Geigenmord - Martin Cordemann - E-Book

Geigenmord E-Book

Martin Cordemann

0,0
3,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Mord in der Kunstszene… oder den Kunstszenen. Ein Schriftsteller, ein Geiger und der Chef vom Dreigestirn – alle tot. Und Harry Rhode muss ermitteln. Dabei gibt es nicht nur interessante Auflösungen für interessante Fälle, sondern auch einen Rückblick darauf, wie Rhode überhaupt Polizist wurde: In der einzigartigen Mischung aus Theaterstück und Detektiverzählung "Schuld und Bühne". Wie üblich löst er Fälle eher mit Witz als mit Spannung. Harry Rhode ist eine Mischung als Philip Marlowe und Columbo – der entwaffnende Humor eines Marlowe und der entwaffnete Ermittler eines Columbo. Es gibt weniger Frauen und weniger auf die Fresse als bei Marlowe, aber ein guter Detektiv zeichnet sich ja nicht nur dadurch aus, was er einstecken, sondern auch, was er auflösen kann. Mal ist es ziemlich klar, wer der Mörder ist und wir begleiten den Detektiv dabei, wie er ihn überführen muss, mal kann auch der Leser mit raten, welcher der Verdächtigen nun für die Tat verantwortlich ist. "Harry Rhode" sind Detektivgeschichten mit Humor.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 262

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Martin Cordemann

Geigenmord

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort

Reine Kopfarbeit

Geigenmord

Spurlos tot

Verschwörung der Marsianer

Null Bock

Schuld und Bühne

Impressum neobooks

Vorwort

Nach „Tod unterm Leuchtturm“ und „Tod du Fröhliche“ ist dies nun der dritte Band mit Kriminalfällen um den fiktiven Detektiv „Harry Rhode“. Wie schon beim ersten Band, von dem ich in Ihrem Interesse hoffe, dass Sie ihn gelesen haben, sehe ich mich genötigt, Sie zu Beginn des Buches mit einem weiteren Vorwort zu behelligen.

Für interessierte Leser (und andere, die zufällig gerade hier vorbeischauen) sei angemerkt, dass „Reine Kopfarbeit“ wahrscheinlich der erste Krimi ist, den ich mit oder für Harry Rhode geschrieben habe, damals gedacht als Fortsetzungsroman für die Schülerzeitung… wo aber nichts draus geworden ist und sicherheitshalber eine Auflösung in Episode 2 kam. Könnte aber auch eine andere Geschichte gewesen sein.

Abschluss dieses Bandes ist das Pseudo-Theaterstück „Schuld und Bühne“. Es wurde zunächst unter dem Titel „Shakespeare“ geschrieben, dann aber zu einem richtigen Theaterstück mit dem Titel „Shylock Holmes“ umgearbeitet, in dem der Erzähler in den Regieanweisungen, was einer der Clous bei der Sache war, natürlich entfiel. Der Beginn hier ist mit der alten Version identisch, der Fall, der dann behandelt wird, wurde jedoch eigens für dieses Buch geschrieben.

Falls Sie nicht wissen wollen, wann ich welche Geschichte geschrieben habe, hier ist die Antwort:

Reine Kopfarbeit - 1988/1996

Geigenmord - 1989/1996

Spurlos tot - 1989/1996

Verschwörung der Marsianer - 1991/1996

Null Bock - 1991/1996

Schuld und Bühne - 1992/1996/2013

Sowie keine Rahmenhandlung von 2013.

Ich wünsche: Viel Spaß!

Reine Kopfarbeit

Natürlich ließ sich ein neuer Fall nicht bis zu einem gewöhnlichen Werktag Zeit! Nein, es wäre ja wohl von einem Verbrecher zu viel verlangt, auch mal daran zu denken, dass hart arbeitende Polizisten am Wochenende vielleicht etwas Freizeit haben wollen! Wozu auch? Stattdessen gab es da irgendjemanden, der sich natürlich ausgerechnet an einem Sonntag hatte umbringen lassen müssen, oder zumindest sterben. Jedenfalls passte es mir überhaupt nicht, denn es war ein schöner warmer Sommertag und ich hatte mich seit längerer Zeit endlich mal wieder aufraffen können, Golf zu spielen. Und nicht nur das, einer meiner alten Freunde, die, die ich im Laufe der Zeit die Angewohnheit hatte, zu verlieren, war in der Stadt. Duffy, der auch ein paar der erwähnten anderen Freunde von früher kannte, kam vorbei und da war doch das mindeste, was ich tun konnte, ihn zum Golf mitzuschleppen und nach bestem Wissen und Gewissen zu verarschen.

„Sag mal, Harry, spielst du das öfter?“

„Nein, du?“

„Hör mal, du Knalltüte, du hast mich doch extra mit hierhin genommen!“

„Stimmt, Duffy, hatte ich wohl vergessen! Du bist dran. Also, du musst den kleinen Ball da...“

„Ich weiß wie man Golf spielt, Mann!“

„Oh!“

„Sag mal, hast du mich eigentlich nur mitgenommen, um mich zu verarschen?“

„Klar, aber ich hatte gehofft, du würdest nicht so schnell dahinter kommen!“

„Bin ich aber!“

„Komm, Duffy, stell dich nicht an wie ein trotziges Kind, immerhin bin ich derjenige von uns beiden, den du als, lass es mich richtig zitieren, spätpubertierendes Arschloch bezeichnet hast!“

„Das war, als du mir meinen 25. Geburtstag vermiest hast, kann ich was dafür, dass du dich in all den Jahren nicht weiterentwickelt hast?“

„Nein, ich vielleicht?“

„Ja!“

„Ach, hör endlich auf so penetrant kursiv zu sprechen und schlag!“

„Wie sieht’s eigentlich mit heiraten aus?“ wollte Duffy am 12. Loch wissen.

