Ein echter Luser - Martin Cordemann - E-Book

Ein echter Luser E-Book

Martin Cordemann

0,0
2,49 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
  • Herausgeber: neobooks
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2018
Beschreibung

Detektive in Krimis sind meist clever, durchschauen ihre Gegner und hören aus jeder Aussage das klitzekleine Detail heraus, das sie als falsch erweist… Luser ist das Gegenteil davon. Streng genommen hat er keine Ahnung von dem, was er da tut, er hört den Leuten nicht mal zu. Statt dessen versucht er sich einzureden, dass das, was er da untersucht, ein spannender Fall ist und nicht irgendeine langweilige Routine. Wäre da nicht Dr. Schnippler, der Pathologe (bekannt aus "Börk"), würde er wahrscheinlich nie einen Fall aufklären. Und auch so bleibt es reine Glückssache! Das ist Krimi einmal anders!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 170

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Martin Cordemann

Ein echter Luser

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

„Tote Fliesenleger“

1

2

3

4

5

6

***

„Fischlein deck dich“

1

2

3

4

***

„Leiche al dente“

1

2

3

4

5

6

7

***

„Die Comic des Mordens“

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

***

Impressum neobooks

„Tote Fliesenleger“

Erstes Buch, Fall 1, Seite 25, Absatz 12.

1

Detektivgeschichten fangen oft mit den Worten an: Es war einer von diesen Tagen. Nun, es WAR einer von diesen Tagen und

„Luser? Luser? Denken Sie sich wieder aus, Sie wären in einer Detektivgeschichte.“

Mein Chef hatte noch nie ein besonderes Talent für dramatisches Timing gehabt. Jetzt stürmte er also in mein Büro, noch bevor ich überhaupt die Einführung

„Und bestimmt ziehen Sie in Ihrer ‚Geschichte‘ gerade wieder über mich her.“

Wo er Recht hatte! Mit hochrotem Gesicht polterte er in mein Büro, wild um sich schreiend, während ihm der Schweiß in Strömen, die die Ausmaße von herabschmelzenden Gletscherbächen annahmen

„Ist das kalt hier, ich frier mir noch einen ab.“

Okay, er schwitzte nicht! Aber sein Kopf war hochrot. Immerhin etwas.

„Sehen Sie mich nicht so durchdringend an, Luser. Ja, ich bin gestern unter der Höhensonne eingeschlafen.“

Ich verkniff mir ein Seufzen.

„Verkneifen Sie sich da gerade ein Seufzen?“

Ich seufzte.

„Schon besser. Naja, eigentlich nicht. Sie seufzen immer, wenn ich in Ihr Büro komme.“

Wenn er mit hochrotem Kopf in mein Büro gestürmt kam... aber das hatten wir ja schon.

„Sie fragen sich sicher, warum ich zu Ihnen komme?!“

Ehrlich gesagt: nein! Aber es konnte nichts angenehmes sein. Für gewöhnlich hatte es nämlich etwas mit Arbeit zu tun. Oder damit mich anzuschreien. Mir irgendwelche Vorwürfe zu machen. Zum Beispiel den, ich sollte mal arbeiten. Ich fand, das WAR ein Vorwurf. Und in jedem Fall nicht angenehm.

„Sie sind ja heute so sprachlos. Ich hatte schon die eine oder andere unverschämte Bemerkung von Ihnen erwartet.“

Die konnte er haben. Sogar die eine UND andere. Das war überhaupt kein Problem!

„Ich habe eine Überraschung für Sie!“

Das klang nicht gut.

„Eine tolle Überraschung!“

Das klang ganz und gar nicht gut!

„Eine Überraschung, da werden Sie staunen.“

Das klang sogar ausgesprochen beschissen!

„Sie bekommen eine Auszeichnung.“

Ich bekam... was? Da... war ich sprachlos.

„Ja, eine Auszeichnung.“

Mein Chef lachte fast vor Freude. Ich bekam eine Auszeichnung. Irgendwie

„Da staunen Sie, was?“

Da staunte ich. Was? Eine Auszeichnung? Wof

„Sie fragen sich sicher, wofür!“

Genau das fragte ich mich. Vielleicht wäre es sinnvoller, IHN zu fragen.

„Kommen Sie mit, die Kollegen warten schon.“

Kollegen? Auszeichnung? Wie in Trance erhob ich mich und folgte ihm aus meinem Büro heraus. Wir landeten in seinem Büro. Von den Kollegen war keiner da. Dafür stand vor dem Fenster eine Frau. Attraktiv. Dunkels Haar. Rötliches Gesicht. Wahrscheinlich unter der Sonnenbank eingeschlafen?!

