Grübline und Freudolin - Erwin Sittig - E-Book

Grübline und Freudolin E-Book

Erwin Sittig

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Beschreibung

Das Koboldpärchen Grübline und Freudolin erhalten den Auftrag, die Menschenwelt und damit auch die des Märchenlandes, vor dem Untergang zu bewahren. Sie setzen ihre ganze Hoffnung auf das Menschenkind Ollix, dem sie als Baby einen Zaubertrank einflößen, der ihm die perfekten Eigenschaften für diese Aufgabe geben soll. Das Orakel hatte angekündigt, dass eine Erfindung der Menschen diese Katastrophe auslösen würde. Bald wird klar, dass der neue Kraftstoff Renzotop, den der junge Wissenschaftler Rando Renzo erfand, die Erde verseucht. Doch wie kann man ihm dies nachweisen, da er bereits in der ganzen Welt großen Einfluss auf Politik und Wirtschaft hatte. Das Kind Ollix scheitert kläglich bei seiner ersten Pressekonferenz. Doch er findet Freunde, wie die Tochter des Wirtschaftsministers und die Tochter seines ehemaligen Kindermädchens, das die Kobolde durch falsche Beschuldigungen entlassen ließen, um ihren Einfluss auf Ollix nicht teilen zu müssen. Auch eine Umweltschützerin unterstützt sie. Der Sohn von Renzo wird zum Gegenspieler, um den Ruf des Vaters zu retten. Inzwischen haben gewalttätige Comic-Figuren die Herrschaft im Märchenland übernommen. Sie wollen das Problem mit Gewalt lösen und Ollix umerziehen. Die Kobolde und ihre Freunde müssen fliehen. Können sie den Wettlauf gegen die Zeit gewinnen? Könnten ihre Zauberkünste sie vielleicht retten?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 340

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Erwin Sittig

Grübline und Freudolin

Das Kind der Hoffnung

© 2023 Erwin Sittig

https://erwinsittig.de/

Illustration: Sascha B.Riehl

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany

ISBN

ISBN Softcover: 978-3-347-81539-1

ISBN Hardcover: 978-3-347-81543-8

ISBN E-Book: 978-3-347-81544-5

Druck und Distribution im Auftrag :

tredition GmbH, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors , zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung „Impressumservice“, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Deutschland.

Inhalt

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Grübline und Freudolin

Die Prophezeiung

Der Einkauf

Fortschritte

Das Menschenkind

Die ersten Jahre

Die Kunst der Erziehung

Die Pressekonferenz

Viola und Ollix – Rosanna und Ringo

Die Entführung

Zweifel

Rapport im Märchenland

Die Befreiung

Der gemeinsame Plan

Garant

Konkrete Hoffnungen

Lehrzeit mit Garant

Der Ausflug

Presserummel

Die Offensiven

Zankas Auftritt

Weitere Versuche

Unerwarteter Rückschlag

Raus aus der Sackgasse?

Die Talkshow

Hoffen auf Rettung

Renzos Rückkehr

Abschied

Grübline und Freudolin

Cover

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Die Prophezeiung

Abschied

Grübline und Freudolin

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Grübline und Freudolin

Das Kind der Hoffnung

Die Prophezeiung

Rando Renzo hatte es geschafft. Mit seiner Erfindung, die er Renzotop nannte, damit niemand vergaß, wem man dieses Wunder zu verdanken hatte, machte er sich auf, die Welt zu erobern. Er hatte einen Kraftstoff in Tablettenform herausgebracht, der damit warb, absolut schadstofffrei zu sein. Mit einer taubeneigroßen Tablette konnte man zirka 300 km fahren. Er hatte dafür spezielle Motoren entwickelt. Doch die Sensation daran war, dass er dieses Produkt in modifizierter Form auch für die gängigen Verbrennungsmotoren anbot. Den Tank mit Wasser füllen, Renzotop hinzugeben und schon konnte man losfahren.

Er hatte bereits bekannt gegeben, dass er als Nächstes auch Heizungen herausbringen würde, die mit seinem Kraftstoff genutzt werden könnten.

Damit war abzusehen, dass die Länder, die mit Öl- und Gasexporten ihren Wohlstand sicherten, in naher Zukunft riesige Gewinneinbußen haben würden.

Nicht zuletzt deswegen hatte er viel Geld in die Sicherung seiner Produktion gesteckt.

Seine Produktionsstätten waren besser abgeschottet als die der Raumfahrtindustrie. Dicke Stahlpanzerplatten sicherten die wichtigsten Zugänge zu den Labors und Büroräumen. Vollelektronische Überwachungsanlagen meldeten jede nicht angemeldete Bewegung.

Alle Mitarbeiter hatten sich, vor und nach Arbeitsantritt, einem Sicherheitscheck zu unterziehen. Die Rezeptur war sein größtes Geheimnis. Sie würde niemals seine Räume verlassen.

Da sich seinen Kraftstoff selbst die Ärmsten leisten konnten, startete er folgerichtig seine Vermarktung in den armen Ländern, die durch ihn einen schnellen wirtschaftlichen Aufschwung erlebten. Erst danach bot er seine Erfindung auch den Industriestaaten an, die nun im Zugzwang waren, wenn sie den Anschluss nicht verpassen wollten.

Somit stand seine Karriere erst in den Startlöchern. Er verfolgte einen großen Plan, in den er nicht einmal seine Frau, die er über alles liebte, einweihte. In Kürze würde ihm die ganze Welt zu Füßen liegen, und um seine Hilfe betteln. Einige entscheidende Verhandlungen lagen noch vor ihm. Sein angenehmes Äußeres und seine makellosen Manieren halfen dabei, bestehende Zweifel aus dem Weg zu räumen.

Er hatte einen Termin beim Wirtschaftsminister Gregor von Tunlich. Der würde ihm hierzulande den Weg durch die politischen Ausschüsse und in die Industrie ebnen. Es war keine Frage, ob er ihn unterstützen würde, sondern eher wann er es täte. Rando Renzo war siegesgewiss, als er die schwere eisenbeschlagene Tür zur Empfangshalle des Wirtschaftsministeriums öffnete. Er hatte einen Termin. Mehr brauchte er nicht.

Doch es gab eine Parallelwelt, von der Rando Renzo nichts ahnte. Sie lag jenseits seines Vorstellungsvermögens.

