Magierkrieg - Dennis L. McKiernan - E-Book

Magierkrieg E-Book

Dennis L. McKiernan

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Beschreibung

Steinriesen, Zwerge und Wölfe bevölkern die Wälder Mithgars, die zwei unerschrockene Helden auf ihrer Reise ans Ende der Welt durchqueren. Um ein magisches Artefakt seinem rechtmäßigen Besitzer zu überbringen, müssen die beiden eine geheimnisvolle Prophezeiung entschlüsseln. Doch die Gilde der Magier, deren Hilfe sie benötigen, kämpft ihren eigenen erbitterten Krieg.

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Seitenzahl: 331

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Das Buch

Der Wurrling Tipperton Thistledown glaubt sich dem Ende seiner Reise nahe: Gemeinsam mit seinen Gefährten ist er den Horden des Schwarzmagiers Modru entkommen, er hat gefährliche Ödwälder durchwandert und konnte dem feurigen Zorn eines mächtigen Drachens entfliehen.

Doch als es den unerschrockenen Freunden endlich gelingt, Aven zu erreichen, das Land König Agrons, beginnt für sie das größte Abenteuer ihres Lebens: Denn der unerbittliche Magier Modru setzt seine finstere Macht ein, um Tipperton und seine Gefährten daran zu hindern, ihren geheimnisvollen Auftrag zu Ende zu führen – und er schreckt vor keinem Mittel zurück. Die Freunde beginnen zu ahnen, dass das Schicksal des gesamten magischen Kontinents Mithgar allein in ihren Händen liegt …

Dennis L. McKiernans MITHGAR-Romane:

Bd. 1: Zwergenkrieger Bd. 2: Zwergenzorn Bd. 3: Zwergenmacht Bd. 4: Elfenzauber Bd. 5: Elfenkrieger Bd. 6: Elfenschiffe

Bd. 7: Elfensturm Bd. 8: Magiermacht Bd. 9: Magierschwur Bd. 10: Magierkrieg Bd. 11: Magierlicht Bd. 12: Drachenbann

Der Autor

Dennis L. McKiernan, geboren 1932 in Missouri, lebt mit seiner Familie in Ohio. Mit seinen Romanen aus der magischen Welt Mithgar gehört er zu den erfolgreichsten Fantasy-Autoren der Gegenwart.

Inhaltsverzeichnis

Das BuchDer AutorWidmungEin Teil von MithgarVorwortANMERKUNGEN DES AUTORSWas bisher geschah1. kapitelCopyright

Den Tanque Wordies und denanderen Schreibergruppen,deren Ziel es ist, die Qualität dessen zu steigern,was andere Menschen lesen.

Ein Teil von Mithgar

Vorwort

In meinem Leben habe ich zahlreiche Geschichten über Menschen mit einer besonderen »Macht« oder Fähigkeiten gelesen, oder aber über Leute, die sich für ganz gewöhnliche Menschen halten, in Wirklichkeit jedoch Söhne und Töchter von Königen oder Zauberern oder dergleichen sind und an irgendeinem verborgenen Ort versteckt werden, an dem die Mächte des Bösen nicht suchen. In diesen Geschichten werden sie plötzlich mitten ins Getümmel geworfen, und ihre »Macht«, die ungewöhnlichen Fähigkeiten oder ihre Herkunft geben plötzlich den entscheidenden Ausschlag.

Das sind keineswegs Geschichten über gewöhnliche Menschen, die in ungewöhnliche Situationen geraten und sich bemühen müssen, dieser Herausforderung zu begegnen; nein, sie handeln stattdessen von ungewöhnlichen Menschen mit »Macht« und Herkunft und Fähigkeiten, und man weiß als Leser von Anfang an ganz genau, dass sie die Herausforderung bestehen und den Feind zermalmen werden.

Eine solche Geschichte wollte ich eben nicht schreiben, sondern eine über gewöhnliche Leute, die plötzlich in Ereignisse verwickelt werden, die sie nicht kontrollieren können, und zu deren Lösung sie sich auch weder auf eine besondere Herkunft oder »Macht« noch auf außergewöhnliche Fähigkeiten stützen können. Mit anderen Worten, ich wollte über gewöhnliche »Soldaten« schreiben, die mit den Dingen so klarkommen müssen, wie sie ihnen begegnen, über »gewöhnliche« Leute in ungewöhnlichen Situationen, Menschen, die vielleicht die Fähigkeiten besitzen, diese Herausforderungen zu meistern. Oder auch nicht.

Diese Geschichte dreht sich um Tipperton Thistledown und Beau Darby, zwei »gewöhnliche« Wurrlinge, die in Ereignisse geraten, für die sie nichts können. Sie sind weder von adliger Herkunft, noch besitzen sie Zauberkräfte oder gehören einem Volk mit außergewöhnlichen Talenten, außergewöhnlicher Macht oder Intelligenz an; stattdessen sind sie ganz durchschnittliche Soldaten, vorausgesetzt natürlich, es gibt so etwas … dass gewöhnliche Leute in ungewöhnliche Situationen geraten und versuchen, sich durchzuschlagen.

