H. C. Hollister 110 - H.C. Hollister - E-Book

H. C. Hollister 110 E-Book

H. C. Hollister

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Beschreibung

Sicherlich gehört neben harter Arbeit auch eine Menge Glück dazu, eine Herde halbwilder Longhorns aus den Llanos von Texas bis hinauf nach Oregon zu treiben. Yank Hammond und sein Partner haben dieses Glück, aber gerade das muss einen Mann beunruhigen, der davon in seinem ganzen Leben noch nicht viel zu spüren bekommen hat. Und dann, am Abend ihres Eintreffens im hohen Norden, scheint dieses Glück tatsächlich zu Ende zu sein.
Yank Hammonds Partner fällt der Kugel eines unbekannten Mörders zum Opfer. Ungewollt wird er selbst in das Spiel jener Kräfte hineingezerrt, die dieses große Becken beherrschen. Nicht einmal der feste Vorsatz, unabhängig zu bleiben, kann ihn davor bewahren. So wird Yank Hammond selbst zu einer Kraft in der Auseinandersetzung, der er sich nicht entziehen kann. Aber selbst dann, wenn er sich scheinbar treiben lässt oder sich den Absichten der Mächtigen fügt, geht er in Wirklichkeit noch unbeirrt seinen eigenen Weg, der ihn zu dem Mörder seines Partners führen soll.

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Inhalt

Cover

DER WEG NACH NORDEN

Vorschau

Impressum

DER WEG NACH NORDEN

Sicherlich gehört neben harter Arbeit auch eine Menge Glück dazu, eine Herde halbwilder Longhorns aus den Llanos von Texas bis hinauf nach Oregon zu treiben. Yank Hammond und sein Partner haben dieses Glück, aber gerade das muss einen Mann beunruhigen, der davon in seinem ganzen Leben noch nicht viel zu spüren bekommen hat. Und dann, am Abend ihres Eintreffens im hohen Norden, scheint dieses Glück tatsächlich zu Ende zu sein.

Yank Hammonds Partner fällt der Kugel eines unbekannten Mörders zum Opfer. Ungewollt wird er selbst in das Spiel jener Kräfte hineingezerrt, die dieses große Becken beherrschen. Nicht einmal der feste Vorsatz, unabhängig zu bleiben, kann ihn davor bewahren. So wird Yank Hammond selbst zu einer Kraft in der Auseinandersetzung, der er sich nicht entziehen kann. Aber selbst dann, wenn er sich scheinbar treiben lässt oder sich den Absichten der Mächtigen fügt, geht er in Wirklichkeit noch unbeirrt seinen eigenen Weg, der ihn zu dem Mörder seines Partners führen soll.

Der Schuss krachte hart und peitschend, und Mark Masters schien von einer Sekunde zur anderen um einen halben Kopf größer zu werden. Zweimal öffnete er den Mund wie zu einem Schrei, während sein Gesicht zusehends verfiel und grau wurde.

»Nein«, sagte er dann, »nein, nein!« Nur diese Worte kamen krächzend und fassungslos aus seiner Kehle. Daraufhin griff er mit beiden Händen an seinen Leib und schwankte bis an die Hinterwand der Veranda zurück. Sein Umhang knisterte und bauschte sich, als er quälend langsam zu Boden sank.

Mit einem einzigen Sprung war Yank Hammond beim Wagen und riss seinen Sattelkarabiner unter dem Fahrersitz hervor.

Der Schuss war drüben bei der Brücke abgefeuert worden. Obgleich in der Dunkelheit dort draußen kaum etwas zu erkennen war, riss Yank Hammond das Gewehr an die Schulter und jagte dreimal in blitzschneller Folge seine Kugeln in die Nacht.

Er brauchte nicht zu überlegen, um instinktiv das Richtige zu tun. Eine Lampe hing vom Balken der Veranda, die Stalllaterne stand noch auf den Stufen, und zudem drang weiterer Lichtschein aus der geöffneten Tür. Ehe man Mark Masters in Deckung bringen konnte, hätte der Schurke dort drüben mit seinen nächsten Schüssen weiteres Unheil anrichten können. Es gab also nur die winzige Chance, das Feuer so rasch wie möglich zu erwidern und den anderen damit in Deckung zu zwingen.