„Es geht zu Ende mit den Menschen“, verkündete das große Orakel der Märchenwelt. Nicht nur, dass die ganze Natur aus dem Gleichgewicht geriete, die Erdenbewohner verstünden es außerdem nicht, friedlich miteinander zu leben. Sie hätten eine Erfindung gemacht, wobei es nicht benannte, um welche es sich handelte, die den größten Teil der Menschheit auslöschen würde. Details waren dem Orakel nicht bekannt. Lediglich die Energien, die es empfing, wären eindeutig. Es verkündete jedoch, dass es mit Sicherheit geschehen würde. Über die genaue Ursache und wie man diese Entwicklung stoppen könnte, war von ihm nichts zu erfahren.

Bisher hatten sich die Wesen des Märchenlandes aus den menschlichen Angelegenheiten herausgehalten. Es war ihnen egal. Ihr Reich wurde von den Veränderungen und Katastrophen auf der Welt, kaum berührt. Solange es genug Menschen gab, die ihre Märchenwelt liebten und förderten, war alles in Ordnung. Es entstanden immer noch neue Figuren, die die Schriftsteller in ihren Geschichten aufleben ließen, aber die ordneten sich ein und bereicherten ihre Welt. Allerdings traten neuerdings einige kämpferischer und etwas brutaler auf.

Sie hatten ihre Ängste fast verdrängt. Doch seit Kurzem malten die besten Wahrsager des Landes ein düsteres Zukunftsbild. Sie hatten prophezeit, dass die Menschen in ca. 20 Jahren die Erde vollkommen zerstört haben würden. Ihre eigene Vernichtung wäre damit kaum noch aufzuhalten. Mit den menschlichen Wesen würde logischerweise auch die Märchenwelt verschwinden. Einfach ausgelöscht, da es niemanden mehr gäbe, der Märchen hören wolle, oder sie erfände.

Diese Nachricht löste Panik unter den Wesen des Märchenlandes aus. Man erinnerte sich wieder an die Prophezeiung des Orakels. Doch jetzt hatten sie einen konkreten Zeitpunkt für ihren Untergang.

Riesige Demonstrationen fanden im Lande statt. Alle forderten, diese Entwicklung der Menschheit zu verhindern, obwohl sie das Tabu kannten, das ihr Eingreifen dort verbot. Rotkäppchen nahm den Wolf bei der Pfote, die Hexe schritt einvernehmlich neben Hänsel und Gretel, während Fuchur mit dem Wolf der Finsternis auf einem fliegenden Teppich über dem Zug schwebte.

Viele Transparente waren zu sehen.

„Nieder mit den Menschen!“, rief der Frieder vom Katherlieschen.

Doch sie machte ihm mit einem leichten Klaps sofort klar, dass sie die Menschen retten wollten, obwohl diese an dem Unglück selbst die Schuld trügen.

„Ein Hoch auf die Menschen!“, korrigierte sich Frieder und verstand nicht, dass das auch wieder falsch war, wie ihm ein erneuter Klaps seiner Katherliese verdeutlichte.

So trabte er schweigsam weiter und hielt tapfer den Stiel seines Transparentes fest, auf dem Katherlieschen geschrieben hatte: „Dreht die Welt um!“

Sie regte an, dass die Märchenwelt und die der Menschen, die Plätze tauschten. Damit wären sie von den Märchenfiguren abhängig und könnten kein Unheil anrichten. Ein schöner Traum.

In den Märchen siegte fast immer das Gute, selbst wenn es zwischendurch großes Leid gab.

Man stellte auch andere Forderungen, die auf den Plakaten zu lesen waren.

„Verzaubert die Menschen!“, oder „Bringt die Märchen in die Regierungsviertel!“, drückten ihren Wunsch nach grundlegenden Veränderungen aus.

Die Demonstrationen, bei denen sie ihrer Ratlosigkeit und Wut Ausdruck verliehen, hielten schon ein Jahr an. Die Könige, Feen und Zauberer des Märchenlandes entschlossen sich, eine Versammlung einzuberufen, um einen Rettungsplan für die Menschen, und damit für sich selbst, zu erarbeiten.

Es war eine öffentliche Zusammenkunft, auf der die Zuschauer ein Mitspracherecht bekamen. Sie fand auf einer riesigen Wiese statt.

Die meisten Forderungen liefen darauf hinaus, dass Feen und Zauberer ihre Kräfte nutzten, um die Menschen zu ändern. Doch diese Möglichkeit gab es nicht. Das hätte die Märchenwelt sofort zerstört und sie wären in Vergessenheit geraten.

Das Gesetz schrieb vor: Die Menschen müssten ihre Probleme aus eigener Kraft lösen. Sie zu unterstützen, war jedoch erlaubt.

Nach vielen Wochen anstrengender Beratungen fand man einen Kompromiss, der an der Grenze ihrer Möglichkeiten lag, ohne die eigene Welt zusätzlicher Gefahr auszusetzen. Durften sie auch nicht die Menschheit ändern, so würde es sicher nicht ins Gewicht fallen, wenn sie ein neugeborenes Menschenkind mit ihren Fähigkeiten ausstatteten, das die Menschen auf den richtigen Weg brächte.

Dieser Vorschlag fand die Zustimmung aller Anwesenden. Sie schöpften wieder Hoffnung.

Es drehte sich nur noch um die Kleinigkeit, welche Fähigkeiten dieser Mensch haben sollte, und welche Charaktereigenschaften man ihm mit auf den Weg gäbe.

Zwei Kobolde sollten seine Entwicklung überwachen und bei Bedarf korrigierend eingreifen, ohne dass dessen Eltern es bemerkten.

Grübline und Freudolin waren das Koboldpärchen, auf das man sich schnell einigte.

Ihr Wesen hatte ihnen ihre Namen gegeben, was sie zum idealen Gespann für diese wichtige Aufgabe machte. Zauberkräfte würde das Menschenkind zweifelsfrei brauchen, sonst könnte ein Einzelner nicht den Rest der gesamten Menschheit beeinflussen.

Welche Kräfte das sein würden, müssten Freudolin und Grübline entscheiden, wie sie es für angebracht hielten.

Die Diskussion über die Charaktereigenschaften wurde eröffnet. Dies war der wichtigste Punkt, da diese später nicht mehr geändert werden könnten.

Mit einer unglücklichen Kombination von Wesensmerkmalen käme es womöglich zu unabsehbaren Folgen, da die zusätzliche Macht der Zauberei Schaden anrichten würde.