Das heißt, etwas Außergewöhnliches besitzen sie vielleicht doch … und zwar besonderen Mut.

Sollte es die Geschichte eines gewöhnlichen Soldaten überhaupt geben, dann bitte schön, hier ist sie. Doch gibt es denn überhaupt so etwas wie einen gewöhnlichen Soldaten?

Das entscheiden Sie.

Ich hoffe, Sie genießen, was Sie in diesem Buch finden.

Dennis L. McKiernan

ANMERKUNGEN DES AUTORS

Magierkrieg ist der dritte Teil des großen Magier-Zyklus’ in der Mithgar-Reihe. Zusammen mit den beiden ersten Bänden Magiermacht und Magierschwur sowie dem abschließenden vierten Band Magierlicht bildet er die Geschichte vom Großen Bankrieg, gesehen durch die Augen von zwei Wurrlingen, Tipperton Thistledown und Beau Darby.

Die Geschichte beginnt im Jahr 2195 der Zweiten Ära von Mithgar, zu einer Zeit, als die Rûpt sowohl am Tag als auch bei Nacht umherstreifen konnten, obwohl behauptet wird, dass sie ihre Untaten lieber in der Dunkelheit begingen als im hellen Tageslicht.

Die Geschichte des Bankrieges wurde aus verschiedenen Quellen rekonstruiert, von denen eine wichtige die Thistledown-Saga ist. Ich habe die Lücken an einigen Stellen mit eigenen Vermutungen ergänzt, aber im Großen und Ganzen entspricht die Sage der ursprünglichen Quelle.

Wie auch bei einigen anderen Werken über Mithgarian kommt es häufig vor, dass sich in der Hitze des Augenblicks Menschen, Magier, Elfen und andere unwillkürlich in ihre Muttersprache flüchten. Um jedoch eine mühsame Übersetzung zu vermeiden, habe ich ihre Worte ins Pellarion übertragen, die Gemeinsprache von Mithgar. In einigen Fällen jedoch habe ich die Sprache auch nicht übersetzt, um zu demonstrieren, wie viele Sprachen in Mithgar verbreitet sind. Außerdem sperren sich einige Worte und Redewendungen jeder Übersetzung. Diese habe ich dann entweder nicht übersetzt oder in besonderen Fällen einen entsprechenden Ausdruck in Anführungszeichen daneben gesetzt, der dem Wort seine besondere Note gibt. Einige Ausdrücke mögen zum Beispiel wie Rechtschreibfehler wirken, sind jedoch ganz korrekt, wie zum Beispiel »DelfHerr«. Es ist ein ganz normales Wort mit einem großen H in der Mitte.

Die Elfensprache Sylva ist ziemlich archaisch und formal. Um diesen besonderen Beigeschmack zu erhalten, habe ich entsprechend altertümliche Ausdrücke benutzt. Allerdings habe ich mich dabei im Interesse der Lesbarkeit zurückgehalten und viele der noch älteren Ausdrücke ersetzt oder eliminiert.

Für die besonders Neugierigen: Das w in Rwn wird wie uu ausgesprochen, ein w ist schließlich auch nur ein doppeltes u. Manchmal klingt es jedoch auch wie oo. Deshalb wird Rwn nicht wie Renn ausgesprochen, sondern wie Roon oder Ruhn.

Was bisher geschah

Tipperton Thistledown, Wurrling, ehemaliger Müller, Kundschafter und Bote, ist es gelungen, den Horden Modrus, der Brut, zu entkommen. Diese nämlich überrennen das ganze Mithgar, die Mittelwelt, und zwar auf Geheiß und mithilfe des Gottes Gyphon. Dabei helfen Tipperton sein Freund Beau Darby, Wurrling und Heiler, sowie die beiden Lian Dara Phais und Alor Loric, zwei Elfen. Auf ihrer gefährlichen und beschwerlichen Reise durch Valon in Richtung Aven, wo sie eine Münze, das Unterpfand eines sterbenden Gefolgsmannes, das jener Tipperton zu treuen Händen übergeben hatte, einem gewissen Agron ausliefern wollen, stoßen sie auf einen fünften Gefährten: Bekki, den Sohn des DelfHerrn Borl der Zwergenfeste Minenburg Nord. Gemeinsam setzen die fünf Gefährten ihre Reise fort, gelangen zum Ardental der Elfen, wo ihnen Dara Rael, eine Seherin, in Trance einen wichtigen Rat mit auf die Reise gibt: »Suchet die Hilfe derer, die keine Menschen sind, um die Flammen des Krieges zu ersticken.« Ein Rat, der den Gefährten Rätsel aufgibt, weil niemand, auch die Seherin selbst nicht, weiß, wer damit gemeint sein könnte.

Sie gelangen auf ihrer Reise nach Caer Lindor, einem Stützpunkt der Verbündeten und einer Garnison der Dylvana-Elfen sowie der Baeron, der Waldmenschen. Dort treffen sie auf eine Kompanie von Bogenschützen der Wurrlinge, die von Rynna Fenrush angeführt werden, einer Wurrling-Maid, in die sich Tipperton hoffnungslos verliebt. Seine Gefühle werden erwidert, doch beide haben eine Mission zu erfüllen und müssen sich trennen.

