Zwergenmacht - Dennis L. McKiernan - E-Book

Zwergenmacht E-Book

Dennis L. McKiernan

4,5
6,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Der letzte Kampf der Zwerge

J. R. R. Tolkien hätte seine wahre Freude an diesen raubeinigen und schlagfertigen Nachfahren Gimlis!

Das Abenteuer geht weiter: Die Zwergenarmee König Dureks steht vor den Toren von Kraggen-Cor, aber die Kräfte des Bösen haben die Zugänge fest in ihren Klauen. Es gibt nur einen Weg in die uralte Stadt unter dem Berg. Eine kleine Gruppe von Zwergen, Menschen und Wurrlingen wagt sich auf diesen mysteriösen Pfad, denn das Überleben aller Zwerge steht auf dem Spiel!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 317

Bewertungen
4,5 (16 Bewertungen)
11
2
3
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Das Buch

Seit Jahrhunderten hausen finstere Kreaturen in den Tiefen der unterirdischen Festung Drimmenheim, einst die stolze Hauptstadt des Zwergenreichs. König Durek führt eine Armee ins Gebirge, um die uralte Heimat der Zwerge zurückzufordern. Doch die Dämmertür ist verschlossen und gut bewacht. Nur ein vergessener Zugang kann noch begangen werden – der legendäre Brega-Weg. So muss sich ein kleiner Trupp aus Zwergen, Menschen und Wurrlingen an den Feinden vorbei durch die Tunnel und Gänge Drimmenheims kämpfen. Ihr Ziel ist es, das Portal zur Zwergenfestung zu öffnen, um König Durek und seiner Armee den Zutritt zu ermöglichen. Nur wenn ihr Vorhaben gelingt, können sich die bärtigen Krieger der alles entscheidenden Schlacht stellen …

In der Tradition des »Herrn der Ringe« legt Dennis L. McKiernan mit diesem Roman – und dem Vorläuferband »Zwergenzorn« – ein exotisches Fantasy-Abenteuer vor, das den Vergleich mit dem großen Vorbild nicht zu scheuen braucht.

Der Autor

Dennis L. McKiernan, geboren 1932 in Missouri, lebt mit seiner Familie in Ohio. Mit seinen Romanen aus der magischen Welt Mithgar gehört er zu den erfolgreichsten Fantasy-Autoren der Gegenwart.

Inhaltsverzeichnis

Das BuchDer Autor1 - Die große TiefeCopyright

»Ich war in Kraggen-cor, einem ehemals mächtigen Reich; aber sein Licht ist erloschen, und der Schrecken geht nun um in seinen Hallen.«

BREGA, Bekkis Sohn 18. Januar, 4E2019

1

Die große Tiefe

Im Morgengrauen wurde Perry von Delk geweckt, der die letzte Wache hatte. Bevor er sich zum Frühstück zu den anderen gesellte, zog der Wurrling sein Schwert Langmesser aus dem Holzscheit neben sich. Die elfische Klinge hatte in der Nacht mit der Spitze in der Rinde gesteckt; ein stummer Wachposten, den alle sehen konnten. Jedes Mitglied des Trupps hatte auf seiner Wache die Klinge im Auge behalten, da das Klingenjuwel blau leuchtete, wenn sich Feinde näherten.

Shannon Silberblatt, der mit seiner Wache nach Perry an der Reihe gewesen war, hatte sich ganz besonders für die Klinge interessiert und sie beinah mit Ehrfurcht betrachtet.

»Diese Waffe ist vor langer Zeit in der Stadt Atala geschmiedet worden«, hatte der Elf danach zu Perry gesagt, »und die Art und Weise ihrer Herstellung ist in Vergessenheit geraten. Meine Vorväter aus dem Hause Aurinor haben sie geschaffen. Diese Klinge kündet von den Alten Zeiten, als sie eine von vielen Waffen war, die man für den Kampf gegen die Streitkräfte des Großen Feindes Gyphon, des Hohen Vûlks, geschmiedet hatte. In gewisser Weise bekämpfen wir ihn noch immer, denn er ist es, der Rucha, Loka und Trolle wie auch andere böse Wesen in Neddra in der Untargarda erschaffen hat.

Zwar sind viele dieser Dolche in den Alten Zeiten gefertigt worden, doch leider gibt es heute in Mithgar nur noch wenige von ihnen – und noch weniger sind tatsächlich in Benutzung. Die meisten liegen in uralten Gräbern oder auf staubigen Denkmälern.« Dann hatte Silberblatt die Waffe in einer eleganten Bewegung geschwungen. »Aber dieser hier ist noch in ganz hervorragendem Zustand und wird im Schwarzen Drimmenheim von großem Nutzen sein. Ich sehe darin ein gutes Vorzeichen für unsere Mission.« Dann hatte der Elf die Waffe wieder mit der Spitze in den Baumstamm getrieben und Perry als Wache abgelöst.

Doch nun dämmerte es, und ihre Feinde würden Deckung vor der aufgehenden Sonne gesucht haben, also schob Perry Langmesser in die Scheide und setzte sich zum Morgenmahl nieder.

