H. C. Hollister 111 - H.C. Hollister - E-Book

H. C. Hollister 111 E-Book

H. C. Hollister

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Beschreibung

Emmet Whitcliffe, Marshal von Miles City, ist ein nüchtern denkender Mann, dem alles verhasst ist, was sich nicht mit dem Verstand erfassen lässt. Aber auch er bleibt von so lästigen Dingen wie Gefühlen nicht verschont, seitdem Vera Wyman seinen Ring trägt, und in letzter Zeit gibt es in ihrem Verhältnis schwerwiegende Probleme. Der Winter steht vor der Tür. Auch der Marshal weiß, dass die letzten Monate seiner Amtszeit voraussichtlich die schwersten sein werden, weil ein ganzer Schwarm von Revolverhelden, Banditen und Satteltramps Miles City als Winterquartier nutzt. Aber er zieht daraus andere Schlüsse als Vera Wyman, und deshalb ist der Bruch zwischen ihnen zwangsläufig.
Was Emmet Whitcliffe hingegen nicht ahnen kann, ist die Tatsache, dass sich angesehene Bürger der Stadt mit jenen Gesetzlosen und Geächteten verbünden werden, um mit Hilfe dieser Revolverhelden ihre dunklen Ziele im Lower Valley zu erreichen. Es wird für den Marshal eine höllische Erkenntnis, dass Recht und Gesetz zuweilen zwei grundverschiedene Dinge sein können ...

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Inhalt

Cover

NEBEL AM YELLOWSTONE

Vorschau

Impressum

NEBEL AM YELLOWSTONE

Emmet Whitcliffe, Marshal von Miles City, ist ein nüchtern denkender Mann, dem alles verhasst ist, was sich nicht mit dem Verstand erfassen lässt. Aber auch er bleibt von so lästigen Dingen wie Gefühlen nicht verschont, seitdem Vera Wyman seinen Ring trägt. Leider kriselt es in letzter Zeit zwischen ihnen. Der Winter steht vor der Tür, und der Marshal weiß, dass die letzten Monate seiner Amtszeit voraussichtlich die schwersten sein werden, weil ein ganzer Schwarm von Revolverhelden, Banditen und Satteltramps Miles City als Winterquartier nutzt. Aber er zieht daraus andere Schlüsse als Vera Wyman, und deshalb ist der Bruch zwischen ihnen zwangsläufig.

Was Whitcliffe hingegen nicht ahnen kann, ist die Tatsache, dass sich angesehene Bürger der Stadt mit jenen Gesetzlosen und Geächteten verbünden werden, um mit Hilfe dieser Revolverhelden ihre dunklen Ziele im Lower Valley zu erreichen. Es wird für den Marshal eine höllische Erkenntnis, dass Recht und Gesetz zuweilen zwei grundverschiedene Dinge sein können ...

Marshal Emmet Whitcliffe ritt aus der Stadt und ließ seinem Palomino die Zügel frei. In den Flussauen watete das Pferd durch die dichten Nebelschwaden, die sich über dem Boden lagerten. Ein Schwarm Krähen flog mit heiserem Krächzen auf, als über den Hügeln eine bleiche Sonnenscheibe erschien.

Marshal Whitcliffe war tief in Gedanken versunken.

Sein Hauptproblem hieß Vera Wyman, und zwar deshalb, weil sie dem Marshal von Miles City weder an Willenskraft und Urteilsvermögen noch an Eigensinn etwas nachstand. Erstaunlich und neu war für Emmet Whitcliffe besonders die Feststellung, dass ein und derselbe Sachverhalt vollkommen verschieden betrachtet werden konnte, je nachdem, ob er von einem Marshal oder von einer Frau wie Vera Wyman beurteilt wurde.

Der Ritt zur Horseshoe-Ranch dauerte eine Stunde. Wenn die Sonne schien, bot das grasige Bachtal mit seinen waldbedeckten Hängen einen idyllischen Anblick. Für Emmet Whitcliffe jedenfalls war es die Erfüllung all seiner Träume gewesen. Gras und Wasser, sechshundert Rinder und zwei Dutzend erstklassiger Pferde in den Korrals, dazu ein solides Blockhaus und die Aussicht, im Laufe der Jahre den Rinderbestand zu vervielfachen. Konnte sich ein Mann überhaupt mehr wünschen?