Umso schlimmer trifft Tipperton nach seiner Abreise aus dem Stützpunkt die Kunde, dass Caer Lindor von Flussleuten, die dort angeblich Schutz suchten, an die Brut verraten und dem Erdboden gleichgemacht wurde. Angeblich gab es keine Überlebenden.

Tipperton trauert, setzt jedoch seine Reise fort und schwört der Brut blutige Rache. Schließlich erreichen die Gefährten Minenburg Nord, doch dort schlagen ihnen die Flammen des Krieges nun wahrhaftig entgegen, nämlich die des Feuerdrachen Skail von der Ödnis, der gemeinsam mit Modrus Horden die Festung belagert und unter den Zwergen eine schreckliche Verheerung anrichtet.

Den Gefährten gelingt es, die Zwerge in der Festung zu erreichen, und durch einen listigen Plan Tippertons bringen es die Verbündeten, Zwerge, Elfen der Dylvana, Baeron und Daelsmannen von Prinz Loden, auch fertig, die Belagerung zu durchbrechen und die Brut, die sogar gewaltige Trolle in ihren Reihen hat, in die Flucht zu schlagen.

Dabei wird Phais jedoch durch einen in Vulg-Gift getauchten Pfeil der Brut schwer verletzt, und nur Beaus Klugheit ist es zu verdanken, dass sie diese schreckliche Verletzung überlebt.

Der kleine Heiler behandelt die Elfe mit Güldminze, einer Heilpflanze, die ihm die Elfen in Ardental gaben, sodass die Dara gerade noch vor dem Tod bewahrt werden kann.

Die Gefährten ruhen sich in der Zwergenfeste Minenburg Nord aus, bis Phais wieder gesundet ist, und machen sich dann zusammen mit Bekki, der schwor, auf Tipperton aufzupassen, auf den Weg nach Aven, um dort die für König Agron bestimmte Münze zu übergeben und damit Tippertons Versprechen zu erfüllen.

Wir begleiten die fünf Gefährten auf ihrem beschwerlichen und gefährlichen Weg durch Mithgar nach Aven, auf eine Reise, auf der neue, unbekannte Gefahren und unvorhergesehene Ereignisse auf sie lauern, Ereignisse allerdings, deren Tragweite sich erst in der Zukunft erweisen wird, denn, wie Beau Darby zu sagen pflegt: »Alles ist irgendwie miteinander verwoben, wisst Ihr?«

1. kapitel

Die fünf Gefährten, Tipperton, Beau, Phais, Loric und Bekki, ritten aus den nunmehr freien Toren von Minenburg Nord hinaus, drei auf Ponys, zwei zu Pferde und mit zwei Packtieren, die sie hinter sich her führten. Sie ritten aus dem Portal und über die Straße auf der östlichen Seite des Bergtals nach Süden, zwei Wurrlinge, zwei Elfen und ein Zwerg.

Schon bald bogen sie nach Osten ab und folgten dem Handelsweg in die Stadt Dael. Von der gewaltigen Schlacht, die kaum zehn Wochen zuvor vor den Toren getobt hatte, und bei der die Belagerung der Rûpt aufgebrochen und Modrus Gezücht in Panik geflohen war, von diesem Kampf gab es nur noch wenig Spuren zu sehen. Denn das Schlachtfeld war mit dem unauffälligen Dezemberschnee bedeckt, und nicht einmal die riesigen Aschehaufen von den anschließenden Feuerbestattungen der Gefallenen schimmerten durch. Nur die runden Erdhügel unter dem Weiß verrieten, wo die Daelsmannen ihre Toten beerdigt hatten.

Die fünf ritten an diesem blutgetränkten Schlachtfeld vorbei, über einen Berghang hinweg. Geschlitzte Brillen schützten ihre Augen vor dem blendenden, unberührten Gleißen des Schnees in der Wintersonne, die ihnen jedoch nur wenig Wärme spendete.

»Sag«, Beau warf Tipperton einen Seitenblick zu, »wie weit ist es bis Dael?«

»Dreißig, vielleicht fünfunddreißig Werst über Land«, antwortete Tipperton. »Kürzer wäre es, wenn wir fliegen könnten.«

Bei diesen Worten schaute Beau unwillkürlich in den Himmel empor. Nirgendwo waren Vögel zu sehen, nur Federwolken hoch über ihnen, die nach Süden zogen. »Pah. Selbst wenn ich ein Vogel wäre, fände ich es zu kalt zum Fliegen. Nein, Tip, ich halte mich lieber an mein Pony, auch wenn uns die Reise fünf oder sechs Tage kosten wird.«

»Fünf oder sechs Tage, Beau, so lange dauert es bis nach Dael. Wir werden vierzig bis fünfundvierzig Tage lang nach Dendor benötigen, und das auch nur, wenn wir unterwegs nicht auf Schwierigkeiten stoßen.«