»Genießt Euren heißen Tee«, sagte Kian, »denn ab jetzt wird es bis zum Ende unserer Mission kein Feuer mehr geben. Bis dahin ist dies die letzte Kanne, die wir aufgebrüht haben. Aber wir werden nicht lange ohne Tee sein. Heute marschieren wir querfeldein. Bei Sonnenaufgang des sechsten Tages, gerechnet von heute, müssten wir am Morgentor sein. Um Mitternacht des neunten Tages müssten wir Durek mit Zwirn und meinem Bruder Rand sehen, wie sie mit der Armee hinter sich Drimmenheim durch die Dämmertür betreten. Dann, wenige Tage und viele tote Wrg später, werden wir wieder ein Feuer anzünden und heißen Tee trinken.«

»Es wird mir ein großes Vergnügen sein, die Wrg-›Gäste‹ von unserem kleinen Teekränzchen auszuladen«, grunzte der riesige Ursor, und die anderen nickten und lächelten grimmig.

Das Frühstück war bald darauf beendet, und alle überschüssigen Vorräte wurden in einem Versteck eingelagert. Die Sonne war aufgegangen, und es wurde Zeit zum Aufbruch. Delk löschte das Feuer, und alle schulterten ihren Rucksack. Perry warf noch einen letzten Blick auf den Großen Argon in die Richtung, in die das brennende Bestattungsfloß getrieben war. »Leb wohl, Barak«, flüsterte er und wandte sich dann ab, um sich zu seinen Gefährten zu gesellen.

Sie marschierten querfeldein nach Westen. Fürst Kian ging voran. Der junge Mensch trug einen Kettenpanzer und einen schlichten Helm aus Eisen und Leder. Bewaffnet war er mit seinem Silberbogen samt Pfeilen sowie Schwert und Dolch. Hinter Kian marschierte Anval, der Zwergenkrieger, in Kettenhemd und Eisenhelm gekleidet sowie mit einer Streitaxt bewaffnet. Ursor der Baeron kam als Nächster. Er trug einen dunkelbraunen Harnisch aus gehärtetem Leder und seinen großen schwarzen Streitkolben. Perry trug die Silberon-Rüstung unter seinem Hemd und Langmesser sowie einen Dolch am Gürtel, dazu einen schlichten Helm aus Stahl und Leder auf dem Kopf. Hinter ihm folgte der geschmeidige Shannon Silberblatt ohne Rüstung, aber mit Bogen und Pfeilen sowie einem Messer von Langmessers Länge bewaffnet. Borin und Delk bildeten den Abschluss. Die beiden Zwerge waren wie Anval gerüstet und bewaffnet, also mit Axt, Helm und schwarzem Kettenpanzer aus Eisen. Alle trugen grüne, graue oder braune Reisekleidung, die sich kaum von Erde und Gestein, Blättern und Ästen abhob. Sie hatten Rucksäcke mit den erforderlichen Werkzeugen, Proviant und anderer notwendiger Ausrüstung auf dem Rücken. Dazu trug jeder eine Wasserflasche aus Leder an der Hüfte. Schlafsäcke und Mäntel waren zusammengerollt und lagen oben auf den Rucksäcken. So ließen sie den Argon hinter sich und marschierten Kraggen-cor entgegen.

Bald darauf tauchten die Sieben aus dem Uferwald auf und erreichten die Hochebene, eine baumlose, hügelige Landschaft, die langsam zu den entfernten Bergen hin anstieg. Hier und da stand öde und kahl ein Dickicht in der Wintersonne, und das Land war mit Heidekraut und Stechginster bewachsen. Die Hänge stiegen sanft an, und die Gefährten marschierten in gerader Linie nach Westen. Nur hin und wieder machten sie einen Umweg, um einem Felsen, einem Dornengestrüpp oder einer anderen Barriere auszuweichen. Nur zweimal stießen sie auf ein größeres Hindernis: Das erste war eine tiefe, breite Schlucht, die sich quer zu ihrem Weg von Nordwesten nach Südosten zog. Sie kletterten eine steile Seite hinab und auf den bewaldeten Grund, wo ein breiter Bach durch moosbewachsene Felsen plätscherte. Der Trupp nutzte die Gelegenheit, um die Feldflaschen mit dem klaren, sprudelnden Wasser aufzufüllen. Sie überquerten den Bach und kletterten an der anderen Seite wieder empor zur Hochebene. Die zweite Schwierigkeit war ein kleiner Berg, der steil in die Höhe ragte und ihnen den Weg versperrte. Sie marschierten drei Meilen nach Norden, bevor sie einen Einschnitt fanden, durch den sie das Hindernis überwinden konnten.

Obwohl bereits Mitte November war, blieb es am nächsten Tag mild und windstill, und so marschierten sie bei gutem Wetter und kamen gut voran.

An jenem Abend legten sie sich auf der windabgewandten Seite eines Hügels zum Schlafen nieder, sodass sie die Felsen vor der leichten Abendbrise schützten. Perry vermisste das fröhliche Lagerfeuer sehr, obwohl der Mond am Himmel stand und so viel Licht spendete, dass sie weit über die offene Ebene blicken konnten.

