Gespenster-Krimi 77 - Michael Schauer - E-Book

Gespenster-Krimi 77 E-Book

Michael Schauer

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Beschreibung

Römisches Reich, 63 n. Chr.
Zwischen den Dimensionen ist ein Riss entstanden. Nachdem sie vor über zwanzig Jahren von einem tapferen Krieger mit Namen Aurel zurückgedrängt wurden, versuchen die Kreaturen der Hölle erneut, Rom und die ganze Welt ins Unheil zu stürzen. Man nennt sie Die Finsteren. Ihr Name wird geflüstert, wenige Eingeweihte nur wissen von ihrer Existenz. Sollten sie die Oberhand gewinnen, wären die Tage der Menschheit gezählt, denn ihr einziges Streben ist das nach Schrecken und Chaos, Gewalt und Blut, Tod und Vernichtung. Aurel hat seinen Kampf gegen sie mit dem Leben bezahlt. Ausgezehrt und erschöpft von unzähligen Schlachten starb er an einem geheimen Ort. Allein sein Sohn könnte verhindern, dass die Finsteren diesmal den Sieg davontragen.
Sein Name lautet Castor Pollux ...


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Inhalt

Cover

Der Vampir von Rom

Special

Vorschau

Impressum

Der Vampir von Rom

von Michael Schauer

Römisches Reich, 63 n. Chr.

Zwischen den Dimensionen ist ein Riss entstanden. Nachdem sie vor über zwanzig Jahren von einem tapferen Krieger mit Namen Aurel zurückgedrängt wurden, versuchen die Kreaturen der Hölle erneut, Rom und die ganze Welt ins Unheil zu stürzen. Man nennt sie Die Finsteren. Ihr Name wird geflüstert, wenige Eingeweihte nur wissen von ihrer Existenz. Sollten sie die Oberhand gewinnen, wären die Tage der Menschheit gezählt, denn ihr einziges Streben ist das nach Schrecken und Chaos, Gewalt und Blut, Tod und Vernichtung. Aurel hat seinen Kampf gegen sie mit dem Leben bezahlt. Ausgezehrt und erschöpft von unzähligen Schlachten starb er an einem geheimen Ort. Allein sein Sohn könnte verhindern, dass die Finsteren diesmal den Sieg davontragen.

Sein Name lautet Castor Pollux ...

Hier unten herrschten Dunkelheit und Tod. Doch dieser Tod war lebendig, kratzte mit langen Krallen über kahle Steinwände, kroch unentwegt und gleichsam ohne Ziel durch das Verlies, in das seit Jahren kein Licht mehr gefallen war. Die Luft war kühl, stickig und verbraucht und roch faulig. Die Wesen scherte es nicht, diese Dinge hatten für sie keine Bedeutung. Sie kannten nur den Hunger.

Über hundert waren es an der Zahl. Klagendes Stöhnen entrang sich ihren ausgetrockneten Kehlen. Rot glühende Augen starrten durch die Finsternis. Die Wesen waren ausgemergelt, ihre Knochen bohrten sich durch die lederartige, kalkweiße Haut. Ihre Gesichter glichen Skelettfratzen, ihre Haare, spröde und verfilzt, fielen ihnen bis über die mageren Schultern. Manche trugen noch ihre Tuniken, schmutzig und zerfetzt, andere waren völlig nackt. Sie alle einte das Bewusstsein, dass es nicht mehr lange dauern konnte, bis sie endgültig ausgezehrt waren und in einen tiefen, ewig dauernden Schlaf fallen würden.

An der Oberfläche gab es Nahrung. So nah und doch unerreichbar. Sie konnten die Stimmen hören, aus weiter Ferne drangen sie zu ihnen hinunter. Wütendes Gezanke, zärtliche Liebesschwüre, leidenschaftliche Seufzer, Lachen und Weinen. Zu Tausenden wandelten die Menschen über die Erde. Durch die Adern jedes Einzelnen strömte der köstliche Nektar, den sie so sehr begehrten, den sie brauchten, um zu existieren.

