Gespenster-Krimi 86 - Michael Schauer - E-Book

Gespenster-Krimi 86 E-Book

Michael Schauer

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Beschreibung

Ich sitze auf der schneebedeckten Klippe, blicke auf das tiefblaue Wasser unter mir. Kalter Wind peitscht schmerzhaft in mein Gesicht, manchmal fühlt es sich an wie Schläge mit einer Rasierklinge. Die Temperatur liegt deutlich unter dem Gefrierpunkt, und der Wind verstärkt die unerbittliche Kälte noch. Doch ich beklage mich nicht, denn ich habe es mir selbst so ausgesucht.
Hier bin ich nun, irgendwo in Alaska, fernab der Zivilisation, und während meine letzten Minuten verrinnen, lege ich den Kopf in den Nacken und blicke zum Himmel. Nur vereinzelt ziehen grauweiße Wolken am Firmament vorbei. Es kann nicht mehr lange dauern, bis der Vollmond aufgeht und das unendlich scheinende Weiß aus Eis und Schnee mit seinem kalten, blauen Licht beleuchtet. Wenn ich die ersten Anzeichen der Verwandlung spüre, werde ich mich in die eisigen Fluten stürzen, in der Hoffnung, dass es dann vorbei ist.
Es muss einfach vorbei sein.


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Inhalt

Cover

Ich, der Werwolf

Vorschau

Impressum

Ich, der Werwolf

von Michael Schauer

Ich sitze auf der schneebedeckten Klippe, blicke auf das tiefblaue Wasser unter mir. Kalter Wind peitscht schmerzhaft in mein Gesicht, manchmal fühlt es sich an wie Schläge mit einer Rasierklinge. Die Temperatur liegt deutlich unter dem Gefrierpunkt, und der Wind verstärkt die unerbittliche Kälte noch. Doch ich beklage mich nicht, denn ich habe es mir selbst so ausgesucht.

Hier bin ich nun, irgendwo in Alaska, fernab der Zivilisation, und während meine letzten Minuten verrinnen, lege ich den Kopf in den Nacken und blicke zum Himmel. Nur vereinzelt ziehen grauweiße Wolken am Firmament vorbei. Es kann nicht mehr lange dauern, bis der Vollmond aufgeht und das unendlich scheinende Weiß aus Eis und Schnee mit seinem kalten, blauen Licht beleuchtet. Wenn ich die ersten Anzeichen der Verwandlung spüre, werde ich mich in die eisigen Fluten stürzen, in der Hoffnung, dass es dann vorbei ist.

Es muss einfach vorbei sein ...

Vier Monate zuvor

Ich lehnte mich an den Baum und starrte auf mein Funkgerät, denn mehr konnte ich gerade nicht tun. In diesem Moment warteten, keine zweihundert Yards von mir entfernt, etwa ein Dutzend meiner Kollegen im nordöstlichen Teil des Central Parks darauf, endlich zuzuschlagen. Das New York Police Department hatte diese Operation lange geplant.

Drei Wochen intensiver Vorarbeit waren investiert worden, und jetzt waren alle mächtig angespannt, wie ein Teenager, kurz bevor er zum ersten Mal das Mädchen seiner Träume küsst. Es war schade, dass ich nicht in vorderster Reihe mit dabei sein konnte, aber Clifford James, unser Einsatzleiter, hatte bestimmt, dass es einen ersten Ring von uniformierten Cops und Detectives unmittelbar um den Schauplatz des Geschehens geben sollte. Weitere Beamte waren an strategisch günstigen Stellen rund um diesen Ring postiert, für den Fall, dass es einem der Verdächtigen gelingen sollte, durch die Maschen zu schlüpfen. An einer dieser Stellen stand ich.