War das die Auszeichnung? Eine Frau? Hatte sich der Polizeidienst so sehr verändert? Ich war fassungslos. Das war großartig! Mit so etwas musste man werben! Wenn es solche Frauen als Auszeichnung gab, wie schnell würden sich dann auf einmal tausende junge Männer für eine Laufbahn im Polizeidienst entscheiden?! Der Personalmangel bei der Polizei würde im Nu der Vergangenheit angehören.

„Womit habe ich das verdient?“ fragte ich fast tonlos.

„Das haben Sie nicht!“

Das hatte ich nicht? Nein, wenn ich ehrlich war, hatte ich nicht.

„Das mit der Auszeichnung war nur ein Scherz! Ich wollte Sie nur aus Ihrem Büro herauslocken.“

Na toll! Und ich war auf den ältesten Trick im Handbuch reingefallen. Super. Ich war ja ein ganz toller Detektiv. Also Polizist. Aber Detektiv klang halt... detektivischer.

„Hören Sie mit dem Tagträumen auf!“

„Ja!“ sagte ich reflexartig. Damit war dann wohl auch die Idee von der jungen Frau als Auszeichnung definitiv vom Tisch.

Der Chef drückte mir ein paar Mappen in die Hand.

„In den vergangenen drei Wochen hat es fünf tote Fliesenleger gegeben.“

„Aha“, murmelte ich, weil mir nicht mehr einfiel. Tote Fliesenleger. Klang ja spannend. „Natürliche Todesursachen?“

„Warum, glauben Sie, beauftrage ich Sie mit einer Untersuchung?“

„Abneigung? Undank? Zu wenig kompetentes Personal?“

„Sie haben mit allem Recht. Die Fliesenleger haben an verschiedenen Orten gearbeitet die verschiedenen Eigentümern gehören und waren von verschiedenen Firmen.“

„Und trotzdem sind alle tot.“

„Sie haben eine schnelle Auffassungsgabe.“

Das war sicher ein Scherz.

„Das WAR ein Scherz!“

Passte ins Bild!

„Selbstmord?“ fragte ich.

„Meinetwegen, aber klären Sie vorher bitte den Fall auf.“

Das war eine aufmunternde Bemerkung. Ich wusste, mein Chef mochte mich. Er verbarg das nur unter einer Schicht aus echtem Hass. Und Abneigung. Und überhaupt.

„Gibt es irgendwelche Hinweise?“

„Sie haben die Unterlagen in der Hand.“

„Ach dafür sind die. Und ich dachte, Sie wollten nur mal Ihren Schreibtisch aufräumen!“

Er sah mich stumm an. Abneigung. Tiefe, ehrliche Abneigung.

„Ich würde Ihnen sagen, versauen Sie es nicht, aber ich weiß ja, dass Sie sich nicht an meine Anordnungen halten.“

Leider konnte ich ihm da nicht widersprechen. Naja, ich konnte schon, aber in dem Fall wäre es nicht ehrlich gewesen.

„Ist noch was?“ fragte er in einem unangenehmen Los-werden-wollen-Ton.

„Nein“, murmelte ich gedankenverloren. Es wurde Zeit, an die Arbeit zu gehen. Oh Mann, wie ich das hasste. Naja, was für eine Wahl hatte ich denn. Ich machte mich langsam auf den Weg zur Tür. So langsam, dass er mich böse anstarrte. Dann fiel mir plötzlich etwas ein und ich blieb stehen.

„Und wer ist das Schnuckelchen?“ Ich deutete auf die hübsche Frau.

„Das ist meine Tochter.“

Das erklärte wenigstens das mit der Höhensonne.

2

Ich machte mich auf den Weg in die Pathologie. Nicht, um zu arbeiten. Sondern weil mich da niemand vermutete. Und also auch niemand nach mir suchen würde. Dachte ich. Aber ich ließ mich eines besseren belehren.

„Du mieser Loser!“

„Bitte?“

Schnell drückte ich meine Zigarette aus. Der Korridor war düster genug, dass mich die Dunkelheit schützen sollte.

