er zu, wie die Leine immer knapper wurde, bis sie sich mit einem lauten Knall straffte. Der Knoten um die Heckklampe hielt. Doch was auch immer den Köder geschluckt hatte, es begann, das Boot rückwärts durch das Meer zu ziehen. Das Wasser kochte und schwappte über Bord.

Vor Schreck riss Wangu die Augen auf. »Was habe ich da gefangen?«, schrie er aufs Meer hinaus. »Oder – was hat mich da gefangen?«

Die Sonne ging auf, überquerte den Zenit und senkte sich im Westen zum Horizont, während der Längste Tag langsam verstrich. Im Geburtszelt des Stammes Cholui Chang hielt sich Chakun die Ohren zu, um sich gegen Teijis Schreie zu verschließen. Aber sie hörte sie trotzdem, obwohl sie vor Anstrengung sogar die Augen zugekniffen hatte.

Während zwei stämmige Hebammen Teiji mehr durch das Zelt schleppten, als dass sie selber ging, sahen sich die anderen Hebammen besorgt an, denn die junge Frau hatte jetzt trockene Wehen. Die Anzeichen für die Geburt hatten sich nicht geändert: Das Kind wollte nicht kommen.

Erneut setzten sie Teiji auf den Geburtsstuhl, die Alte Tal legte ihr Ohr an den Bauch und lauschte, trotz der lauten Schreie. Dann legte sie ihre Hände auf den Bauch, drückte hier und da, und Teiji schrie noch lauter.

Schließlich wandte sich die Alte an die anderen Frauen. »Das Kind lebt und liegt auch in der richtigen Stellung … Es versucht nicht, rückwärts zur Welt zu kommen.«

Dann bereitete Tal eine weitere Menge des Saftes, der Teijis Schmerzen linden sollte, obwohl der letzte nur wenig Wirkung gehabt zu haben schien, wenn überhaupt.

Das Boot flog förmlich rückwärts durch das Wasser, das über das Heck hineinschwappte. Wangu schöpfte verzweifelt gegen die hereinströmende Flut an. Und gerade als er glaubte, seine kostbare Leine kappen zu müssen, damit das Boot nicht kenterte … blieb die Kreatur, was sie auch sein mochte, stehen.

Vielleicht ist sie tot.

Der Fischer schöpfte weiter.

Sei nicht dumm, Wangu. Sie macht nur eine Pause … Aie! Was, wenn es etwas Böses ausbrütet?

Wangu schöpfte hastig.

Im nächsten Augenblick versetzte etwas von unten dem Boot einen so mächtigen Schlag, dass es Wangu von den Füßen riss. Er rappelte sich rasch hoch, spähte über die Steuerbordseite des Bootes und sah einen großen, grauen Schatten, der abtauchte und verschwand.

»Aie!«, stieß Wangu hervor. »Es ist ein shâyú.«

Erneut wurde das Boot durch die Jingarische See gezerrt. Und Wangu zückte sein Messer. Kostbar oder nicht, wenn das Monster, das ich sah, in den Abgrund abtaucht, und das Boot unter Wasser zieht, kappe ich die Leine.

Trotzdem, es schmeckte ihm gar nicht, denn »Wangu« bedeutete nicht umsonst »eigensinnig«. Sein Vater, Kwàile, hatte ihm den Namen gegeben, weil er schon als Kind so entschlossen gewesen war. Und der große Haifisch würde in Janjong viel Gold einbringen, wenn er ihn nur an Land schaffen konnte. Aus seinen Flossen wurde die beste Heil-Suppe gemacht, und auch Herz und Leber und die anderen Organe würden viel Geld auf dem Markt bringen, vor allem die Augen, die angeblich von Hexen und dergleichen für ihre Weissagungszauber benutzt wurden. Das Gehirn wurde von Hexern ebenfalls sehr geschätzt, da sie es nutzten, um herauszufinden, was böse Menschen dachten, so sagte man jedenfalls. Das Fleisch des Haifisches war ohnehin sehr wertvoll, denn es verlieh jedem, der es aß, Kraft. Selbst die Knorpel schienen kostbar, denn angeblich halfen sie gegen jene tückische Krankheit, die einen von innen heraus zerfraß. Die Zähne würden ebenfalls Gold bringen, weil viele Krieger sie als Amulett begehrten – sie verliehen einem Wildheit im Kampf. Ai, wenn er diesen shàyú an Land brachte, würde der ihm gute Dienste leisten.