„Lieb soll er sein“, eröffnete Aschenputtel den Reigen der Vorschläge.

„Zu lieb darf er aber auch nicht sein“, gab Rumpelstilzchen zu bedenken.

„Sonst hat er mit jedem Mitleid und kann sich nicht durchsetzen.“

„Doch, er muss sehr lieb sein, sonst übersieht er, wenn jemandem Unrecht geschieht“, kam ein Einwurf.

„Papperlapapp, was heißt schon Recht und Unrecht. Recht hat immer der Stärkere und das muss unser Menschenkind sein. Wer stark ist, hat mehr Freunde und die wird er brauchen“, gab der Räuberhauptmann zu bedenken.

„Oh ja“, schwärmte die Prinzessin „ich liebe starke Männer.“

„Was nützt schon Stärke, wenn man nicht klug ist.“

„Und was nützt Stärke und Klugheit, wenn man nicht schön ist. Die Menschen sind so dumm und achten darauf. Sie hören eher auf ihn, wenn er beneidenswert schön ist.“

„Was heißt hier eigentlich immer er? Warum kann es nicht genauso gut ein Mädchen sein?“, beschwerte sich Pippi Langstrumpf.

„Schau dir die Welt der Menschen an. Wer hört schon auf eine Frau? Wir hätten von Anfang an verloren“, kam ein Einwand aus der Menge.

„Aber Frauen haben viel mehr Gefühl dafür, was gut für die Menschheit ist. Schließlich müssen sie meistens allein die Kinder aufziehen, während sich die Herren vom Kindergeschrei erholen.“

Der Streit wogte hin und her. Wieder verging eine Woche, bis man endlich zu einer Entscheidung kam.

Bekannt gegeben wurde sie vom obersten König.

„Unser Menschenkind wird ein Junge sein. Wir sorgen dafür, dass er lieb ist, aber nicht zu lieb. Er soll ein Mensch sein, der uneingeschränkt stark und klug ist, der schön, aber nicht zu schön ist, damit er keinen Neid erweckt, der gerecht und unnachgiebig ist, weil er Weisheit besitzt. Wir wollen auch, dass er reich und damit schon von Geburt an mächtig ist. Gelenkig und sportlich zu sein, wäre ebenfalls wichtig. Er soll bescheiden, aber energisch sein, nicht zu dick und nicht zu dünn. Fleißig und hilfsbereit brauchen wir ihn und er benötigt absoluten Gehorsam gegenüber Freudolin und Grübline. Es wird so sein, dass nur er die beiden Kobolde sehen kann. Wir werden unsere Vorbereitungen mit der Geburt des Menschenkindes beginnen. Freudolin und Grübline werden danach auf sich allein gestellt sein. Sie müssen daran arbeiten, von dem Knaben als zweites Elternpaar anerkannt zu werden. Damit sich die leiblichen Eltern nicht zu sehr einmischen, wählen wir ein Kind von Künstlern oder Politikern, die am wenigsten Zeit zur Kindeserziehung haben und es Kindermädchen überlassen, was aus ihm wird.

Als Nächstes ist die Entscheidung zu fällen, in welchem Land wir das Kind auswählen. Es soll ein Land mit großen, schädlichen Einflüssen sein, da hier die Änderungen am notwendigsten sind.“

Doch hier kamen sie zu keiner Einigung. Es gab nicht ein einziges Land, wo man nicht am Untergang der Welt arbeitete, sei es durch kriegerische oder umweltschädliche Aktionen. Folglich sollte das Los entscheiden.

Das Los fiel auf …. na ihr wisst schon. Es spielt keine Rolle.

Der Einkauf

Es war alles gesagt. Freudolin und Grübline begannen sofort mit ihrer Arbeit. Sie hatten eine Liste der Vorgaben ausgehändigt bekommen und suchten deshalb das ‚Kaufhaus der guten Eigenschaften‘ auf. Die Aufgabe bestand darin, einen Zaubertrank zusammenzustellen, der die gewünschten Wesenszüge und Fähigkeiten beim ausgewählten Menschenkind hervorbrächte. Die Entscheidung lag bei ihnen, wie sich der Trunk anteilmäßig zusammensetzte. Die hundert zu vergebenden Anteile galt es, den verschiedenen Charaktereigenschaften zuzuordnen. Sie fühlten sich unbehaglich. Bereits an diesem Punkt bestand die Gefahr, falsche Entscheidungen zu treffen. Hier zu versagen, könnte schon den Untergang der Märchenwelt besiegeln.

Sie schnappten sich ihre Flasche, in die sie den Trank abfüllen wollten, und begaben sich ins Kaufhaus. Wegweiser halfen ihnen, den richtigen Verkaufsstand schnell zu finden. Jede Eigenschaft wurde in einem anderen Raum angeboten. Zum ersten Punkt der Liste wählten die Kobolde die Gehorsamkeit, vor allem ihnen gegenüber.

Der Verkäufer empfing sie mit auffallender Unterwürfigkeit. Bei jeder Gelegenheit vollzog er einen Diener und betonte die Richtigkeit ihrer Wahl. Es stellte sich heraus, dass die Kaufhausangestellten genau jene Charaktereigenschaften darstellten, die sie verkauften.

„Guten Tag“, wurden sie begrüßt.

„Nennen Sie ihre Wünsche und ich werde sie erfüllen“.

„Wir suchen Gehorsamkeit“, begann Grübline „wissen aber nicht genau, welche Menge. Könnten Sie uns beraten?“

Der Verkäufer machte einen Diener und überfiel sie mit einem Redeschwall.

„Ich bin überglücklich, dass ich Ihnen zu Diensten sein darf. Sie haben in mir einen zuverlässigen Berater gefunden, der alles tun wird, um Sie zufriedenzustellen. Es gibt selbstverständlich nichts Wichtigeres als Gehorsamkeit. Stellen Sie sich vor, jeder würde machen, was er will. Das ergäbe ein Chaos ungeahnten Ausmaßes. Nur wer bedingungslos gehorsam ist, erreicht etwas im Leben. Ich habe es dadurch zum besten Verkäufer in diesem Raum gebracht.“

„Aber Sie sind doch hier ganz alleine“, warf Grübline ein.

