Gespenster-Krimi 88 - Michael Schauer - E-Book

Gespenster-Krimi 88 E-Book

Michael Schauer

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Beschreibung

Die leeren Augenhöhlen des Toten starrten ins Nichts. Ein Loch in seinem fast verwesten Schädel, groß wie eine Münze, sowie Wunden überall an seinem Körper zeugten davon, wie der Mann ums Leben gekommen war. Von gedungenen Mördern war er in einer schwülen Nacht erschlagen und erstochen worden, so wie seine beiden Leidensgenossen, deren Überreste nicht weit von ihm entfernt auf dem Grund des Tibers ruhten. Nachdem man sie getötet hatte, hatte man ihre Leichen mit Steinen beschwert und von einer Brücke in den Fluss geworfen.
Etwas veränderte sich. Wie aus dem Nichts umhüllte ihn ein roter Schimmer. Durch das Wasser gedämpft, war ein Dröhnen zu hören. Ein kleiner Fischschwarm, der in der Nähe seine Runden gedreht hatte, spürte die Anwesenheit von etwas Unheimlichen und suchte das Weite. Kaum war er fort, verstummte das Dröhnen, und das Schimmern erlosch.
Von dem Toten war jetzt nur noch das blanke Skelett übrig.
Es bewegte sich ...


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Inhalt

Cover

Stirb in der Arena, Castor Pollux!

Special

Vorschau

Impressum

Stirb in der Arena,Castor Pollux!

von Michael Schauer

Die leeren Augenhöhlen des Toten starrten ins Nichts. Ein Loch in seinem fast verwesten Schädel, groß wie eine Münze, sowie Wunden überall an seinem Körper zeugten davon, wie der Mann ums Leben gekommen war. Von gedungenen Mördern war er in einer schwülen Nacht erschlagen und erstochen worden, so wie seine beiden Leidensgenossen, deren Überreste nicht weit von ihm entfernt auf dem Grund des Tibers ruhten. Nachdem man sie getötet hatte, hatte man ihre Leichen mit Steinen beschwert und von einer Brücke in den Fluss geworfen.

Etwas veränderte sich.

Wie aus dem Nichts umhüllte ihn ein roter Schimmer. Durch das Wasser gedämpft, war ein Dröhnen zu hören. Ein kleiner Fischschwarm, der in der Nähe seine Runden gedreht hatte, spürte die Anwesenheit von etwas Unheimlichen und suchte das Weite. Kaum war er fort, verstummte das Dröhnen, und das Schimmern erlosch.

Von dem Toten war jetzt nur noch das blanke Skelett übrig.

Es bewegte sich ...

Rom, 63 n. Chr.

»Wo gehen wir hin?«, fragte das kleine Mädchen.

»Zum Tiber«, antwortete die Frau, die es an der Hand hielt. Ihr Gesicht lag im Schatten, verborgen durch die Kapuze ihres Mantels.

»Mutter wird böse sein, wenn sie merkt, dass ich nicht zu Hause bin.«

»Das wird sie nicht, keine Sorge.«

Die Frau drehte den Kopf und lächelte das Mädchen an. Im Mondlicht konnte sie seine dunklen Locken sehen, die ihm bis auf die Schultern reichten. Lina, so hieß die Kleine, war ein hübsches Kind mit ihrer Stupsnase, den Pausbacken und den hellen, großen Augen. Nur hätte sie dringend ein Bad gebraucht, denn ihre Kleidung verströmte einen penetranten, muffig-säuerlichen Geruch. Sie wusste, dass in der Subura, dem Elendsviertel von Rom, die Menschen auf Sauberkeit häufig wenig Wert legten. Sie waren damit beschäftigt, sich ihre kargen Mahlzeiten zu verdienen und am Leben zu bleiben.