„Oh, nein, danke, Duffy, ich finde dich zwar so ganz nett, aber...“

„Du weißt ganz genau...“

„...wie ich das meine!“ äffte ich ihn nach. „Ja, das ist so, nur weil du zufällig jemanden gefunden hast, der zu dir passt und der dich nicht völlig unausstehlich findet... oder saugute Nerven hat, äh, heißt das noch lange nicht, dass mich dieses Schicksal auch endlich ereignet haben sollte. Aber wenn ich heiraten sollte, dann erfährst du es als erster. Oder als zweiter. Auf jeden Fall wirst du eingeladen. Nehme ich jedenfalls an. Vielleicht auch nicht! Kann man nie wissen!“

„Ich will doch nur dein Bestes!“

„Das werde ich dir nie geben!“

„Übrigens... ich hab gehört, dass sich der blöde Anker hat scheiden lassen!“

„Hat er?“

„Hat er! Und ich hab gehört, dass du da deine Finger im Spiel gehabt haben sollst! Das heißt, genau genommen hat sich seine Frau scheiden lassen!“

„Duffy, wenn es eine Frau war, die sich hat scheiden lassen, wie soll ich da wohl meine Finger im Spiel gehabt haben?“ Ich wollte gerade putten, als ein Ruf hinter mir die Luft in wohldosierte Streifen riss.

„Herr Rhode? Sind Sie das, Herr Rhode?“

„Was brüllt der Arsch denn hier so rum?“ murmelte ich, drehte mich um und wurde Lohmanns gewahr, der sich über den Golfplatz auf mich zu beeilte. „Haben wir heute Sonntag oder haben wir heute Sonntag?“

„Wir haben heute Sonntag!“

„Hab ich mir gedacht!“

„War es das dann? Ich meine, mit Golfspielen?“

„Nein, ich denke, er kommt nur, weil er gerne mitspielen möchte, Duffy!“

Völlig aus der Puste erreichte uns Lohmann, blieb japsend stehen und sah mich erwartungsvoll an.

„Sie stören, Lohmann!“ Als dann immer noch nichts von ihm kam, meinte ich: „Also was, wollen Sie, Unterricht?“

„Nein... ich soll Sie... holen. Ralph Konlik ist tot... Wissen nicht... ob er ermordet wurde... Sie sollen...“

„Ist das das gesungene Telegramm?“

„Sie müssen...“

„...sofort mitkommen?“

Er nickte. „Verstehen Sie denn nicht?“ japste er. „Ralph Konlik ist tot!“ Nach seiner Meinung schien das etwas annährend weltbewegendes zu sein.

„Ich hoffe nur, dass er dafür einen guten Grund hat! Ich meine, es ist Sonntag!“

Lohmann, der nun seine Atemkraft endgültig wieder gefunden hatte, sah mich bestürzt an. „Kennen Sie denn nicht Ralph Konlik?“

„Sollte ich?“

„Ralph Konlik ist ein großartiger Schriftsteller! Er ist der Verfasser des Romans: ‘Bei Nacht herrscht Dunkelheit’!“

Oh Gott, dachte ich in einem Anfall von Nicht-Atheismus. War der Inhalt entsprechend seinem Titel, war ich froh, von diesem Werk unbeleckt zu sein. Mit schmerzverzehrtem Gesicht sah ich zu Duffy hinüber, der sofort anfing, mit Lohmann über das Für und Wieder dieses offensichtlich bedeutenden Werkes der Weltliteratur zu fachsimpeln.

„Halt halt halt!“ unterbrach ich. „Also dieser Typ war wirklich Schriftsteller?“

„Der Mann war Weltklasse“, begeisterte sich Lohmann.

„Hast du wirklich noch nichts von ihm gelesen?“ wollte Duffy wissen. „Der ist...“

„Jaja, ich hab verstanden, sagen Sie mal, Lohmann, waren Sie nicht aus einem bestimmten Grund hier?“

„Ja, Sie müssen sofort kommen! Es sieht so aus, als hätte Ralph Konlik Selbstmord begangen, aber ich glaube nicht daran! Ich würde sagen, er wurde ermordet!“

„Sie würden das sagen?“ Ich verkniff mir ein schiefes Grinsen. „Na, dann muss da doch was dran sein. Und ich glaube, es gibt auch ein gutes Motiv für diesen Mord!“

Die beiden sahen mich an.

„Ich nehme an, irgendein Geheimdienst wollte verhindern, dass er auch noch das andere Geheimnis preisgibt!“

„Wel... welches andere Geheimnis?“

„‘Am Tag herrscht Helligkeit’!“

Beide sahen mich ohne jeden Humor an.

„Tja, warum übernehmen Sie den Fall nicht selber, Lohmann, könnte nicht schaden!“

„Der Chef hat gesagt, wenn Sie nicht sofort kommen, soll ich dafür sorgen, dass man Sie fesselt und mit Gewalt zum Tatort bringt!“ Lohmann drehte sich um und rief ein paar Polizisten herbei.