In der Nacht wurde Perry von Anval geweckt, der dem Wurrling einen Finger auf die Lippen legte und flüsterte: »Langmesser leuchtet.« Perry schaute schweigend hin und sah, dass ein schwaches blaues Licht tief innerhalb des Runenjuwels matt flackerte.

Mittlerweile war die ganze Gesellschaft wach und duckte sich in die Schatten der Felsen. Alle hielten mit gezogenen Waffen und angespannten Sinnen angestrengt Ausschau. Shannon Silberblatt flüsterte mit Kian, zog sich dann stumm zurück und kletterte geräuschlos zur Kuppe des Hügels empor, wo sein scharfes Ohr und Auge ihnen zum Vorteil gereichen mochte.

Perry kniete auf dem Boden und lauschte angestrengt, um den Feind zu entdecken, doch weder hörte noch sah er irgendetwas. Langmesser steckte in der Scheide, sodass sein Licht nicht über die Hochebene leuchten und sie verraten konnte, aber hin und wieder zog Perry es vorsichtig ein kleines Stück heraus – einen Fingerbreit oder so – und schirmte das Leuchten mit den Händen ab, um nach der blauen Flamme zu schauen. Das Leuchten hielt eine Stunde an, wurde aber immer schwächer, bis Langmesser nur noch im fahlen Mondlicht leuchtete und die Gefahr offenbar vorüber war.

Dann kam Shannon wieder herab. »Ich habe zwar nichts gesehen«, sagte er leise, »aber ich habe ein Unheil im Süden aus der Richtung gespürt, in der Darda Galion liegt. Vielleicht werden meinesgleichen die schändlichen Plünderer am Rande dieses verlassenen Waldes bald zum Kampf stellen.«

Am folgenden Tag wanderten sie rasch über die weiterhin ansteigende Hochebene. Sie konnten jetzt die Berge sehen, und vor ihnen lag die Quadra, vier Gipfel, die höher als alle anderen waren. Einer dieser vier überragte auch noch die anderen drei. »Das ist der gewaltige Rávenor«, antwortete Borin auf eine Frage Perrys, »der größte Berg, den wir kennen. Mein Volk nennt ihn Sturmhammer wegen der unerwartet hereinbrechenden Stürme, die von seinen Hängen kommen. Wer in diese Böen gerät, kann leicht Schaden nehmen.« Borin starrte respektvoll auf die dunkelroten Hänge. »Obwohl in ihm jetzt Grg hausen, bin ich immer noch erpicht darauf, durch die Hallen und Kammern darin zu marschieren. Wenn wir das widerliche Gezücht daraus vertrieben und ihren Gestank aus dem Fels getilgt haben, werden wir daraus eine ebenso mächtige Festung machen wie früher.«

Am nächsten Tag erreichte der Trupp das niedrige Vorgebirge. Fürst Kian führte sie zu einem alten Fußweg ein Stück weiter im Norden, und bald darauf befanden sie sich auf einem schmalen Pfad, der sich durch die Hügelkette aufwärts wand. Auf ihrem Weg zum Kamm konnten sie weit im Süden einen großen dunkelgrünen Fleck sehen. »Seht doch«, sagte Perry, indem er darauf zeigte. In seinen Augen stand eine unausgesprochene Frage.

»Das ist Darda Galion, der Lerchenwald«, informierte Shannon den Wurrling, »die letzte wahre Heimat der Lian hier in Mithgar. Die meisten haben mittlerweile den Dämmerritt genommen, aber ein paar von uns sind noch hier, in alle Winde verstreut. Sie leben mit unseren Verwandten, den Dylvana, in anderen Wäldern, während Darda Galion nicht mehr bewohnt ist.«

»Fürst Kian hat uns erzählt, dass er glaubt, der Lerchenwald sei verlassen«, sagte Perry mit Blick auf das schattige, weit entfernte Grün.

»Ja, das stimmt«, erwiderte Shannon mit Bedauern in der Stimme. »Wir wohnen dort nicht mehr. Viele sind in den alten Zeiten gegangen, als die Vani-lerihha, die Silberlerchen, verschwanden. Andere flohen, als die Macht Grons wieder größer und der Draedan – der Gargon – losgelassen wurde. Noch mehr gingen, als die Gebieterin – Dara Faeon – den Dämmerritt nahm, um Adon um Beistand zu bitten. Als sie nicht mehr da war, schien das Licht selbst aus dem Wald gewichen zu sein. Nach dem Winterkrieg folgten ihr viele nach Adonar, während andere in Mithgar blieben, die noch nicht bereit waren für den Ritt. Sogar Coron Eiron war noch nicht bereit dazu und blieb noch eine Weile in Mithgar in den Ländern der Sterblichen wohnen. Doch er wurde des Lebens ohne ihre strahlende Fröhlichkeit überdrüssig und ist jetzt ebenfalls verschwunden. Als alle Lian aus dem Lerchenwald verschwunden waren, gingen auch die Dylvana, die den Argon überquerten und nach Darda Erynian und in den Großwald zogen, um bei ihren Brüdern zu leben. Seit dieser Zeit ist Darda Galion unbewohnt bis auf einen kleinen Trupp dylvanischer Wächter.«