Aber dann war jener schreckliche Winter gekommen. Noch Anfang Mai tobte ein Blizzard, der mit seiner fußhohen Schneedecke alles Leben zu ersticken drohte. Für mehr als zweihundert ausgesuchter Zuchtrinder war sie tatsächlich zu einem Leichentuch geworden. Hier im Norden musste man zu anderen Methoden greifen, besonders was die Winterfütterung betraf. Emmet Whitcliffe hatte seine Lektion geschluckt und sich umgestellt. In diesem Herbst türmten sich die Heuschober an den geschützten Waldrändern zu wahren Gebirgen. Für die Horseshoe-Ranch würde es niemals wieder einen derartigen Rückschlag geben. Aber bereits der erste hatte ihn so in Schwierigkeiten gebracht, dass er sich nach einem Job umsehen musste, der ihm über die schlimmsten Klippen hinweghelfen würde. Emmet Whitcliffe brauchte Bargeld.

So hatte er Red Burton und Manuel Escavada die Leitung der Horseshoe-Ranch überlassen und für vier Jahre den Posten des Marshals in Miles City angenommen. Im nächsten Frühjahr würde seine Amtsperiode beendet sein. Dann konnte er sich wieder der Weidearbeit widmen und vielleicht sogar hoffen, den Rinderbestand mit Hilfe seiner Ersparnisse aus den letzten Jahren beträchtlich zu erhöhen. Aber bis dahin stand ihm noch ein harter Winter bevor.

Der Marshal lenkte seinen Palomino zwischen dem Stall und dem langgezogenen Blockhaus hindurch in den Hof. Dort saß er ab und ging steifbeinig zum Vorbau, den sie mit einem stabilen Windfang aus geschälten Föhrenstämmen versehen hatten. Der Duft von Kaffee und gebratenem Speck drang in seine Nase.

Im Stall winselte und jaulte der Hund. Der Himmel mochte wissen, weshalb Red Burton oder Manuel Escavada ihn eingesperrt hatten.

Im Windfang stampfte Emmet Whitcliffe seine Stiefel ab und betrat die große Küche. Im selben Moment jedoch erstarrte er und ließ dann die Hand zum Schenkel hinabsinken.

»Hallo, Whitcliffe«, sagte eine hämische Stimme. »Sie werden doch nicht so töricht sein, auf Ihrer eigenen Ranch Ärger zu machen? Sie sehen doch, dass wir uns ganz friedlich zum Frühstück eingeladen haben.«

Manuel Escavada stand mit unbewegtem Gesicht am Herd und hob die Schultern, als wollte er damit ausdrücken, dass er und Red an dieser Versammlung unschuldig seien. Red Burton hockte derweil mit finsterer Miene in der Ecke und starrte verkniffen zu Boden. Sie beide waren im Besitz ihrer Waffen, aber das wollte angesichts dieses schlimmen Rudels nicht viel bedeuten.

Der Sprecher lehnte neben der Tür an der Wand. Es war Ringo Faith. Er hatte eine sanfte, schmeichelnde Stimme und ein blasses Jungengesicht. Es gab inzwischen wohl ein halbes Dutzend Männer, die sich davon hatten täuschen lassen und diesen Irrtum anschließend mit dem Leben bezahlen mussten. Denn dieser Bursche mit den verschleierten Augen war das pure Gift und so unberechenbar wie eine in die Enge getriebene Ratte.

»Hallo«, sagte auch der Marshal, »je früher der Morgen, desto schöner die Gäste. Ich hoffe, ihr kommt zurecht und fühlt euch wohl in unserer bescheidenen Küche.«

Mit einer großzügigen Bewegung winkte Ringo Faith ab. Und vom Tisch her sagte Durango Ellis kauend:

»Machen Sie sich darum nur keine Sorgen, Whitcliffe. Wir sind bescheidene Satteltramps und mit allem zufrieden, was man uns vorsetzt.«

»Nun, das ist fein«, murmelte Emmet Whitcliffe. Er spürte, wie die Spannung der ersten Sekunden allmählich wich und fasste die Desperados am Tisch näher ins Auge.