„Vorsicht, Lohmann, wir sind zu zweit und haben Golfschläger! Und außerdem sind Sie unsere Geisel!“

„Es liegt dem Chef sehr am Herzen... und außerdem dürfen Sie mit seiner Tochter zu Abend essen, wenn Sie den Fall gelöst haben! Aber er räumt ein, dass Sie das nicht müssen, wenn Sie jetzt kommen! Es... der Polizeipräsident sitzt ihm im Nacken! Er ist auch so begeistert von Konliks Roman!“

„Erst versuchen Sie es mit Drohungen, dann drücken Sie auf die Tränendüsen, Sie haben ja das ganze Programm drauf, Lohmann. Okay, ich komme mit. Duffy, sieht so aus, als müsstest du wohl alleine zu Ende spielen. Ich ruf dich dann an, wenn ich weiß, wer es gewesen ist!“

„Viel Erfolg!“

„Ja, kann ich brauchen! Tschö!“

„Bis dann!“

Mürrisch trottete ich hinter Lohmann her. Als wir am Clubhaus vorbeikamen, fragte ich ihn, ob wenigstens noch genügend Zeit wäre, dass ich mich eben umziehen könnte, aber er meinte, wir wären ohnehin schon viel zu spät dran. Selbstredend ignorierte ich ihn und verschwand im Clubgebäude, aus dem mich die drei Polizisten Sekunden später wieder herauszerrten und in einen Polizeiwagen verfrachteten, während ich aus vollem Halse: „Hilfe, das ist eine Entführung, ruft die Polizei!“ schrie. Aber natürlich stellte man sich taub.

„Inspektor, entschuldigen Sie bitte, aber der Chef sagte, es wäre wirklich dringend. Schließlich hält er Sie für seinen besten Mann!“

„Eben deshalb halte ich diese Behandlung für in keiner Weise angemessen! Na, wollen wir hoffen, dass er Sie auch irgendwann mal für seinen besten Mann hält! Also, was wissen Sie über diesen Fall?“

„Na also! Der Schriftsteller Ralph Konlik, der das ausgezeichnete Buch ‘Bei Nacht herrscht Dunkelheit’“ – ich verdrehte die Augen, weil mir metaphysisch schlecht wurde – „geschrieben hat, ist vor knapp einer Stunde in der Bibliothek seines Hauses gefunden worden.“

„Tot, nehme ich an.“

„Ja, selbstverständlich war er tot!“

„Na, so selbstverständlich ist das heutzutage nicht! Man kann doch auch in seine Bibliothek gehen, ohne gleich tot zu sein! Und woran ist er gestorben? Hat ihn die Lektüre seines Werkes emotional so mitgenommen, dass er mit dem Gedanken zu der Fortsetzung ‘Bei Dämmerung herrscht Dämmerung’ einen Phantasieausbruch bekommen hat und daran gestorben ist? Vielleicht ist er ja auch über der Lektüre eingeschlafen und befindet sich jetzt in einem komaähnlichen Schlafzustand?“

„Das ist nicht witzig!“

„Ist es doch!“

„Ist es nicht!“

„Ist es doch!“

„Ist es nicht!“

„Ist es doch!“

„Ist es nicht, der Mann war ein Genie!“

„Nein, war er nicht!“

„War er doch!“

„War er nicht!“

„War er doch!“

„War er nicht!“

„War er doch!“

„War er nicht! Okay, genug gepythond, was haben Sie noch?“

„Man hat einen unterschriebenen Abschiedsbrief gefunden.“

„Was steht drin?“

„Keine Ahnung. Man wollte es mir einfach nicht sagen!“

„Kluge Entscheidung! Todesursache?“

„Vermutlich Gift.“

„Aha, und?“

„Und nichts weiter. Den Rest sollen Sie herausfinden!“

„Rufen Sie da an und sagen Sie der Spurensicherung, dass ich die Todesursache wissen will, wenn ich ankomme!“

„Dafür ist aber der Gerichtsmediziner zuständig!“

Ich sah ihn genervt an. „Tun Sie, was ich für richtig halte!“

Er rief an.

„Wie lange fahren wir noch?“

„Eine halbe Stunde etwa.“

„Und es gibt nichts mehr, was Sie mir über den Fall erzählen können?“ Er schüttelte den Kopf. „Hmm, dann erzählen Sie mir über die dunkle Nacht!“

„Worüber?“

„Bei Nacht herrscht Dunkelheit, oder so!“

Lohmanns Augen leuchteten auf. „Der Roman ähnelt etwas den Geschichten von... wie heißt dieser englische Schriftsteller, der schon lange tot ist?“

„Shakespeare?“

„Nein!“

„Der hat auch keine Romane geschrieben!“

Lohmann suchte weiter nach dem richtigen Namen.

„Edgar Allen Poe?“

„Nein, Poe war es nicht... Hemingway!“

„Ich hatte es befürchtet“, seufzte ich. „Abgesehen davon, dass der Amerikaner war.“

„Ach was? Nun, er schreibt genauso spritzig wie Hemingway! Sein Roman handelt von einem Mann, der eines Nachts aufwacht und feststellt, dass es regnet.“

Ich sah Lohmann aufmerksam an. Mehr kam nicht. „Und?“

„Nichts weiter! Der Mann steht auf, geht nach draußen und stellt fest, dass der Regen nass ist...“

„Also eher ein naturwissenschaftliches Werk!“

„...und dann sieht er die Dunkelheit und bemerkt plötzlich, dass das daher kommt, durch das Ausbleiben des Lichtes...“

Nur gut, dass Ralph Konlik schon tot war!