Als hätte er gespürt, dass ich an ihn dachte, knackte in diesem Moment mein Funkgerät, und die unvergleichlich dunkle Stimme von James meldete sich. »Einsatzleitung an alle. Die Ratten bewegen sich auf das Paket zu. Bereithalten.«

Ich musste grinsen. James, ein schlaksiger Endvierziger mit silbergrauem Haar und einem finsteren Blick, bei dem ängstliche Großmütter lieber die Straßenseite wechselten, wenn sie ihn sahen, hatte einen ausgeprägten Sinn für plastische Bilder. Die Ratten, das waren in diesem Fall die Bande von Dealern, denen wir auf den Fersen waren. Bei dem Paket handelte es sich in Wahrheit um eine große Plastiktüte, bis zum Rand gefüllt mit allerfeinstem Crack. Die Tüte hatten wir unter einem alten Baum etwa drei Handbreit tief in die Erde eingebuddelt.

Mein Atem kondensierte vor meinem Mund. Für eine Septembernacht war es ganz schön frisch. Gerne hätte ich mir die Hände gerieben, um mich etwas aufzuwärmen. Aber dafür hätte ich das Funkgerät wegstecken müssen, und das wollte ich nicht riskieren, denn es konnte jeden Moment losgehen. Mein Blick war auf das Gerät geheftet, als könnte ich damit den Fortgang der Operation irgendwie beschleunigen, aber es blieb stumm.

Die Geschichte, die wir über einen verdeckten Ermittler bei dieser miesen kleinen Dealer-Brut rund einem Mistkerl namens Platy Warren platziert hatten, war folgende:

Ein Angehöriger einer konkurrierenden Gangsterbande sei im Central Park geschnappt worden, hätte aber noch rechtzeitig die mitgeführten Drogen verschwinden lassen können. Die Cops hätten zwar nichts bei ihm gefunden, ihn aber trotzdem eingebuchtet, weil er wegen einer Reihe anderer Delikte gesucht wurde.

Unser Mann hatte Warren erzählt, er hätte alles beobachtet. Er wüsste, wo das Zeug vergraben sei und wolle ihm den Stoff verkaufen. Allerdings wollte er die Ware nicht allein ausgraben. Die Burschen von der Konkurrenz würden diesen Bereich des Parks nämlich beobachten, weil sie zwar wussten, dass ihr Kumpan das Crack dort versteckt hatte, aber eben nicht genau wo. Also sollten Warren und seine drei Jungs zur Übergabe erscheinen und vor Ort bezahlen. Wenn sie zu fünft waren, so hatte ihnen unser Mann versichert, würde sich die andere Bande sicher nicht an sie herantrauen, die seien nämlich nur drei.

Eine hübsche Story. Ein hübscher kleiner Drogenhandel, der den Dealern einen längeren Aufenthalt in Rikers Island einbringen würde.

Die Menge war so groß, und der Preis, den unser verdeckter Ermittler verlangte, so niedrig, dass die Kerle gar nicht anders konnten, als auf den Deal einzusteigen. Sie waren zwar skrupellos und hätten selbst einem Schulkind ohne zu zögern ihren Dreck verkauft, aber als der liebe Gott die Intelligenz verteilt hatte, hatten sie nicht besonders laut Hier gerufen.

Warren und seine Bande waren erst vor Kurzem in der Szene aufgetaucht. Durch ihre Skrupellosigkeit einerseits und ihr großmäuliges Auftreten andererseits hatten sie schnell unsere Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Besonders die von Clifford James, der sich in sie verbissen hatte wie ein Alligator in ein großes Stück Fleisch.

James' Nichte war vor drei Jahren an Drogenmissbrauch gestorben, sie war noch nicht einmal volljährig gewesen. Seitdem verfolgte er jeden Dealer mit nahezu heiligem Eifer. Er wollte diese neue Gang von der Straße haben, bevor sie sich dort etablieren konnte.

Wie es aussah, würde ihm das heute gelingen.

»Einsatzleitung an alle. Der Rattenkönig hat den Zucker und wird gleich zum Goldstaub greifen.«

Wieder konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen. Mit dem Rattenkönig war Platy Warren selbst gemeint, der Einzige von ihnen, der ein nennenswertes Vorstrafenregister hatte. Meistens Diebstähle oder Körperverletzung. Zwei seiner Kumpane waren praktisch Frischlinge, bislang nur wegen Fahrens ohne Führerschein oder Urinierens und flegelhaften Benehmens in der Öffentlichkeit aufgefallen.

