Magierschwur - Dennis L. McKiernan - E-Book

Magierschwur E-Book

Dennis L. McKiernan

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Beschreibung

Die packende Fortsetzung von Magiermacht

Mit seinen grandiosen Abenteuern über tapfere Elfen, mutige Zwerge und weise Magier hat sich Dennis L. McKiernan in die erste Riege der klassischen Fantasy geschrieben. Lassen Sie sich entführen in die Welt von Mithgar, in der zwei unbedarfte Helden gegen dunkle Mächte antreten und dabei auf die Hilfe mächtiger Magier vertrauen.

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Seitenzahl: 317

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Das Buch

Dem magischen Kontinent Mithgar droht ein erbarmungsloser Krieg: Der Schwarzmagier Modru hat seine Truppen gesammelt und führt sie gegen die vereinten Armeen der Menschen und Elfen ins Feld. Während in allen Ländern gewaltige Schlachten geschlagen werden, sind die Wurrlinge Tipperton Thistledown und Beau Darby noch immer auf der Suche nach König Agron von Aven, dem sie eine geheimnisvolle Münze überbringen müssen.

Auf ihrer langen Reise begegnen die beiden Helden zahlreichen Gefahren, aber auch Freunden und Verbündeten. In den Wäldern der Elfen und in den Stollen der Zwerge finden sie Hilfe, doch dank einer uralten Prophezeiung der Elfen wird ihnen auch bewusst, wie wichtig ihre Mission ist. Und als Tipp auf die Liebe seines Lebens trifft, wird diese Begegnung für ihn zur größten Prüfung seiner Fahrt. Denn er weiß, nur wenn er die Geliebte verlässt und seine Aufgabe zu Ende bringt, kann er den Untergang der Welt Mithgar verhindern.

Dennis L. McKiernans MITHGAR-Romane:

Bd. 1: Zwergenkrieger Bd. 2: Zwergenzorn Bd. 3: Zwergenmacht Bd. 4: Elfenzauber Bd. 5: Elfenkrieger Bd. 6: Elfenschiffe

Bd. 7: Elfensturm Bd. 8: Magiermacht Bd. 9: Magierschwur Bd. 10: Magierkrieg Bd. 11: Magierlicht Bd. 12: Drachenbann

Der Autor

Dennis L. McKiernan, geboren 1932 in Missouri, lebt mit seiner Familie in Ohio. Mit seinen Romanen aus der magischen Welt Mithgar gehört er zu den erfolgreichsten Fantasy-Autoren der Gegenwart.

Inhaltsverzeichnis

Über den AutorWidmungVorwortANMERKUNGEN DES AUTORS1. KapitelCopyright

Für alle auf der Welt, die Fantasylesen und schreiben,undfür die lange Kette von Menschen,die sie verbindet.Zusammen können wir die MagieWirklichkeit werden lassen.

Ein Teil von Mithgar

Vorwort

Die beiden Wurrlinge Tipperton Thistledown und Beau Darby, die eine geheimnisvolle Münze, welche Tipperton von einem sterbenden Reiter des Königs bekommen hat, nach Aven zu König Agron bringen wollen, erreichen mit ihren Begleitern und Freunden, dem Elf Loric und der Elfin Phais nach einer gefährlichen und beschwerlichen Reise Valon. Sie werden von den Horden des Gezüchts, die der Schwarze Zauberer Modru befehligt, verfolgt. Modru ist es gelungen, seine Kriegshorden aus dem Land Gron aus der Niederen Welt in die Mittelwelt zu schaffen, um sie und anschließend alle Welten zu erobern.

Als unsere Helden das Gebirgsmassiv des Grimmwalls endlich überwunden haben und das Land Valon erreichen, müssen sie feststellen, dass ihnen die Horden Modrus bereits zuvorgekommen sind.

Valon steht in Flammen.

ANMERKUNGEN DES AUTORS

Magierschwur erzählt die Geschichte des Großen Krieges, gesehen durch die Augen von zwei Wurrlingen, Tipperton Thistledown und Beau Darby.

Die Geschichte beginnt im Jahr 2195 der Zweiten Ära von Mithgar. In dieser Zeit können die Rûpt oder Rukhs noch bei Nacht und am helllichten Tag umherstreifen, obwohl man sagt, dass sie ihrem schändlichen Tun lieber im Schutz der Dunkelheit nachgehen.