„Man hat mir gesagt, dass du dich hier unten vor mir versteckst, du mieser Loser!“

Ein Schrecken durchfuhr mich. Das war SIE – die Arbeit! Vor ihr hatte ich mich versteckt. Und nun war sie Fleisch geworden und hatte mich gefunden. Das... war sehr surreal. Und irgendwie unglaubwürdig. Und doch sah ich durch das dämmrige Licht des Korridors eine Gestalt mit weiblicher Form auf mich zukommen. Die Arbeit war zu einer Person geworden, zu einer Person, die mich heimsuchen wollte. Es war wie in einem schlechten Film.

Nun blieb sie stehen und sah in meine Richtung. Vielleicht, wenn ich ganz still war, vielleicht würde sie dann wieder gehen? Und jemand anderen... arbeiten lassen?!

„Ich kann dich sehen!“ zischte sie und der Ton in ihrer Stimme trug nicht gerade zu meiner Beruhigung bei. Ich glaube, sie wollte Rache. Rache für all die Faulheit, die ich in den letzten Jahren auf mich geladen hatte. Für all die Arbeit, die ich an andere abgeschoben oder einfach ignoriert hatte. Jetzt musste ich ihr all das zurückzahlen. Und DAS machte mir richtig Angst!

„Du kannst dich nicht vor mir verstecken! Es ist vorbei!“

Das klang so endgültig. Hieß das wirklich, die Tage des Müßiggangs waren vorüber. Bedeutete das wirklich, dass ich jetzt anfangen musste zu... arbeiten?! Ich schloss mit meinem Leben ab. Das war das furchtbarste, das mir passieren konnte. Es gab nichts Schlimmeres!

Dann zischte sie böse:

„Ich hab einen Test machen lassen. Ich bin schwanger. Du bist der Vater!“

Wie man sich irren konnte!

Die Frau im düsteren Korridor der Pathologie zündete sich eine Zigarette an. Das ließ sie noch bedrohlicher wirken, denn es schien so, als käme Rauch aus ihrem Mund und als würden ihre Augen glühen.

„Ich weiß nicht, warum ich mich auf die Affäre mit dir eingelassen habe. Du bist so ein Loser! Aber, hey, ich war geil, also was soll’s? Ich hab n paar Mal abgetrieben. Vorher schon. Hab ich dir nie erzählt. Aber damit ist jetzt Schluss. Ich bin schwanger und ich kann beweisen, dass das Kind von dir ist. Du bist der Vater, mein Lieber, und aus der Geschichte kommst du nicht so leicht wieder raus. Nur weil du der Sohn vom Polizeipräsidenten bist lässt dich das noch lange nicht über den Gesetzen stehen. Ich hab dich an den Eiern, mein Kleiner. Und ich stelle dir ein Ultimatum: Entweder, du heiratest mich oder ich mache Karriere hier im Präsidium. Du hast die Wahl! Also, was sagst du?“

Genau genommen war ich platt. Mir fehlten die Worte. Ich musste das erstmal verarbeiten. Ich wippte unruhig hin und her und kam dabei an den Lichtschalter. Das Licht ging an und mir gegenüber stand eine mir weidlich unbekannte Polizistin.

„Was?“

Sie wirkte ziemlich überrascht.

„Wer sind Sie? Sie sind nicht der Sohn vom Polizeipräsidenten!“

Zu diesem Schluss war ich glücklicherweise auch schon gekommen. Lange vor ihr. Aber sie war so schön in Fahrt, dass ich sie nicht hatte unterbrechen wollen. Außerdem wirkte sie ziemlich bedrohlich und was wäre gewesen, wenn ich ihr mit der alten Ausrede gekommen wäre, dass ich gar nicht der wäre, den sie meinte. Hätte sie mir geglaubt? Oder mir gleich die Zigarette in den Augen ausgedrückt?

„Aber...“ druckste sie herum. Die ganze Situation schien ihr mehr und mehr unangenehm zu sein. Mir dagegen nicht.

„Wer sind Sie?“ wiederholte sie schwungvoll und, was mir Angst machte, ein bisschen sauer. „Ich habe oben gefragt, ob einer den blöden Loser gesehen hat, und da haben die gesagt, du wärst... er wäre hier im Keller.“

Na, da hatten wir doch die Erklärung!

„Ich bin... Luser. Curt Luser, mit C. Mordkommission.“

„Was...?“

Ich lächelte ihr fröhlich zu und verdrückte mich durch die Glastür aus dem Kellergang.

„War nett, Sie kennen zu lernen“, sagte ich noch, bevor ich im Treppenhaus verschwand. „Und viel Erfolg mit Ihrer Schwangerschafts-Erpressungs-Geschichte!“

Dann ging direkt hinter mir lauthals die Scheibe zu Bruch.