Blut.

Einige der Wesen lagen apathisch auf dem Boden oder lehnten an der Wand. Andere konnten nicht aufhören, über die feuchte Erde zu kriechen wie Regenwürmer. Manchmal erfasste sie der Mut der Verzweiflung, und dann robbten sie in Richtung des Schachts, doch ein ums andere Mal verließen sie ihre spärlichen Kräfte, lange bevor sie auch nur in die Nähe gekommen waren.

Sie kannten den Weg nach oben. Dort hatte es jemanden gegeben, den sie fürchteten, der die Macht hatte, sie zu vernichten. Also hatten sie gewartet. Als seine Präsenz endlich verschwunden war, waren sie bereits zu erschöpft und ausgezehrt gewesen. In diesem Zustand wäre es ihnen niemals gelungen, ihre Beute niederzuringen. Eine Beute, die im Gegensatz zu ihnen höchst agil war. Ein Stich mit der Lanze, ein Hieb mit dem Schwert konnte ihnen zwar nichts anhaben. Doch auch sie waren nicht davor gefeit, in Stücke gerissen zu werden. Und sie fürchteten das Feuer.

Also warteten sie schicksalsergeben auf ihr Ende.

Warum hatte der Meister sie hergebracht, um sie dann zu vergessen? Sie wussten es nicht. Da waren nur noch Erinnerungsfetzen, wie Lichter in einer dunklen Nacht. Hin und wieder flammten sie auf, um sogleich zu verlöschen. Der Meister hatte ihr Blut getrunken und sie in seinesgleichen verwandelt, und dann sie hatten auf seinen Befehl hin das Blut von anderen getrunken. Auf diese Weise hatten sie sich vermehrt, waren zu einer kleinen Armee angewachsen.

Dann hatte es die Kämpfe gegeben. Viele von ihnen waren vernichtet worden.

Wo war er? Warum rettete er sie nicht? Wieso ließ er sie leiden?

Ein Luftzug in der Finsternis.

Über hundert Köpfe hoben sich. Jene, die sich in einer Art Dämmerschlaf befanden, wurden wach, öffneten ihre glühenden Augen. Unruhe breitete sich unter ihnen aus, das leidende Stöhnen wich aufgeregtem Gemurmel. Sie waren nun wie Ratten, die einen Leckerbissen rochen.

Das Geräusch von Schritten. Sie spürten die Gegenwart des Wesens, das sich ihnen näherte. Eine Gegenwart, die ihnen vertraut war. Es fühlte sich warm und wohlig an.

Jetzt lagen sie auf den Knien, starrten erwartungsvoll in die Dunkelheit. Ihre Augen waren anders als die eines Menschen, sie benötigten kein Licht, um sehen zu können.

Da war er. Hochgewachsen, sehnig. Der Kopf kahl und glatt wie polierter Marmor, die Ohren spitz, die Gesichtszüge scharf geschnitten. Seine Augen glühten wie ein Stück Metall, das ein Schmied gerade aus dem Feuer gezogen hatte. Er trug eine schwarze Tunika, das typische Gewand eines Römers, und einen langen roten Mantel. Obwohl auch in ihm kein Leben war, strotzte er vor Kraft und war voller Tatendrang. Was für ein Unterschied zu ihnen. Doch sie fühlten keinen Zorn, keine Verbitterung. Kein Laut des Vorwurfs würde ihnen über die blassen Lippen kommen. Denn die Jahre der Qualen waren mit einem Schlag vergessen, hinweggefegt von der Freude über seine Rückkehr.

Rodan, ihr Meister, war wieder bei ihnen.

»Ihr habt lange auf mich gewartet.« Seine Stimme, kalt wie Eis, schneidend wie eine scharfe Klinge, so vertraut. »Ich sage euch, euer Warten hat sich gelohnt.«

Aufgeregt wisperten sie miteinander, wiegten ihre Oberkörper hin und her. Mit einem Zischen brachte er sie zum Schweigen.