Die Geschichte des Großen Bannkrieges wurde aus verschiedenen Quellen rekonstruiert, von denen eine wichtige die Thistledown-Saga ist. Ich habe an einigen Stellen die Lücken mit eigenen Vermutungen ergänzt, aber im Großen und Ganzen entspricht die erzählte Geschichte der ursprünglichen Sage.

Wie bei einigen anderen Werken über Mithgar kommt es häufig vor, dass sich in der Hitze des Augenblicks Menschen, Magier, Elfen und andere unwillkürlich ihrer Muttersprache bedienen. Um jedoch lästige Übersetzungen zu vermeiden, habe ich, wo erforderlich, ihre Worte in Pellarion aufgeschrieben, der Umgangssprache Mithgars. Einige Worte und Redewendungen eignen sich jedoch nicht für die Übersetzung, und diese habe ich unverändert gelassen. Darüber hinaus mögen verschiedene Wörter falsch aussehen, sind tatsächlich aber korrekt – so ist zum Beispiel DelfHerr nur ein einzelnes Wort, obwohl mitten im Wort ein großes H steht.

Die Elfensprache Sylva ist sehr altertümlich und förmlich, aber im Interesse der Lesbarkeit sind die meisten altertümlichen Ausdrücke und Redewendungen eliminiert worden.

Für die besonders Neugierigen sei noch angemerkt, dass das w in Rwn wie uu ausgesprochen wird (w ist schließlich nichts anderes als ein doppeltes u). Rwn wird also nicht Renn ausgesprochen, sondern Ruhn.

1. Kapitel

Tipperton, Beau, Loric und Phais erreichten das östliche Ende des Passes, als der abnehmende Halbmond am Himmel aufging und sein silbernes Licht die hohe Steppe Valons überzog.

»Wir werden hier zwischen den schützenden Klippen lagern«, erklärte Loric und schnallte seinen Rucksack ab. »Morgen früh reiten wir weiter.«

»Aber was ist mit dem Rauch und den Feuern auf den Ebenen, die wir gesehen haben?«, erkundigte sich Beau. »Sollten wir nicht nachsehen, ob jemand Hilfe benötigt?«

Loric sah Phais an und schüttelte dann den Kopf. »Mir schwant, dass wir hier nur ein anderes Stede, ein weiteres Annory finden werden, Herr Beau. Als wir die Brände dort untersuchten, war es ebenfalls bereits zu spät.«

Tipperton nickte düster. »Außerdem sind es mindestens zwanzig Meilen bis dorthin. Selbst wenn wir ohne Pause zügig reiten, erreichen wir die Feuer erst am Morgen, oder vielleicht sogar erst gegen Mittag.«

»Meiner Treu«, erwiderte Beau niedergeschlagen. »Ich hatte gehofft, es wäre näher. Ehrlich gesagt, kann ich kaum weitergehen, wenn wir nicht zwischendurch eine kleine Pause einlegen. Immerhin klettere ich nicht jeden Tag mit einem Rucksack auf dem Rücken über den Grimmwall und wieder hinunter.«

»Außerdem führt uns unser Weg ohnehin dort vorbei«, mischte sich Phais ein. »Also sollten wir morgen sehen, was dort auf der Ebene brennt. Aber fürs Erste habt Ihr recht, wir müssen rasten.«

Tip setzte seinen Rucksack ab und seufzte erleichtert. Dann schaute er zur Gûnnaring-Schlucht zurück. »Wird es irgendwann einfacher? Ich meine, diese Wanderung?«

Loric nickte. »Je weiter wir kommen, desto einfacher wird der Weg. Denn unsere Rucksäcke werden leichter, je mehr Lebensmittel wir verbrauchen. Und unsere Stärke und Ausdauer wird wachsen, während wir über die Ebene und bis nach Darda Galion wandern.«

Beau stöhnte. »Wir müssen doch hoffentlich nicht den ganzen Weg bis zum Greisenwald zu Fuß zurücklegen? Irgendwo müssen wir doch Pferde kaufen können … oder Ponys.«

Phais kniete neben ihrem Rucksack nieder und löste die Verschnürung. »Wer kann das sagen«, meinte sie seufzend, »da dieses Land vom Krieg heimgesucht wird?«

Tipperton sah die Dara an. »Wann werden wir den Elfenwald erreichen, falls wir zu Fuß gehen müssen?«

Phais blickte fragend zu Loric. »Wenn wir nicht verweilen«, antwortete er, »sollten wir in vierzehn Tagen dort sein.«