„Sehen Sie, das ist der Beweis“, fuhr er fort „ich bin eben der Beste. Aber davon abgesehen, hätte ich ohne die Gehorsamkeit meinen Arbeitsplatz längst verloren. Welcher Chef hat es schon gern, wenn man widerspricht.“

„Aber in welchem Verhältnis sollte die Gehorsamkeit zu den anderen Eigenschaften stehen“, wollte Freudolin wissen.

„Ich weiß nicht, was Sie meinen. Ich kenne eigentlich nur die Gehorsamkeit. Wie denken Sie denn darüber?“, antwortete der Verkäufer verunsichert.

„Ich bin der Meinung, dass man von vielen Eigenschaften etwas besitzen sollte, um im Leben richtige Entscheidungen treffen zu können.“

Freudolin war gespannt, wie der Mann darauf reagieren würde.

Er begann abermals mit einem gefederten Diener, der ihn mehrmals nachwippen ließ.

„Oh, ich bewundere Ihre Intelligenz. Sie haben vollkommen recht. Dass ich darauf nicht selbst gekommen bin. Natürlich sind andere Eigenschaften manchmal wichtig.“

Grübline drängte auf die Antwort.

„Wie viel Anteile Gehorsam empfehlen Sie, unter diesen neuen Gesichtspunkten?“

„99 Anteile von 100 rate ich dringend an. Ein Anteil sollte für die restlichen Eigenschaften ausreichen. Oder was meinen Sie?“, fragte der Verkäufer.

Damit war Grübline und Freudolin klar, dass von diesem Mann keine Hilfe zu erwarten war. Die Entscheidung würden sie allein zu fällen haben.

Natürlich war es Unsinn, dem Gehorsam so viel Anteile einzuräumen. Das Menschenkind dürfte schließlich nicht jedem gehorchen, sondern sollte die Menschen retten. Da wäre zu viel davon genau das Falsche. Der Verkäufer war das beste Beispiel dafür. Er würde allen immer recht geben. Sie sollten aber das Risiko in Grenzen halten. In Situationen, die eine negative Entwicklung des Kindes erkennen ließen, wäre es schon von Vorteil, wenn es dann auf sie hörte. Das bedeutete, dass die Gehorsamkeit einen relativ hohen Stellenwert haben müsste. In der Überzeugung, dass sie diese Eigenschaft weitestgehend auf die Beziehung zu ihnen einschränken könnten, einigten sie sich auf einen Anteil von 20 Prozent.

„Eine gute Entscheidung“, lobte sie der Verkäufer und füllte die 20 Anteile in ihre Flasche.

Die Kobolde waren froh, dass sie diesen Raum endlich verlassen konnten.

Um sich zu erholen, wählten sie als Nächstes die Räumlichkeit, in der die Liebe angeboten wurde.

Die Verkäuferin begrüßte sie überschwänglich freundlich. Ihr auffälliges Lächeln verließ sie, während der Zeit ihres Besuches, nicht mal für eine Sekunde.

„Wie schön, dass Sie zu uns gefunden haben“, legte sie los. „Ich liebe Menschen, die die Bedeutung der Liebe zu schätzen wissen.“

Dabei strich sie den beiden Kobolden behutsam über das struppige Haar.

„Was wäre die Welt ohne Liebe? Es gibt doch nichts, was nicht liebenswert wäre. Wir sollten die Pflanzen und Tiere genauso lieben, wie die Menschen. Wir sollten auch nicht zwischen lieben und bösen Menschen unterscheiden. Jeder ist auf seine Weise liebenswert. Verurteile ich den bösen Menschen, wird er nie Liebe erfahren und noch böser werden. Vernachlässige ich die Tiere mit meiner Liebe, werden eines Tages ganze Tierrassen aussterben. Fehlt es an Liebe zu den Pflanzen, könnte der Kreislauf des Lebens zerstört werden, der letztendlich den Menschen die Luft zum Atmen nehmen würde. Man könnte sagen, die Liebe ist die Luft zum Atmen. Es zählt nichts anderes. Findet Ihr nicht auch?“

Wieder strich sie den beiden lächelnd übers Haar.

Den Kobolden war diese Aufdringlichkeit unangenehm. Wie auf Kommando zogen sie ihre Köpfe zurück.

Auf ihrer Einkaufsliste stand: „liebevoll, aber nicht zu lieb“. Hier erst verstanden sie, was ‚zu lieb‘ bedeutete.

„Meinen Sie nicht“, warf Freudolin ein, „dass es Situationen und Menschen gibt, bei denen mit Liebe nichts mehr zu erreichen ist. Sollte man nicht manchmal der Liebe zu vielen anderen und damit dem Hass auf einen Einzelnen, den Vorrang geben? Ich muss doch aus Liebe etwas verurteilen können. Und sollten wir grausam erscheinende Maßnahmen schützen, wenn sie aus Liebe geschehen?“

„Begebt Euch nicht auf einen falschen Weg, meine Lieben“, hörten sie mit einschmeichelnder Stimme die Verkäuferin.

„Ihr dürft auch dann nicht an der Liebe zweifeln, wenn Böses geschieht. Was es auch sei, tretet dem Bösen mit Liebe entgegen. Auch, wenn es scheinbar keine Hoffnung gibt, im Bösen Liebe zu erwecken, irgendwann wird dies Früchte tragen. Sollten andere Menschen dadurch zu Schaden kommen, so seid nicht Ihr es gewesen. Ihr könnt sagen, dass Ihr Euer Bestes versucht habt, indem Ihr Liebe gegeben habt. Nur das zählt.“

Grübline und Freudolin sahen sich fassungslos an. Für sie wäre es unvorstellbar, tatenlos zuzusehen, wenn es galt ein Unglück zu verhindern. Die Verantwortung läge bei ihnen, brächten sie dem Bösen Liebe entgegen. Die könnte niemals so schnell wirken. Sie war keine Angelegenheit von kurzfristigen Entscheidungen. Die Liebe lebte von der Zeit und sollte sie die nicht bekommen, würde sie nicht erblühen. Ihr Menschenkind dürfte nicht in Liebe zerfließen, wenn es die Welt retten wollte. Was nützte es, aus Liebe zu einem Teilchen das Ganze aufzugeben?

Auch hier wären sie schlecht beraten, wenn sie dem Rat der Verkäuferin folgten. Die Kobolde hielten es für angebracht, sich mit fünf Anteilen Liebe zu begnügen.

Der enttäuschte Blick der Dame wurde durch ihre Abschiedsworte bereinigt.