»Die Stunde der Rückkehr ist da. Wir wurden geschlagen, doch meine Welt ist bereit für einen neuen Kampf. Bald schon werden wir über die Menschen herfallen, und diesmal wird niemand sie retten. Nicht ihre Götter, und nicht der Krieger, der sie einst beschützte. Sie haben große Macht, doch wir sind die Stärkeren. Zum zweiten Mal hat sich der Riss aufgetan, und diesmal ergreifen wir unsere Chance.«

Sie hörten seine Worte, wenngleich nur wenige unter ihnen den Sinn zu durchdringen vermochten. Sie hatten, noch als Menschen, nie höhere Ziele gekannt als das eigene Überleben. Sie würden alles tun, was der Meister von ihnen verlangte. Dies war ihr Daseinszweck.

Sie spürten, wie sich zwischen ihnen und ihm ein unsichtbares Band manifestierte. Ein Band, das es schon einmal gegeben hatte, das aber zerrissen worden war. Jetzt erneuerte er es. Sie existierten weiterhin getrennt, waren aber eins.

»Ihr seid schwach«, fuhr Rodan fort. »Ihr müsst zu Kräften kommen, bevor ihr zur Oberfläche aufbrechen könnt. Ich werde euch Nahrung beschaffen. Bald schon wird frisches Blut durch die Adern von jedem einzelnen von euch strömen.«

Als seine Worte verklungen waren, war die Aufregung unter ihnen beinahe mit Händen zu greifen. Sie spürten den Hunger, der in ihren Eingeweihten wühlte wie die scharfen Zähne eines Wolfs. Plötzlich war da noch etwas anderes. Ein besonderer Geruch, den sie seit vermeintlichen Ewigkeiten nicht mehr wahrgenommen hatten, stieg ihnen in die knochigen Nasen.

Der Duft nach Leben.

Wie aufs Stichwort regte sich etwas in den Armen des Meisters. Jetzt erst bemerkten sie, dass er ein Bündel trug. Zartes Fleisch, jung, lebendig. Eine Frau. Sie war ohnmächtig gewesen, gerade erlangte sie wieder das Bewusstsein. Ein leises Stöhnen drang über ihre Lippen. Sie öffnete die Augen, doch sie konnte nichts sehen. Furcht ergriff sie. Sie spürten ihre Angst, welch ein wohltuendes Gefühl. Die Frau begann sich in den Armen des Meisters zu winden. Eisern hielt er sie fest.

Lippenpaare zogen sich zurück, enthüllten lange, nadelspitze Fangzähne.

»Sie wird nicht für alle reichen«, rief er ihnen zu. »Aber seid unverzagt. Schon bald werde ich zurückkehren und euch ein neues Opfer bringen. So lange, bis sich jeder von euch gelabt hat.«

»Wo bin ich?« Ihre Stimme, ängstlich und brüchig. »Wer bist du? Lass mich los.«

Rodans düsteres Lachen erfüllte die Dunkelheit. »Nein, mein Kind. Erkenne dein Schicksal.«

Jetzt sah sie die glühenden Punkte. Dutzende Augenpaare, die auf sie gerichtet waren. Sie begann zu schreien.

In den Ohren der Wesen waren ihre Schreie wie Musik.

Der Meister ließ sie einfach fallen. Schwer schlug sie auf der feuchten Erde auf. Sie wollte davonkriechen. Sie waren schneller, viel schneller. Die nahe Beute verlieh ihnen neue Kräfte. Wie wilde Tiere stürzten sie sich auf sie, rissen ihr das Gewand vom Körper, schlugen ihre Zähne in jedes Körperteil, das ihnen am nächsten war. Es dauerte nur Augenblicke, da sprudelte ihr Blut aus einem Dutzend Wunden, strömte warm in ihre Kehlen. Für jene, die das Glück hatten, etwas von ihr abzubekommen, war es ein unbeschreibliches Gefühl, und sie wünschten sich, es würde niemals enden.