»Vierzehn Tage? Zwei Wochen?«

»Aye. Es sind fast hundert Werst.«

»Dreihundert Meilen?«

»Aye, dreihundert Meilen, Tipperton. Und wir schaffen etwa sieben Werst am Tag, also brauchen wir etwa vierzehn Tage.«

Tipperton stöhnte. »Einundzwanzig Meilen am Tag, und das vierzehn Tage lang. Meine armen Füße protestieren jetzt schon.«

Beau schnaubte. »Pah, Tip, im Vergleich dazu, wie wir im Ödwald über das Eis gerutscht sind, dürfte dieser Spaziergang in den Greisenwald geradezu ein Ausflug sein. Was kann besser sein, als auf weichem Boden über eine Steppe zu laufen? Außerdem, Wurro, vergiss nicht, dass dies von allen Möglichkeiten, die uns geblieben sind, der schnellste Weg ist.«

Tip warf seinem Freund einen skeptischen Blick zu, sagte jedoch nichts, während er stöhnend aufstand, um die erste Wache zu übernehmen.

Kurz nach Tagesanbruch marschierten sie in nordöstlicher Richtung über die hügeligen Ebenen von Valon. Die Steppe war bis zum Horizont mit hohem Gras bewachsen, das den Elfen bis zu den Schenkeln, den Wurrlingen jedoch bis zur Brust reichte. Es wiegte sich in dem frischen Morgenwind, der aus der Gûnnaring-Schlucht hinter ihnen blies. Hinter dem Horizont stieg immer noch eine Rauchsäule auf und bedeckte den Himmel mit ihren Schwaden. Der Rauch wurde vom Wind nach Osten getrieben. Und sie marschierten direkt auf den Ursprung der Rauchsäule zu.

»Was ist, wenn es dort so aussieht wie in Annory? Eine niedergebrannte und zerstörte Stadt, in der ein Trupp des Gezüchts kampiert?«, fragte Beau. »Was können wir vier dagegen ausrichten?«

Phais seufzte. »Wir müssen sie umgehen.«

»Ihr meint, wir lassen sie in Ruhe?«, fragte Tip.

Phais nickte. »Aye. Es sind wahrscheinlich zu viele für uns.«

Tipperton knurrte. »Aber die Zwerge haben neunzehn Feinde angegriffen, und sie waren nur zu fünft.«

Loric schüttelte resigniert den Kopf. »Die Zwerge sind eine wilde Rasse, denen die Ehre weit mehr gilt als das Leben. Aye, sie haben mit ihren schwingenden Äxten neunzehn Feinde angegriffen, und sich auf das Überraschungsmoment und ihre rohe Kraft verlassen. Sollten wir einer ähnlichen Situation begegnen, würde ich mich auf Verstohlenheit und List besinnen, um dasselbe Ergebnis zu erzielen. Aber beachtet: Verstohlenheit, List und Klugheit bedürfen der Zeit, und sollten wir einer großen Zahl von Feinden begegnen, müssen wir sie umgehen, wenn wir unsere Reise nach Aven nicht gefährden wollen. «

Tip runzelte die Stirn, was Phais bemerkte. »Tipperton, wenn wir jeden Feind zwischen diesem Ort und Dendor in Aven angreifen, brauchen wir mindestens ein Jahr, bis wir vor König Agron treten können.«

»Trotzdem«, fuhr Loric fort, »werden wir unterwegs Erkundungen über den Feind einziehen und dieses Wissen an diejenigen weitergeben, die es benötigen.«

»Wie Kundschafter?«, meinte Beau. »Ich meine, solange wir nicht vom Weg nach Aven abkommen.«

»Genau so.« Loric lächelte den Wurrling an.

Dann marschierten sie weiter über die Ebene auf die Rauchsäule zu, über der am Himmel zahlreiche Vögel ihre Kreise zogen.

»Leise!«, zischte Loric, als sie einen Hügelkamm erreichten. »Geht in Deckung.«

Sie warfen sich ins Gras. »Was?«, flüsterte Tipperton. »Was ist dort?«

»Pferde«, zischte der Alor, setzte seinen Rucksack ab und zog sein Schwert. Phais nickte zustimmend, zog ebenfalls ihre Klinge und befreite sich von ihrem Bündel.