„Wenn Ihr auch noch nicht den Wert der Liebe erkannt habt, so liebe ich Euch trotzdem.“

Mit einem letzten Handstreich über die Haare verabschiedete sie ihre Kundschaft.

Es tummelten sich schon 25 Anteile in ihrer Flasche. Sie beschlossen, bei ihrem Einkaufsbummel, die Reihenfolge der Einkaufsliste einzuhalten. Stärke war die nächste Zutat.

Der Raum war schnell gefunden. Sie überraschten den Verkäufer beim Training an schweren Hanteln. Als die Kobolde eintraten, wandte er sich ihnen sofort zu.

„Entschuldigen Sie, aber man muss jede Minute nutzen, um seinen Körper in Form zu halten. Was kann ich für Sie tun?“

Der muskulöse Körper, der durch ein enges Boxershirt betont wurde, beeindruckte die beiden Kobolde. Grübline begann sogar zu stottern.

„Wwwir wwwolttten etwas Stttärke mimimitnehmen.“ Freudolin kam sofort zu Hilfe.

„Es wäre nett, wenn Sie uns ein paar Tipps geben könnten, wie viel Stärke ein Mensch braucht.“

Der Verkäufer war jetzt in seinem Element.

„Stärke ist alles. Mit Stärke erreichst du alles. Mit Stärke wirst du beachtet. Niemand schubst dich herum. Jeder will dein Freund sein. Die Frauen bewundern dich. Niemand fragt, was du sonst noch kannst, wenn du an der richtigen Stelle deine Muskeln spielen lässt.“

„Wir nehmen zehn Einheiten“, hauchte Grübline.

Bevor ihr Gefährte etwas sagen konnte, hatte sich der Verkäufer ihre Flasche gegriffen und die 10 Anteile hineingegossen. Den Versuch Freudolins, seinen Protest anzumelden, erstickte der Mann mit einem scharfen Blick und einem Anspannen der Bizeps.

Erst vor der Tür kamen die Kobolde wieder zu sich.

„Warum hast du so viel davon genommen?“, beschwerte sich Freudolin.

Grübline errötete.

„Er machte doch Eindruck, oder?“

Freudolin verdrehte die Augen.

„Ist ja jetzt auch egal. Wir bekommen das Zeug sowieso nicht mehr aus der Flasche heraus. Es hat sich bereits mit den anderen Eigenschaften vermischt.“

Sie nahmen sich vor, jetzt gründlicher zu überlegen, da schon 35 Anteile vergeben und noch jede Menge Eigenschaften auszuwählen waren.

Als Nächstes stand die Klugheit auf dem Programm. Der Raum befand sich einige Stockwerke höher. Der Verkäufer ließ seinen Wissensstand schon an der unvermeidlichen Brille erkennen.

„Wer viel liest, bekommt schlechte Augen“, erklärte Freudolin, indem er es Grübline ins Ohr flüsterte.

„Quatsch“, erregte sie sich. „Ich habe schon ganz kleine Kinder mit Brille gesehen, die noch gar nicht lesen konnten.“

„Ich wollte ja nur zu bedenken geben, dass unser Menschenkind ohne Brille vielleicht besser aussieht.“

„Es soll sogar Menschen geben, die mit Brille viel schöner sind. Viele kaufen sich Brillen, obwohl sie gar keine bräuchten. Du solltest dich etwas mehr für Mode interessieren.“

Damit beendete sie das kurze Geplänkel und wendete sich an den Verkäufer.

„Guten Tag, wir sind dabei den idealen Menschen zusammenzustellen. Dazu brauchen wir von ihnen eine Portion Klugheit und einen Rat, was wir beachten müssten.“

„Mein Fräulein“, erwiderte der Verkäufer etwas hochnäsig.

„Den idealen Menschen gibt es nicht. Der Mensch wird zwar durch das Zusammenspiel der unterschiedlichsten Eigenschaften geprägt, jedoch gibt es bei keiner Mischung eine Erfolgsgarantie für vollkommenes Handeln und Denken. Bei den unterschiedlichsten Zusammensetzungen von Eigenschaften gab es sowohl außergewöhnlich erfolgreiche und beliebte, als auch erfolglose und gehasste Menschen.

Die Lebensumstände fördern mal die und mal jene Eigenschaft, so dass diese sowohl verkümmern, als auch prächtig gedeihen könnte. Egal, was Ihr tut, es kann falsch sein und es kann richtig sein. So, wie Ihr später das Kind erziehen werdet, so wie Ihr die äußeren, fremden Umstände einbeziehen könnt, so wird das Kind werden. In den ersten Jahren wird Eure Vorbildwirkung den entscheidenden Einfluss haben. Aber es ist schon wichtig, dass Ihr euch bemüht, die richtigen Veranlagungen auszuwählen. Die Klugheit solltet Ihr dabei nicht unterschätzen. Sie könnte entscheiden, wie der Mensch die anderen Eigenschaften einsetzt. Nur ein kluger Mensch kann schädliche Gefühle unterdrücken. Wer sich nur durch seine Gefühle treiben lässt, ist nicht imstande, vernünftige Entscheidungen zu treffen.“ Während Grübline den Ausführungen interessiert folgte, gab sich Freudolin einem seiner Gefühle hin. Er begann hemmungslos zu gähnen. Ihn langweilte diese Klugheit.

„Was denkst du“, fragte Grübline „wie viel nehmen wir?“

„Was hat diesem klapprigen Männchen seine Klugheit genutzt. Er konnte dir auf eine klare Frage keine Antwort geben. Aber er hat mich fast zum Einschlafen gebracht. Wollen wir auf diese Fähigkeit nicht lieber ganz verzichten?“

„Wie soll das Menschenkind, ohne Wissen, große Veränderungen bewirken? Es gibt nun mal nicht auf jede Frage eine eindeutige Antwort. Wie soll er Lösungen finden, wenn er nicht in der Lage ist, darüber nachzudenken? Zusammen mit den anderen Eigenschaften werden wir ihn damit aufpeppen. Nehmen wir zehn Anteile?“

„Vielleicht hast du recht. Wenn wir ihm gleich Klugheit mitgeben, braucht er sich später nicht so anstrengen.“

Damit war es besiegelt. Wieder hatte sich die Flasche etwas gefüllt. Freudolin freute sich schon auf das nächste Zimmer.

Er hoffte, dort seine aufkommende Müdigkeit zu verlieren.