Mit etwas Glück überstand ich die Autofahrt und Lohmanns haarsträubenden Bericht über ‘Bein Nacht herrscht Dunkelheit’, ohne dass mein Verstand irgendwelche bleibenden Schäden davontrug. Immerhin konnte ich damit anfangen, mir ein Bild des verstorbenen Schriftstellers zu machen, wenn auch keins, das ihn sehr vorteilhaft darstellte. Konnte natürlich auch an der Art liegen, wie Lohmann den Inhalt vorgetragen hatte, aber... wahrscheinlich nicht!

Am Tatort schien man mich, entgegen Lohmanns Aussage, scheinbar doch nicht zu erwarten; oder aber man erkannte mich einfach nicht! Nachdem Lohmann mich vor der Haustür der Konlikvilla abgesetzt hatte, fuhr er mit den anderen Polizisten weiter, während ich zur Tür schlurfte und schellte. Eine junge Frau erschien und fragte mich, was ich denn wolle. Ihr Mann sei vor ein paar Stunden, aber das gehe mich nichts an, wenn ich ein Freund von ihm gewesen sei, solle ich mich für die Polizei zur Verfügung halten.

„Gnädige Frau, ich bin die Polizei.“ So sagte man in den einschlägigen Filmen. „Naja, wenigstens von ihr!“ Aber in meiner Golfkleidung schien ich ihr etwas suspekt zu sein.

„Sie sind von der Polizei?“ fragte sie ungläubig. „Können Sie sich denn ausweisen?“

„Natürlich“, murmelte ich und griff in meine Hosentasche... wo sich meine Marke selbstverständlich nicht befand! „Entschuldigung!“ ich lächelte entschuldigend und begann eine Generaldurchsuchung der mir zur Verfügung stehenden Taschen. „Hmm, ich weiß, ich habe sie... in meiner anderen Hose! Sicher, man hat mir eben nicht mal die Zeit gelassen, mich umzu...“ Die Tür schlug vor meiner Nase zu.

„Hmm“, murmelte ich. „Tja, dann kann ich ja gehen!“ Ich drehte mich um und wollte mich gerade auf den Weg machen, als sich die Tür wieder öffnete und mein Chef, Hauptkommissar Kronzucker erschien, beschwichtigend auf die Frau des Hauses einredete und sie wieder ins Haus zurückschickte. Dann wandte er sich mir zu.

„Gab’s Probleme, Rhode?“ fragte er.

„Probleme? Nein. Eigentlich nicht, nein. Ich wurde entführt, meiner Habe beraubt, hier am Ende der Welt ausgesetzt, an meinem freien Tag, nein... keine Probleme! Und selbst? Was machen Frau und Kind?“

„Regen Sie sich nicht auf, Rhode, es tut mir ja auch leid, aber der Polizeipräsident hat mich heute Morgen angerufen, kurz nachdem die Leiche gefunden worden ist. Er ist offensichtlich ein begeisterter Fan von diesem Ralph Konlik. Er hat seinen Roman ‘Bei Nacht’...“

„Ich weiß, wie er heißt, machen Sie weiter!“ unterbrach ich.

„Nun, er hat diesen Roman gelesen und ist völlig aus dem Häuschen, dass dieser Schriftsteller gerade in unserem Zuständigkeitsbereich...“

„...den Löffel abgegeben hat, na klasse!“

„Der Kernpunkt ist, dass er diesen Fall aufgeklärt haben möchte. Und deshalb habe ich Sie gerufen!“

„Ihr Vertrauen ehrt mich!“

„Was bilden Sie sich ein? Ich meine, Sie schreiben doch selbst! Da können Sie sich vielleicht in diese Schriftstellermentalität hineindenken. Und außerdem... vielleicht finden Sie ja auf diese Weise einen Verleger – dann wär ich Sie los!“

„Hmm, der Punkt geht an Sie! Haben Sie irgendwas für mich?“

„Kommen Sie mit rein, Rhode. Und keine dummen Bemerkungen über den Roman!“

Das konnte schwierig werden! Ich folgte meinem Chef durch die Empfangshalle und die breite Haupttreppe hinauf in den ersten Stock, in dem sich eine in irgendeinem alten und recht hübschen Stil eingerichtete und sehr umfangreiche Bibliothek befand. Ohne den Toten, der mit dem Oberkörper auf dem überfüllten Schreibtisch lag, wäre ich sofort in dieses Haus eingezogen.

Ich näherte mich langsam der Leiche und sah mich im Zimmer um. Graham Greene, Goethe, Schiller, und natürlich auch sein großes Vorbild Hemingway fehlte nicht. Aus einem Regal der sonst so ordentlichen Bibliothek waren einige Bände herausgenommen und auf den Boden geworfen worden, so, als hätte jemand schnell etwas finden müssen. Einen bestimmten Band? Das mochte auch die seltsame Haltung erklären, in der der tote Schriftsteller auf dem Schreibtisch lag. War er zum Regal gelaufen, um einen Band herauszunehmen, hatte seine Kräfte verloren und war (mit oder ohne das Buch) zum Schreibtisch zurückgewankt, hatte sich aufgestützt und war vor Ort gestorben? Nun, für einen Selbstmord zumindest... fragwürdig!