Bald verebbten ihre Schreie. Nur die saugenden Geräusche der Kreaturen waren noch zu hören.

Zufrieden schlenderte Rodan durch die abendlichen Straßen der Metropole Rom. Überall drängten sich die Menschen. Wenn er sich ihnen näherte, machten sie ihm eilig Platz. Wie einen Schild schob er seine düstere Ausstrahlung vor sich her und teilte damit die Menge. Der Abend roch nach gegrilltem Fleisch und nach Unrat, nach Wein und nach menschlichen Ausscheidungen, ein stetes Stimmengewirr lag in der Luft. Rom war eine faszinierende Stadt, Millionen Menschen lebten hier auf engstem Raum zusammen, und während er zwischen ihnen hindurch schritt, nahm er einen Teil ihrer unendlich scheinenden Energie in sich auf.

Wenn er sich konzentrierte, konnte er seine Diener unter der Erde spüren. Einige Glückliche waren satt und zufrieden, nachdem sie sich an dem Blut des jungen Mädchens gelabt hatten. Die anderen beneideten sie darum und sehnten seine Rückkehr herbei – und ein neues Opfer.

Ein Lächeln umspielte seine dünnen Lippen. Sie brauchten noch ein wenig Geduld. Zunächst musste er sich selbst stärken. Damit er bei Kräften blieb, war es notwendig, dass er mindestens einmal täglich trank. Seine Macht war zwar groß, doch sie schwand umso schneller, wenn er ihr nicht regelmäßig frischen Lebenssaft zuführte.

Mit Befriedigung stellte er fest, dass es allmählich dunkel wurde, hier und dort wurden bereits Fackeln und Öllampen entzündet. Der Tag war nicht seine bevorzugte Zeit, die Strahlen der Sonne schwächten ihn und ließen ihn matt und träge werden. Deshalb blieb er tagsüber am liebsten in der abgeschirmten Kühle seiner Unterkunft. Er hatte eine Unterkunft im Erdgeschoss eines mehrstöckigen Hauses am Rande der Subura, dem Elendsviertel der Stadt, gefunden. Ein schmutziges Loch, das kaum mit seiner gepflegten Erscheinung in Verbindung zu bringen war. Ihm genügte es, und auf weltlichen Luxus legte er sowieso keinen Wert. Der Vermieter verlangte nicht viel Geld und stellte keine Fragen.

Seine geschärften Sinne suchten nach der Frau, doch er konnte sie nicht finden. Sie war nicht in der Nähe. Enttäuschung zeichnete sich auf seiner Miene ab. Vor einigen Tagen hatte er ihren Geist gespürt. Zufällig nur, jedoch hatte er sofort gewusst, dass sie die Richtige war. Sie hatte Zugang zu dem Mann, der über all diese Menschen gebot. Er musste sie finden und ihr seinen tödlichen Kuss des Lebens spenden, unbedingt. Mit ihr würde alles einfacher sein. Wenn er über den Herrscher herrschte, konnte ihn nichts mehr aufhalten.

Außerdem war ihre Seele verdorben. Sie würde eine gute Dienerin abgeben.

Heute Abend schien sie nicht auf den Straßen unterwegs zu sein.

In seinen Eingeweiden breitete sich ein nagendes Gefühl aus. Der Hunger begann mit spitzen Klauen nach ihm zu greifen.

Er überquerte das Forum Romanum, den zentralen Platz im Herzen der Stadt, und bog in eine belebte Seitenstraße ein. Zwei junge Männer rannten ihm entgegen, verfolgt von den wütenden Schreien einer älteren Frau. Der erste konnte ihm ausweichen, der zweite bemerkte ihn zu spät und rannte in ihn hinein.

»Pass auf, wo du hingehst«, blaffte er und starrte ihn herausfordernd an.