Wangu legte seinen Bootshaken zurecht, den schweren eisernen Haken an einem langen Schaft, der so ziemlich das Einzige an Bord war, das er als Waffe einsetzen konnte.

Dann schöpfte er weiter, während das Boot rückwärts durch das Wasser gezogen wurde.

Schreiend und kreischend wälzte sich Teiji auf dem Boden, weil sie weder sitzen noch stehen oder gehen konnte. Die Hebammen mühten sich vergeblich, sie zu beruhigen, und auch wenn Tal wusste, dass zu viel von dem gelben Saft tödlich giftig war, versuchte sie Teiji doch dazu zu bringen, mehr davon zu trinken. Und das, obwohl er nicht einmal zu helfen schien.

Chakun tupfte Teijis Stirn mit dem Lappen ab, den sie in kühles Wasser getaucht hatte. Die Elfjährige konnte sich die Ohren dabei nicht mehr zuhalten, um die schrecklichen Schreie zu dämpfen. Chakun schwor sich, niemals zu heiraten, wenn ein Kind zu gebären dies hier bedeutete, sondern den Priesterinnen von Moko beizutreten und auf die Ankunft des Magier-Kriegerkönigs zu warten, die prophezeit worden war.

Die scharfen Zähne des Haifisches krachten gegen den eisernen Haken und die Kette, als er erneut den Schädel gegen das bereits leckende Boot rammte. Dann rollte sich der gewaltige Fisch so auf die Seite, dass sein tödlich schwarzes Auge zu dem schreienden Wangu hinaufstarrte.

Furcht rann eisig durch die Adern des Fischers, der mit aller Macht und einem lauten Schrei den eisernen Haken seines Bootshakens in das Monster rammte. Die Spitze drang durch die zähe Haut der Kreatur und grub sich tief in das Fleisch.

Erneut wälzte sich der Hai im flachen Wasser und hätte Wangu beinahe den Bootshaken aus den Händen gerissen. Wangu und sein Boot waren an einer blanken Felswand auf der Westseite der felsigen Insel Shábíng gefangen, wo der shàyú den Mann in seinem Boot hingezerrt hatte, als wollte er ihn gegen die Wand drücken und ihn dann aus Rache zerschmettern. Immer und immer wieder hatte der Hai angegriffen, und immer wieder hatte Wangu ihm den Haken schreiend ins Fleisch gerammt. Jetzt drehte der Hai erneut ab, um einen weiteren Angriff zu beginnen.

Als der Hai wegschwimmen wollte, gelang es Wangu im letzten Augenblick, den Bootshaken aus der durchbohrten Haut zu reißen. Er umklammerte den Schaft mit beiden Händen, denn diese Waffe und das mitgenommene Boot waren alles, was zwischen ihm und dem Tod stand.

»Man hat mich ›Eigensinnig‹ geheißen«, schrie Wangu gegen seine Angst an. »Ich heiße ›Eigensinnig‹ … bin ›Eigensinnig‹, aus der Familie Sûn!«

Im Wasser hob sich eine Woge, die sich drehte und erneut auf das Boot zurollte: Der shàyú griff wieder an.

Kreischend vor Entsetzen hob Wangu den Bootshaken mit beiden Händen in die Höhe, bereit zuzustoßen.