„Wer hat die Leiche gefunden?“

„Die Frau des Toten, die Sie ja eben schon kennen gelernt haben.“

„Hmm, dann wolln wir mal schaun!“

Ich ging um den Schreibtisch herum. Ein paar Bücher waren zu Boden gefallen, als sich der nunmehr Dahingegangene darauf aufgelehnt hatte, andere waren unter seinem Körper verborgen. Da es sich um einen recht großen Schreibtisch handelte, hatte neben der Leiche eine Schreibmaschine Platz, eine halb ausgetrunkene Flasche Whisky, ein ganz ausgetrunkenes Glas und eine kleine Flasche, die irgendein Lösungsmittel oder so etwas enthielt. Diese Flasche war mit einem hübschen Totenkopf bemalt.

„Würden Sie sagen, es sieht nach einem Selbstmord aus?“ fragte mich Kronzucker.

„Klar. Oder nach einem Unfall. Vielleicht war er... symbolblind oder sowas? Irgendwelche Hinweise auf einen Selbstmord?“

Kronzucker deutete auf die Lösungsmittelflasche. „Dies und der Brief da.“

„Was für’n Brief?“ Ich sah mich um und fand neben der Schreibmaschine unter einem Buch, einer Ausgabe von ‘Bei Nacht herrscht Dunkelheit’ übrigens, einen Bogen Papier. Er war mit Schreibmaschine beschrieben. Der Name des Toten stand drunter, handschriftlich.

„Ich nehme an, die Photographen waren schon hier?“

„Harry, der letzte der zu dieser Party gekommen ist...“

„...sind Sie, schon klar!“ Ich nahm mein Taschentuch und zog den Brief unter dem Buch hervor. Es war genau genommen eine Bestellung für Schreibmaschinenpapier. „Sehr witzig!“

„Ja, ich dachte mir schon, dass Ihnen das gefallen würde!“ Kronzucker grinste breit. „Die Jungs von der Spurensicherung meinten, das würde Ihnen sicher irre Spaß machen! Der originale Brief ist natürlich schon lange im Labor, aber hier habe ich eine Kopie für Sie!“ Er reichte sie mir. „Ach ja, der echte Brief lag da natürlich genauso, wie dieser kleine Scherz! Übrigens... Sie sind nett angezogen!“

Ich warf ihm einen dreifach griftigen Blick zu. „Beim nächsten Mal möchte ich mich vorher wenigstens umziehen!“

Ich nahm den Zettel und sah ihn mir an.

Liebe Freunde,

ich kann nicht mehr. Ich scheide aus dieser Welt. Mein einziger Freund Donald hat es mir erzählt. Meine Frau hintergeht mich. Ich kann nicht mehr. Er ist der einzige, der noch hinter mir steht. Der einzige, der mich nicht verlassen hat. Deshalb entschuldige ich mich bei ihm, dass ich nun ihn im Stich lasse. Ich hinterlasse ihm mein Manuskript. Ich hätte es gerne fertig gestellt, aber meine Kräfte lassen nach. Es ist mir unmöglich, in einer Welt weiterzuleben, in der mich jeder hintergeht. Ich schließe mit diesem Leben ab.

Ralph Konlik

Ich las mir den Brief noch zweimal durch und sah dann meinen Chef an.

„Was halten Sie davon?“ wollte er wissen.

„Miserabler Stil!“ Ich seufzte. „Viele kurze Sätze, ganz Hemingway, sein großes Vorbild. Und wer zum Teufel ist dieser Donald?“

„Donald Borglum ist der Verleger von Ralph Konlik...“

„Verleger? Ich hab noch nie einen kennen gelernt, dachte immer, die gibt es nur in Märchen!“

„Wir haben ihn benachrichtigt, er ist auf dem Weg hierher.“

„Aha. Lassen Sie feststellen, ob der Brief auf dieser Maschine hier geschrieben worden ist, setzen Sie einen Graphologen auf die Unterschrift an und irgendjemand soll untersuchen, wie das mit den Anschlägen ist, ob er das auch selbst getippt hat oder jemand anders, ich hab gehört, sowas kann man feststellen, als Vergleichsmaterial sollten Manuskriptseiten ausreichen!“

„Ähem, Rhode, ich bin Ihr Chef!“

„Ich kann auch wieder gehen!“

„Ich sorge dafür, dass die Untersuchungen durchgeführt werden!“

„Na bitte, geht doch!“ Ich wandte mich wieder meinem schweigsamen Schriftsteller zu, der es endlich wirklich geschafft hatte, wie Hemingway zu sein – tot! Unter seinem Körper begrub er ein paar Bücher, aber eines hielt er mit beiden Händen umklammert, so schien es jedenfalls. In einer Hand hielt er überdies einen Kugelschreiber. Bei dem Buch handelte es sich um eine gebundene Hoffmann-und-Campe-Ausgabe von Erich Segals ‘Love Story’, einem der wenigen (einzigen) Liebesromane, die selbst ich gelesen hatte. Die Frage war: Warum umklammerte Konlik dieses Buch? Ein versteckter Hinweis auf einen Mörder, so es denn einen geben sollte? Oder hatte er kurz vor seinem Tod noch schnell eine amüsante Stelle nachlesen wollen? Vielleicht etwas mit Tod durch TBC?

„Wie, glauben Sie, ist es abgelaufen?“ wollte mein Chef von mir wissen.

„Keine Ahnung!“

„Etwas mehr Engagement, Rhode!“

„Najaaaa, also, es gäbe da eine... Möglichkeit!“

„Und wie sieht die aus?“ fragte er etwas heftiger, da ich mich nach meiner weisen Bemerkung wieder in Schweigen gehüllt hatte.