Beau lag flach auf dem Boden und drückte sein Ohr auf die Erde. Er riss die Augen auf und bedeutete Tip mit einer Handbewegung, seinem Beispiel zu folgen. Der sah seinen Freund erstaunt an, als er ebenfalls das Donnern zahlloser Hufe auf der weichen Erde hörte. »Und wenn es Freunde sind?«, fragte er und hob vorsichtig den Kopf.

»Und wenn es Feinde sind?«, antwortete Beau mit einer Gegenfrage.

»Freunde werden wir begrüßen«, meinte Phais, »Feinde nicht.« Dann legte sie den Finger auf die Lippen, um Schweigen zu gebieten.

Beau sog zischend die Luft ein. »Meiner Treu, wenn es nun Ghûle auf Hèlrössern sind?«

Geschützt vom hohen Gras zog Tipperton seinen Bogen von den Schultern und legte einen Pfeil auf. Beau folgte seinem Beispiel.

Jetzt konnten die Wurrlinge die Pferde auch hören, ohne die Ohren auf den Boden zu legen. Tipperton blickte auf, damit er über die Spitzen der Gräser spähen konnte.

Sie kamen aus dem Norden und bogen um die Flanke eines Hügels. Ein Reiteraufzug, mehr als dreißig Männer auf Pferden. Neben ihnen her liefen mindestens doppelt so viele Männer, und sie alle waren mit Speeren bewaffnet. Die Reiter waren dunkelhäutig, trugen Turbane und lange, fließende Gewänder, und gebogene Schwerter, die sie an der Seite gegürtet hatten. Das Fußvolk war noch dunkelhäutiger, fast schwarz. Sie trugen nur kurze Lendenschurze und an den Füßen Sandalen. Ihr langes Haar hatten sie zu Zöpfen gebunden, die von Muschelspangen zusammengehalten wurden. Auf ihrer dunklen Haut glänzte der Schweiß.

»Deckung!«, zischte Loric und zog Tipperton hinunter. »Das ist der Feind.«

Sie rannten durch eine Senke, und die Gefährten hörten das angestrengte Keuchen sowohl der Männer als auch der Tiere. Sie verschwanden schon bald hinter den lang gestreckten Hügeln in südlicher Richtung.

Vorsichtig ging Loric auf ein Knie, sah sich um und richtete sich dann ganz auf.

Er bedeutete den anderen, sich ebenfalls zu erheben.

Tipperton sah nach Süden, konnte aber nur das weite, wogende Gras erkennen. »Was … Wer war das?«

»Männer aus Hyree«, erwiderte Loric, »und Männer aus Chabba.«

»Auf den Pferden …?«

»Saßen Hyrianer«, erklärte der Elf. »Und die Krieger zu Fuß waren Chabbaner.«

»Ha«, meinte Beau. »Ich habe schon einmal von den Chabbanern gehört, aber mir will nicht einfallen, was es war.«

»Waren das nicht die Krieger, welche Gleeds niedergebrannt haben?«, fragte Tipperton. »Ich glaube, mein Vater hat mir davon erzählt.« Er sah Phais fragend an.

»Aye, damals in der Ersten Ära.«

»Aber die zweite Ära dauert schon zweitausend Jahre an«, meinte Beau. »Was machen sie denn jetzt hier?«

Phais seufzte. »Sie suchen nach Rache für lang vergangene Taten.«

Als die Wurrlinge sie verständnislos anschauten, fuhr die Elfin fort: »Gleeds war eine Stadt, erbaut aus Holz von dem ersten Hochkönig Awain. Etwa sechzig Sommer später stritten sich Chabba und Pellar über einige Handelsrouten. Die Chabbaner überquerten mit einer Flotte das Avagonmeer und brannten die noch recht junge Stadt nieder. Doch die Armee des Hochkönigs kesselte die Angreifer ein und schlachtete sie bis auf einige wenige ab, obwohl sich viele ergaben. Seitdem hegen die Chabbaner einen tiefen Groll in ihrem Herzen. Sie haben geschworen, eines Tages für die Niederlage Rache zu nehmen.«

»Und der Hochkönig hat den Sitz seiner Regierung damals doch aus der Asche jener Stadt nach Caer Pendwyr verlegt?«

»Richtig«, meinte Beau. »Jetzt erinnere ich mich wieder. An die Geschichte, meine ich. Aber das ist schon so lange her, und trotzdem suchen die Chabbaner noch Vergeltung?«

»Meiner Treu, Beau, du hast recht«, meinte Tipperton. »Ihr sagt, das wäre in der Ersten Ära geschehen?«