Es war ganz leicht gewesen, sie mitzunehmen. Nachdem sie Lina in einer Seitengasse entdeckt hatte, hatte sie sie nur ansprechen müssen. Vorher hatte sie ihre Kapuze zurückgeschlagen, damit die Kleine ihr Gesicht sehen konnte, denn sie wollte sie nicht erschrecken. Das Mädchen schien vor einer Fremden keine Scheu zu haben. Trotz der schon späten Stunde war es allein unterwegs gewesen. Ob seine Mutter seine Abwesenheit heute Nacht überhaupt bemerken würde?

»Wie alt bist du?«, hatte sie gefragt.

»Ich weiß es nicht genau. Ich glaube, sechs Jahre.«

»Möchtest du etwas Brot?«

Lina hatte eifrig genickt. Ihr magerer Körper, der sich unter dem schmutzigen Kleidchen abzeichnete, gab ein deutliches Zeugnis davon, dass der Hunger ihr ständiger Begleiter sein musste. Sie hatte es geschehen lassen, dass sie sie an der Hand genommen hatte und mit ihr davonspaziert war.

»Gibt es am Tiber Brot?«, wollte sie wissen. Ein leicht quengelnder Unterton lag jetzt in ihrer Stimme.

»Ja«, antwortete die Frau. »Ich habe dort ein Versteck, weißt du?«

Das Mädchen nickte.

Nebeneinander schritten sie durch die dunklen Straßen der Stadt. Drei Männer kamen ihnen entgegen, ihrem stark schwankenden Gang nach zu urteilen waren sie betrunken. Die beiden ersten torkelten an ihnen vorbei, der dritte, der in einigen Schritten Abstand folgte, blieb stehen und glotzte sie an.

»Was macht ihr zwei denn hier so allein?«, lallte er.

Die Frau hielt ihren Blick starr geradeaus gerichtet und wollte an ihm vorbei. Mit einer schwieligen Hand griff er nach ihrer Schulter und hielt sie fest.

»Warte mal, Täubchen. Wir könnten ein wenig Spaß zusammen haben, was meinst du? Die Kleine ist vielleicht noch ein bisschen jung, aber trotzdem ...«

Ihre Hand schoss vor, fand ihr Ziel. Durch den dünnen Stoff seiner schmutzigen Tunika hindurch quetschte sie mit aller Kraft seine Hoden. Wie vom Blitz getroffen brach der Mann zusammen, ein gellender, beinahe tierischer Schrei drang über seine wulstigen Lippen. Dann lag er zusammengekrümmt am Boden, die Hände auf seine Körpermitte gepresst. Winselnd spie er Worte aus, die sie nicht verstand, so verwaschen und undeutlich kamen sie aus seinem Mund. Vermutlich beschimpfte und verfluchte er sie.

Sie verstärkte ihren Griff um Linas Hand und zog sie mit sich.

»He, Tacticus, was ist los mit dir?«, hörte sie hinter sich eine Stimme. Die anderen Männer mussten den Schrei gehört und jetzt ihren sich vor Schmerzen windenden Kameraden bemerkt haben.

»Schneller«, zischte sie ihr zu und beschleunigte ihre Schritte.

»Was wollte der Mann?«

»Nichts.«

»Was meinte er mit Spaß haben?«

»Vergiss es einfach, Lina. Das war ein böser Mann.«

Eine Viertelstunde später erreichten sie ihr Ziel, eine breite Holzbrücke, die über den Tiber führte. Lina an der Hand, betrat sie das Bauwerk. In der Mitte der Brücke blieb sie stehen und blickte hinunter in den Fluss. Tagsüber hatte er eine graugrüne Farbe, im Mondlicht glänzte er pechschwarz.

Das war die Stelle. Sie spürte es.

»Bekomme ich jetzt das Brot? Ich bin müde.«

Wieder das Quengeln in ihrer Stimme.

Die Frau nickte und zog das Mädchen sanft vor sich, sodass es mit dem Rücken zu ihr am Geländer stand. Behutsam legte sie ihre Hände auf seine Schultern.