Als die Sonne den Horizont berührte, stieß Teiji ihren letzten Schrei aus. Ihre Stimme war so heiser, dass er kaum lauter war als ein Flüstern … Sie biss ihre Kiefer krampfhaft zusammen und zerbrach das Beißholz in zwei Stücke. Dann sackte sie schlaff zusammen, das Leben wich aus ihr. Chakuns Herz hämmerte wie rasend, als die Alte Tal sich über sie beugte, ihr Ohr an ihre Brust legte und lauschte. Dann richtete sich die alte Frau auf und kniete sich hin. »Bringt das eherne Geburtsmesser!«, blaffte sie. »Teiji ist tot. Vielleicht können wir wenigstens das Kind retten!«

Chakun wandte sich ab, als Tal das Messer packte und einen langen Schnitt über Teijis toten Bauch ausführte, aus dem das Blut sickerte.

Wangu stand in den Untiefen, lachte hysterisch und benutzte den Bootshaken als Hebel, um den toten Haifisch in noch flacheres Wasser zu rollen. Das Monster war fast sechs Meter lang und musste anderthalb Tonnen wiegen. Oder sogar noch mehr. Doch das Wasser nahm ihm durch den Auftrieb etwas von seinem Gewicht, sodass Wangu eher mit dem unförmigen Leib zu kämpfen hatte, nicht mit dem Gewicht der Kreatur. Trotzdem, die Sonne ging unter, und Wangu musste seine Ernte einfahren, bevor die Nacht kam und andere Haifische das Blut witterten und die Fährte aufnahmen. Als er den shàyú zu drei Vierteln herumgerollt und gegen die Felsen gewuchtet hatte, zog Wangu sein Ausbeinmesser aus der Scheide und schnitt keuchend und stöhnend einen langen Spalt in den Bauch des großen Haifisches. Dann schob er seine Arme bis zum Ellbogen in den Wanst des shàyú, um die wertvollen Organe einzusammeln. Seine Finger aber stießen – was ist das? – unerwartet auf etwas Festes. Es war hart, glatt und irgendwie rund … vielleicht auch oval. Langsam zog er es aus dem Bauch … Ohh! Es war ein Kristall, oder sogar ein Edelstein. Nein, es war aus Jade! Oder nicht?

Sie zogen das Kind aus dem Bauch seiner toten Mutter, klagende Schreie erfüllten das Zelt. Chakun bekam die Aufgabe, das Kind zu waschen. Es war ein Junge. Die Alte Tal suchte in ihrem Beutel nach Garn, um die Nabelschnur zu durchtrennen.

Als Chakun das Kind wusch, sah sie ein dunkles Mal, das sich um den Nacken des Kindes und über seinen Hinterkopf wand.

Als sich Tal mit der Schnur in der Hand umdrehte, bemerkte sie das Mal ebenfalls. »Bringt das eiserne Geburtsmesser«, befahl die alte Frau. Ihre Stimme war kalt, ihre Miene eisig. »Das Kind ist verflucht!«

»Aber es ist doch nur ein winziges Kind!«, protestierte Chakun.

»Trotzdem.« Tal hielt die Hand auf, um das Messer entgegenzunehmen. »Es ist in Schmerz und Tod und Blut geboren und hat seine Mutter umgebracht; es trägt ein Mal; es muss getötet werden, ihm muss die Kehle durchgeschnitten werden, bevor der Fluch auf den Stamm übergehen kann.«

Mit Tränen in den Augen drehte Chakun das jammernde Kind auf den Rücken und … rang vor Staunen keuchend nach Luft, denn das Mal endete auf der Stirn.

»Yong!«, schrie Chakun. »Es ist das Mal eines Yong!«

Auf der Stirn des Neugeborenen war deutlich das Gesicht eines Yong zu erkennen – eines Drachen –, dessen gewundener Körper sich über den Hinterkopf wand, und dessen Schweif im Nacken des Kindes endete.

Die Hebammen stöhnten und fielen anbetend auf die Knie, denn der Masula Yongsa Wang – der Magier-Kriegerkönig – war endlich gekommen.