Phais runzelte die Stirn. »Aye, und zwar am Anfang der Ersten Ära. Unter der Herrschaft von König Rolun, dem Enkel von Awain. Awain gründete Gleeds, und Rolun sah die Stadt niederbrennen.«

Tipperton schüttelte den Kopf. »Das muss also vor mindestens zwölftausend Jahren gewesen sein, Beau. Wollt Ihr uns sagen, Phais, dass die Chabbaner seit so langer Zeit ihren Hass pflegen?«

»Nicht nur deswegen, sondern auch wegen all der anderen Niederlagen«, erklärte Phais. »Sie verehren die Geister der Verstorbenen und glauben, dass alle finsteren Taten gesühnt werden müssen, weil sie sonst keine Ruhe finden, und ihre Klagen Leid über ihre lebenden Verwandten bringen.«

»Ich muss schon sagen …«, begann Beau, und fuhr dann erschreckt fort: »Deckung! Zieht die Köpfe ein!«

Als sich die Gefährten in das hohe Gras duckten, kam der Zug der Reiter auf einer weit entfernten Anhöhe wieder in Sicht. Sie überquerten den Hügel rasch und verschwanden wieder, aber sie bewegten sich in unvermindertem Tempo nach Süden weiter.

Phais sah Loric an. »Dort liegt ihr Nachtlager.«

Loric nickte.

»Woher wisst Ihr das?« Beau sah sich misstrauisch um.

»Sie hatten keine Vorräte dabei, Kleiner«, antwortete Loric.

»Meiner Treu!« Beau deutete auf die Rauchsäule in der Ferne. »Glaubt Ihr, dass sich ihr Lager dort befindet?«

Loric wirkte skeptisch, und Phais antwortete dem Wurrling. »Die Rauchsäule, die wir gestern gesehen haben, stammt nicht von einem Lager, sondern eher von einer brennenden Siedlung, und die Vögel sind ebenfalls ein böses Omen. Trotzdem sollten wir vorsichtig weitergehen.«

Während Loric seinen Rucksack schulterte, meinte er: »Wir müssen darauf achten, so wenig Spuren wie möglich zu hinterlassen, sonst könnten sie unsere Fährte finden und uns folgen. Dann wären wir verloren.«

»Können wir nicht in ihren Spuren gehen?« Tipperton deutete auf die breite Reihe von Abdrücken, welche die schweren Tritte von Pferden und Menschen hinterlassen hatten. »Dann würden unsere Spuren in ihren verschwinden. «

»Das könnten wir«, räumte Loric ein. »Sollten sie diesen Pfad jedoch häufiger benutzen, möchte ich ihm lieber nicht folgen.«

Da sie nicht wussten, was vor ihnen lag, marschierten die vier eine Weile schweigend weiter und hielten einen sicheren Abstand zu der breiten Schneise, die der Tross in dem hohen Gras hinterlassen hatte. Sie selbst hinterließen kaum eine Fährte, weil Loric den beiden Wurrlingen gezeigt hatte, wie man seine Füße setzen musste, damit das hohe Gras sich anschließend wieder aufrichtete. Allerdings verlangsamte das ihren Weitermarsch erheblich.

Sie gingen auf die Rauchsäule zu, über der nach wie vor die Vögel kreisten, und fürchteten im Stillen das, was sie dort finden mochten.

»Dieser Hochkönig Awain«, brach Beau schließlich das düstere Schweigen. »Wann ist er an die Macht gekommen?«

»Nun, im ersten Jahr der Ersten Ära«, erwiderte Phais.

Beau sah sie verwirrt an.

»Mit der Krönung des ersten Hochkönigs begann die Zeitrechnung der Ersten Ära«, erklärte sie.

»Ah! Ich habe mich immer gefragt, wo sie ihren Anfang nahm.«

Tipperton nickte. »Ich auch. Ich meine, irgendwann muss die Zeitrechnung ja …«

Der Wurrling unterbrach sich jedoch abrupt, da sie auf eine Anhöhe gestiegen waren, und nun die Ebene dahinter und die geschwärzten Ruinen einer Stadt sehen konnten. Doch die verbrannten Trümmer waren nicht das Schlimmste, denn überall auf den Straßen und Plätzen lagen Leichen herum. Alle Bewohner waren tot, Männer, Frauen, Junge und Alte, selbst Pferde, Hunde, Schafe, und Hühner waren ermordet worden.