Der Raum der Schönheit enttäuschte Freudolin nicht. Eine wunderschöne Verkäuferin, mit ebensolcher Figur und atemberaubender Garderobe, machte den Besuch zu einem unvergesslichen Ereignis. Grübline sah besorgt zu ihrem Freund hinüber, der Gefahr lief, einen zu großen Anteil mitzunehmen. Er riss sofort das Gespräch an sich und versuchte, sie mit schleimigen Komplimenten, zu beeindrucken. Die Verkäuferin nahm es gelassen hin. Sie war es offenbar gewohnt. Sie hielt einen kleinen Vortrag über die Vorzüge der Schönheit.

„Sie sollten der Schönheit besonderen Wert einräumen. Wer will schon unbeachtet in einer Ecke verkümmern. Nur schönen Menschen wird der Weg zum Erfolg erleichtert. Schöne Menschen bekommen mehr Chancen im Leben. Schöne Menschen beeinflussen andere, allein durch ihre Ausstrahlung. Sie bestimmen, was mächtige Leute, mit denen sie zusammenleben, entscheiden. Ihnen gelingt es, andere dazu zu bringen, gegen ihren Willen zu handeln. Sie verkaufen am besten Dinge, die niemand braucht. Sie stehen immer auf der Sonnenseite des Lebens, wenn sie es verstehen, ihre Schönheit wirksam einzusetzen.“

„Damit geben Sie doch zu, dass Schönheit allein nicht reicht“, mischte sich Grübline ein.

Die Verkäuferin beachtete sie nicht. Stattdessen schwärmte sie weiter vom Vorteil eines schönen Menschen und zog Freudolin unaufhaltsam in ihren Bann.

Der badete in ihren Worten und konnte keinen Blick von diesem bezaubernden Wesen lassen.

Die Verkäuferin setzte zum Endspurt an.

„Sie sehen also, erst ein schöner Mensch an unserer Seite, macht das Leben lebenswert. Sagen Sie selbst, wen würden Sie sich als Lebenspartner wünschen, wenn Sie die Wahl hätten? Ihre Begleitung oder mich?“

Dabei machte sie eine kurze Kopfbewegung in Grüblines Richtung und riss den Kobold aus seinen Träumen.

Beschämt stand Grübline da und hielt erwartungsvoll den Kopf gesenkt. Freudolin ließ seinen Blick zwischen beiden hin und her wandern. Erst jetzt, wo er zu einer Entscheidung aufgefordert war, machte er sich Gedanken darüber. Nie hatte ihn Grübline so beeindruckt, wie diese Verkäuferin. Doch wenn ihm, im nächsten Augenblick, beide Menschen genommen würden, wen würde er mehr vermissen? Siegesgewiss erwartete die Verkäuferin Freudolins Antwort.

„Wenn ich zwischen äußerer Schönheit wählen muss, die irgendwann verblasst und einer Schönheit, die dauerhaft im Inneren wohnt, so fiele mir die Wahl nicht schwer. Ich denke, wir brauchen Ihre Schönheit nicht.“

Die Schöne setzte ein schnippisches Gesicht auf und verkroch sich in eine Ecke. Sie sah jetzt gar nicht mehr so schön aus. Dafür erstrahlte die Koboldin in vollem Glanz. Ihr Lächeln war wie eine Verjüngungskur.

„Wir sollten fünf Anteile nehmen“, sprudelte es aus Grübline heraus.

„Zumindest gelang es ihr, dich zu beeindrucken. Und sie hat damit auch ihre Berechtigung. Diese Schönheitsdenkmale ermahnen einen, sich nicht gehen zu lassen. Jeder Mensch sollte seinen Körper pflegen und sich gerne im Spiegel anschauen.“

So verließen sie mit fünf weiteren Anteilen diesen Raum.

Gerechtigkeit war als Nächstes einzustufen. Die ganze Angelegenheit war anstrengender, als sie vermutet hatten. Es war nervenaufreibend, komplizierte Diskussionen mit den Verkäufern zu führen, die ihnen doch nicht weiterhalfen. Sie beschlossen, die weitere Aufteilung der Anteile vorher zu klären. Die Gerechtigkeit hielten beide für entscheidend.

Das Gleiche ließen sie für Fleiß und Hilfsbereitschaft gelten. Die Punkte reich, dick, dünn strichen sie. Über Reichtum wurde bereits bei der Wahl der Eltern entschieden und die Körperfülle würden sie durch ihre Erziehung beeinflussen.

Die restlichen Zutaten waren schnell eingekauft, da alles geklärt war und sie sich auf keine Diskussionen einließen.

Der Trank setzte sich wie folgt zusammen:

Liebe

5 Anteile

Sportlichkeit

5 Anteile

Stärke

10 Anteile

Bescheidenheit

5 Anteile

Klugheit

10 Anteile

energisch

5 Anteile

Schönheit

5 Anteile

Körperform

0 Anteile

Gerechtigkeit

10 Anteile

Fleiß

10 Anteile

Unnachgiebigkeit

5 Anteile

Hilfsbereitschaft

10 Anteile

Reichtum

0 Anteile

Gehorsamkeit

20 Anteile

Fortschritte

Gregor von Tunlich empfing Herrn Renzo äußerst zuvorkommend. Er wusste im Groben, worum es ging und erträumte sich einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung des Landes, wenn er die Bedingungen zu seinem Vorteil klären könnte. Zum anderen galt es, abzuklopfen, was faul an dem angebotenen Apfel wäre, welche versteckten Spätfolgen vertuscht werden sollten und ob Abhängigkeiten entstehen würden. Ihm war bewusst, dass auch seine Politik von der Wirtschaft des Landes diktiert wurde, aber er kannte seine Möglichkeiten und wusste, was er durchsetzen und versprechen könnte. Sie drückten sich lächelnd die Hände und nahmen an einem Verhandlungstisch mit bequemen Ledersesseln Platz. Kurz darauf erschien die Sekretärin, um Getränke und Snacks zu servieren, die dem Gespräch die richtige Würze verleihen sollten.