Perry blieb stehen und betrachtete traurig den nun leeren Wald. Dann eilte er weiter, um Shannon wieder einzuholen. Während sie weitermarschierten, sagte Perry: »Fürst Kian hat gesagt, Reisende würden manchmal Bewegung im Wald sehen – als seien noch Elfen dort. Und seht, das Grün hält das Dämmerlicht fest wie ein Land in den frühen Abend- oder Morgenstunden, obwohl die Sonne noch hoch am Himmel steht.«

»Ja, die Bäume halten nun die Dämmerung fest, denn meine Verwandten sind wieder dort, weil wir erfahren haben, dass sich Rucha und Loka – Gyphon-Gezücht – im Schwarzen Drimmenheim rühren«, sagte Shannon grimmig, »und nach Süden hin das Land verwüsten. Einige von uns sind zurückgekehrt, um ihnen den Weg durch Darda Galion zu versperren. Aber es gibt viele Kompanien von ihnen und wir sind nur wenige, folglich kommen die schändlichen Plünderer immer noch durch, obwohl wir ihnen jetzt schwer zusetzen.«

»Wie kommt es, dass Ursor, ein Mensch, bei den Elfen ist?«, fragte Perry.

»Ach«, erwiderte Shannon, »das ist ein Rätsel. Eines Nachts kämpften wir gegen eine Kompanie Rûpt, und mitten in der Schlacht war er plötzlich da. Er schwang seinen schwarzen eisernen Streitkolben und verbreitete Tod und Schrecken unter den Feinden. Seitdem ist er bei uns. Seine Fähigkeiten als Waldläufer entsprechen beinah denjenigen eines Elfen. Er redet selten über seine Vergangenheit, aber ein wenig wissen wir: Er hat ganz allein Rûpt gejagt, um Rache für seine Frau und sein Kind zu nehmen, die auf einer Reise ins ferne Valon getötet wurden. Bevor er sich uns anschloss, hat er dem Gezücht immer aufgelauert und gewartet, bis einige Ruch vom Haupttrupp getrennt wurden, um dann zuzuschlagen. Außerdem hat er auf den Wegen, die nur von Rucha und Loka begangen werden, Fußangeln gelegt und Fallgruben mit spitzen Pfählen im Boden ausgehoben. Nun, da er bei uns ist, braucht er nicht länger auf Gelegenheiten zu warten, wo er zwei oder drei Rûpt allein erwischt. Wie Ihr gesehen habt, greift er mit uns an und erschlägt viele Feinde. Er sagt, seine Rache gehe nun rascher vonstatten.«

Perry schaute zu dem großen Menschen, der weiter vorn ging, und bemitleidete dessen Feinde nun beinah. Dann fiel ihm etwas ein, das ihm schon lange im Hinterkopf herumgegangen war, und er rief: »Ursor, wartet !« Der Wurrling lief nach vorn zu dem Baeron.

Als die beiden Seite an Seite gingen, sagte Perry: »Ursor, mir ist gerade etwas eingefallen: Euer Landsmann Baru, der Hüter des Crestan-Passes, und seine drei Söhne lassen Euch grüßen. Baru sagt, dass daheim alles in Ordnung ist. Außerdem geht er davon aus, dass Eure Rache gegen die Wrg zu Eurer Zufriedenheit verläuft. «

Der Trupp marschierte schweigend weiter. Wenn der Baeron einen Schritt machte, brauchte der Bokker deren zwei. Schließlich erwiderte Ursor: »Danke, kleiner Mann. Es ist lange her, dass ich etwas von meinem Volk gehört habe.«

Sie marschierten rasch den Weg entlang, überquerten die Passhöhe und gingen auf der anderen Seite bergab. Vor ihnen ausgebreitet lag ein stetig ansteigender Landstrich zwischen der Hügelkette, die sie gerade überquert hatten, und dem Grimmwall im Westen. Das Land hob sich nach Westen in die Wände der Quadra: Rávenor, Aggarath, Ghatan und Uchan. Bei den Menschen hießen diese vier Berge Stormhelm, Grimmhorn, Dachspitz und Grauturm, bei den Elfen Coron, Aevor, Chagor und Gralon. Das Gestein jedes dieser Berge hatte eine andere Tönung: Stormhelm rötlich, Grimmhorn schwarz, Dachspitz bläulich und Grauturm aschfarben. Unter diesem Quartett mächtiger Gipfel lag Kraggen-cor. Und in der Umarmung der Berge lag ein weites, gewölbtes Tal: die Neige.

Als die Neige in Sicht kam, blieb der Trupp stehen, und die Zwerge drängten sich eifrig vorwärts um die Landschaft zu betrachten. Mit einer weit ausholenden Geste deutete Fürst Kian auf das große Tal. »Dort liegt das Land, was die Zwerge Baralan nennen«, sagte er zu Perry, »und die Elfen Falanith. Das ist die Neige.« Dann zeigte Kian auf das Ende der Einkerbung und zugleich den höchsten Punkt. »Und dort oben am entfernten Rand liegt unser nächstes Ziel: das Morgentor. Morgen marschieren wir im Sonnenlicht zu dem Portal. Doch nun nähert sich der Abend. Wir müssen abseits dieses Pfades lagern, denn man sieht, dass hier kürzlich schwer bestiefelte Füße entlanggegangen sind. Yrm-Stiefel, würde ich meinen. Es wäre nicht gut, wenn wir von einer zufälligen Streife entdeckt würden.«

Die sieben Wanderer verließen den Weg und begaben sich in die Deckung eines Dickichts in einer Senke auf dem Hang. Die Sonne war hinter den Bergen versunken, und sie schlugen das Lager in den tiefen Schatten der Berggipfel auf.