»Fünfundvierzig Tage …?«

»Es sind zweihundertsechzig bis zweihundertsiebzig Werst, Wurro.«

»Meiner Seel, also fast achthundert Meilen?«

»Das sagt Bekki jedenfalls, Beau.«

Bekki knurrte. »Es sind zweihundertsechzig Werst und zwei Meilen und noch ein paar Schritte auf der Route, die wir nehmen, und das auch nur, wenn alle Schritte so verlaufen, wie wir sie geplant haben.«

Beau nickte und zählte dann an den Fingern seiner behandschuhten Hand ab. Nach einer Weile gab er zu: »Du hast recht, Tip. Wenn wir sechs oder sieben Werst am Tag schaffen, brauchen wir tatsächlich mehr als fünfundvierzig Tage.« Beau schüttelte den Kopf. »Eine lange Zeit, die wir uns von Feldrationen ernähren müssen.«

»Ach, Beau, nur Mut«, erwiderte Tipperton. »Wir kommen unterwegs an zwei Städten vorbei.«

Beau schüttelte den Kopf. »Darauf können wir uns nicht verlassen, Tip, solange die Rûpt hier überall rumlaufen. Ich meine, sieh dir an, wie lange wir gereist sind, als wir Ardental verließen, bevor wir wieder eine gute, warme Mahlzeit bekommen haben. Bis zum Grimmwall, darunter hinweg und durch die Gûnarring-Schlucht und hinauf bis nach Darda Galion.«

Tipperton schüttelte den Kopf. »Du vergisst das Murmeltier und das Kaninchen, die wir auf den Ebenen von Valon gebraten haben.«

»Na gut, und? Was heißt das schon? Eine warme Mahlzeit auf tausend Meilen? Das nenne ich nicht gerade eine ausgewogene Ernährung.«

Tipperton hob ergeben die Hände. »Wir haben in Darda Galion und in Caer …«, Tips Miene wurde traurig, aber er schaffte es weiterzusprechen, »Lindor gut gespeist.«

Beau warf seinem traurigen Freund einen kurzen Seitenblick zu und deutete dann mit dem Daumen über seine Schulter. »In Minenburg Nord auch.«

Tipperton lächelte unter Tränen, als er Beaus Blick erwiderte. »Ja, das stimmt.« Dann seufzte er und wischte sich die Tränen mit den Handschuhen von den Wangen. »Tut mir leid, Beau, aber immer, wenn ich an Caer Lindor denke, fällt mir alles wieder ein.«

»Ich weiß, Wurro«, erwiderte Beau. »Ich weiß. Ist schon gut.«

Sie ritten in trübsinnigem Schweigen eine Meile weiter. Ein kalter Wind fegte von hinten heran, sie hüllten sich fester in ihre Mäntel.

Schließlich kamen sie zum Ausgang des Tales, wo die Straße nach Osten abbog. Sie folgten ihr in dieser Richtung und hinterließen auf dem unberührten Schnee Spuren. Plötzlich zogen dicke Wolken über sie hinweg.

Phais sah hinauf und setzte ihre Schneebrille ab. »Ich glaube, da zieht ein Sturm auf.«

»Meiner Treu«, erwiderte Beau. »Sollten wir lieber umkehren? Immerhin sind wir noch nicht weit von der schützenden Minenburg entfernt.«

Phais sah Loric an, der den Kopf schüttelte. »Wir haben Winterzeit, Beau, und ganz gleich, wann wir aufbrechen, es wird schneien … Es sei denn, Ihr möchtet bis zum Frühling warten.«

»O nein«, erklärte Beau rasch und unterstrich seine Weigerung mit einer Handbewegung. »Wir sind in dieser Mission schon viel zu lange unterwegs, um noch mehr Zeit zu vergeuden, während wir auf besseres Wetter warten. Außerdem, welche Botschaft oder Bedeutung oder welchen Zauber diese Münze auch immer in sich birgt, wir müssen sie schleunigst dem überbringen, für den sie gedacht ist.«

Bei der Erwähnung von Magie runzelte Tipperton seine Brauen und fuhr nervös mit der Hand zur Brust seiner Eiderdaunenjacke. »Beau, ich wünschte, du würdest endlich aufhören, ständig von Hexerei zu reden. Es genügt schon, dass ich die Münze tragen muss … auch ohne dass jemand von Zauberei oder Magie oder dergleichen redet.«

»Schon gut, Wurro«, antwortete Beau. »Ich bin ja schon still. Ich weiß doch, dass es dir Unbehagen bereitet zu glauben, dass etwas, das deine Haut berührt, vielleicht verzaubert ist. Ich meine, wenn ein Magier die Münze verzaubert hat, oder eine Hexe sie verhext oder ein Zauberer einen Bann darauf …«

»Beau, das reicht!«

Beau riss erstaunt die Augen auf und runzelte verwirrt die Stirn. Schließlich lächelte er verlegen. »Ach so, schon gut.«

Loric und Phais sahen sich an und lachten schallend, obwohl sie versuchten, ernst zu bleiben. Ihr Gelächter hallte von den hohen Bergwänden zu ihrer Linken zurück, bis schließlich zuerst Beau und dann Bekki mit einstimmten.

Tipperton sah sie alle nur böse an, am Ende musste jedoch auch er grinsen.