Da war zunächst einmal Durango Ellis, der sich gerade so großmütig geäußert hatte. Mit seinen schwieligen Pranken, der vierschrötigen Gestalt und seinen groben Stiefeln hätte man ihn für einen Holzfäller oder Farmer halten können. Dabei war er auf seine Art der brutalste Bursche dieses Rudels, ein gefürchteter Schläger, der bei einer Prügelei zu jeder Gemeinheit fähig war.

Ray Desmond war groß, hager und sorgfältig gekleidet, zweifellos der Dandy unter dieser Banditen-Crew, der auf den üblichen Revolvergurt verzichtete und seine Waffe in einem versteckten Schulterhalfter trug. Ray Desmond war ein Texaner, das kam in seiner Sprechweise und in der Bedächtigkeit seiner Bewegungen zum Ausdruck. Sein Blick war so starr wie der einer Schlange.

Dann blieb nur noch Diego Zagallo, der in seinem ganzen Gebaren den reinblütigen Spanier hervorzukehren versuchte, in Wirklichkeit aber wohl ein Mestize war. Er entsprach in seinem schlampigen Äußeren und seiner vernachlässigten Kleidung noch am ehesten dem Bild eines Desperados.

»Der Winter ist also da«, sagte Emmet Whitcliffe mit grimmigem Galgenhumor. »Darf ich annehmen, dass die Gents auch diesmal wieder unsere Stadt mit ihrer Anwesenheit beehren werden?«

»Sie dürfen, Marshal«, erwiderte Ray Desmond und drehte mit seinen langen Fingern geschickt eine Zigarette. »Es hat uns im letzten Winter so gut in Miles City gefallen, dass wir gar nicht anders konnten.«

Emmet Whitcliffe ging zum Herd, nahm einen Becher vom Regal und streckte ihn Manuel Escavada hin. Der Vaquero griff nach der Kanne und schenkte ihm schweigend Kaffee ein.

»Dann handelt es sich also um einen reinen Höflichkeitsbesuch auf der Horseshoe-Ranch?«, erkundigte sich dieser mit beißendem Sarkasmus.

Ringo Faith stieß sich von der Wand ab und grinste hämisch.

»Nicht ganz, Whitcliffe. Wir interessieren uns dafür, ob sich Ihre Einstellung seit dem letzten Jahr geändert hat. Wir respektieren Sie, müssen Sie wissen.«

Der Marshal maß ihn mit einem skeptischen Blick.

»Fein«, erwiderte Emmet Whitcliffe dann und nahm einen Schluck. »Und weiter?«

»Das ist eigentlich schon alles«, grinste Ringo Faith. »Nur darum geht es.«

»Um Ihre Einstellung«, setzte Diego Zagallo erklärend hinzu.

»Es ist nicht meine Aufgabe, den Kummer der ganzen Welt auf meine Schultern zu laden«, sagte der Marshal ruhig. »Mir genügt der Verdruss in Miles City. Nur dafür werde ich bezahlt. Über alles andere kann man sich arrangieren.«

»Wie hübsch er das ausdrückt«, brummte Durango Ellis mit scheinheiliger Bewunderung, begann zwischen zwei Bissen zu kichern und setzte hinzu: »Dabei würde er uns allesamt am liebsten zur Hölle schicken. Es ist sein verteufeltes Pech, dass er es mit uns nicht aufnehmen kann.«

Gewissermaßen als Demonstration ließ er die Gabel sinken und griff nach seinem Revolver.

»Vorsicht, Freund«, mahnte der Marshal leichthin, ohne die Stimme zu heben. »Sie sind in Gefahr, und diese Gefahr bin ich. Auch wenn ich es mit euch nicht aufnehmen kann, seien Sie nur nicht so sicher, dass ich es notfalls nicht wenigstens versuchen würde.«

Ray Desmond schien mit einem Schlag aufzuwachen wie ein schläfriger Puma, der Beute gewittert hat. Er bleckte die Zähne und bog die Schultern zurück.