Wangu riss vor Staunen die Augen auf, denn er hielt eine abgeflachte, ovale Kugel aus durchscheinendem, jadeartigem Stein in der Hand, makellos, blassgrün und schimmernd, vom Anfang bis zum Ende etwa fünfzehn Zentimeter lang, und zehn Zentimeter im Durchmesser. Sie schien aus einem inneren Licht zu leuchten. Er hielt die Kugel gegen die untergehende Sonne: die roten Strahlen ließen den Stein schwarzrot funkeln, fast wie glühendes Blut.

Das Kind wurde ins Lager hinausgetragen, von Chakun, der diese Ehre übertragen worden war. Schließlich hatte sie als Erste das Mal auf dem Gesicht des Kindes erkannt. Sie marschierte zum Lagerfeuer in der Mitte, in respektvollem Abstand gefolgt von den Hebammen, die von Tal angeführt wurden. Als Chakun den Kreis der Männer erreichte, trat sie kühn hindurch und verkündete laut, damit alle sie hören konnten: »Er soll Kutsen Yong geheißen werden!« Sie hob das Kind in die Höhe, auf dass alle ihn sehen konnten. Das Mal auf seiner Stirn wurde vom Feuer beleuchtet und hob sich deutlich ab, spiegelte seinen Namen wieder – Mächtiger Drache. Die Männer stöhnten und fielen gehorsam auf die Knie, denn der lang erwartete Magier-Kriegerkönig hatte diesen Stamm für seine Ankunft auserwählt.

Die Alte Tal trat vor. »Teiji ist tot, und das Kind braucht Milch.«

»Die Milch einer Stute?«, fragte Cholui Chang, der Häuptling, der immer noch kniete.

Die Alte sah voller Wut auf ihn herab. »Das ist der lang prophezeite Masula Yongsa Wang, der, vor dem sich selbst die Drachen verneigen werden. Nur die vollen Brüste einer Frau sind gut genug für ihn.«

Eisige Ruhe schien sich bei ihren Worten über das Lager zu legen. Cholui Chang erhob sich, sah sich um und trat dann zu den Frauen des Stammes, die sich in der Nähe zusammendrängten. Er riss einer Mutter ein winziges Kind aus den Armen und durchtrennte ihm mit einem einzigen Schnitt seines Messers die Kehle, während die Mutter vor Entsetzen aufkreischte.

Aie! Dieser Fisch war noch viel kostbarer, als ich dachte. Trotzdem, ich muss ihn ausnehmen, bevor die Nachtjäger hier eintreffen!

Wangu legte den Jadestein in sein Boot und kehrte dann zu dem Haifisch zurück. Rasch schnitt er Herz und Leber heraus, dann die Augen. Das Gehirn wollte er erst am nächsten Morgen ausnehmen, falls überhaupt noch etwas übrig war, denn Dame Fortuna – Herrin Yùnchi – hatte seinen Bootshaken geführt. Die eiserne Spitze war durch den Schädel und durch dieses Organ gedrungen, als der shàyú das letzte Mal angriff und hatte das große, wilde Tier getötet.

Wangu schnitt die Flossen ab und konnte sogar die Brustflossen abtrennen, bevor es dunkel wurde. In der Dämmerung kletterte er in sein mitgenommenes Boot, dessen Planken in Salzwasser schwammen. Bevor er erschöpft einschlief, schöpfte er so viel wie möglich heraus.

Irgendwann in der Nacht wurde Wangu von einem lauten Krachen geweckt, als Assfresser kamen und sich ihren Anteil holten. Als aber die Sonne aufging, waren sie verschwunden.

Am nächsten Morgen wurde die Entscheidung gefällt. Die weinende Kkot, deren Sohn, gerade erst eine Woche alt, jetzt tot war, würde als Amme für das Kind dienen und Chakun würde seine erste Dienstmagd sein und sich um all seine Bedürfnisse kümmern. Immerhin war sie die Erste gewesen, die den Musala Yongsa Wang erkannt hatte – und sie war bereits elf Jahre alt, also alt genug für diese Aufgabe.

Und dem Magier-Kriegerkönig musste gedient werden.