Währenddessen wurden die grauen, schneebeladenen Wolken über ihnen immer dicker.

»Meiner Treu!« Beau deutete auf eine Stelle links vor ihnen und sog zischend die Luft zwischen den Zähnen ein. »Modrus Banner.«

Eine Fahnenstange mit einer zerrissenen Flagge ragte aus dem Schnee auf. Auf schwarzem Grund zeigte sie das Symbol eines Ringes aus Feuer.

»Vermutlich wurde sie von der fliehenden Horde zurückgelassen«, meinte Phais.

»Unter dem Schnee liegt etwas.« Loric spornte sein Pferd an, ritt zu der Fahne und stieg ab.

»Seid vorsichtig!«, rief Beau.

Loric kniete sich hin und strich mit seiner behandschuhten Rechten den Schnee weg.

»Was ist es?«, wollte Tipperton wissen.

»Ein toter Ruch«, antwortete Loric. Er blickte auf das dunkle Gesicht herab. Als er noch mehr Schnee von der Leiche fegte, enthüllte er die große Wunde im gepolsterten Harnisch des Ruch. Loric sah zu seinen Gefährten hoch. »Die Wunde stammt von einem Schwerthieb. Vermutlich hat er sie in der Schlacht erhalten. Er kam bis hierher, bevor er verblutete.«

Tipperton stieß den Atem aus, der in der kalten Luft eine Wolke bildete. »Ich würde lieber schnell im Kampf sterben, als einen so langsamen und qualvollen Tod zu erleiden.«

»Meiner Seel, sicher«, erklärte Beau. »Aber noch besser wäre es, im hohen Alter sanft zu entschlummern, oder nicht?«

Tipperton lachte, während Loric wieder aufstieg. »Ja, und das nach einem langen und fruchtbaren Leben, was?«

Als Beau zustimmend nickte, mischte sich Bekki ein. »Ich hätte lieber ein langes und fruchtbares Leben, sagen wir drei oder vier Jahrhunderte, und würde dann in einer ruhmvollen Schlacht den Heldentod sterben. Wenn das allerdings nicht geht, dann würde ich auch Altersschwäche akzeptieren.«

Erneut ritten sie nach Osten. Plötzlich runzelte Beau die Stirn und sah Phais an.

»Wir sterben nicht an Altersschwäche, Beau«, antwortete sie, »falls Ihr darüber nachdenkt. Sondern bis unser Leben durch Gewalt oder durch ein Unglück oder, wie bei mir schon einmal fast, durch Gift endet.«

»Meiner Seel!« Beau sah sie bestürzt an. »Ihr sterbt niemals friedlich?«

Phais schüttelte den Kopf.

Beau sah auf seinen Medizinbeutel. »An Krankheiten?«

Phais breitete die Hände aus. »Es gibt einige Krankheiten, die auch die Elfenrasse treffen, und zwar die gefährlichsten. «

»Meiner See!«, wiederholte Beau. »Meiner Treu.«

Sie ritten weiter, während der eisige Wind um sie pfiff, und sich die düsteren Wolken am Himmel weiter zusammenzogen.

»Hier entlang!«, schrie Bekki gegen das Heulen des Windes an, doch Tipperton, der hinter ihm ritt, konnte ihn kaum verstehen. Er drehte sich herum und schrie nach hinten: »Hier entlang! Hier entlang!« Tipperton wusste nicht, ob Beau ihn hörte und die Nachricht weitergab.

Sie folgten Bekki blindlings durch den Schneesturm, konnten dabei jedoch kaum das Pferd oder Pony vor sich sehen, als sie sich in einer Reihe weiterkämpften.

Schließlich erreichten sie die fast senkrechte Flanke eines Felsen, und Bekki wandte sich nach rechts, nach Osten, während der eiskalte Wind von oben heulte und ihnen Eis und Schnee ins Gesicht peitschte.

»Sag«, schrie Tipperton Bekki zu, aber seine Worte gingen in dem Tosen des Windes unter. Wäre es nicht besser, wir würden uns anleinen?, hatte Tipperton sagen wollen. Aber niemand konnte ihn hören oder seine Gedanken lesen. Also folgte er Bekki unangeleint, und ihm wiederum folgte Beau, hinter dem Phais ritt, und Loric, der die Nachhut bildete. Rechts ragten irgendwelche Schatten empor. Bäume? Er wusste es nicht. Gerade wollte er Bekki noch einmal etwas zurufen, als das Tosen schlagartig aufhörte, während er in eine riesige Höhle ritt. Er sah in der Dämmerung, wie Bekki unbeirrt auf seinem Pony weiterritt, tiefer in die riesige Höhle hinein.

Tipperton trieb sein Pony hinter ihm her und drehte sich um. Beau folgte ihm, und dahinter sah er Phais, die ein Packtier an der Leine führte, und schließlich tauchte auch Loric auf, mit zwei Hengsten im Schlepp.