»Ein Held«, sagte er. »Ich wusste, dass der Blechorden auch ihm eines Tages zu Kopfe steigen würde. Wirklich schade, denn wir sind doch einen ganzen Winter blendend miteinander zurechtgekommen.«

Unbewegt sah der Marshal ihn an.

»Haben Sie's nicht etwas kleiner, Desmond?«

Der hagere Texaner schnaubte nur durch die Nase. Für ihn sagte Diego Zagallo in hartem kehligem Akzent:

»Im vorigen Jahr waren wir zur Erholung hier, Whitcliffe.«

Die Brauen des Marshals wölbten sich zu einem hohen Bogen empor.

»Stimmt«, gab er ironisch zurück. »Im Frühjahr habe ich dann auch die Nachricht bekommen, warum ihr euch erholen musstet. Der Sheriff von Powder River hat euch mit seinem Aufgebot eine Zeitlang in Atem gehalten, weil ihr ...«

»Aber, aber, wer wird denn so alte Geschichten wieder aufwärmen wollen«, fiel Ringo Faith ihm kichernd ins Wort. »Was haben Sie nur plötzlich gegen uns, Marshal? Ist in Miles City vielleicht ein silberner Löffel gestohlen worden? Soeben sagten Sie noch, wir könnten uns miteinander arrangieren.«

»Yeah, solange ihr zur Erholung hier seid.«

»Hört auf«, stöhnte Red Burton plötzlich aus seiner Ecke neben dem Herd und stemmte sich empor. »Hör auf, Boss, mir brummt der Schädel von diesem nichtssagenden Geschwätz. Ist dir denn immer noch nicht klar, warum diese Pilger hergekommen sind?«

Der milchgesichtige Ringo Faith starrte mit tückischen Blicken Red Burton an.

»Whitcliffe«, zischte er, »bis jetzt war dieser rothaarige Kuhtreiber ziemlich vernünftig. Wenn er jetzt den Verstand verlieren sollte, legen Sie ihn besser gleich an die Kette. Ich mag Durango nicht mit dem Anblick einer rothaarigen Leiche den Appetit verderben.«

Red Burtons sommersprossiges Gesicht verkrampfte sich, und Emmet Whitcliffe warf ihm einen warnenden Blick zu.

»Kommen wir zur Sache, Faith. Was habt ihr mir zu sagen?«

Der Revolverheld lächelte dünn.

»Wir sind diesmal nicht nur zur Erholung hier, Marshal«, erklärte er mit hinterhältiger Freundlichkeit. »Wir haben Freunde in der Stadt, und Freunden soll man immer behilflich sein, nicht wahr? Es geht in diesem Land noch ein bisschen wild und ungeregelt zu. Um das zu ändern, sind wir schon jetzt hergekommen.«

»Verstehst du das, Boss?«, schnaubte Red Burton aufgebracht.

»Noch nicht«, bemerkte der Marshal mit schmalen Lippen. »Aber ich bin sicher, Faith wird es uns noch genauer erklären.«

»Falsch geraten, Mister«, grinste Ringo Faith und wechselte einen Blick mit seinen Kumpanen. »Das war schon alles. Wir wollten nur noch den guten Rat daran knüpfen, dass Sie sich am besten nicht um Dinge kümmern, die außerhalb Ihres Amtsbereichs liegen und die Sie nichts angehen. Können Sie folgen?«

Emmet Whitcliffe ging über die spöttische Frage hinweg.

»Und dazu musstet ihr hierher auf die Ranch kommen?«, fragte er verkniffen.