»Siehst du den Fluss, Lina?«

»Ja.«

»Dort unten gibt es ein Geheimnis.«

»Kein Brot?«

Die rechte Hand der Frau löste sich von der Schulter des Kindes. Ihre Finger glitten unter ihren Mantel, tasteten nach dem Griff der Waffe.

»Viel besser. Du wirst nie wieder Hunger leiden müssen.«

»Wenn es kein Brot gibt, dann will ich jetzt nach Hause.«

In einer schnellen Bewegung umklammerte sie mit ihrem linken Arm Linas Hüfte, hob sie mit einem Ruck in die Höhe und drückte sie gleichzeitig nach vorn, sodass ihr Oberkörper über dem Tiber schwebte.

Lina schrie erschrocken auf.

Die scharfe Schneide des Dolchs blitzte auf. Sie trat vor, klemmte das Mädchen zwischen ihrem Körper und dem Geländer ein. Es zappelte, doch sie war zu stark. Mit der linken Hand umfasste sie seine Stirn, drückte seinen Kopf zurück und schnitt ihm die Kehle durch.

Die Schreie wurden zu einem Gurgeln und erstarben schließlich ganz. Noch einmal erzitterte Lina in ihren Armen, dann erschlaffte sie.

Im Schein des Mondes beobachtete die Frau, wie das Blut des Kindes in den Tiber tropfte. Dort, wo der Lebenssaft auf dem Wasser auftraf, bildete sich gelblicher Nebel, der sich aber sofort wieder auflöste.

Nach einer Weile wischte sie die Klinge am Gewand des Mädchens ab, steckte sie weg, packte die Leiche und warf sie übers Geländer. Mit einem klatschenden Geräusch versank sie in den Fluten.

Es war vollbracht.

Sie sah sich um. Niemand hatte ihre Tat bemerkt. Einen letzten Blick noch warf sie auf den Fluss, dann wandte sie sich ab und verschwand in der Nacht.

»Seht ihr die da drüben?«, raunte Trugus und deutete mit dem Kinn in die Richtung.

Aulus und Decimus wandten beinahe synchron die Köpfe. In einer Ecke der Taverne saßen vier Männer um einen Tisch, auf dem ein Krug Wein stand. Sie würfelten und lachten.

»Was ist mit denen?«, fragte Aulus.

»Legionäre«, brummte Trugus.

Er hat recht, dachte Aulus. Ihre akkuraten Haarschnitte und die roten Tuniken verrieten sie als Angehörige der Armee.

»Und?«, hakte er nach.

Trugus legte die Stirn in Falten und rieb sich mit einer mächtigen Hand über den kahlen Schädel. Sein Blick verfinsterte sich. »Ich hasse diese Burschen.«

Decimus seufzte und griff nach seinem Becher. Aulus verdrehte die Augen. Natürlich, er hätte es wissen müssen.

»Kannst du die alten Zeiten nicht mal ruhen lassen, Trugus?«, sagte er. »Komm schon, der nächste Krug geht auf mich.«

Als er der rothaarigen Bedienung zuwinkte, bemerkte er, dass sich Trugus' Miene in Erwartung eines kostenlosen Bechers Wein ein wenig aufgehellt hatte. Doch er konnte es nicht lassen, immer wieder zu den Soldaten hinüberzusehen.

Die Rothaarige trat an ihren Tisch. Aulus wusste, dass sie Ravenna hieß und aus Germanien stammte. Für eine Frau war sie verdammt groß. Obwohl er ein Hüne war, reichte sie ihm bis zu den Augenbrauen. Ihr langes Haar fiel ihr in wilden Locken über die Schultern. Eine exotische Schönheit, deren wohlgeformten Körper er gerne genauer erkundet hätte. Doch er behielt seine Hände bei sich, denn das Weib hatte Haare auf den Zähnen. Seit sie einem zu aufdringlichen Gast einen Weinkrug auf dem Kopf zertrümmert hatte, wurde sie selbst von den übelsten Kerlen mit Respekt behandelt.