3

„Mieser Looser!“ schrie mir die Frau sauer nach. Bevor ich mich verdrücken konnte, hatte sie auch den anderen Schuh ausgezogen und ihn wutentbrannt gegen die Glastür geschleudert. Die war hin und ich machte mich aus dem Staub. Sollte sie doch den Sohn vom Polizeipräsidenten erpressen wenn sie daran Spaß hatte, aber mir musste sie deswegen doch nicht auch noch auf die Nerven gehen.

Ich trat in Dr. Schnipplers OP und fast war ich froh, hier etwas zu tun zu haben. Ihm zu erklären, warum irgendeine karrieregeile Schnalle sich vom Präsi-Sohn hatte schwängern lassen, nur um eine Bombenkarriere zu machen und was ich mit der ganzen Sache nicht zu tun hatte, hätte ich jetzt keine Lust gehabt. Auf dem OP-Tisch des Chefpathologen lag irgendein kunstvoll ausgeweidetes Tier, während der Arzt sich überrascht über den Mund wischte.

„Ah, Luser, schön Sie zu sehen.“

Mir war so, als wäre er der einzige, der das so sah. Aber er hatte mir gegenüber einen enormen Vorteil. Er hatte es fast nur mit Toten zu tun.

„Hallo, Dr. Schnippler“, sagte ich und deutete auf das Tier auf seinem Operationstisch. „Beweismittel?“

Er schüttelte den Kopf.

„Mittagessen. Seebarsch. Angeblich frisch. Obwohl ich bei diesem Kandidaten das Gefühl habe, dass er tatsächlich eines natürlichen Todes gestorben ist.“

Er wischte sich mit einer Servierte den Mund ab und ließ die Reste seines Mittagessens in einem Mülleimer verschwinden.

„Was führt Sie zu mir?“

„Das schlimmste Verbrechen, das es gibt.“

„Mord?“

„Arbeit?!“

Dr. Schnippler seufzte. Ich seufzte auch. Das brachte uns nicht weiter. Aber es schadete auch nicht.

„Sie bearbeiten die Fliesenleger, richtig“, fragte er. „Ich glaube, da haben Sie einen ganz interessanten Fall an Land gezogen. Das ist etwas, womit Sie Karriere machen können.“

„Ach, wirklich?“

„Nein!“

„Lassen Sie mich raten“, strengte ich meinen detektivischen Verstand an. Oder heißt es detektivistischen Verstand? Detektionistisch? Wie auch immer, ich versuchte halt, über den Fall nachzudenken. Und meine These lautete: „Sie wurden alle vergiftet. Weil sie alle dieselbe Art von Fliesen verlegt haben, die vom Hersteller her versaut und giftig sind. Oder sie haben alle dasselbe Klebemittel verwendet, das in dieser Theorie anstatt der Fliesen ein Gift enthält. Oder, was noch spannender wäre: Erst durch die Verbindung genau dieser Fliesen mit genau diesem Klebemittel entsteht das Gift, das sie getötet hat! Also handelt es sich nicht direkt um Mord, sondern um einen Hersteller, der mieses Zeugs auf den Markt bringt. Kommt das so in etwa hin?“ Ich sah Schnippler fragend an. Der nickte angenehm überrascht.

„Ich bin beeindruckt, Herr Luser. Eine schnelle und ziemlich exakte Analyse der Situation.“

„Und, hab ich recht?“

„Zu einem Großteil – absolut.“

„Und wo irre ich?“

„Bei der gesamten Auflösung?! Alle Opfer wurden erschossen.“

„Oh!“

„Kein Gift. Ich nehme nicht an, dass Sie schon Zeit hatten, die Akten zu lesen, die Sie da mit sich herumschleppen, also fasse ich mal kurz zusammen: Die Fliesenleger wurden alle von hinten erschossen. In den Kopf. Dabei entsteht eine ganz schöne Sauerei, das kann ich Ihnen sagen. Das ist echt eklig. Ich möchte da nicht putzen müssen. Falls man das Zeug je wieder abkriegt. Widerlich. Irgendwie denken manche Mörder einfach nicht daran, was sie ihrer Umwelt damit antun.“

„Aber... warum wurden sie erschossen? Weil man mit ihrer Arbeit nicht zufrieden war? Pfusch am Bau oder was?“

„Wissen Sie, das ist das Interessante: Der Täter hat jedes Mal gewartet, bis alle Fliesen verlegt waren. So lange, bis alles fertig war und dann hat er erst zugeschlagen.“

Das war es! Ich wusste, das war die Information, mit der ich den Täter überführen konnte. Das würde mir helfen, ihn zu finden. Leider hatte ich nicht die geringste Ahnung, wie ich das anstellen sollte! Dann flog die Tür auf. Die Geschwängerte Karrieristin stand im Raum und richtete eine Waffe auf mich.