Und trotzdem war noch Leben dort, denn die Aasfresser feierten ein Fest.

Beau brach in Tränen aus. Tipperton drehte sich herum und starrte in die Richtung, in welcher der Reiterzug verschwunden war. Seine Augen glühten vor Hass.

»Kommt«, seufzte Phais. »Hier können wir nichts mehr ausrichten.«

Sie ließen den Ort, in dem nun nur noch Verwüstung herrschte, links liegen und zogen weiter.

An diesem Abend schlugen sie ihr Lager in einem kleinen Gehölz auf, wo sie ein Feuer entzündeten und Tee kochten.

»Himmel«, meinte Beau, »ich werde diesen Anblick niemals vergessen können.«

»Ich will ihn auch gar nicht vergessen«, meinte Tipperton. »Sie sollen für das zahlen, was sie getan haben, und wenn es jemals in meiner Macht steht, das zu rächen, was dort geschehen ist, werde ich es tun.«

»Ihr klingt fast wie einer von ihnen, Tipperton«, erklärte Phais. »Wie einer der Chabbaner, meine ich.«

»Wie?« Tipperton schrak zusammen.

»Vergeltung. Das ist es, was sie antreibt. Gyphon und seine Handlanger sorgen dafür.«

»Wollt Ihr behaupten, dass solch böse Taten ungesühnt bleiben sollten?«

»Nein, Tipperton. Dennoch müsst Ihr darauf achten, nicht in dieselbe Raserei zu verfallen wie sie. Hass darf das Leben nicht steuern, sonst wird er Euren Geist und Eure Seele vergiften.«

»Und was ist mit denen, die Ihr wegen des Fällens der Neun niedergestreckt habt? War das nicht auch Vergeltung?«

Phais zögerte kurz und sah Loric an. »Ja«, räumte sie dann ein. »Das war es. Es gibt Zeiten, in denen Vergeltung notwendig ist.«

»Wohlan, ich glaube, das hier ist so ein Moment.«

Die Elfin seufzte und nickte. »Dennoch, Tipperton«, meinte sie dann, »lasst Euch nicht vom Hass leiten.«

Sie schwiegen und betrachteten die funkelnden Sterne am Firmament.

»Tip«, meinte Beau schließlich, »wenn ich bei diesem Abenteuer ums Leben komme, dann sorg dafür, dass ich eine ordentliche Bestattung bekomme.« Er schüttelte sich. »Ich möchte nicht, dass mir Krähen die Augen auspicken oder Hyänen mir das Gesicht zerfressen, und die Geier sich um meine sterblichen Reste streiten.«

»Mach dir keine Sorgen, Wurro«, erwiderte Tipperton, »du wirst nicht sterben.«

»Aber falls doch …«

»Gut.« Tipperton schlang einen Arm um die Schultern seines Freundes. »Ich verspreche es dir.«

»Fein.«

Sie blieben eine Weile stumm sitzen, bis Beau zu den Sternen hinaufblickte. »Wenn ich sterben sollte, dann denk immer daran: In irgendeinem Winkel eines fremden Feldes in einem fremden Land gibt es einen Ort, der für immer die Waldsenken sein wird.«

»Ach, Beau, sag nicht so was«, tadelte ihn Tipperton. »Ich bin sicher, dass du eines Tages wieder zu deinen geliebten Waldsenken zurückkehren wirst.«

Beau sah sich um und seufzte. »Das können wir nur hoffen, Tip. Aber sag, du kommst doch mit, zu den Waldsenken, meine ich? Dort brauchen wir dringend Müller.«

Tipperton sah auf seine Laute. »Und was ist mit Barden? «

»Die brauchen wir auch, Tip, die auch.«

Am nächsten Morgen zogen sie weiter nach Nordosten, zu der Stelle wo der Nith über den Hohen Abbruch in den Kessel stürzte. Das waren etwa noch zweihundertachtzig Meilen. Aber sie hatten erst eine Meile zurückgelegt, als sie weitere Rauchsäulen am Himmel vor sich sahen.

»Ist das noch eine brennende Stadt?«, stieß Beau hervor.

»Nein, Beau, das sind Lagerfeuer«, erwiderte Loric. »Aber wir wissen nicht, ob sie Freund oder Feind gehören.«

Vorsichtig marschierten sie weiter und schwenkten nach links ab, damit sie die Lager weit genug umgehen konnten, sollte es nötig werden.