Er orderte den Wein und schenkte ihr dabei ein schiefes Lächeln. Sie verzog keine Miene, nickte ihm zu und huschte davon.

Aulus zog die Nase hoch. Die Luft im Blutenden Schwein war stickig und roch nach billigem Alkohol, stark gewürztem Fleisch und altem Schweiß. Er musterte seine Gefährten. Decimus starrte gedankenverloren in seinen Becher, während Trugus weiterhin jede Bewegung der Legionäre verfolgte.

Mit einem resignierten Grinsen schüttelte er den Kopf. Trugus war bei den Legionen gewesen und hatte gegen die Germanen gekämpft. Furchtbare Kerle mussten das sein, nach allem, was er ihm berichtet hatte. Aber wen wunderte es, wenn schon ihre Frauen mit Weinkrügen um sich schlugen. Vor drei Jahren war Trugus unehrenhaft entlassen worden. Weshalb genau, darüber schwieg er sich hartnäckig aus. Aulus wusste nur so viel, dass er mit einigen Kameraden bei einer Patrouille in ein abgelegenes Dorf marschiert war und die Dinge dort ein wenig außer Kontrolle geraten waren.

Obwohl Aulus ein Mann mit wenig Skrupeln war und ein Menschenleben für ihn nur den Wert hatte, den ein anderer dafür bezahlte, um es auszulöschen, wollte er lieber nicht so genau wissen, was sich damals abgespielt hatte. Trugus war nach Rom zurückgekehrt und hatte ihn und Decimus kurz darauf zufällig kennengelernt. Seitdem waren sie gemeinsam unterwegs, verdienten ihren Lebensunterhalt mit Diebstählen und Überfällen. Außerdem nahmen sie Aufträge an. Aufträge von jener Art, bei denen die Auftraggeber gerne im Hintergrund blieben. Aulus führte in der Subura zudem ein kleines Geschäft für Tonwaren, das ihm jedoch mehr als Tarnung für seine sonstigen Machenschaften diente.

»Was glotzt du so?«

Einer der Soldaten, ein vierschrötiger Mann mit kurzen schwarzen Haaren, blickte zu ihnen herüber.

»Meinst du mich?«, blaffte Trugus.

»Genau dich. Du starrst uns die ganze Zeit an.«

Trugus wollte sich erheben, da hielt ihn Aulus am Arm fest. »Lass es sein«, sagte er ruhig. »Es ist nie eine gute Idee, sich mit Legionären zu prügeln. Außerdem sind die einer mehr als wir. Und wenn du hier Streit anfängst, gibt es eine weitere Taverne in Rom, in der wir uns nicht mehr blicken lassen können. Ich mag es hier und würde das sehr bedauern.«

Kurz schien es, als wolle Trugus sich losreißen. In diesem Moment erschien Ravenna an ihrem Tisch und stellte den frisch gefüllten Krug ab, wobei die rote Flüssigkeit etwas überschwappte. Beim Anblick des Weins entspannte er sich und ließ sich wieder auf seinen Stuhl sinken.

Perfekter Zeitpunkt, dachte Aulus, und starrte sehnsüchtig auf Ravennas Hinterteil, während sie zum Tresen zurückkehrte und sich dabei geschickt zwischen den vollbesetzten Tischen und Stühlen hindurchwand.

Trugus schenkte sich grinsend seinen Becher voll, als wäre nichts gewesen. Aulus beobachtete aus den Augenwinkeln den Legionär, der sie noch einen Moment lang grimmig musterte, sich dann aber wieder seinen Kameraden zuwandte. Die Gefahr einer Auseinandersetzung war abgewendet.

Er wollte gerade nach seinem Becher greifen, als sich knarrend die Tür öffnete. Ein kühler Lufthauch wehte in den Gastraum. Zwei Gestalten traten ein.

Aulus rümpfte die Nase. Ihr Tisch befand sich direkt neben dem Eingang, und er nahm plötzlich einen neuen, seltsamen Geruch wahr. Irgendwie süßlich, penetrant und widerlich. Wie Verwesung.