In jener Nacht wurde Perry früh während Kians Wache von Delk geweckt, da Langmessers Klingenjuwel wieder in blauem Schein erstrahlte. Wie zuvor schob Perry die Klinge in die Scheide, sodass ihr Leuchten vom Feind nicht zu sehen sein würde. In kurzen Abständen zog er die Waffe ein oder zwei Fingerbreit heraus und schirmte sie mit den Händen ab. Diesmal wuchs sich das Licht langsam zu einer starken blauen Flamme aus, die über die Klinge flackerte, und sie hörten schwere Stiefel über den Weg stapfen und Rüstungen klirren. Der Mond war über halb voll und die Gefährten sahen zu, wie eine große Kompanie Rukhs den Pfad entlang marschierte und in der Nacht verschwand. Perrys Herz hämmerte in seiner Brust, als sei es ein Vogel im Käfig und auf Flucht erpicht.

Langsam wurde die Flamme schwächer, da die Gefahr sich entfernte, bis sie nur noch ein schwaches Glimmen war. Entsprechend ruhiger wurde auch Perry, aber auch nur, weil er alle Gedanken an die Gefahr beiseite schob und sich in seine Erinnerungen an Waldsenken vertiefte, an die Wurzel und an Hollis leises Summen, wenn sie sich um ihren Blumengarten kümmerte.

Noch zweimal flackerte in jener Nacht die Flamme im Juwel der Elfenklinge, aber sie sahen keine Feinde mehr.

Am nächsten Morgen machte sich der Trupp im ersten Sonnenlicht auf die letzte Etappe ihrer Überlandreise. Sie verließen den Pfad durch die Hügel und marschierten nach Westen, die lange Neige empor. Als die Gefährten auf den Hang kamen, wurden die Seitenränder des Tals steiler, und hier und da waren sie mit Birken und Föhren bewachsen. Auf dem Boden wuchsen Heide und Ginster. Tief unter sich konnten die Gefährten einen glitzernden Fluss aus dem Tal rauschen sehen. Das war der Quadrill, ein Fluss, der von vielen Gebirgsbächen gespeist wurde und auf seinem Weg durch Darda Galion, wo der Cellener und der Rothro in ihn mündeten, sehr viel breiter wurde, bis er schließlich in den Argon floss.

Am frühen Nachmittag waren die Sieben bereits weit auf die Neige vorgedrungen und auf beiden Seiten von hohen Bergen flankiert. Perry konnte bis zum Nordende schauen, wo ein glitzernder Bach in vielen Kaskaden aus dem Schnee des Stormhelm in die Tiefe stürzte. Der Bach und der Weg, neben dem er verlief, wurden Quadra-Lauf genannt. Der Weg führte über den Quadra-Pass in das Land namens Rell. »Wie nah sind wir Dureks Armee, Zwirn, und Eurem Bruder Rand?«, fragte Perry Fürst Kian mit Blick auf den verschneiten Pass.

»Wenn meine Einschätzung stimmt und sie nicht aufgehalten wurden, sollte die Armee langsam die Dämmertür erreichen. Und wir sind zwei rasche Tagesmärsche von diesem Portal entfernt – über den verschneiten Pass und dann den Alten Weg entlang. Aber wenn Ihr fliegen könntet wie ein Adler, Perry, wären es vielleicht nur vierzig Meilen über den Berg.« Fürst Kian betrachtete den Waerling. »Natürlich können wir nicht fliegen wie die Falken, sondern müssen zu Fuß gehen wie das Wiesel, denn der Weg, dem wir folgen, verläuft unter dem Berg und hat viele Biegungen und Windungen – sechsundvierzig Meilen Bregas Weg entlang.«

Sie marschierten weiter, bis sie den Quadra-See erreichten, ein kleines, klares Gewässer weniger als eine Meile vom Ostportal – dem Morgentor – entfernt. Sie gingen die Grasnabe entlang zum kalten Wasser, um ihre Feldflaschen aufzufüllen. Anval, Borin und Delk betrachteten den unbewegten See mit einem Ausdruck des Staunens, denn hier begann das Gebiet von Kraggen-cor. Auf der anderen Seite des blauen Gewässers fiel eine steinerne Böschung steil ins Wasser. Oben auf der geraden Spitze dieser Felswand stand eine geborstene Säule und zeigte wie ein verstümmelter Finger in den Himmel. Es war ein Reichsstein, der diesen Ort als Zwergenfeste kennzeichnete. Die Runen auf dem Stein forderten alle auf, die es danach gelüstete, das reine, kalte Wasser aus den Tiefen Châk-alons zu trinken, dem zwergischen Namen für diesen beschaulichen See.