„Nuuuuuun, er schreibt diesen höchst philosophischen Abschiedsbrief... eigentlich müssen wir nachsehen, ob wir hier irgendwo erste Entwürfe dafür finden, so einer schreibt sowas doch nicht einfach so runter, das ist doch nicht seine Arbeitsweise, können Sie mir nicht erzählen! Der überarbeitet doch an sowas stundenlang herum und ist dann immer noch nicht zufrieden! Mülleimer nach ersten Fassungen durchsuchen!“ Ich sah nach, aber da war nichts! „Merkwürdig! Sehr sehr merkwürdig! Naja, egal, also, er schreibt die endgültige Fassung, kippt etwas von dem Gift in seinen Whisky, trinkt das Zeug, bekommt Krämpfe... die könnten allerdings auch daher rühren, dass er einen Blick in seinen Roman ‘Bei Nacht...’ geworfen hat...“

„Rhode!“

„...bekommt Krämpfe, will vielleicht zur Entspannung vor dem Tod noch ein Buch lesen, das er sich da drüben aus dem Regal geholt hat, dabei wird er natürlich von heftigen Krämpfen geschüttelt, weil seine Mischung nicht die effektivste war, tja, und dann bricht er über dem Schreibtisch zusammen und signiert noch schnell das Buch, obwohl’s gar nicht von ihm ist!“

„Reißen Sie sich zusammen! Aber... könnte es so gewesen sein?“

„Ja.“

„Meinen Sie wirklich?“

„Könnte, klingt aber doch eigentlich ziemlich bescheuert, oder?“

„Vielleicht, wenn man Ihre Ausschmückungen weglassen würde...“

„Dann wär’s genauso schwachsinnig!“

„Also meinen Sie, dass es kein Selbstmord war?“

„Was weiß ich, wenn er der Welt einen guten Dienst erweisen wollte?“

„Rhode, verdammt! Versuchen Sie sich doch etwas... zurückhaltender auszudrücken! Wenn nun plötzlich der Polizeipräsident in der Tür steht! Müssen Sie immer so zynisch sein?“

„Ja!“

Ich sah mir den Leichnam noch einmal von allen Seiten an. Natürlich, alles deutete auf Selbstmord hin: Der Abschiedsbrief, die geradezu offensichtlich dargebotene Giftflasche, aber... was wollte er beim Bücherregal? Was will er in seinen letzten Sekunden mit der ‘Love Story’? Ein bisschen schmökern vor dem Ableben? Warum dann nicht gleich Dantes ‘Göttliche Komödie’? Oder, der Situation angemessen Goethes ‘Faust’! Oder etwas von seinem großen Vorbild? Hatte er einen Grund gehabt, genau dieses Buch zu holen, oder hatte er in der kurzen Zeit nichts Besseres gefunden?

Der Gerichtsmediziner, Dr. Fuchs, trat ein.

„Kommen Sie gerade vom Surfen, Rhode?“ fragte er.

„Ich surfe nicht, ich spiele Golf! Sauer ist derjenige, der surft!“

„Aha. Dieser Mann ist an Gift gestorben.“ Er ratterte genaue Bezeichnung und ungefähre Todeszeit runter.

„Würde jemand, der sich auskennt, dieses Gift einem anderen vorziehen?“

„Sie stellen seltsame Fragen, Rhode.“

„Danke. Also?“

„Wenn man zum Beispiel gerade nichts anderes im Haus hat!“

„Doktor, Sie sind heute wieder zynisch!“

Mein Chef sah mich und Fuchs maßregelnd an.

„Wissen Sie, was er da in der Hand hält?“ fragte ich Fuchs.

„Sieht für mich aus wie ein Buch.“

„Für mich auch.“

„Warum fragen Sie dann?“

„Nur so.“

„Aha.“

„Wie, glauben Sie, ist das Buch in seine Hand gekommen?“

„Er wird es sich gegriffen haben!“

„Aus dem Regal da drüben?“

„Hmmmm, kommt auf die Konzentration des Giftes an, würde ich sagen. Und das kann ich erst, wenn wir die Reste in dem Whiskyglas untersucht haben... und ich die Autopsie gemacht habe, versteht sich!“

„Gut. Aber... warum sollte jemand, der sich umbringt, noch zu einem Bücherregal laufen und sich nen Liebesroman rausnehmen, den er dann schützend unter sich verbirgt?“

Fuchs hob die Schultern. „Vielleicht war er verwirrt? Oder verrückt?“

„Verrücktheit, ausgelöst von Gift?“

„Na, jedenfalls nicht von diesem Gift!“

„Dann stellen Sie fest, ob das Gift aus der Flasche auch das im Körper ist!“

„Klaro! Brauchen Sie mich noch?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Okay. Machen Sie’s gut!“ Er nahm das Glas mit und ging.

„Nun, was denken Sie, Rhode?“ bedrängte mich nun mein Chef.

„Das gleiche wie eben – ich weiß es nicht! Selbstmord, Mord, alles möglich!“

„Aber dafür gibt es keinen Beweis!“ warf mein Chef ein.

„Aber dafür gibt es keinen Beweis“, wiederholte ich langsam. „Vielleicht... finden wir ja noch einen!“

Ich beugte mich über die Leiche, um ihr das Buch aus der Hand zu nehmen.

„Hauptkommissar Kronzucker, Sie werden am Telefon verlangt“, schallte von unten eine Stimme herauf. „Es ist der Polizeipräsident!“

„Na toll!“ murmelte Kronzucker. „Kann ich Sie einen Moment hier allein lassen?“

„Ich bin doch nicht allein!“ Ich deutete auf Konlik.