Rodan erwiderte seinen Blick. Einen Lidschlag lang glühten seine Augen auf. Im Schritt des Burschen bildete sich ein feuchter, gelblicher Fleck. Er wurde rot vor Scham, ein ängstlicher Ausdruck legte sich über seine groben Gesichtszüge, und dann rannte er weiter, wobei er mit einer Hand notdürftig die Stelle bedeckte, an der er sich eingenässt hatte.

Rodan seufzte zufrieden. Diese Menschen waren manchmal wie dumme Kinder.

Auf beiden Seiten der Straße standen Frauen vor den Häusern, lehnten an den Türrahmen oder schlenderten herum. Manche waren blutjung und frisch, andere älter und dahingewelkt wie Blumen in der Wüste. Viele trugen Kleider aus durchsichtigen Stoffen, die mehr enthüllten als sie verbargen, andere hatten noch weniger am Leib.

Er blieb vor einer jungen Frau stehen und musterte sie. Keinesfalls war sie älter als sechszehn Jahre. Schwarzes, gelocktes Haar fiel auf ihre nackten Schultern. Ihre Lider waren mit Ruß geschwärzt, was ihre dunklen Augen betonte. Sie trug lediglich ein dünnes Tuch, das sie um ihre Hüften geschlungen hatte. Seine Blicke wanderten über ihren wohlgeformten Körper und verharrten an ihrer Halsschlagader. Begehren stieg in ihm auf.

Sie bemerkte sein Interesse, löste sich von ihrem Platz und kam auf ihn zu, wobei sie lasziv die Hüften schwang.

»Na, mein Großer«, begrüßte sie ihn. »Für nur drei As kannst du mit mir einen Ausflug zu den Göttern machen.«

Die wären sicher nicht erfreut, mich zu sehen, dachte Rodan und nickte. »Einverstanden.«

»Dann komm mit, Großer. Ich heiße Justina, ein Name, den du dir merken solltest.«

Sie drehte ihm den Rücken zu, und er folgte ihr. Sie betraten ein schmuckloses Ziegelhaus, das sich über fünf Stockwerke in den Abendhimmel erhob. Die Luft roch muffig und abgestanden, die Wände waren mit obszönen Zeichnungen übersät. Über eine schmale Treppe stiegen sie in den zweiten Stock hinauf. Die Eingänge zu den Zimmern hatten keine Türen, sondern waren mit schweren Tüchern verhängt.

Justina betrat das letzte Zimmer am Ende des Gangs, zog den Vorhang zurück und ließ ihn eintreten. Er musste den Kopf einziehen, um nicht gegen den Querbalken zu stoßen. Das Zimmer war winzig und so kahl und schmucklos wie der Rest des Gebäudes. An der Wand befand sich eine steinerne Liegestatt, auf der eine mit einem dunklen Laken notdürftig abgedeckte, fleckige Matratze den einzigen Komfort darstellte. Durch eine kleine, mit einem dünnen Stück Stoff abgehängte Öffnung in der Wand wehte frische Abendluft herein. Eine Öllampe auf einem Sockel neben dem Steinbett sorgte für schummrige Beleuchtung.

Sie drehte sich zu ihm um und legte eine Hand auf seine Brust. Wenn sie durch die Tunika hindurch die unnatürliche Kühle seiner Haut bemerkte, so ließ sie es sich nicht anmerken. »Erst das Geld, mein Großer.«

Er griff in seine Tasche und holte die Münzen hervor. Sie nahm sie entgegen und ließ sie rasch zwischen den Falten ihres Hüftgewands verschwinden.

»Wie hast du's denn am liebsten?«, gurrte sie, wobei sich die Hand auf seiner Brust allmählich in tiefere Regionen vortastete.

»Blutig«, antwortete er und öffnete den Mund.