Yank hatte sein Gewehr erst zum zweiten Mal repetiert, als ein gefleckter Schatten mit heiserem Winseln von der Veranda schnellte und in der Finsternis verschwand. Also stellte Yank nach dem dritten Schuss sein Feuer ein und setzte mit langen Sprüngen hinter dem Hund her. Wenn Hassan den Mörder stellte, dann konnte man ihn vielleicht doch noch in die Hand bekommen.

Die Entfernung bis zur Brücke betrug etwa achtzig Yards. Erst knapp die Hälfte dieser Strecke hatte Yank auf der schlammigen Straße zurückgelegt, als der Hund ein einziges Mal anschlug. Gleich danach peitschte wieder ein Gewehrschuss, ein wilder Fluch war zu hören, und dann ertönte ein langgezogenes Jaulen.

Yank Hammond schnellte vorwärts, als ginge es um sein eigenes Leben. Das Holzgeländer der Brücke tauchte aus der Dunkelheit auf. Dort, am hinteren Ende der Brücke, war auch ein hellerer Fleck auszumachen. Dann sah Yank einen großen Schatten und vernahm dumpf trommelnden Hufschlag. In vollem Lauf warf er sich zurück, strauchelte in den aufgeweichten Radfurchen der Straße und riss mit gespreizten Beinen wieder das Gewehr in Anschlag. An ein richtiges Zielen war nicht zu denken. Nur gefühlsmäßig konnte er den Karabiner auf den schemenhaften Schatten richten und dessen Bewegung mit dem Lauf verfolgen. Viermal fühlte er den harten Rückstoß der Waffe an seiner Schulter, dann gab er es auf und lauschte. Der Hufschlag war verklungen. Dunkel und feindselig war die Schwärze der Nacht, obgleich die Wolkendecke aufgerissen war und in Fetzen über den Himmel jagte.

Er senkte das Gewehr und biss knirschend die Zähne aufeinander. Mit mattem Winseln schleppte sich der Hund auf ihn zu und taumelte dabei. Sein Fell war von Lehm und Schlamm verklebt. Yank beugte sich zu ihm hinab, konnte aber keine Verletzung erkennen.

»Hassan«, sagte er heiser, »komm, mein braver Hund. Wir haben getan, was wir konnten, nicht wahr?«

Er packte den Collie beim zottigen Nackenfell und führte ihn zum Haus zurück. Allmählich wurden Hassans Bewegungen wieder sicherer, je mehr er seine Benommenheit überwand. Erst im Schein der Laternen sah man die blutverklebte Stelle an seinem Kopf. Von einem Schuss schien sie nicht herzurühren, also war sie vermutlich auf einen Hieb oder Stoß mit dem Gewehrkolben zurückzuführen. Das hätte auch die Benommenheit und das Schwanken des Hundes erklärt. Yank Hammond registrierte es nur mit einem Blick und wandte sich wie gehetzt dem Freund zu, der auf der Veranda am Boden lag und Kopf und Schultern gegen die Wand stützte.

Mark Masters hatte die Augen geöffnet und bewegte die Lippen, aber sein Gesicht zeigte dabei eine geisterhafte Starre. Claire Bellman, die Herrin des Hauses, in dem die Freunde vor dem Unwetter Schutz gesucht hatten, kniete neben ihm und hielt seine Hände, während Jenny, die Tochter, mit fassungsloser Miene dastand.

»Mark«, sagte Yank Hammond mit fremder Stimme, »lass den Blödsinn! Die richtigen ›Alten Knochen‹ von der Texas-Brigade sind zäh. Mich hat es gleich dreimal erwischt, und trotzdem ...«

Der stämmige Mann wollte sprechen, brachte aber zunächst keinen Laut hervor. Dafür hob er die Hand zu einer matten Abwehr und zwang sich zu einem verzerrten Lächeln.