Bekki deutete mit einem Nicken auf das Feuer. »Bevor wir gehen, sollten wir Holz sammeln, um das zu ersetzen, was wir verbrannt haben.«

Beau sah sich in der Höhle um. Es war eine Art Felsendom, dessen Decke und Wände sich bis zum Boden wölbten, und der zwar von Geröll übersät, aber beinahe eben war. Sie saßen recht gemütlich am rückwärtigen Ende der Höhle, während der heulende Wind den Schnee dreißig Meter weiter an dem gewölbten Eingang der Höhle entlangpeitschte.

Beau drehte sich zu Bekki herum. »Meiner Treu, Bekki, wie habt Ihr diesen Platz überhaupt finden können?«

»Es ist eine Schutzhöhle für Wanderer der Châkka. Ich war schon einmal hier.«

Beau betrachtete die Holzstapel an der hinteren Wand der Höhle. »Ja, aber ich meine, wie konntet Ihr sie bei diesem dichten Schneetreiben sehen?«

»Das konnte ich gar nicht, aber wie gesagt, ich war schon einmal hier.«

Beau hob verständnislos die Hände.

Bekki warf Tipperton einen kurzen Blick zu. »Châkka können sich nicht verirren. Wenn wir einmal irgendwo gewesen sind, erinnern wir uns immer genau an den Weg. Das ist ein Geschenk von Elwydd.«

Beau sah in den tosenden Schneesturm hinaus. »Meiner Seel, ein wunderbares Geschenk, würde ich sagen.« Er drehte sich zu Tipperton um. »Ich frage mich, ob wir nicht auch so eine Gabe besitzen. Ich meine uns Wurrlinge. «

Tipperton seufzte und tippte sich auf die Brust, wo die Münze ruhte. »Ausdauer, das würde mich jedenfalls nicht verwundern.«

Phais betrachtete die beiden Wurrlinge und schüttelte den Kopf. »Nein, Tipperton, sondern Mut.«

Sie verbrachten die Nacht und den gesamten nächsten Tag in der Schutzhöhle, während draußen der Sturm tobte. In der zweiten Nacht flaute er während Bekkis Wache allmählich ab, und am nächsten Morgen hatte er sich vollkommen gelegt – es schwebten nur noch vereinzelte Schneeflocken vom Himmel. Die fünf sammelten unter den Bäumen vor der Höhle abgestorbenes Holz und ersetzten damit die Vorräte, die sie verbraucht hatten. Dann ritten sie weiter nach Osten. Ihre Pferde und Ponys bahnten tiefe Spuren durch den hohen Schnee, manchmal jedoch kamen sie auch über Terrain, auf dem der Schnee von dem Sturm weggefegt worden war.

Langsam klarte es sich auf, und am Nachmittag ritten sie unter den Strahlen einer fahlen Wintersonne. Die Luft war eisig kalt, ihr Atem bildete dicke Wolken, die sich als Eis auf den Schals niederschlugen. Diese hatten sie um ihre Gesichter gewickelt. In Bekkis Bart bildete sein Atem sogar Eisklumpen.

Durch die Schlitze der Schneebrille musterte Beau seinen Freund Tipperton, der in seinen Mantel vermummt war. »Himmel, Tip, ich kann mir nicht mal vorstellen, dass mir je wieder warm wird. Das hier ist noch schlimmer als unsere Reise durch den Ödwald.«

»Gehen wir ein Stück zu Fuß, Beau.« Tipperton schwang ein Bein über den Rist des Pferdes und sprang aus dem Sattel. »Dann wird uns wärmer.«

»Mit Vergnügen.« Beau stieg ebenfalls ab. »Ich würde sogar bis nach Dendor zu Fuß gehen, wenn es mich warm hielte.«

»In Dael wird es eine geheizte Herberge geben«, erklärte Tipperton. »Mit warmem Essen und einem heißen Getränk. «

»Meiner Treu, Glühwein mit Gewürzen«, stöhnte Beau. »Ich kann ihn schon schmecken.«

»Ein warmes Bad würde Euch besser tun«, erklärte Phais, die mit zwei Pferden an der Leine hinter ihnen ging.

»Allerdings«, stimmte Beau ihr zu. »Ein heißes Bad mit Glühwein, den ich schlürfen kann, während ich mich so richtig aufweichen lasse.«

Tipperton erinnerte sich an ihr erstes Bad in Ardental, als die Wärme die Kälte aus ihren Knochen vertrieben hatte. Dann errötete er, als er an die dunkelhaarige, blauäugige Lady Elissan dachte, die ins Bad gekommen war, als er splitternackt in der Wanne stand und die Augen zugekniffen hatte, weil ihm die Seife aus den Haaren ins Gesicht lief. Da schossen ihm die Worte durch den Kopf, die sie zum Abschied zu ihm gesagt hatte. Wenn Ihr das nächste Mal ein Bad nehmt, dann haltet fein die Augen offen, sonst passiert es Euch noch, dass Ihr erneut Eure ganze Pracht entblößt.«

Tipperton lachte, und eine dicke Atemwolke stieg weiß vor ihm auf.