4

Erschrocken fuhr ich zurück. Wie eine Furie schrie sie:

„Das lasse ich mir nicht bieten! Du bist der Vater und du wirst die Verantwortung für dieses Kind übernehmen!“

Sie fuchtelte mit der Waffe herum, die sich... als einer ihrer Schuhe entpuppte. Es war halt dunkel hier unten, ich hatte das nicht sofort erkennen können. Außerdem war sie in mieser Stimmung und... außerdem sind Schuhe ja auch so etwas wie Waffen.

„Du bist der Vater meines Kindes!“

„Ich bin nicht der Vater!“

Schnippler sah fragend von ihr zu mir.

„Sind Sie der Vater?“

„Nope“, schüttelte ich den Kopf. „Hab ich ihr grad schon mal erklärt!“

„Zu wem wollen Sie denn, bitte?“

„Zum... Sohn... des Polizeipräsidenten!“

Sie wirkte nun ein wenig verunsichert. Mühsam versuchte sie, ohne den drohenden Schuh in ihrer Hand zu senken, ihre Brille aufzusetzen.

„Oh!“ sagte sie dann.

„Ah, der. Das ist eine Tür weiter!“

„Oh!“ sagte sie noch einmal. Dann hinkte sie, noch immer verwirrt, wieder hinaus.

„Viel Spaß!“ rief ich ihr nach und wandte mich Schnippler zu. „Kennen Sie die?“

„Noch nie gesehen. Zum Glück. Und deshalb bin ich Pathologe! Meine Kunden halten nämlich wenigstens die Klappe! Viel Erfolg mit diesem Fall!“

„Danke!“

Ich machte mich auf den Weg zum letzten Tatort. Ich wollte raus aus der Pathologie. Mir war es dort unangenehm. Nicht wegen der Leichen, sondern weil jeden Moment eine Irre mit Ansprüchen an meine Vaterschaft auf mich losstürzen konnte. Da war mir so ein blutüberströmter Tatort doch lieber. Komischerweise war er das nicht. Alles war sauber aufgeräumt und blitzblank. War ich am richtigen Ort? Ich fragte nach.

„Doch, das is den Tatort!“ sagte der Hausbesitzer.

„Warum ist dann kein Blut da?“ wollte ich wissen. Schon wegen der Spurensicherung. Die mögen es für gewöhnlich nicht, wenn man aufräumt, bevor sie auftauchen und sich wichtig machen können. Die mögen es auch nicht, wenn ich auftauche und mich wichtig mache. Komische Leute. „Was?“ fragte ich, denn der Mann vor mir hatte gerade irgendwas gesagt, während ich darüber nachgedacht hatte, warum mich niemand mochte.

„Ich hab gesagt dat is kein Problem. Die Spurenversicherung is schon vorn paar Stunden gegangen. Und dann ham die den Taatooat, wie heißt das, freigegeben. Na und dann hab ich jemanden gefunden, der gesacht hat, dat er den ganzen Mist mit den Blut und all das sauber kricht. Auch auf die Fliesen. Dat ganze fiese Zeugs und die Gehirnmasse und all das. Melkowitsch heißen die, kleine Firma. Kriegen alles sauba, sagen die. Und sehn Se sich ma um! Is das nich tolle Aabeit?!“

Das war es, ganz eindeutig. Spaßeshalber fragte ich ihn nach seinem Alibi.

„Und wie sieht es mit Ihrem Alibi aus?“

„Das sieht ja ma gut aus. Hab ich schon Ihre Kollegen gesacht. Während die Tatzeit war ich gerade bei mein Anwalt. Wegen Schwarzarbeit und so.“

Na, da konnte er mir ja viel erzählen. Besonders, weil ich nicht die geringste Ahnung hatte, wann die Tatzeit eigentlich gewesen war!

Ich nahm mir vor, die Akten zu lesen. Damit ich wusste, wonach ich suchen musste. Es ging um... Fliesenleger. Genau! Das war es. Eine für Serienmorde bislang absolut ignorierte Gruppe. Also wo lag der Zusammenhang? Waren es religiöse Gründe? War der Beruf des Fliesenlegers in irgendeiner Religion sowas wie die Praktikantenstelle zum Antichrist?