Fürst Kians Augen suchten die Flanken des Bergs ab, dann wurde sein Blick entschlossen. »Dort, glaube ich. Dort liegt das Morgentor«, sagte er grimmig und zeigte den Hang empor.

Perrys Herz pochte ihm im Halse, denn dort vor ihm, hoch auf dem Westflügel der Neige, lag ihr Ziel: Wie eine klaffende schwarze Wunde gähnte stumm der Ost-Eingang nach Kraggen-cor, ein dunkles, abschreckendes Portal in ein Labyrinth, in dem es von Feinden wimmelte. Sein Herz klopfte wild, und seine Hände zitterten, und ein Schauder der Angst überlief ihn, denn morgen früh bei Sonnenaufgang würden sie ihren verzweifelten Marsch durch dieses schwarze Loch zur weit entfernten Dämmertür beginnen. Er würde der Führer in der Dunkelheit Drimmenheims sein, denn es war seine Aufgabe, sie ohne Fehler den gewundenen Weg entlang an ihr entferntes Ziel zu führen. Die volle Verantwortung, die diese Rolle mit sich brachte, legte sich jetzt schwer auf ihn.

Perry riss den Blick von dem schwarzen Loch los und ließ ihn dem geborstenen Gestein einer uralten breiten Straße folgen, die sich vom Eingang ins Tal wand, wo sie sich zwischen Heide und Ginster auf der Westseite des Sees verlor. Doch mochte er sich auch noch so große Mühe geben, nicht hinzusehen, sein Blick wurde immer wieder von dem pechschwarzen Loch angezogen und jedes Mal, wenn er hinsah, beschleunigte sich sein Herzschlag, und er hielt den Atem an.

Ursor beugte sich zu ihm herunter und sagte mit leiser Stimme, die nur Perry verstehen konnte: »Keine Sorge, kleiner Mann. Wenn wir erst mal unterwegs sind, werden wir viel zu beschäftigt sein, um darüber nachzudenken.« Perry bedachte den großen, verständnisvollen Menschen mit der Andeutung eines Lächelns, entgegnete aber nichts.

Fürst Kian wählte in dieser Nacht ein dichtes Piniengehölz als Nachtlager für den Trupp aus. Das Wäldchen stand hoch oben auf der Neige eine Meile nördlich des Morgentors. Er glaubte, die Yrm-Truppen würden sich nach Osten und Süden in Richtung Darda Galion wenden – weg von dem ausgewählten Gehölz –, und dass auch die Rückkehrer diesen Weg nehmen würden. Daher hatten sich die Sieben bereits lange vor Einbruch der Dämmerung zwischen Ginster und Pinien eingerichtet und sich vor neugierigen Augen verborgen.

Als sie sich zwischen den immergrünen Bäumen ausgestreckt hatten, wurde Perry sich des entfernten Rauschens herabstürzender Wassermassen bewusst und als er danach fragte, erwiderte Delk: »Das ist Dureks Rad, der Vorvor.« Doch mehr sagte der Zwerg nicht, denn mittlerweile hatte sich die Dunkelheit über das Land gelegt, und sie redeten nicht mehr.

Dunkelheit breitete sich im Tal aus und kurz darauf sahen sie von Hlöks geführte Rukhs mit Fackeln aus dem Tor strömen. Wiederum beschleunigte sich Perrys Herzschlag. Unter lautem Waffen- und Rüstungsgeklirr wurde eine Streitmacht zusammengestellt, die dann nach Osten, die alte geborstene Straße entlang zog. Posten blieben zurück, die das Portal bewachten, und aus der Höhle schien das Licht der Fackeln. Ein oder zwei Stunden lang bewegten sich nur die Rukh-Wachen, die vor dem Eingang umhergingen oder daneben hockten.

Der silberne Mond am Himmel warf einen bleichen Schein in das Tal und auf die Berghänge. Im Mondlicht beobachteten die Gefährten weiterhin die Pforte.

Eine gewisse Zeit verstrich, dann kam eine Kompanie Rukhs mit Ballen unbekannter Güter aus dem Tal empor. Ob es Fleisch, Getreide, Stoff oder andere Beute war, konnten die Sieben nicht erkennen, denn sie waren zu weit vom Tor entfernt, um die Fracht genauer betrachten zu können. Die Last wurde in die Höhle geschleppt und verschwand außer Sicht.

Wiederum verstrich ein längerer Zeitraum und Perry schlief beim Beobachten ein. Als er geweckt wurde, waren mehrere Stunden verstrichen, denn der Mond war hinter den Bergen versunken. Ursor hatte den Bokker aus dem Schlaf gerissen und mahnte ihn, leise zu sein. Ein Trupp Fackeln tragende Rukhs war durch das Tor marschiert und hatte sich nach Norden gewandt! In unregelmäßigen Reihen marschierten sie direkt auf das Piniengehölz zu und näherten sich den Sieben. Die Gefährten pressten sich flach auf den Boden, lugten aus ihrem Versteck und wagten kaum zu atmen. Vorsichtig und lautlos zogen alle bis auf Perry eine Waffe und machten sich kampfbereit. Der Wurrling packte Langmessers Griff zwar, zog die Waffe aber nicht, denn er wusste, dass ihr Licht in der Scheide verborgen brannte. Die Kameraden warteten ab, während das Gezücht näher kam.