Von dem Hai war noch viel Fleisch übrig, aber die restlichen Organe waren verschwunden. Die Aasfresser hatten große Stücke aus dem aufgeschlitzten Bauch gerissen. Trotzdem barg Wangu im Wettlauf mit den Krabben viel von dem kostbaren Fleisch; es würde im Hafen von Janjong einen guten Preis erzielen.

Zuletzt kümmerte sich Wangu um das Maul des Hais und lockerte sorgfältig die Zähne, denn er wusste, dass die einzelnen, dreieckigen Knochen bei der kaiserlichen Wache viel Gold bringen würden. Als er nach einem weiteren Zahn griff, schnappten die mächtigen Kiefer urplötzlich zu und Wangu zog, kreischend vor Entsetzen, einen blutigen Stumpf zurück, wo zuvor noch seine linke Hand gewesen war.

Selbst im Tode noch hatte der shàyú Rache genommen für die finstere Tat des Fischers.

Weit im Süden, im Lande Jûng, brach eine gelbäugige Kreatur nach Norden auf, nach Moko, denn die Zeichen sagten ihm nicht nur, dass die Zeit gekommen war, sondern nachdem er das tote Mädchen befragt hatte, wusste er auch, dass sein unerbittlicher Feind näher kam.

Noch während der Gelbäugige abreiste, überquerte im Westen ein schwarzhaariger Elf die Grenze des Landes Jûng. Er war mit einem Speer bewaffnet, der einen schwarzen Schaft und eine Kristallspitze hatte, und trug einen blauen Stein an einem Lederband um den Hals. Er ritt in das Land Jûng, bis er zu der großen Hauptstadt kam, wo der Kriegsfürst der Kriegsherrn regierte. Dort zog der Elf Erkundigungen über einen gelbäugigen Mann ein, und obwohl einige von denen, die er befragte, von diesem scheuen, unheimlichen Wesen wussten, konnte ihm keiner, der es gesehen hatte, sagen, wohin der Mann gegangen war. Sie wussten nur, dass noch nicht viel Zeit vergangen war. Der Elf ging eine Straße nach der anderen ab, die aus der Stadt führten, ritt Werst um Werst, erkundigte sich unterwegs bei Gehöften und Herbergen nach dem gelbäugigen Mann. Doch es schien, als hätte er sich einfach in Luft aufgelöst, denn niemand hatte ihn vorüberkommen sehen. Aufs Neue enttäuscht, wandte der Elf schließlich sein Pferd nach Westen und ließ das Land Jûng hinter sich.

Unter den Resten eines einstmals gewaltigen Vulkans, wo das Land über zahllose Weiten hinweg bebte und zitterte, lag tief im Fels eine gewaltige Kammer, in der Magma blubberte und aufstieg und gelegentlich aufs Neue ausbrach. Hier hatte vor einem Jahrtausend der Schwarze Kalgalath gehaust. Der gewaltige Feuerdrache hatte sich selbst in das geschmolzene Inferno gestürzt. Doch dies war in einer lange vergangenen Zeit geschehen. Der Berg selbst war jetzt zerstört, geblieben waren nur Ruinen und Zerstörung.

Tief im Stein und von zahlreichen fernen Punkten machte sich eine Vielzahl riesiger Kreaturen auf den Weg zu dieser tosenden Hèl. Mit ihren breiten Händen teilten sie den Granit vor sich und versiegelten ihn wieder, während sie sich durch den Fels bewegten. Sie kamen, um den geschmolzenen Stein in die Erde zurückzuziehen, nach unten, weg von der Oberfläche, um das ständige Beben dieses Landes zu beruhigen, denn die Zeit war nah, und dies hier war der Drachenschlund.

Und in den von Zwergen gehauenen Gewölben, tief verborgen in einem schwarzen Berg im fernen Xian begannen Schläfer zu erwachen, rührten sich und murmelten etwas über die heraufziehende Zeit der Trinität.