Der Dritte war ein vollkommen unbeschriebenes Blatt, unser verdeckter Ermittler hatte nicht einmal seinen Namen herausfinden können. Er hielt sich im Hintergrund und erledigte kleinere Botengänge, als wäre er eine Art Auszubildender. Was ihn nicht davor schützen würde, sich ebenfalls vor dem Richter wiederzufinden. Wir nannten ihn nur Mr. Unbekannt.

Allein der Teufel mochte wissen, wo Warren diese Typen aufgegabelt hatte.

»Zugriff! Zugriff!«

Das Funkgerät spuckte einen wilden Brei aus Lärm und Geschrei aus. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie meine Kollegen aus ihren Verstecken sprangen und mit gezogenen Waffen auf die Dealer zurannten. Zu gerne hätte ich Platy Warrens dummes Gesicht gesehen.

»DeLuise! Max!«

James' Stimme überschlug sich beinahe.

»DeLuise hört«, meldete ich mich.

»Mister Unbekannt haut ab. Rennt direkt in deine Richtung.«

»Verstanden.«

Als hätte meine rechte Hand ein Eigenleben entwickelt, griff sie nach der Glock in meinem Gürtelholster. Ich zog die Waffe und lauschte in die Dunkelheit, die nur vom Vollmond am wolkenlosen Spätsommerhimmel und einigen Parklaternen erleuchtet wurde. Ich steckte das Funkgerät weg und zog die Taschenlampe aus meinem Gürtel.

Schnelle Schritte. Das Geräusch von knackenden Zweigen. Jemand schlug sich durch die Büsche. Er kam direkt auf mich zu – und war im nächsten Moment an mir vorbei.

Zur Hölle, war der Kerl schnell.

»Stehen bleiben! NYPD!«, brüllte ich und hetzte ihm hinterher.

Im Schein meiner Taschenlampe konnte ich ihn sehen. Er trug Jeans, knallgelbe Turnschuhe und eine hellblaue Jacke mit Kapuze. Seine Füße flogen nur so über das Gras. Er war tatsächlich ganz schön schnell, aber ich konnte mithalten. Und er hatte eine falsche Entscheidung getroffen, denn statt sich weiter durch die Deckung der Büsche zu schlagen, war er auf eine große Wiese gerannt. Hier gab es weit und breit nicht mal einen Ast, hinter dem er sich verstecken konnte. Der Mondschein wirkte beinahe wie Flutlicht.

Mr. Unbekannt war zwar fix, aber nicht besonders ausdauernd. Ich holte rasch auf, konnte ihn schon keuchen hören. Durch meine Jackentasche gedämpft, drang James' Stimme an mein Ohr, der wissen wollte, ob ich den Kerl geschnappt hatte. Keine Chance, ihm zu antworten.

Gleich hatte ich ihn. Noch etwa fünf Yards trennten uns, und ich kam immer näher.

Noch drei Yards.

Ein Schatten flog auf mich zu. Etwas stieß so hart gegen mich, dass ich das Gefühl hatte, jemand hätte einen Zementsack nach mir geworfen. Ein merkwürdiger, tierischer Geruch stieg mir in die Nase. Ich verlor das Gleichgewicht, fiel zu Boden. Die Taschenlampe entglitt mir und rollte über die Wiese, warf einen rotierenden Lichtschein in die Dunkelheit. Die Pistole hatte ich festhalten können.

Der Schatten war schon wieder heran. Etwas Hartes, Spitzes, grub sich in meine linke Hand. Ich schrie auf, spürte warmes Blut über meinen Handrücken laufen. Ich hörte ein Knurren. Reflexartig wollte ich meine Hand zurückziehen. Das Ding ließ nicht los. Ich zog stärker. Es tat höllisch weh, aber es gelang mir, mich zu befreien. Ich rollte mich herum und zog die Beine an.