Sie trafen nach knapp zwei Meilen auf das Lager, und Tipperton und Beau sahen Männer wie jene, die gestern an ihnen vorbeigezogen waren. Feinde.

»Sie haben drei Fahnen«, meinte Phais. »Nein, vier. Die Embleme von Hyree, Chabba, Kistan und Modrus Feuerring. «

»Wir müssen abschätzen, wie viele dort lagern«, sagte Loric. »Und diese Nachricht mit zum Herz des Waldes nehmen.«

Beau sah ihn fragend an. »Herz des Waldes?«

»Der Stützpunkt der Lian in Darda Galion«, erwiderte der Alor.

»Aber das Lager reicht bis auf die andere Seite des Hügels«, gab Tipperton zu bedenken.

Phais deutete auf eine Anhöhe. »Ich umgehe sie und zähle von dort aus.«

»Ich gehe mit Euch«, erklärte Tipperton.

Loric hob zwar die Augenbrauen, Phais nickte jedoch.

Sie beobachteten das Lager fast den ganzen Tag lang. Ständig kamen Reiterzüge an oder ritten davon, und ab und zu stieg in weiter Ferne eine Rauchsäule in den Himmel.

»Sie brennen Bauernhöfe nieder«, vermutete Phais.

Tipperton schlug vor Wut mit der Faust auf den Boden, sodass die weiche Erde aufstob.

Bei Einbruch der Nacht schlugen unsere vier Gefährten einen weiten Bogen um das Lager. Ab und zu kauerten sie sich in das hohe Gras, wenn Reiter dicht an ihnen vorbeikamen. Den Schätzungen der Elfen zufolge enthielt das Lager mindestens zweitausend Männer.

Als die Morgendämmerung anbrach, konnten sie den Rauch der Lagerfeuer immer noch sehen.

»Wir müssen rasten.« Phais sah Loric an und deutete mit dem Kinn unauffällig auf die erschöpften Wurrlinge.

Sie schlugen erneut ihr Lager zwischen den wogenden Gräsern auf, und hielten abwechselnd Wache, während die Fliegen um sie herum summten.

Auch an diesem Tag ritten ständig Männer in das Lager, während andere es verließen.

In der Nacht schließlich entfernten sich die Gefährten so weit von ihren Feinden, dass sie ihren Lagerplatz nicht mehr sehen konnten. Sie hinterließen so gut wie keine Spuren und legten erst am Nachmittag eine weitere Pause ein.

In dieser Nacht schliefen sie gut und folgten früh am nächsten Morgen ihrem nordöstlichen Kurs.

»Wie weit sind wir in diesen letzten Tagen gekommen?«, fragte Beau, während er vorsichtig über die Grashalme schritt, wie die Elfen es ihm gezeigt hatten.

»Etwa zwölf Werst.« Loric warf einen Blick auf den Sonnenstand.

Tipperton seufzte. »Das sind nur zwölf Meilen am Tag. Bei diesem Tempo brauchen wir vier oder gar sechs Wochen, bis wir Darda Galion erreichen, nicht vierzehn Tage.«

»Ab morgen kommen wir schneller vorwärts«, meinte Loric. »Denn wir sind jetzt weit genug von ihren Lagern entfernt, und die Chance, dass einer ihrer Trupps unseren Pfad entlangkommt, ist eher gering.«

»Ich finde«, mischte sich Beau ein, »wir hätten Pferde aus diesem Lager stehlen sollen.«

Phais lächelte. »Natürlich hätten wir zwei oder drei schnelle Hengste entwenden und einfach über die Steppe reiten können, Beau. Aber Pferde können ihre Spuren nicht verbergen.«

Am nächsten Tag kamen sie schneller voran, weil sie nicht mehr versuchten, ihre Fährte zu verwischen. Das Steppengras war recht hart, und Loric vermutete, dass es sich nach einem Tag wieder aufrichten würde. Dann konnte niemand mehr ihre Spuren erkennen, außer, wie der Elf einräumte, »vom Rücken eines Pferdes aus«.

Sie marschierten in den nächsten Tagen stetig nach Nordosten, und wurden nur durch die Notwendigkeit aufgehalten, sich gelegentlich zu verbergen. Wenn sie zum Beispiel in weiter Ferne einen Reiterzug sahen, oder einzelne Reiter und Fußsoldaten, dann kauerten sie sich nieder und verhielten sich ruhig, damit sie vom Feind nicht gesehen wurden.

In der Ferne stiegen unablässig Rauchsäulen empor.