Kronzucker schnitt eine Grimasse und verschwand.

„Ich pass auf, dass er nicht geklaut wird“, rief ich ihm hinterher. Dann öffnete ich vorsichtig eine Hand des Toten, wobei ich versuchte, ihm keine Knochen zu brechen. Sicher, davon hätte er nicht mehr viel bemerkt, aber solche Sachen fallen leicht auf einen zurück, von wegen unsauberer Arbeit und so.

„Was tun Sie denn da?“ riss mich plötzlich eine Stimme aus meinen Untersuchungen.

„Ich untersuche die Leiche“, erklärte ich. „Die Frage ist, was tun Sie hier!“

Ich sah mich einem stattlichen Mann mit sonnengebräuntem Gesicht und dunkelbraunen Haaren gegenüber, der mich mit unleugbarer Autorität ansah.

„Ich dachte schon, Sie wollten die Leiche schänden!“

„Aha, dachten Sie?“ meinte ich trocken. „Davon, dass man klopft, bevor man in ein Zimmer tritt, in dem eine Leiche liegt, die gerade von der Polizei untersucht wird, haben Sie wohl auch noch nie gehört, was?“

„Werden Sie nicht unverschämt, junger Mann! Was können Sie mir denn schon aufgrund Ihrer Untersuchungen sagen?“

Ich deutete auf die Leiche. „Der Mann ist tot!“

„Oh“, meinte mein Gegenüber sarkastisch, „ist das alles?“

„Für Sie schon! Warum denn wohl sollte ich Ihnen etwas sagen, häh?“

„Weil Sie als Arzt mich über die Todesursache meines Klienten unterrichten sollten!“

„Fällt das nicht unter die ärztliche Schweigepflicht.“

„Ich dachte, er wäre tot.“

„Er könnte sich wieder erholen.“

„Ist das Ihre ärztliche Meinung?“

„Es ist nicht mal meine Meinung!“

„Also?“

„Also was?“

„Also werden Sie mich als Arzt über die Todesursache meines Klienten unterrichten?!“

„Hmm, das werde ich tun!“ erklärte ich und wandte mich wieder der Leiche zu.

Als ihm die Wartezeit zu lange wurde, fragte er barsch noch einmal: „Wollen Sie mir nicht endlich einen Bericht geben?“

Ich erhob mich. „Sie meinten doch, dass ich Ihnen das als Arzt sagen soll, nicht wahr?“

Er nickte. „So ist es.“

„Naja, ich fürchte das dauert noch ein bisschen, ich meine, ich muss ja erstmal ein Medizinstudium anfangen und bis ich dann endlich meinen Abschluss habe, das kann ein Weilchen dauern. Außerdem finanziere ich mir mein Studium ja dadurch, dass ich nebenbei bei der Polizei arbeite!“ Das schien ihn erstmal aus dem Konzept zu bringen.

Als er sich erholt hatte, meinte er: „Nun, ich wusste gar nicht, dass Sie bei der Polizei auch Tennis spielen!“

„Ach, das wusste ich auch nicht! Und falls Sie meine Kluft hier meinen: Ich spiele Golf! Ich hasse Tennis!“

Der Mann lächelte. „Nun, wenn Sie von der Polizei sind, werden Sie sich sicher ausweisen können?!“

„Natürlich.“ Ich begann in meinen Taschen zu kramen, bis mir einfiel, dass mein Ausweis ja sicher verschlossen im Golfclub lag. „Aber Sie werden es mir so glauben müssen! Und jetzt würde ich gerne mal wissen, wer zum Teufel Sie überhaupt sind und was zum Teufel Sie hier machen!“

„Donald Borglum, ich bin der Verleger des... Verstorbenen!“

„Ver... leger? Darf ich... darf ich Sie berühren?“

„Bitte?“

Er fuhr zurück.

„Äh, ich... ich habe nie an Verleger geglaubt! Also, dass es sie gibt! Ich... ich hätte nie gedacht, dass ich mal selbst einen treffen würde, das... das ist ein ungeheures Erlebnis für mich!“

„Ich verstehe nicht...“

„Wissen Sie, ich schreibe selbst und ich hab jahrelang meine Texte an Verlage geschickt, aber das hat ja eh keinen Zweck, und, naja, ich hatte immer gehofft, mal einen Ihrer Gattung kennen zu lernen...“

„Meiner Gattung?“

„Sie wissen, was ich meine! Einen Verleger eben, aber... bisher hatte ich nie das Glück!“ Ich streckte die Hand aus. „Harry Rhode, Mordkommission!“

Er schüttelte sie misstrauisch. „Mordkommission? Ist er...“

„Oh, nein, wir werden immer hinzugezogen, wenn... so etwas passiert!“

„Nun, es überrascht mich, dass Sie mein Erscheinen hier so unvorbereitet trifft!“

„Ach ja?“

„Ich denke doch, Sie haben schon etwas über mich gehört?“

„Über Sie? Nein, ich muss gestehen, ich habe die Hoffnung inzwischen aufgegeben, einen Verleger zu finden, deswegen bin ich da nicht so auf dem Laufenden. Nein, ich wüsste nicht, woher!“

„Nun, aus dem Brie... von Ihrem Vorgesetzten!“

„Aus welchem Brief?“

„Bitte?“

„Aus welchem Brief? Sie machten da so eine Andeutung! Sie meinen doch nicht etwa den Abschiedsbrief des Verstorbenen?“