Die Neuankömmlinge standen mit dem Rücken zu ihnen. Ihre Köpfe bewegten sich, als würden sie sich umsehen. Abgerissene Burschen, ihre Mäntel waren zerschlissen und voller Löcher. Sie hatten eine merkwürdige Haltung, die Oberkörper nach vorne gebeugt, als hätten sie einen Buckel. Und sie schwankten, schienen Mühe zu haben, sich auf den Beinen zu halten. Wenn die beiden betrunken waren, würden sie schneller wieder auf der Straße stehen, als ihnen lieb war. Platius, der Wirt, hatte nichts dagegen, wenn sich seine Gäste so lange Wein in den Rachen schütteten, bis sie von den Stühlen fielen. Er konnte es nur nicht leiden, wenn sie schon besoffen reinkamen.

Als die beiden ihre Kapuzen zurückzogen, verstummten die Gespräche abrupt. Aulus runzelte die Stirn. Die anderen Gäste starrten die zwei Kerle mit großen Augen an. In ihren Mienen las er eine Mischung aus Verblüffung, Entsetzen und Abscheu.

Was ging da vor sich?

Ein dumpfes Klirren zerriss die Stille. Ravenna hatte ein mit Krügen und Bechern gefülltes Tablett fallen gelassen, der Ton war auf dem Boden zerschellt, die Flüssigkeit breitete sich aus. Sie schlug die Hände vors Gesicht und begann zu schreien.

Die Gäste lösten sich aus ihrer Erstarrung, sprangen von ihren Stühlen auf und wichen vor den Gestalten zurück.

Trugus' Hand glitt unter seinen Umhang. Aulus wusste, dass sein Kumpan stets einen Dolch in seinem Gürtel bei sich führte.

Jetzt drehten sich die beiden zu ihnen um.

Aulus hatte das Gefühl, als habe ihn jemand mit einem Eimer eisigen Wassers übergossen. Das waren keine Menschen, es konnten keine sein. Trotz des Halbdunkels erkannte er, dass ihre bleiche, fast weiße Haut an vielen Stellen abgefault war, dort waren die blanken Knochen zu sehen. Bei dem Größeren lag der komplette Unterkiefer frei, die wenigen Haare standen ihm wild vom Kopf ab und wirkten wie schwarzes Stroh.

Der andere hatte nur noch sein linkes Auge, in der rechten Gesichtshälfte klaffte ein schwarzes Loch. Er hob eine beinahe skelettierte Hand, an der nur noch vereinzelt Fleischreste hingen, und deutete auf sie. In seinem verbliebenen Auge blitzte etwas auf.

Ein unheimliches Stöhnen entrang sich ihren Kehlen, dann setzten sie sich in Bewegung. Auf sie zu.

Trugus reagierte als Erster. Er sprang auf, schwang seinen Dolch und versenkte ihn in der Brust des Einäugigen. Mit einem reißenden Geräusch durchbohrte das scharfe Metall das löchrige Gewand und drang in den Körper ein.

Jetzt musste er zu Boden gehen.

Doch die Gestalt blieb auf den Beinen, sie reagierte nicht einmal. Ihre Hände schossen vor, legten sich um Trugus' Kehle. Wie gelähmt stand er da, ließ es einfach geschehen. Erst als die klauenartigen Finger zudrückten, versuchte er sich loszureißen. Zu spät. Der Angreifer schien über einen eisernen Griff zu verfügen. Trugus überragte ihn fast um Haupteslänge und war beinahe doppelt so breit, doch so sehr er auch zerrte und zappelte, es gelang ihm nicht, sich zu befreien.

Dann schob die Kreatur sein Gesicht an ihn heran, ihr Kiefer öffnete sich.

Trugus stieß einen markerschütternden Schrei aus, als sich die Schreckensgestalt in ihn verbiss. Ruckartig riss sie den Kopf zurück. Zwischen ihren Zähnen steckte etwas Rotes, Fleischiges.