»Immer ...«, ächzte er abgerissen, »immer habe – ich Angst vor einem Bauchschuss gehabt, Yank. Du – du hast doch – genau – gesehen, wo mich dieser Schuft getroffen hat. Aber es – es ist gar nicht so schlimm. Vielleicht liegt das am Whisky. Ich spüre – kaum etwas, wirklich, Yank – es ist nur alles so taub – in der Magengegend. Meinst du – meinst du, dass ich durchkommen könnte?«

Yank Hammond musste sich zwingen, nicht auf das kleine Loch in Mark Masters' gelbem Ölumhang zu blicken. Er selbst hatte im entscheidenden Augenblick vor dem Freund gestanden, nur durch die Höhe der Verandastufen von ihm getrennt. Die Kugel konnte seinen Kopf demnach nur um eine Handbreite verfehlt haben. Dafür hatte sie Mark Masters dann in den Leib getroffen, eine knappe Spanne unterhalb des Brustbeins. Der Gedanke an Marks reichhaltige Mahlzeit im Herdencamp krampfte Yank die Kehle zusammen.

»Was glaubst du denn?«, erwiderte er gepresst. »So etwas machen die Knochenflicker heute mit der linken Hand. Bleib jetzt nur erstmal ruhig liegen, mein Junge. Diesmal bin ich eben an der Reihe, für dich zu sorgen. Ich werde den Doc aus der Stadt herholen.«

Die Verkrampfung, die Mark Masters befallen hatte, schien sich unter den beruhigenden Worten etwas zu lockern. Aber plötzlich durchzuckte es ihn wieder, und er versuchte sich aufzurichten. Mit aller Kraft musste Yank seine Schultern zurückdrücken. Mit der Linken umkrallte der tödlich Getroffene den Unterarm des Freundes.

»Yank«, kam es kaum vernehmbar über seine Lippen, »das hat er getan. Auch – auch wenn er mich nicht selbst aufs Visier genommen hat – er steckt dahinter, Yank. Du – du musst mir versprechen, dass du ...«

Mitten im Satz brach Mark Masters ab und bäumte sich noch einmal auf. Dann sank er mit einem letzten Seufzer zurück, und sein Kopf fiel schlaff zur Seite.

Yank Hammond regte sich nicht. Nur seine Augen verdunkelten sich vor Schmerz. Er hörte Jennys leises Schluchzen und sah, wie Claire Bellman dem Toten sacht die Augen zudrückte. Dann erst knöpfte er mit steifen, marionettenhaften Bewegungen seinen Umhang ab und deckte den Freund damit zu.

»Claire«, sagte er mit einer Stimme, die aus einer anderen Welt zu stammen schien, »wen hat er gemeint? Wer ist der Bursche, von dem Mark annimmt, dass er hinter diesem Anschlag steckt?«

Mit bleichem Gesicht beugte sich Claire Bellman zu dem Hund hinab, der sich an ihren Schenkel drängte und ihr die Hand leckte.

»Wenn Hassan reden könnte ...«, sagte sie unbestimmt.

»Sie können es«, fiel ihr Yank mit harter Betonung ins Wort. »Sie haben doch sicher einen Verdacht, also sprechen Sie ihn offen aus.«

»Ich – ich kann es nicht, Yank«, versetzte die Frau erstickt. »Es ist einfach zu furchtbar. Darf man sich bei einer solchen Tat denn auf einen unbewiesenen Verdacht verlassen?«

Angesichts des Toten quoll in Yank Hammond die Erbitterung wie eine heiße Woge empor. Für ihn stand es in diesem Moment bereits völlig außer Zweifel, dass Claire Bellman jemanden decken wollte.

»Schon gut«, entgegnete er spröde und beinahe feindselig. »Ich werde es bestimmt auch ohne Sie herausfinden. Übrigens hat sich in diesen wenigen Minuten etwas geändert. Vorher wusste ich noch nicht, ob ich bleiben oder mit meiner Herde weiterziehen würde. Jetzt weiß ich es ganz genau ...«

✰✰✰

Yank Hammond war darauf vorbereitet, eine jener gescheiterten Existenzen oder einen resignierenden Mann als Marshal von Pine Springs anzutreffen. Er war deshalb überrascht, als er Warren Daniels sah. Der Marshal war mittelgroß und knorrig, einer von den zähledernen beweglichen Oldtimern, die keine Unze Fleisch zu viel auf den Rippen hatten. Er hatte anscheinend gerade einen Rundgang machen wollen, denn er trat unmittelbar vor Yank aus der Tür und musterte ihn mit durchdringenden Blicken.