Für einen Augenblick genoss er den Schrecken in ihren Augen, als sie seine Hauer bemerkte, dann packte er sie mit einer Hand im Nacken und zog sie zu sich heran. Ihre Halsschlagader pochte, eine einzige Einladung für ihn. Sie begann zu zappeln. Seiner Kraft hatte sie nichts entgegenzusetzen. Er machte den Mund noch weiter auf und beugte sich zu ihr hinab, bereit für den Biss. Seine Zähne berührten das dünne Fleisch ihrer Kehle.

Ein glühender Schmerz in seiner Hüfte.

Er zuckte zurück, stieß sie gleichzeitig von sich, sodass sie über das Bett stolperte und zu Boden fiel. Der Dolch, mit dem sie zugestoßen hatte, entglitt ihrer Hand, die Klinge glänzte nass von seinem kostbaren Blut. Schon spürte er, wie seine Tunika sich damit vollsog.

Rodan ging auf die Knie und versuchte den Schmerz auszublenden. Eine solche Verletzung konnte ihn nicht umbringen. Doch jeder Tropfen, der aus seinem Körper strömte, kostete ihn Kraft, und es würde einen Moment dauern, bis sich die Wunde wieder verschloss.

»Leonidas!«, kreischte das Mädchen. »Leonidas!«

Schnelle Schritte auf dem Gang. Der Vorhang wurde zurückgerissen. Ein Mann stürmte in das Zimmer. Groß, beinahe so groß wie er, breit wie ein Schrank und muskulös. Seine olivfarbene Haut und der gepflegte Vollbart verrieten ihn als einen Griechen. In seiner rechten Hand hielt er eine kurze, mit Nägeln bestückte Keule.

»Was ist los?«, bellte er.

»Der Kerl ist verrückt, er hat versucht, mich zu beißen«, schrie Justina und zeigte mit dem Finger auf ihn.

Leonidas war offensichtlich kein Mann, der die Dinge auszudiskutieren pflegte. Ohne zu zögern schwang dieser die Keule und wollte sie auf Rodans Schädel niedersausen lassen. Im letzten Moment warf er sich zur Seite. Funken sprühten, als die Nägel auf blanken Stein schlugen.

Aus den Augenwinkeln bemerkte er, dass Justina sich hinter Leonidas' Rücken aus dem Zimmer zwängte.

Ein tierisches Fauchen drang aus seiner Kehle. Verunsicherung blitzte in den Augen seines Gegners auf. Schon ließ er den nächsten Angriff folgen.

Beinahe spielerisch machte Rodan einen Schritt nach links. Der Hieb ging ins Leere. Leonidas wollte zurückweichen, aber diesmal war er schneller. Mit einer einzigen raschen Bewegung packte er das Handgelenk des Griechen und riss es herum. Die Schmerzensschreie des Mannes mischten sich in das trockene Knacken, mit dem der Knochen brach.

Rodan trat ihm die Beine weg. Schwer landete er auf dem Rücken. Er stürzte sich auf seinen Gegner, packte mit beiden Händen den kantigen Schädel. Ein kräftiger Ruck, und Leonidas' Schreie erstarben abrupt. Seine blicklosen Augen starrten zur Decke.

Für einen Moment überlegte er, ob er ihm das Blut aussaugen sollte, dann verwarf er den Gedanken. Das Blut von Männern schmeckte ihm schal und abgestanden, er hasste es und trank es nur im äußersten Notfall.

Er spürte, wie sich die Wunde an seiner Hüfte zu schließen begann, seine Tunika war inzwischen rot gefärbt von seinem Blut. Damit würde er auf den Straßen Aufsehen erregen, er brauchte rasch eine neue.

Wo war die Hure?

Hastig verließ er das Zimmer, stürmte die Treppe hinunter und ins Freie. Mit schnellen Blicken sah er sich um, aber er konnte sie nirgends entdecken. Zwei Passanten beäugten ihn misstrauisch, und er zog den Mantel enger um seinen Körper, um die blutige Tunika so gut wie möglich zu verdecken.

Das war nicht gut gelaufen. Gar nicht gut.