„Kommen wir gleich zur Sache, Herr von Tunlich. Ich will Ihre kostbare Zeit nicht überstrapazieren und möchte Ihnen mein Angebot in Kurzfassung unterbreiten. Die Details greifen wir dort auf, wo Sie es für angebracht halten. Die notwendigen Unterlagen überlasse ich Ihnen gern, um sie von Ihren Experten prüfen zu lassen.“

„Das kommt mir sehr entgegen“, bemerkte Herr von Tunlich und lehnte sich zurück. „Fahren Sie bitte fort.“

In kurzen, leidenschaftlichen Sätzen legte er seine Vorstellungen dar, hob die Vorteile hervor und ließ nebenbei seine Bedingungen einfließen, die er von der Bedeutung abwertete.

„Um es auf den Punkt zu bringen“, schloss er seinen Vortrag ab.

„Sie nutzen uneingeschränkt meine Patente am Kraftstoff und den darauf abgestimmten Antrieben, lassen mir jedoch das Recht, es ebenso anderen Staaten anzubieten. Ich behalte die Kontrolle über die Produktion, verpflichte mich, keine Engpässe zuzulassen, was wir mit Vertragsstrafen regeln können. Sie sorgen dafür, dass sämtliche Regierungs- und Militärfahrzeuge ausschließlich mit diesem Kraftstoff betrieben werden und ebnen mir den Weg in sämtliche Industriezweige, die davon in vieler Hinsicht profitieren werden. Falls wir uns einig werden, erhalten sie hierzu nähere Informationen und ich hätte Ihnen ein weiteres Angebot zu machen, das Ihnen eine Sonderstellung einräumt.“

Sie hatten jetzt zwei Stunden zusammen gesessen und Herr von Tunlich war von den Aussichten, die ihm und seinem Land bevorstünden, sehr angetan.

„Ohne irgendetwas vorwegnehmen zu wollen, kann ich Ihnen versichern, Herr Renzo, dass wir Ihre Vorschläge wohlwollend prüfen werden. Ich sehe einer positiven Entscheidung optimistisch entgegen, auch was unsere Wirtschaftspartner betrifft, zumal die Gewinnspannen sehr verlockend klingen. Dass auch die Bevölkerung davon profitieren wird, ist ein großes Plus. Besonders beeindruckend dabei, ist die vollkommene Schadstofffreiheit, die uns Ärger mit den Umweltschützern erspart.“

Er erhob sich und reichte Herrn Renzo erneut die Hand.

„Sie werden in den nächsten Tagen von mir hören, Herr Renzo. Die Prüfung der Verträge werde ich unverzüglich veranlassen. Ich freue mich schon auf eine gute Zusammenarbeit.“

„Es wird auch für Sie privat von Vorteil sein“, antwortete Rando vielsagend lächelnd.

„Das spielt eher eine Nebenrolle. Vor allem liegt mir das Wohl des Volkes am Herzen.“

Rando gönnte sich, beim Verlassen des Raumes, ein breites Erfolgsgrinsen. Voller Hochstimmung zog es ihn nachhause.

Er hatte das Bedürfnis, mit seiner Frau Hanna zu sprechen. Sie sollte an seinem Erfolg teilhaben. Er wollte gemeinsam mit ihr von der Zukunft träumen.

Hanna strahlte übers ganze Gesicht. Sie war froh, ihn endlich wieder zu haben, denn seit er sein großes Projekt vorantrieb, blieb wenig Zeit für sie. Rando begrüßte sie mit einem Kuss und streichelte behutsam über ihren gewölbten Bauch. Sie war schwanger und erwartete in den nächsten Tagen ihr gemeinsames Kind.

„Na mein Liebling, hat sich denn unser kleiner Ringo ordentlich benommen?“

„Es wird Zeit, dass er herauskommt. Ich hab es ihm zwar gesagt, aber er hört nicht auf mich“, sagte sie lachend.

Rando schob seinen Kopf dicht an ihren Bauch und rief im Befehlston: „Ringo! Du kommst jetzt sofort heraus und ärgerst deine Mutter nicht länger!“

Sie lachten gemeinsam und kurz darauf krümmte sie sich vor Schmerzen. Sofort wurde Rando nervös und tänzelte aufgeregt um sie herum.

„Was ist los Schatz. So sag mir doch, was ich tun soll.“

„Ich vermute, dass dein Sohn sehr gehorsam ist“, quetschte sie mühsam hervor. „Ich denke, es geht los. Ich bekomme meine Wehen. Dein Sohn macht sich auf den Weg. Nun rufe schon den Krankenwagen.“

Auch Gregor von Tunlich beendete den Arbeitstag in gut gelaunter Stimmung. Seine Tochter Rosanna quietschte vor Vergnügen, als sie ihn bemerkte und tappte schwankend in seine Arme. Sie hatte schon ihr Nachthemd an, da er immer sehr spät heimkam. Oft bekam er sie nur noch schlafend zu sehen und gab ihr dann vorsichtig einen Gute-Nacht-Kuss, wonach er sie minutenlang anstarrte und sich an ihrem Anblick erfreute. Heute war sein Glückstag. Sie setzten sich in einen Sessel, wobei sie sich in seine Arme kuschelte und er las ihr eine Geschichte vor, die er mit vielen, zu den Figuren passenden Stimmen, sprach. Versonnen und glücklich sah ihm seine Frau zu, die verstand, dass er erst danach für sie Zeit fand. Doch das war gut so. Gewöhnlich, wie auch heute, schlief die kleine, strohblonde Rosanna in seinen Armen ein, bevor die Geschichte zu Ende war. Dann trug er sie ins Bettchen, deckte sie zu und streichelte über ihre Pausbäckchen. Seine Frau Evelin wartete auf ihn im Wohnzimmer und jetzt erst begrüßten sie sich mit einer Umarmung. Sie war es gewohnt, die zweite Geige zu spielen und ihm für seine Karriere den Rücken freizuhalten. Da sie bewunderte, wie ernst er seine Aufgabe nahm und wie ihn diese Arbeit manchmal schlauchte, empfand sie es als großes Geschenk, dass er immer die Zeit fand, ein paar Minuten für die Familie zu retten.

Heute sprudelte die Begeisterung aus ihm heraus, als er von dem großen Projekt erzählte, das ihm angeboten worden war.