Keinen Augenblick zu spät, denn das Ding setzte bereits nach. Im fahlen Mondlicht glaubte ich, gelbe Augen leuchten zu sehen, dann trat ich mit aller Kraft zu. Unter meinen Sohlen spürte ich mächtige Muskeln. Mein Tritt schleuderte das Vieh zurück, was es mit einem wütenden Heulen quittierte.

Was war das? Ein Hund?

Keine Zeit, es herauszufinden.

Das Ding war gut drei Yards durch die Luft geschleudert worden, aber es stand schon wieder auf den Beinen, jagte auf mich zu. Himmel, es war riesig. Nie im Leben war das ein Hund.

Es riss sein Maul auf. Ich sah Reißzähne, so lang wie mein Mittelfinger. Zähne, die danach trachteten, sich noch einmal in mein Fleisch zu versenken, um nicht mehr loszulassen.

Mein Oberkörper schnellte nach oben, ich riss die Glock hoch. Ich nahm mir keine Zeit, zu zielen, sondern drückte einfach ab. In der Stille des nächtlichen Parks knallten die Schüsse ohrenbetäubend laut.

Die Bestie schlug einen Haken, sauste an mir vorbei, raste in einem unglaublichen Tempo über die Wiese und war im nächsten Moment hinter einer Baumgruppe verschwunden.

Ich hatte dreimal geschossen und musste auf jeden Fall getroffen haben. Das Riesending war kaum zwei Yards von mir entfernt gewesen. Trotzdem war es einfach weitergerannt. Wie gelähmt starrte ich zu der Baumgruppe hinüber.

Die Stimme von Clifford James riss mich zurück in die Wirklichkeit.

»Max? Was, zum Teufel, ist da los? Wir sind gleich bei Ihnen.«

Wie aufs Stichwort erschienen in diesem Moment zwei uniformierte Cops am Rand der Wiese.

Ich saß im Gras, starrte auf meine verletzte Hand. Offenbar stand ich unter Schock, denn ich spürte keine Schmerzen, obwohl die Wunde stark blutete. Eben löste sich ein Tropfen und landete im Gras, färbte die Halme rot. Zum Glück war ich gegen Tetanus geimpft.

Meine Kollegen waren jetzt heran. Einer rannte an mir vorbei, der andere kniete sich neben mich ins Gras. Ich kannte ihn, er hieß Chucks Ingalls, ein netter Schwarzer aus der Bronx, mit einem sonnigen Gemüt gesegnet und einem unersättlichen Appetit auf Hot Dogs gestraft, was seiner Figur arg zugesetzt hatte.

»He, Max, alles okay?«, fragte er. »Verdammt, du blutest ja. Hat der Kerl dich mit einem Messer erwischt?« Er packte vorsichtig mein Handgelenk. »Das sieht aus wie ein Biss.«

Ich wollte etwas sagen, brachte aber kein Wort über die Lippen und nickte nur.

»Heilige Scheiße.«

Das war die Stimme des anderen Cops. Ich kannte ihn nicht besonders gut, wusste nur, dass ihn alle Ducky riefen, weil sein leicht watschelnder Gang an eine Ente erinnerte. Ducky stand neben etwas im Gras, das ich im ersten Moment nicht identifizieren konnte. Erst als ich die Augen zusammenkniff, erkannte ich, dass es sich um einen Körper handelte. Einen Körper mit einer hellblauen Jacke und knallgelben Turnschuhen an den Füßen. Er lag auf dem Bauch.

»Der ist hin«, sagte Ducky und schüttelte den Kopf. »Aber so was von.«

Die Blaulichter der Streifenwagen und des Rettungswagens tauchten die Umgebung in zuckendes blaues Licht. Die Fahrer hatten ihre Fahrzeuge so geparkt, dass die Scheinwerfer die Wiese ausleuchteten.