»Yeah, denken Sie mal an«, ließ sich Ray Desmond gedehnt vernehmen. »Wir hielten es für besser so. Wenn wir Sie in der Stadt aufgesucht hätten, würden gewisse Leute vielleicht glauben, wir wollten Sie einschüchtern. Und uns liegt daran, dass Sie ihr Gesicht nicht verlieren, Whitcliffe. Ein kleiner Freundschaftsdienst, wenn Sie so wollen.«

Er erhob sich und schob den Tisch zur Seite. Diego Zagallo setzte seinen Hut richtig auf, und Durango Ellis stopfte hastig den Mund voll, ehe er seinen Partnern folgte.

»Das Frühstück war hervorragend«, bemerkte er. »Bei Gelegenheit laden wir uns wieder ein.«

»Ist recht«, entgegnete Manuel Escavada mit einem grimmigen Nicken. »Ich werde Strychnin im Salztopf bereitstellen, dann fällt es nicht so auf.«

Aber Durango Ellis' Laune schien von seinem vollen Magen bestimmt zu werden, denn er lachte nur und rückte seinen Gurt zurecht, der sich über seinen breiten Leib spannte.

»Los, hole uns die Gäule aus dem Stall, Rotkopf«, kommandierte Ringo Faith mit einem arroganten Wink zu Red Burton. »Und lass den Köter besser eingesperrt, sonst muss ich ihm Manieren beibringen.«

Red Burton und Emmet Whitcliffe verständigten sich durch einen Blick, dann ging der rothaarige Weidereiter schweigend hinaus.

Durch den Windfang sah der Marshal zu, wie die Desperados ihre Pferde bestiegen und durch den sich lichtenden Nebel davonritten.

Kurz darauf kam Red Burton vom Stall herüber und ließ den Hund frei, der mit freudigem Winseln an Emmet Whitcliffe emporsprang.

»Sie waren auf einmal da, noch ehe wir sie richtig erkennen konnten«, sagte Red Burton verdrossen.

Emmet Whitcliffe warf mit geschicktem Schwung seinen Hut auf einen Haken, entledigte sich seiner Segeltuchjacke und nahm den Platz ein, auf dem kurz zuvor Durango Ellis gesessen hatte. Sein Gesicht war nachdenklich und verschlossen. Als Manuel eine Frage an ihn richtete, nickte er nur kurz und wartete dann schweigend ab, bis der Vaquero ihm sein Frühstück hinschob.

»Was wirst du mit diesen Banditen tun?«, wollte Manuel wissen.

»Ich habe mit Trevor Britten und Ambrose Fettering eine Vereinbarung getroffen, Manuel«, entgegnete er beinahe schroff. »Meine Aufgabe ist es, die Bürger und Geschäftsleute von Miles City zu schützen und den Frieden der Stadt zu hüten. Ich bin kein Staatenreiter und kein Sheriff, sondern nur ein kleiner Town Marshal. Und somit bin ich nicht für ein County oder gar für das ganze Yellowstonegebiet verantwortlich, sondern nur für meine kleine Stadt. Zu mehr reichen meine Mittel auch gar nicht.

Ich habe Miles City zu einer verhältnismäßig friedlichen Stadt gemacht, obwohl sich in jedem Winter Satteltramps und Banditen dort einnisten. Genau das ist es, was die Stadtväter erreichen wollten. Es interessiert sie nicht, was all diese Burschen auf dem Kerbholz haben oder ob sie irgendwo gesucht werden, und dieselbe Einstellung erwarten sie auch von mir, weil das ihren Geschäften förderlich ist.«

»Verteufelt billig, wie?«, grunzte Red Burton. »Wo andere Menschen ein Gewissen haben, da kennen diese Pfeffersäcke nur ihr Geschäft.«

Der Marshal hob den Kopf und blickte den blauen Rauchschwaden nach, die zur Decke zogen.

»Damit verurteilst du mich ebenso wie sie, Red«, sagte er ruhig.

Der Rotschopf zuckte zusammen.