„Ich hörte, dass er mich erwähnte. Hat er tatsächlich Selbstmord begangen?“

„Tja, wenn Sie nur ein paar Minuten später aufgekreuzt wären, hätte ich Ihnen vielleicht mehr sagen können. Wie Sie wissen, könnte er theoretisch auch ermordet worden sein!“

Borglum sah mich erstaunt an. „Woher sollte ich das wissen?“

„Nun, wenn man Ihnen von seinem Abschiedsbrief erzählt hat, könnte doch auch die Bemerkung gefallen sein, dass es nicht unbedingt Selbstmord war!“

„Ich muss Sie enttäuschen.“

„Aha.“ Ich hatte keine Lust mehr, mich länger mit der Leiche zu beschäftigen und sah mich ein wenig in der Bibliothek um; nicht ohne Borglum zu ermahnen, nichts anzutatschen und die Leiche da liegen zu lassen. Die Bibliothek war wirklich ordentlich ausgestattet. Zwischen den Bücherregalen befanden sich mehrere Gemälde und Photographien – alle von Mount Rushmore, dem amerikanischen Nationalmonument. Die Präsidentenköpfe, Lincoln, Washington, Jefferson und Roosevelt! Da, wo die Schlussszene von Hitchcocks ‘Der unsichtbare Dritte’ spielt! Selbstredend fanden sich auch Bücher über dieses sich in den Black Hills befindliche Monument.

Ich drehte mich zu Borglum um. „War Konlik ein Fan von Mount Rushmore?“

Der Verleger sah mich an. „Wie Sie sehen können, war er mehr als begeistert davon. Wusste alles darüber. Ich hatte ihn gerade dazu überredet, seinen neusten Roman über dieses Denkmal handeln zu lassen. Aber ich fürchte...“

Er fürchtete zu Recht.

„Sie kannten Konlik wohl schon seit längerer Zeit, nicht wahr?“

„Das ist richtig. Ich nahm seinen ersten Roman ‘Bei Nacht herrscht Dunkelheit’“ – der Titel begann, mir Magenkrämpfe zu verursachen – „an und es wurde ein Erfolg. Sie haben ihn nicht zufällig gelesen?“

„Ich fürchte, ich muss zugeben: nein!“

„Schade. Ich habe mir aufgrund dieses Buches sehr viel von ihm versprochen, deshalb habe ich gedacht, er würde vielleicht mehr vollbringen, wenn er in der richtigen Umgebung leben würde. Also baute ich ihm dieses Haus, um ihm eine angemessene Arbeitsatmosphäre zu schaffen.“

„Dem baut man ‘n Haus und mich will man nicht mal veröffentlichen!“ murmelte ich.

„Bitte?“

„Nichts, fahren Sie fort!“

„Nun, es lief eigentlich alles sehr gut, bis diese Sache mit seiner Frau passierte!“

„Welche Sache war das so?“

„Sie hat sich in einen anderen Mann verliebt, nicht mich, einen... viel jüngeren!“

„Jünger als Sie oder jünger als er?“

„Spielt das wirklich eine Rolle?“

„Wahrscheinlich nicht. Und weiter?“

„Ich kann Ihnen versichern, Ralph hing sehr an seiner Frau. Deshalb hat ihn ihr Verlust sehr geschmerzt, denn... ich musste ihm heute Morgen mitteilen, dass sie die Scheidung wollte! Allerdings hätte ich nie damit gerechnet, dass er gleich...“ Er deutete auf die Leiche. „Und das, wo ich gerade einen hervorragenden Vertrag für sein neues Buch ausgearbeitet hatte. Ich verstehe es nicht! Was kann eine Frau einen Mann zerstören?“ Er ließ die Worte auf mich einwirken.

„Wäre es möglich, naja, dass seine Frau ihn getötet hat? Rein theoretisch, natürlich!“

Borglum sah mich an. „Was sagen Sie da? Daran... habe ich gar nicht gedacht! Ich frage mich, ob sie so weit gehen würde!“

„Ja, ich auch! Also, Sie haben dieses Haus bezahlt, damit Konlik eine gute Arbeitsatmosphäre hatte, um einen neuen großen Roman schreiben zu können?“

„Das ist richtig.“

„Und das konnten Sie sich so einfach leisten?“

„Ja, das konnte ich! Und außerdem wusste ich, was dieser Mann vollbringen konnte! Ein Meisterwerk! Und gleichzeitig ein Bestseller! Und... wenn es ein Bestseller geworden wäre, wäre dieses Haus hier ein Klacks!“

„Klacks!“ murmelte ich. „Irgendwie scheine ich in der falschen Branche zu sein, so oder so!“

Kronzucker trat durch die Tür und musterte uns. „Oh, wie ich sehe haben sich die Herren schon miteinander bekannt gemacht.“

„Hmm! Wir sprachen gerade darüber, dass die Ehefrau des Verstorbenen den Verstorbenen... hat versterben lassen... können!“

„Ich dachte, wir sprachen darüber, was ich für Ralph Konlik getan habe?“

„Oh, richtig, darüber haben wir auch gesprochen! Ähm“, wandte ich mich an Borglum, „wenn Sie sich bitte für eine weitere Besprechung bereithalten möchten?“

„Mit Besprechung meinen Sie sicher Verhör!“

„Sicher!“

„Ich warte in der Halle!“

Kronzucker begleitete ihn kurz hinaus und kam dann mit bösem Blick wieder.