2. Kapitel

FREUDE

Frühling-Herbst, 5E993 (Sechzehn Jahre zuvor)

Blitze zuckten, Donner grollte und heftiger Regen prasselte wie aus Eimern vom Himmel. Als die vier Wurrlinge, Faeril, ihr Bruder Dibby sowie ihre Eltern Arlo und Lorra, gerade beim Abendessen saßen, hörten sie durch den Sturm das Trommeln galoppierender Hufe und das Schmettern eines Horns.

»Was zum …?« Dibby sprang hoch, trat an das beschlagene Fenster, rieb in der Feuchtigkeit eine Fläche frei und spähte hinaus. Arlo stand neben ihm, während Faeril und Lorra zu einem Fenster ins Schlafzimmer gingen.

Erneut schmetterte ein Horn, diesmal näher.

Faeril rannte in die Stube zurück; die Gurte mit den Wurfmessern hatte sich die knapp einen Meter große Damman über die Brust geschlungen und gürtete sich nun auch ihr Langmesser um die Taille.

Lorra hatte ebenfalls ihre Wurfmesser angelegt.

Dibby drehte sich herum. »Meiner Seel’«, stieß er keuchend aus, als er die Waffen sah. »Glaubt ihr, dass Gefahr droht?«

»Vielleicht, Dibs«, erwiderte Faeril, woraufhin Dibby zwei knorrige Stöcke packte, einen für sich, den anderen für seinen Vater. Sie mochten klein sein, diese Wurrlinge, aber sie waren entschlossene Krieger, wenn es darauf ankam.

Ein Reiter mit einem Packpferd an der Leine donnerte durch den Wolkenbruch zur Kate, dass Wasser und Schlamm nur so spritzten.

»Es ist ein Mann auf einem Pferd, und dazu ein Packtier«, murmelte Arlo, der durch die verregnete Scheibe spähte. Er konnte nicht viel sehen, und das wenige wurde durch die Wassertropfen noch verzerrt.

Als der Reiter abstieg und seine Kapuze zurückschlug, zuckte ein Blitz über den Himmel. »Nein!«, meinte Faeril. »Es ist kein Mann, sondern ein Elf! … Das ist Jandrel, aus dem Ardental! Etwas ist passiert!«

Faeril hatte den Elf vor acht Jahren kennengelernt, als sie mit Gwylly – sie und er waren die Letztgeborenen Erstgeborenen – zum Ardental gereist war, um eine Prophezeiung zu erfüllen, die mit der Rückkehr des Auges des Jägers zu tun hatte, einem Kometen mit einem langen Schweif, der sich nur alle zehntausend Jahre am Himmel zeigte. Mit Dara Riatha und Alor Aravan, Elfen aus dem Ardental, waren Faeril und Gwylly diesem Omen des Untergangs gefolgt, als der Himmelsbote glühend über den winterlichen Nachthimmel gezogen war, den leuchtenden Schweif im Gefolge. Wundersamerweise war es ihnen gelungen, Urus lebendig zu bergen. Sie hatten den Baeron aus seinem eisigen Gefängnis im Gletscher befreit. Aber auch das Monster Stoke war befreit worden, ein Bösewicht, der damit erneut auf die Welt losgelassen wurde. Sie hatten dieses bestialische Wesen durch die halbe Welt verfolgt und ihn am Ende zur Strecke gebracht. Doch sie hatten einen schrecklichen Preis dafür zahlen müssen, hatten Gwylly verloren … Gwylly, Faerils Partner.

Jetzt stürmte die Damman in den Wolkenbruch hinaus. »Jandrel! Jandrel! Was ist los? Was ist geschehen?«

Titel der amerikanischen Originalausgabe SILVER WOLF, BLACK FALCON (Part 1) Deutsche Übersetzung von Wolfgang Thon

Deutsche Erstausgabe 08/2008

Redaktion: Joern Rauser

Copyright © 2000 by Dennis L. McKiernan

Copyright © 2008 der deutschen Ausgabe und der Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House GmbHwww.heyne.de

Titelillustration: Arndt Drechsler Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München Karte: Andreas Hancock Satz: C. Schaber Datentechnik, Wels

eISBN 978-3-641-08094-5

www.randomhouse.de

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