»Unsinn, Boss«, entfuhr es ihm ungewollt heftig. »Du hast schon mehr als einmal für ihre lausigen Dollars dein Leben riskiert. Wenn ich noch an die Sache mit den Torvay-Brüdern denke ...«

»Das war etwas anderes, Red«, belehrte ihn Emmet Whitcliffe mit überlegenem Gleichmut. »Die Torvays haben in der Stadt selbst Unruhe gestiftet.«

»Eben«, lachte Red Burton gallig auf. »Wochenlang hat es dem prächtigen Ambrose Fettering nichts ausgemacht, der Torvay-Bande in seiner Spielhölle die Dollars aus der Tasche zu ziehen, bis sie restlos blank waren. Aber dann, als sie sich ihr Geld mit einem kleinen Überfall zurückgeholt hatten, schrie er Zeter und Mordio. War es nötig, dass du dich deshalb gleich mit vier harten Burschen auf einen Revolverkampf einließest? Zwei von ihnen hast du noch in der Stadt erwischt und einen auf der Flucht angeschossen, ehe sie dir im Schneesturm an der Bison-Furt entkommen konnten. Wo liegt denn der Unterschied zwischen den Torvays und solchen Figuren wie Ringo Faith und Durango Ellis?«

»Darin, ob sie in Miles City Frieden halten«, erwiderte Emmet Whitcliffe nüchtern. Es ließ sich unschwer erkennen, dass ihm bei dieser Erklärung selbst nicht wohl war, denn wie zur Verteidigung fuhr er fort: »Ich kann nicht in ein paar Wintermonaten regeln, was während vieler Jahre in ganz Montana versäumt worden ist, Red. Einen solchen Versuch würde ich nicht einmal vierundzwanzig Stunden überleben. – Und jetzt reden wir von der Ranch. Was gibt es Neues?«

Nach einer Viertelstunde hatte der Marshal alles mit seinen beiden Weidereitern durchgesprochen, dann brach er wieder auf und nahm die Bestellung für den Store mit, die Manuel allwöchentlich aufschrieb.

Der Nebel hatte sich gelichtet. Es versprach doch noch ein schöner Tag zu werden.

✰✰✰

Wenn in Miles City von Hilfsmarshal Vitus Long die Rede war, dann sprach man nur von dem »dürren Gespenst«. Und eine bessere Beschreibung konnte es für den schrulligen Jüngling gar nicht geben, der mit großem Eifer den Flaum auf seiner Oberlippe pflegte und sich davon eine Hebung seines Ansehens und seiner Männlichkeit versprach. Vitus Long war ein Träumer, einer von der sympathischen Sorte. Der blinkende Stern des Deputy Marshals, den er trug, wirkte auf seine Fantasie wie ein Anregungsmittel. Und es gab in Miles City nur wenige Leute, die herzlos genug waren, seine Traumwelt zu zerstören oder es wenigstens zu versuchen.

Einer davon war Trevor Britten. Anwalt, Stadtrat und Grundstücksagent in einer Person. Er trat aus seinem Office, zog eine dünne Virginia aus der Brusttasche seines grauen Gehrocks und war gerade dabei, sie anzuzünden, als Vitus Long die Straße herabgeschritten kam. Trevor Britten grinste beim Anblick der dünnbeinigen Gestalt und schob sich bis zur Gehsteigkante vor.

»Long«, sagte er, »bewegen Sie sich ein bisschen schneller und kommen Sie her, Sie langes Elend.«

Vitus Long zögerte. Als er dann seine langen Gliedmaßen betont gemächlich in Bewegung setzte, lag auf seinem faltigen Gesicht der Ausdruck schmerzlich auf sich genommener Pflichterfüllung.

»Mein lieber alter Rechtsverdreher«, sagte er grämlich, »sollten Sie die Absicht haben, mich mit dieser respektlosen Bezeichnung in meiner Amtsehre kränken zu wollen?«

Trevor Britten riss sich die Zigarre aus dem Mund und feuchtete die Lippen an. Er grinste noch immer, doch in diesem Grinsen zeigte sich nicht der geringste Funke wirklichen Humors.

»Rechtsverdreher?«, fauchte er. »Hören Sie mir zu, Sie lächerliche Attrappe von einem ...«

»Entschuldigung, Sir«, unterbrach ihn Vitus Long höflich und mit fragender Miene, »sind Sie vielleicht der Gouverneur?«