Sie kamen an einer weiteren niedergebrannten Siedlung vorbei, einem kleinen Weiler, wo es ebenfalls keine Überlebenden gab. Dann näherten sie sich dem Hohen Abbruch und Darda Galion.

»Warum rasten wir nicht tagsüber und ziehen nachts weiter?«, erkundigte sich Tipperton während einer Rast. »Das verkleinert die Gefahr, gesehen zu werden.«

Phais sah Loric an und lächelte.

In den nächsten Tagen folgten sie Tips Vorschlag.

Der Neumond kam und ging.

Die Tage wurden immer länger, die Nächte kürzer, und obwohl sie beim Licht der Sterne gut vorankamen, wurden die Pausen zwischen ihren Märschen immer größer.

»Wir müssen auch tagsüber weitergehen«, erklärte Loric schließlich. »Sonst wird es, wie Ihr befürchtet habt, Tipperton, mehrere Wochen dauern, bis wir unser Ziel erreichen. «

In den folgenden Tagen gingen sie also bis zum Vormittag, rasteten tagsüber und brachen bereits am Nachmittag wieder auf.

»Das hier sieht wie ein niedergebranntes Gehöft aus«, erklärte Beau.

Tipperton sah sich um und schätzte den Sonnenstand ab. »Unsere Vorräte gehen zur Neige«, erklärte er. »Sehen wir nach, ob wir etwas finden, was wir gebrauchen können.«

Sie marschierten in die Senke, vorbei an einer zerstörten Koppel und um die verbrannte Ruine einer Scheune. Plötzlich blieb Tipperton wie angewurzelt stehen. Vor ihm lag eine stark verweste Leiche, nach deren Kleidung es sich um eine Frau gehandelt haben musste. Sie umklammerte den Leichnam eines Kindes, dessen Haut ebenfalls zum Platzen angeschwollen war.

Der Gestank war beinahe unerträglich.

Tipperton drehte sich um und übergab sich. Beau sank bestürzt auf die Knie. Er hatte die Augen weit aufgerissen und presste sich die Hände vor den Mund.

»Bei Adon, was ist das?«, flüsterte er.

»Der Tod«, erwiderte Loric.

»Der Krieg«, fügte Phais hinzu.

In tiefes Schweigen versunken, zogen sie rasch weiter und schritten durch das hohe Gras.

Es regnete unaufhörlich, und grelle Blitze zuckten über die Steppe. Der Sturm dauerte drei Tage, und sie kamen in dieser Zeit nur mühsam weiter.

Flüsse wurden zu reißenden Strömen, und sie mussten oftmals weit an deren Ufer entlanggehen, bis sie eine sichere Furt fanden. Selbst diese Übergänge waren noch für die kleinen Wurrlinge gefährlich. Aber mit Lorics und Phais’ Hilfe gelang es ihnen, alle Hindernisse zu überwinden.

Als der Himmel schließlich aufklarte, waren sie sehr weit von ihrem ursprünglichen Kurs abgekommen. Sie marschierten über die Ebene und versteckten sich, wenn gelegentlich Hyrianer und Chabbaner an ihnen vorbeikamen. Wegen der reißenden Ströme mussten sie oft lange Umwege in Kauf nehmen, und zudem gingen ihnen die Lebensmittel aus.

»Wir müssen einen Tag lang rasten, um zu jagen, solange wir noch Kraft haben«, erklärte Loric. »Sonst werden wir zu schwach, um unser Ziel zu erreichen.«

»Dann jagen wir morgen«, beschloss Phais.

Die Wurrlinge kamen zusammen zum Lager zurück.

»Ich habe ein Murmeltier erlegt.« Tipperton hielt den Bogen in der linken und das pelzige Tier in der rechten Hand.

»Und ich habe ein Kaninchen erwischt«, meinte Beau, der das Tier über die Schulter geschlungen hatte.

Titel der amerikanischen Originalausgabe

HÈL’S CRUCIBLE: INTO THE FORGE – PART 2

Deutsche Übersetzung von Wolfgang Thon

Deutsche Erstausgabe 05/2007

Redaktion: Natalja Schmidt

Copyright © 1997 by Dennis L. McKiernan

Copyright © 2007 der deutschen Ausgabe und der Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH www.heyne.de

Titelillustration: Arndt Drechsler Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München Satz: C. Schaber Datentechnik, Wels

eISBN 978-3-641-08103-4

www.randomhouse.de

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