Beau sah ihn überrascht an. »Was ist denn?«

Tipperton schüttelte den Kopf. »Ach, nichts.«

Sie trotteten weiter und passierten hier und da Leichen der Rûpt, die den Verletzungen erlegen waren, die sie sich in der Schlacht vor den Portalen von Minenburg Nord zugezogen hatten. Die Verwundungen hatten schließlich ihr Leben gefordert, während die Horde geflohen war. Und sie wussten nicht, an wie vielen anderen toten, unter dem Schnee verborgenen Rûpt sie ahnungslos vorbeigegangen waren.

Am frühen Morgen des neunzehnten Dezember führte die Straße, der sie folgten, in den Grosswald hinein, einen ausgedehnten Wald in Riamon. Die kahlen, starren Zweige und Äste der Bäume waren von einer Eisschicht überzogen.

»Meiner Treu«, rief Beau, als sie durch den trostlosen Wald ritten, »mit ihren Zweigen, die sie in den Himmel recken, erinnern mich diese Bäume ein bisschen an den Ödwald.«

»O nein, mein Freund«, entgegnete Phais. »Dhruousdarda ist ein Unterholz des Bösen, der Arindarda aber nicht.«

Beau runzelte die Stirn. »Arindarda? Ah, Ihr meint den Grosswald.«

»Aye.«

Tipperton nickte. »Finde ich auch. Im Ödwald konnte man das Böse fast wittern, aber hier spüre ich nichts dergleichen. « Dann wandte er sich zu Phais herum. »Sagt, Arindarda, bedeutet das nicht … Ringwald?«

»Aye, das stimmt. Früher einmal war das ganze Land im Kreis des Rimmen-Gebirges mit diesem Wald bedeckt. Aber die Menschen haben ihn so weit abgeholzt, bis nur dieser Rest noch übrig geblieben ist.«

»Meine Güte!« Tipperton schüttelte den Kopf, als er sich an die sanften Hügel erinnerte, die er mit Vail ausgekundschaftet hatte. »Was für ein Verlust.«

Später am Tag überquerten sie eine vereiste, steinerne Brücke über einen zugefrorenen Seitenarm des Eisenwasser-Flusses. Auf der anderen Seite schwenkte die Straße nach Süden ab, dem Lauf des Stromes folgend.

»Wir schlagen hier an der Biegung unser Lager auf«, erklärte Bekki, und schätzte mit einem Blick durch die kahlen Äste den Stand der Sonne ab.

»Wie weit ist es noch bis Dael?«, erkundigte sich Beau, der bereits abstieg.

»Zehn Werst und eine Meile, abzüglich einiger Schritte, dann haben wir die Stadtmauern erreicht«, antwortete Bekki und lockerte den Kinnriemen seines zottigen Ponys.

»Scheunenratten!«, stöhnte Beau. »Ich hatte gehofft, dass wir morgen die Herberge erreichen, aber es sieht aus, als würden wir noch zwei Tage benötigen, richtig?«

Bekki drehte sich zu ihm herum und schüttelte den Kopf. »Nicht ganz. Trotz Eis und Schnee sollten anderthalb Tage eigentlich genügen.«

Beau nahm seinem Pony den Sattel ab. »Noch anderthalb Tage, Tip, dann erwarten uns Glühwein und ein heißes Bad.«

Am Nachmittag des nächsten Tages trafen sie auf einen erfrorenen Mann. Er hatte seinen Mantel um sich geschlungen und lehnte an einem Baum gleich neben der Straße. Schnee bedeckte seine Füße und Beine, und von der Hüfte ab glitzerte der Frost an ihm. Sein eisiges Gesicht war weiß, seine Augen zugefroren.

»Ist das einer von der Horde?«, erkundigte sich Tipperton.

Bekki schüttelte den Kopf. »Nein, das glaube ich nicht. Nach seiner Kleidung zu urteilen gehört er zu den Daelsmannen. Schätze, er wurde vom Sturm überrascht.«

»Aye«, bestätigte Phais. »Obwohl erst am Ende des Sturms, weil nur wenig Schnee ihn bedeckt.«

»Er könnte weggeweht worden sein«, mutmaßte Tipperton.

Loric hob eine Braue. »Möglich, obwohl ich wähne, dass die Worte von Dara Phais eher der Wahrheit entsprechen. «

Beau hatte den Leichnam untersucht und drehte sich jetzt zu den anderen herum. »Er ist vollkommen erfroren. Wir können nichts mehr für ihn tun.« Er sah Bekki an. »Vielleicht sollten wir ihn verbrennen? In dieser hart gefrorenen Erde können wir ihn nicht bestatten.«

Bekki lehnte den Vorschlag ab. »Wir werden ihn der Stadtmiliz melden. Sie holen ihn mit einem Karren und schaffen ihn nach Dael. Seine Familie muss ihn identifizieren, damit sie ordentlich um ihn trauern kann.«

»Und was ist mit Wölfen und dergleichen?«, gab Tipperton zu bedenken. »Werden sie ihn nicht vielleicht …?«

»Nein, Tipperton«, widersprach Loric. »Er ist ja ganz durchgefroren und gibt kaum einen Geruch ab. Und obwohl der Sturm schon vier Tage her ist, hat bisher noch niemand an seiner Leiche gefressen. Ich nehme an, dass er hier auch weiter unberührt liegen wird, bis ihn die Stadtmiliz holt. Es sei denn, es würde wärmer werden.«

»Ich sehe mal nach, ob er etwas bei sich trägt, das uns sagt, wer er ist.« Beau hockte sich hin und öffnete gewaltsam die gefrorenen Taschen des Mannes.