Augenblicke später konnte Perry sie undeutlich reden hören. Sie waren noch zu weit weg. Schließlich stellte er fest, dass er zwar einzelne Stimmen und Worte unterscheiden konnte, ihre Bedeutung aber nicht verstand. Die Sprache war harsch und klang unangenehm, als bestünde sie aus ätzendem Knurren, misstönenden Flüchen und knirschenden Verwünschungen. Perry vernahm auch gutturales Grollen und geifernde Laute. Die Rukhs unterhielten sich auf Slûk, was zuerst von den Hlöks gesprochen worden war. Doch schon vor langer Zeit in Neddra hatte Gyphon es zur allgemeinen Sprache für das gesamte Gezücht erklärt.

Perry schauderte ob der fremdartigen Laute, lag ansonsten aber still da, während die Rukhs einem unsichtbaren Pfad folgten, um dann eine Wendung zu vollführen und am Gehölz vorbei nach Norden zum Quadra-Lauf zu marschieren.

Etwa eine Stunde vor Morgengrauen kehrte die Rukh-Streife in aller Hast aus dem Norden zurück, um noch rechtzeitig vor Sonnenaufgang das Tor zu erreichen. Diesmal waren sie jedoch zahlreicher. Als sie sich dem Gehölz näherten, erkannte Perry zu seiner Überraschung, dass er jetzt verstehen konnte, was gesagt wurde. Die Anführer, zwei Hlöks, sprachen kein Slûk, sondern verwendeten Worte in einem Sprachengewirr ähnlich dem Pellarion, der Umgangssprache Mithgars, das oft von Hlöks benutzt wurde, wenn sie nicht wollten, dass ihre Untergebenen, die Rukhs, ihre Worte allzu gut verstanden.

»Gorbashs lumpige Kompanie hat heute Nacht reichlich Beute eingebracht«, heulte einer der Hlöks. »Vielleicht ist Gnar zufrieden und lässt die Peitsche ruhen.«

»Nicht Rattenmaul Gnar«, knurrte der andere. »Der fette Schleimbeutel ist dieser Nächte immer zornig. Seit die verfluchten Elfen angefangen haben, Nibs Untergebene niederzumetzeln, hat er sich nicht mehr beruhigt.«

»Ich habe gehört, dass noch eine ganze Kompanie vermisst wird und seit drei Tagen überfällig ist – Gushdugs Haufen.«

»Möge Gushdugs Schädel verrotten! Wenn du nicht lügst, bedeutet das, Gnar wird seine Neunschwänzige mehr benutzen denn je. Ich werde ihm diese Eisenstange in sein verfaultes Gehirn rammen, wenn er mit dem Ding auf mich zielt. Es ist schon schlimm genug, dass er mich und meinen Haufen diese Seite des Wegs über den schäbigen Berg bewachen lässt, wo er doch weiß, dass Stoogs Haufen allein genug ist. Und sie können alles aus einem Unterstand beobachten und wir nicht, mögen ihre schleimbedeckten Häute verbrennen. Gnar hat mich absichtlich zwei zusätzliche Wochen in der Kälte stehen lassen, nachdem der Schnee den Weg längst unpassierbar gemacht hatte. Ich schneide ihm die Kehle durch, wenn er mich auch nur schief ansieht.«

»Du? Ha! Du hast ein großes Maul, Spatzenhirn. Ich kenne dich. Du wirst im Dreck vor seinen stinkenden Füßen herumkriechen wie der Rest von uns, wenn wir uns zur Stelle melden, ihm die Stiefel lecken und ihn ›O Mächtiger‹ nennen, und die ganze Zeit wirst du dir wie der Rest von uns wünschen, du könntest ihn in irgendeinem dunklen Loch von hinten und allein erwischen, ohne Goth und Mog, die ihn ständig bewachen, dann …«

Mehr hörte Perry nicht, denn dann waren sie außer Hörweite.

Als die aufgehende Sonne über den Horizont schaute, rieb Delk Perry das Gesicht schwarz ein und wies ihn an, etwas von der Substanz auf seine Hände aufzutragen. Die anderen Mitglieder des Trupps schwärzten sich ebenfalls Hände und Gesicht und prüften gegenseitig ihr Werk. »Vergesst nicht«, warnte Delk Perry, »wenn wir uns verstecken, schaut die Grg nicht direkt an – Eure Augen würden den Fackelschein widerspiegeln und sie anfunkeln wie zwei glühende Kohlen, und wir würden entdeckt. Schaut zur Seite oder schirmt Eure Augen mit der Hand ab und schaut durch die Fingerritzen. Haltet insbesondere Eure Utruni-Augen bedeckt, Waeran, denn die werden leuchten wie Saphire. Außerdem wäre es besser, Langmesser in der Scheide zu lassen, damit uns sein Licht nicht verrät. Zieht es nur, wenn es keine andere Wahl gibt.«