„Das hat der Renzo doch bereits an andere Länder verkauft, wie die Presse mitteilte. Warum bietet er es erst jetzt seinem Eigenen an, in dem er wohnt?“

„Ist das nicht egal? Dieses Projekt wird die Welt verändern. Ich fände es schade, wenn es nur auf ein Land beschränkt bliebe, das damit andere beherrschen könnte. Gerade diese Einstellung gefällt mir an dem Mann. Er wollte sicher eine Art Druck erzeugen, indem er es ärmeren Regionen zuerst anbot, was sein gutes Recht ist.“

„Aber besteht nicht die Gefahr, dass er damit andere Länder von sich abhängig macht?“

„Nein. Die Konditionen sind ausgehandelt und er hat von sich aus angeboten, eine Vertragsstrafe zu vereinbaren, falls er mit der Lieferung in Verzug käme.“

„Diese Vertragsstrafe wird er sicher locker aus seinen Gewinnen begleichen.“

„Nun male mal nicht so schwarz. Sieh einfach den Vorteil für uns und die Umwelt. Außerdem deutete er an, dass er sich auch privat erkenntlich zeigen würde.“

„Gregor, sieh dich vor. Du weißt, wie schnell man in deiner Position einen Bestechungsvorwurf auf sich zieht. Und es geht uns gut. Wir brauchen nicht mehr.“

„Keine Gefahr. Die Entscheidung wird weiter oben getroffen und meine Unterschrift wird eine von vielen sein. Also entspanne dich. Trinken wir noch ein Glas Wein?“

Sie nickte und sie sprachen den Rest des Abends über die Fortschritte ihrer einjährigen Tochter.

Das Menschenkind

Ganz zufrieden waren die Kobolde mit der Zusammenstellung des Zaubertrankes nicht. Sie wurden das Gefühl nicht los, dass irgendetwas fehlte.

Doch die Zeit war reif und die Wahl des Menschenkindes bereits getroffen.

Die Märchenfiguren hatten sich für eine Künstlerfamilie entschieden, die weltweit Aufsehen erregte. Es handelte sich um das Sängerduo „Die feuchten Augen“.

Sie gebaren das Baby, als sie fast schon nicht mehr zu Hause und auf dem Weg zum Flughafen waren, da sie wieder mal einen Auftritt hatten. Der Junge sollte, laut Berechnung der Ärzte, erst nach dieser Tournee geboren werden. Sie mussten sie verschieben, da das Baby, durch die Aufregung, unbedingt früher auf die Welt wollte.

Nachdem das Kind zwei Wochen alt war, und die Frau sich, besser als erwartet, erholt hatte, gingen sie wieder auf Tournee, die sie vergessen hatten abzusagen. Die Betreuung des Babys übertrugen sie dem Kindermädchen.

Sofort rief der König das Koboldpärchen herbei, um ihm letzte Anweisungen zu geben. Ihre Abreise wurde in kürzester Zeit vorbereitet. Die ganze Hoffnung des Märchenlandes ruhte auf ihnen.

Beide waren schon aufgeregt und wussten, dass sie auf sich allein gestellt sein würden. Die Verbindung zur Märchenwelt wurde mit Beginn ihrer Arbeit abgebrochen, um Nebenwirkungen auszuschließen.

Der Knabe, den sie unter ihre Fittiche nahmen, hieß Ollix. Endlich war es so weit. Mit offenen Mündern standen sie an der Wiege und bestaunten das kleine Wunder Mensch. Es war unvorstellbar, dass aus solch winzigen, niedlichen und lieben Geschöpfen einmal unberechenbare Monster werden könnten, wie sie es von einigen Exemplaren der Gattung Mensch gehört hatten. Gab es einen Schalter in ihnen, der es zu guten oder schlechten Wesen heranwachsen lässt? Grübline ließ ihren butterweichen Mutterblick über Ollix streifen. Sie würde schon zu verhindern wissen, dass jemand diesen Schalter betätigte.

Ihre erste Handlung war das Einflößen des Zaubertrankes. Das Baby schluckte alles hinunter, ohne einmal abzusetzen. Es schien zu spüren, dass es gut für seine Entwicklung war. Freudolin und Grübline wollten keine Zeit verstreichen lassen und sich sofort um das Baby kümmern. Besonders Grübline konnte es kaum erwarten.

Zunächst regte sie sich aber ausgiebig darüber auf, wie man einem Kind so einen hässlichen Namen geben konnte. Viel schöner wäre doch Liebchen oder Knuddel oder auch Tapsi. Freudolin war da ganz anderer Meinung. Ihm gefielen Grüblines Namensvorschläge ebenfalls nicht. Er hätte das Kind lieber Mutos oder Heldikus genannt. Grübline war empört und es entbrannte ein ausgedehnter Streit zwischen ihnen, den der kleine Ollix interessiert verfolgte. Als es ihm zu viel wurde, beendete er diese Ruhestörung durch ein kräftiges Geschrei, das unter Babys seines Gleichen suchte. Die Tränen kullerten über seine prallen Wangen und lösten sofort die üblichen Elterninstinkte bei den beiden Kobolden aus.

Sie ärgerten sich, dass ihnen das Kindermädchen dazwischen kam und den weinenden Ollix in ihren Armen wiegte, bis er sich beruhigt hatte.

Immer wieder erging es den beiden so, dass ihnen diese Frau im entscheidenden Augenblick die Möglichkeit nahm, ihre liebevollen Seiten über das Kind auszubreiten. Sie konnten zwar mit ihm reden, Lieder vorsingen und Ollix streicheln, aber sobald er weinte, waren sie abgemeldet. Das Kindermädchen stillte den Hunger des Babys, sie befreite es von seinen schmutzigen Windeln und sie führte es in die Welt hinaus.

Das Koboldpärchen wurde bald eifersüchtig, da der kleine Ollix dieser Frau genauso viel Sympathie entgegenbrachte, wie ihnen.

„Freudolin“, sagte eines Tages Grübline „ich glaube unser Ziel ist in Gefahr. Wir müssen unbedingt über etwas nachgrübeln.“

„Was meinst du, Grübline?“

„Wenn das Kindermädchen den gleichen Einfluss auf Ollix hat, wie wir, könnte sie unsere Pläne gefährden, indem sie ihm etwas anderes beibringen will, als wir. Sie ist zu lieb zu ihm.“

„Aber viel Liebe wird bei Ollix auch wieder Liebe hervorrufen“, warf Freudolin ein. „Das ist doch gut für unseren Plan, oder?“.

„Ja, schon, aber er muss lernen, dass er nicht jeden lieben darf. Er sollte uns mehr lieben.“

„Vielleicht war im Trank zu viel Gerechtigkeit. Wir sollten ihm eine klitzekleine Kleinigkeit davon wegnehmen.“