Ich folgte einem jungen Sanitäter mit einer absurd großen Brille auf der dünnen Nase in den Rettungswagen und ließ mich auf der Bahre nieder. Nachdem er das Blut abgewischt und die Wunde gesäubert hatte, entpuppte sich die Verletzung als weniger schlimm, als es den ersten Anschein gehabt hatte. Die Eckzähne des Tiers waren zwar in meine Handfläche knapp unterhalb der Finger eingedrungen, jedoch nicht besonders tief. Offenbar hatte der Knochen sie aufgehalten. Glück gehabt.

»Hundebiss?«, fragte der Sanitäter knapp.

»Schätze ja«, antwortete ich.

Mir war nach keiner Unterhaltung zumute. Das Bild des toten Dealers ging mir nicht aus dem Kopf. Während der Helfer einen Verband um meine Hand wickelte, fragte ich mich, wie es möglich war, dass ich den unheimlichen Angreifer aus dieser Entfernung verfehlt hatte.

»Fertig«, sagte der Sanitäter und schob sich seine Brille höher auf die Nase. »Ich denke, das wird recht schnell verheilen. Wenn die Schmerzen stärker werden, gehen Sie zum Arzt, dann hat sich die Wunde wahrscheinlich entzündet. Auf Liegestütze sollten Sie die nächste Zeit so oder so verzichten.«

Ein Witzbold.

Ich nickte ihm zu und verließ den Rettungswagen. Draußen waren eine Menge unserer Leute unterwegs und sicherten den Tatort. Der Dealer lag noch immer im Gras, ein paar Kollegen standen daneben und unterhielten sich. Clifford James war unter ihnen. Als er mich sah, stapfte er zu mir herüber.

»Hallo, Cliff«, sagte ich. »Habt ihr die anderen erwischt?«

»Sind bereits auf dem Weg ins Revier. Verdammt, Max, was ist in Sie gefahren?«

Sein Blick wurde noch finsterer als gewöhnlich. Ängstliche Großmütter hätten jetzt nicht einmal mehr die Straßenseite wechseln können, weil sie auf der Stelle vor Schreck tot umgefallen wären, wenn sie ihm in die Augen geblickt hätten.

»Ich habe nicht auf ihn geschossen, Cliff.«

»Dafür hat er aber verflucht viele Einschusslöcher im Rücken. Drei Stück, um genau zu sein.«

»Ich meine, ich habe nicht auf ihn gezielt. Ich wurde angegriffen und wollte mich verteidigen.«

Er warf einen flüchtigen Blick auf meine bandagierte Hand.

»Sie wurden von irgendeinem Straßenköter angefallen und haben deswegen dreimal abgedrückt?«

»Das war kein Hund.«

»Sondern?«

»Ich weiß, es hört sich verrückt an, aber ... ehrlich gesagt, weiß ich es nicht genau. Das Biest war riesig. Es hatte gelbe Augen, wie eine Art Wolf. Und es war direkt vor mir. Ich konnte es unmöglich verfehlen.«

Clifford James starrte mich nur an, seine Kiefermuskeln mahlten. Ich konnte förmlich sehen, wie es hinter seine Stirn arbeitete. Über seine Schulter hinweg bemerkte ich zwei Männer, die auf den toten Dealer zugingen. Einer von ihnen hatte einen Leichensack unter dem Arm.

»Der Junge hatte keine Waffen und keine Drogen dabei, Max. Und Sie haben ihn in den Rücken geschossen, als er davongelaufen ist. Ich fürchte, Sie sind in ernsten Schwierigkeiten.«

»Cliff ...«

»Ich weiß nicht, was hier passiert ist. Vielleicht war da wirklich ein Tier.«

Ich hob meine verletzte Hand.