Perry nickte und verrieb noch etwas mehr von der rußigen Salbe auf Delks entblößter Wange. Zufrieden trat Perry zurück und betrachtete die anderen. Er sah ausschließlich dunkle Gesichter und schwarze Hände. »Meine Güte, was für verwegene Gesellen«, verkündete er. »Ich habe mir Krieger immer hell und strahlend vorgestellt, aber wir stehen hier, die Geheimen Sieben, und sind ein so bunt zusammen gewürfelter Haufen, wie man es sich nur vorstellen kann.« Zuerst lächelte Perry nur, aber je länger er seine Gefährten anschaute, desto lustiger kam es ihm vor. Und plötzlich brach er lauthals in Gelächter aus und schien nicht mehr aufhören zu können. Die anderen starrten ihn erstaunt an und immer noch lachte er. Dann ließ Shannon sich davon anstecken und fing ebenfalls an zu glucksen. Bald waren alle eingefallen, da jeder die geschwärzten Züge seiner Freunde anstarrte und sie lustig fand.

»Nun ja, mein kleiner Waldan«, grollte Ursor grinsend, »ich hoffe, Ihr fangt nicht unten in den Gruben der Wrg zu kichern an. Wir werden ganz sicher entdeckt, wenn wir alle im Kreis dasitzen und uns um unsere dummen Köpfe lachen.« Wiederum brach der Trupp in gedämpftes Gelächter aus.

»Ich hätte nie gedacht, dass ich mich mit einer Gruppe von Hofnarren auf eine Geheimmission machen würde«, grollte Delk. »Aber vielleicht ist das eine neue Art und Weise, den Feind zu übertölpeln. Ich bezweifle, dass Possenreißen und Scherze schon jemals gegen die diebischen Grg eingesetzt wurden. Sollten wir auf welche stoßen, fallen wir einfach auf unser Hinterteil und während sie noch vor Belustigung schreien und von den Lachtränen geblendet sind, schleichen wir uns weg, öffnen die Dämmertür und bringen die Armee für eine Zugabe mit.«

Fürst Kian lachte leise mit den anderen, aber er wusste ganz genau, dass ihre heitere Stimmung eine innere Anspannung verbarg, denn sie würden jeden Augenblick ein gefährliches Unterfangen beginnen. Wie es die Angewohnheit von Kriegern überall und zu jeder Zeit ist, werden grobe Scherze gemacht, bevor man sich solchen Zerreißproben stellt. Aye, Kian lachte ebenfalls, doch seine Züge nahmen bald einen grimmigen Ausdruck an. Dann sagte er: »Lasst uns jetzt gehen. « Er blinzelte in die halb aufgegangene Sonne und alle Heiterkeit verstummte. »Bis wir dort sind, scheint das Licht voll in die Osthalle.«

Sie gingen den Hang hinab und dem Tor entgegen. Perrys Herz raste, denn sie würden jeden Moment Kraggen-cor betreten. Im Geiste ging er noch einmal durch, was er den anderen unterwegs unzählige Male darüber erzählt hatte, was sie an Hallen und Kammern erwartete, insbesondere gleich nach ihrem Eindringen durch das Morgentor. Sie hatten die Karte eingehend studiert und waren jedes Fünkchen Wissen und Überlieferung durchgegangen, das Perry, Anval, Borin und Delk bekannt war. Nun musste sich der Wurrling beinah auf die Zunge beißen, um dem gewaltigen Druck in ihm nicht Luft zu machen und es laut zu wiederholen, während sie über den Hang zum Tor gingen.

Und dann waren sie dort.

Vorsichtig, einen Pfeil auf der Bogensehne, lugte Kian um einen der großen Torpfosten und in die sonnenbeschienene Halle. Sie war leer. Auf das Signal des jungen Fürsten traten die Kameraden einer nach dem anderen hindurch und schlichen an den großen Torflügeln vorbei, die schon vor Jahrhunderten aus ihren Angeln gerissen und auf den Steinboden geworfen worden waren, wo sie immer noch lagen. Im Schatten stehend, konnten die Sieben einen riesigen, aus dem Stein gehauenen Raum mit einem einzigen Ausgang sehen, der zweihundert Schritte weiter in einen Korridor führte. Die Sonnenstrahlen fielen direkt durch das Tor und trafen die am weitesten entfernte Wand zur Rechten jenes entfernten Portals, das finster am anderen Ende der Kammer gähnte und ins Innere von Kraggen-cor führte. In einer Reihe bewegte sich der Trupp rasch durch diesen Raum – die Osthalle –, wobei sie sich auf der Südseite und aus den direkten Sonnenstrahlen

Titel der amerikanischen Originalausgabe THE SILVER CALL – PART 2: THE BREGA PATH Deutsche Übersetzung von Christian Jentzsch

Redaktion: Natalja Schmidt

Copyright © 2001 by Dennis L. Mc Kiernan Copyright © 2005 der deutschen Ausgabe by

Wilhelm Heyne Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House GmbH www.heyne.de

Titelillustration: Arndt Drechsler Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München Satz: C. Schaber Datentechnik, Wels

eISBN 978-3-641-08105-8

www.randomhouse.de

Leseprobe