Trugus' Nase.

Der Hüne wimmerte, als ihn die Klauen unbarmherzig in die Knie zwangen. Aus dem Loch in seinem Gesicht sprudelte Blut.

Eine Bewegung an Aulus' Schulter. Der zweite Unheimliche war heran. Das schreckliche Schauspiel hatte ihn so in seinen Bann gezogen, dass er nicht auf ihn geachtet hatte.

Mit einem Aufschrei warf er sich nach hinten, gewann jedoch höchstens zwei Fuß Abstand, denn da war schon die Wand. Dafür war jetzt Decimus das nähere Ziel. Tatsächlich ließ der Angreifer von ihm ab und stürzte sich auf seinen Kumpan, umklammerte seinen Hals.

Aulus sprang auf und packte die Kreatur an den Schultern. Unter seinen Fingern fühlten sie sich knochig und gleichzeitig widerlich teigig an. Er sah Trugus auf dem Rücken liegen. Seine Augen blickten ins Leere, sein Gesicht war eine einzige blutende Wunde.

Sein Mörder drehte sich gerade zu ihm um.

Wie von Sinnen zerrte er an der Gestalt, die Decimus gepackt hatte, doch genauso gut hätte er versuchen können, den Tarpejischen Felsen zur Seite zu schieben.

»Aus dem Weg«, brüllte ihm jemand ins Ohr.

Der vierschrötige Legionär tauchte neben ihm auf. In der Hand hielt er sein Kurzschwert. Aulus sprang zur Seite. In einer geschmeidigen Bewegung stieß der Soldat Decimus' Peiniger die Klinge zwischen die Schulterblätter. Der Körper schien kaum Widerstand zu bieten. Die Spitze glitt durch ihn hindurch wie durch Sand, trat an seiner Brust wieder aus und durchstieß Decimus' Kehle.

Fluchend riss der Legionär seine Waffe zurück. Decimus brach lautlos zusammen.

Der Blick des Einäugigen richtete sich auf Aulus. In diesem Auge war kein Leben, erkannte er. Es war tot, so tot wie die der Fische, die auf Roms Märkten feilgeboten wurden. Jetzt wandte sich ihm auch der andere zu. Mit einem heiseren Stöhnen gingen sie auf ihn zu, ohne den Soldaten zu beachten. Der starrte fassungslos auf seine Klinge, an der Decimus' Blut klebte.

Die Erkenntnis traf Aulus wie ein Schlag.

Trugus und Decimus waren keine zufälligen Opfer gewesen. Und jetzt wollten sie ihn!

Er wich zurück. Kalte Finger streiften über seine Brust, bekamen ihn aber nicht zu fassen.

Sie setzten ihm nach.

Der Legionär hatte sich wieder gefangen. Mit einem Kampfschrei schwang er sein Schwert und ließ die Schneide auf den Hinterkopf des Größeren niedersausen. Die Klinge spaltete den Knochen fast bis zur Nasenwurzel. Fauchend wirbelte die Kreatur herum, der Schwertknauf wurde dem Soldaten aus den Fingern gerissen. Ihre Hand stieß vor, scharfe Nägel schlitzten ihm die Kehle auf. Gurgelnd brach er zusammen.

Aulus glaubte wahnsinnig zu werden, als sie sich mit dem Schwert im Schädel umwandte und weiter auf ihn zukam.

Wie auf ein geheimes Signal hin begannen die anderen Gäste zu schreien und stoben alle gleichzeitig auf die Tür zu. In Panik drängten und schoben sie sich gegenseitig zur Seite, um so schnell wie möglich ins Freie zu kommen. Dabei achteten sie darauf, nicht in die Reichweite der Wesen zu geraten, doch diese schienen keine Notiz von ihnen zu nehmen.

Aulus blickte sich hektisch um. Keine Chance für ihn, zu verschwinden. Wenn er in dem Pulk vor dem Ausgang feststeckte, hätten sie leichtes Spiel mit ihm.