»Okay, ganz sicher war da ein Tier. Aber wir wissen nicht, ob es Sie gebissen hat bevor oder nachdem Sie den Kerl von hinten niedergeschossen haben. Ich bin versucht zu glauben, dass Sie einfach die Nerven verloren und losgeballert haben, weil Sie fürchteten, dass er Ihnen entwischen könnte. Nehmen Sie mir es nicht übel, Max, aber seit Jennas Tod frage ich mich manchmal, ob Sie für diesen Job noch die nötige Belastbarkeit haben. Und damit bin ich nicht der Einzige.«

Er fixierte mich, und für einen Moment verspürte ich den unwiderstehlichen Drang, mit meiner gesunden Faust eine Punktlandung auf seiner Nasenwurzel zu versuchen, aber ich unterdrückte es. Das hätte ihn nur in seiner Meinung bestärkt. Also sagte ich einfach nichts, biss die Zähne zusammen und hielt seinem Blick stand.

»Aber das ist nicht meine Entscheidung«, sagte er schließlich. »Gehen Sie nach Hause, Max. Ich schätze, morgen steht Ihnen ein Gespräch mit Captain London bevor. Ein sehr intensives Gespräch.«

Damit drehte er sich um und ging zurück zu dem Toten. Die beiden Männer, die ich beobachtet hatte, falteten soeben den Leichensack auseinander. Ich wollte mich gerade abwenden, als mein Blick zu der Baumgruppe fiel, hinter der das Vieh verschwunden war.

Dort stand jemand. Eine Frau.

Im Mondlicht konnte ich nur ihr Gesicht sehen, der Rest von ihr verschwand im Schatten der Bäume. Sie hatte rabenschwarzes langes Haar, das ihr voll und weich über die nackten Schultern fiel. Ihr Teint war olivfarben, ihre Züge hatten etwas Indianisches. Südamerikanerin, schätzte ich. Ihre Augen leuchteten in einem hellen Grün wie zwei Diamanten im gleißenden Sonnenlicht, ihre Lippen waren voll, ihre Nase schmal und gerade.

Sie war eine Schönheit, das war selbst im Halbdunkel nicht zu übersehen. Und sie sah mich direkt an.

Ich setzte mich in Bewegung. Vielleicht war sie eine Zeugin, die alles beobachtet hatte.

»He, Miss, entschuldigen Sie«, rief ich.

In diesem Augenblick verschwand sie im Schatten. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, wie sich Clifford James und die anderen Kollegen zu mir umdrehten.

»He, Miss!«, rief ich noch einmal, diesmal etwas lauter. Im nächsten Moment hatte ich die Baumgruppe erreicht, doch die Frau war verschwunden. Ich zwängte mich zwischen den Bäumen hindurch, erreichte den Weg dahinter und sah mich um. Nichts. Nur die Silhouette der Wolkenkratzer, hinter deren Fenstern trotz der späten Stunde unzählige Lichter brannten, erhob sich am Horizont.

Als ich zurückkehrte, wurde ich von Clifford James erwartet. Er hatte direkt vor der Baumgruppe Position bezogen, während im Hintergrund gerade Mr. Unbekannt abtransportiert wurde.

»Was, zum Teufel, ist jetzt schon wieder los?«, fuhr er mich an.

»Da war eine Frau. Zwischen den Bäumen. Haben Sie sie nicht gesehen?«

»Eine Frau?«

»Ja, eine Frau. Typ Südamerikanerin. Sie hat mich direkt angeschaut, aber als ich rüber gelaufen bin, ist sie verschwunden.«

James erwiderte nichts, aber der Blick, mit dem er mich musterte, sagte mehr als alle Worte. Es war ihm deutlich anzusehen, dass er lieber mit seinen drei Exfrauen einen vierwöchigen Urlaub eingepfercht in einer Hütte in einem glühend heißen Dschungel verbringen würde, als mich noch einmal bei einem Einsatz dabei zu haben.

Die alte Frau, deren Name Smaranda lautete, verzog die Mundwinkel zu einem zahnlosen Lächeln und stieß dabei einen Laut aus, der an das zufriedene Schnurren einer Katze erinnerte. Unablässig rührte sie mit dem fingerlangen Silberstab in der tiefen Holzschale, welche die Größe einer Salatschüssel hatte und vor ihr auf dem schmucklosen alten Tisch stand.