Moment! Praktikum. Das brachte mich auf eine Idee. Was, wenn die toten Fliesenleger alle in derselben Firma ausgebildet worden waren? Dann hatten sie eine gemeinsame Vergangenheit! Das war eine Spur, der ich nachgehen konnte. Doch natürlich kam es nicht dazu, denn der Hausbesitzer sagte leise und energisch

„Sie sind ein toter Mann!“

5

Ich fuhr herum. Hatte es heute jeder auf mich abgesehen? Erst zwang mich mein Chef dazu, zu arbeiten, dann machte mich eine wahnsinnige Schwangere zum Vater ihres ungeborenen Kindes und jetzt bedrohte mich ein dank Alibi unverdächtiger Hausbesitzer? Was war los? War Vollmond? Hatten die Leute nichts Besseres zu tun? Hatte ich vielleicht doch schon meinen Mörder gefunden. Und, war das nicht ausgesprochen zweideutig? Hatte ich MEINEN Mörder gefunden, also denjenigen, der MICH umbringen würde? Oder nur den von dem Fall, den ich gerade bearbeitete? Und wurde der gerade zu ersterem? Vor allem, während ich all das vor mich hindachte, anstatt, wie es ein vernünftiger Mensch gemacht hätte, in irgendeiner Weise zu reagieren. Meine Waffe zu ziehen, zum Beispiel. Wild um sich zu schießen. Oder zumindest mal in die Richtung des Hausbesitzers zu kucken. Was ich jetzt tat.

„Also was is nu? Sie ham wieda nich zugehört, oda? Ich hab grad erzählt, wie diesen Typ im Fernsehn seine Waffe gezogen und sie den Polizisten an die Stirn gedrückt hat und dann hat den gesagt: ‚Sie sind ein toter Mann.’ Und da wollt ich ma fragen, wie Sie als Polizisten auf sowas reagieren würden? Ham Sie da ne Ausbildung für, die Sie auf sowas vorbereiten tut, oder wie sieht dat aus?“

„Äh, ja, wir werden gut ausgebildet, damit wir mit sowas spielend fertig werden!“ log ich. „Bevor da einer auch nur auf falsche Gedanken kommt, haben wir da schon reagiert.“

Ich drückte ihm meine Karte in die Hand.

„Falls Ihnen noch was einfällt, rufen Sie mich an.“

„Hot Fox, Porno-Versand?“

„Äh, DAS hier ist meine Karte, die hier ist... von einem anderen Fall.“

Ich machte mich aus dem Staub, bevor er weitere Fragen stellte, die ich nicht beantworten konnte. Dabei war das genau falsch herum. ICH sollte die Fragen stellen und ER sollte sie nicht beantworten können. So hatte ich das im Fernsehen gelernt. So machte man das bei der Polizei. Und wer die wenigsten Fragen beantworten konnte, war schuldig. Aber nein, heute war ja auf einmal alles anders. Heute mussten sie es mir ja besonders schwierig machen!

Ich wusste nicht, wo ich hin sollte. Im Präsidium wartete nur mein Chef auf mich, der nichts besseres zu tun haben würde, als mich anzuschreien, in der Pathologie lauerten mir schwangere Frauen auf, die nichts besseres zu tun hatten, als mich zu bedrohen und... was blieb da noch. Der Tatort war sauber und... ich hatte eine Spur. Naja, etwas, das einer Spur nahe kam. Naja... ich hatte irgendwas, womit ich den Nachmittag totschlagen konnte.

Also machte ich mich auf den Weg. Leider wusste ich nicht, auf welchen, aber dann kam ich auf die blendende Idee, einfach mal in die Akten zu schauen, die ich schon den ganzen Tag mit mir herumschleppte. Das half weiter! Ich war selbst überrascht. Also, was stand da über die fünf ermordeten Fliesenleger... Wo hatten sie eine Lehre gemacht? Es... stand natürlich nicht drin. Super. War ja klar. Warum sollten die Antworten auch einfach sein? Ich hängte mich ans Telefon und klapperte die Firmen ab, bei denen die Toten gearbeitet hatten.

Da ich keins dabei hatte, fuhr ich dafür wieder in die Pathologie. Anschließend verglich ich meine Ergebnisse mit Dr. Schnippler, den das alles merklich nicht interessierte.

„Es stört Sie doch nicht, wenn ich währenddessen Zeitung lese?“

„Nein, natürlich nicht.“

„Also, was haben Sie herausgefunden?“