Tipperton runzelte die Stirn, sagte jedoch nichts, weil diese düstere Aufgabe notwendig war.

Schließlich stand Beau auf und schüttelte den Kopf. »Nichts.«

Nach einer Meile fanden sie ein erfrorenes Pferd, dessen Vorderlauf gebrochen war.

»Hmm«, meinte Loric. »Das ist allerdings ein Rätsel.«

»Wie meint Ihr das?«, wollte Tipperton wissen.

»Wenn das hier das erfrorene Pferd des Mannes sein sollte, ist er weitergegangen, statt nach Dael zurückzukehren. «

»Dann war er vielleicht verwirrt«, spekulierte Beau, »hat sich im Sturm verlaufen. Oder er hat so gefroren, dass er nicht mehr wusste, was er tat.«

»Möglicherweise«, knurrte Bekki. »Aber ich glaube, dass er geflüchtet ist.«

Tipperton riss die Augen auf. »Geflüchtet? Wovor?«

Bekki deutete auf das Pferd. »Seht Ihr den Frost in seiner Mähne? Das ist gefrorener Atem, würde ich sagen. Das Pferd ist vielleicht galoppiert, als es sich ein Bein brach. Wer würde ein Pferd auf Eis zum Galopp treiben, wenn nicht jemand, der flieht? Außerdem ist seine Kehle nicht durchgeschnitten, also frage ich: Wer würde ein Pferd mit einem gebrochenen Lauf lebendig und vor Schmerz wiehernd zurücklassen? Jemand, der flieht, würde das tun. Und zwar jemand, der voller Panik flieht.«

»Schon«, gab Beau zu. »Aber Ihr habt Tips Frage nicht beantwortet. Wovor ist dieser Mann geflohen?«

Bekki zuckte die Achseln und blickte nach Südosten, dem Lauf der Straße nach. »Vielleicht«, knurrte er dann, »ist er aus der Stadt Dael geflohen.«

Am nächsten Tag kamen sie an einem weiteren Erfrorenen vorbei, dann an noch einem, dann an dreien. Sie alle waren mit Eis und Schnee bedeckt. Und je weiter sie nach Dael ritten, auf desto mehr Erfrorene trafen sie, bis die Straße schließlich von Leichen gesäumt war, Männer, Frauen und Kinder. Einige waren zu Fuß geflüchtet, während andere geritten waren. Sie stießen auf Karren und Kutschen mit Toten, deren Pferde erfroren in den Geschirren lagen. Und alle ohne Ausnahme waren in nordwestlicher Richtung geflüchtet, dort, wo nur Minenburg Nord lag, nichts sonst.

»Flüchtlinge?«, fragte Loric Phais, als sie weiterritten.

Sie nickte grimmig. »Mir deucht, Bekki hat die Wahrheit schon erkannt, als wir den ersten Toten fanden. Er floh aus Dael, so wie die anderen.«

»Aber was ist in Dael?« Beau sah sich furchtsam um. »Warum sollten sie aus der Stadt fliehen?«

Loric hob seine Hände, die in dicken Handschuhen steckten. »Diese Frage können wir erst beantworten, wenn wir dort ankommen, Beau.«

»Vielleicht sollten wir die Stadt lieber umgehen?«, schlug Tipperton vor. »Ich meine, wenn dort etwas Gefährliches lauert, ein Gargon zum Beispiel …«

»Oh«, hauchte Phais und sah Loric an. »Vielleicht ist es tatsächlich ein Draedan!«

»Gargon, Draedan oder Ghath«, knurrte Bekki, »wir sollten jedenfalls nahe genug hingehen, damit wir es sicher wissen.« Er deutete nach Süden. »Irgendwo dort verfolgen mein Sire und der Rest seiner Verbündeten den Abschaum, und wir müssen sie warnen, falls ein Ghath Dael angegriffen hat.«

Loric nickte zögernd. »Bekki hat recht. Wir müssen schon in unserem Interesse nachsehen, was dort auf uns wartet. Und nötigenfalls den Coron, den DelfLord, den Häuptling und den Prinz warnen.«

Tipperton zog seinen Bogen aus der Hülle an seinem Sattel und nahm einen Pfeil aus dem Köcher. »Halte Schlinge und Kugel bereit, Beau. Wir reiten nach Dael.« LZ

Titel der amerikanischen Originalausgabe HÈL’S CRUCIBLE: INTO THE FIRE – PART 1 Deutsche Übersetzung von Wolfgang Thon

Deutsche Erstausgabe 08/2007 Redaktion: Joern Rauser Copyright © 1998 by Dennis L. McKiernan Copyright © 2007 der deutschen Ausgabe und der Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH www.heyne.de

Titelillustration: Arndt Drechsler Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München Satz: C. Schaber Datentechnik, Wels

eISBN 978-3-641-08099-0

www.randomhouse.de

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