»Marshal?«, sagte Yank fragend.

Warren Daniels schlug schweigend seine Jacke zurück, sodass der Stern auf seiner Weste sichtbar wurde. Er war kein Freund vieler Worte.

»Und Sie, Mister?«, fragte er knapp.

»Yank Hammond«, stellte Yank sich ebenso knapp vor. »Wir sind mit einer Treibherde hergekommen. Sie lagert oben auf dem Plateau.«

»Wir?« Die Augen des Marshals hatten bereits die stumme Gestalt erspäht, die auf der Ladefläche des Wagens lag und mit der Regenplane zugedeckt war, sodass nur die Stiefel darunter hervorragten.

»Mark Masters und ich«, erklärte Yank Hammond hart. »Aber jemand scheint uns an der Brücke erwartet zu haben.«

»Beim Bellman-Haus?« Nur in der Stimme des Marshals klang etwas von seiner gespannten Erregung an. »Warten Sie, Hammond!«

Er wandte sich noch einmal zur Tür zurück und rief:

»Dennison! Beweg dich, du träger Halunke! Hier gibt es etwas zu tun.«

Der Hilfsmarshal, der daraufhin erschien, füllte mit seiner behäbigen Gestalt fast den ganzen Türrahmen aus. Er hatte einen Stiernacken und ein breitflächiges, bleiches Gesicht.

»Yeah?«, fragte er schleppend, blinzelte und zog sich die Hose hoch.

»Sieh dir das an«, knirschte Warren Daniels. »Die Herde ist noch nicht ganz angekommen, da geht der Ärger schon los. Mark Masters ist getötet worden.«

Miles Dennison, der klobige Deputy, zuckte sichtbar zusammen. Seine Kinnlade sank für einen Moment herab.

»Schon?«, ächzte er.

Der Marshal maß ihn mit einem verärgerten Blick.

»Wieso schon?«

Der Hilfsmarshal räusperte sich und starrte aus seinen vorquellenden Augen auf Yank Hammond.

»Sie – Sie haben doch gesagt, dass der Ärger schon losgeht«, stotterte er. »Das habe ich gemeint.«

Yank fand die Verwirrung des Mannes zumindest bemerkenswert. Nur ein Narr hätte übersehen können, dass es sich bei dessen Erklärung um eine Ausflucht handelte.

In dem faltigen Gesicht des Marshals zeigte sich keine Regung.

»Bring ihn zu Tom Kearny hinüber«, wies er seinen Gehilfen an. »Dann stelle den Wagen in den Hof und versorge die Pferde. Ich werde unterdessen mit Mr. Hammond ein Protokoll aufnehmen. – Sie bleiben doch für heute Nacht in der Stadt?«, wandte er sich fragend an Yank.

Der nickte und zog sein Gewehr unter dem Fahrersitz hervor. Die neugierigen Blicke des massigen Hilfsmarshals beschäftigten weiterhin seine Gedanken.

»Ich möchte, dass Mark ein erstklassiges Begräbnis bekommt«, sagte er mit zuckenden Lippen.

»Hast du gehört, Dennison?«, schnaubte der Marshal. »Richte es Tom Kearny aus.«

Der Deputy schrak zusammen.

»Sicher«, erwiderte er hastig. »Wird alles bestens erledigt, Hammond. Darf man fragen, wer Ihren Freund erledigt hat?«

Wenn nicht schon das Äußere dieses Burschen so unsympathisch gewesen wäre, spätestens diese Ausdrucksweise hätte Yank angewidert.

»Das werden Sie schon noch früh genug erfahren, Mister«, versetzte er schroff. Dann folgte er einem einladenden Wink des Marshals und ging voraus ins Office.

Es dauerte etwa eine Viertelstunde, bis Warren Daniels die Einzelheiten nach Yank Hammonds Bericht zu Papier gebracht hatte. Dann warf er den Federhalter in die Schale und las das Geschriebene noch einmal durch.

»Natürlich haben Sie sich schon ein Urteil gebildet, nicht wahr?«, fragte er dann mit gespannter Erwartung.

Yank drehte seinen Knotenstock zwischen den Händen.

»Ich habe mir Gedanken gemacht«, gab er düster zu. »Jeder hätte das an meiner Stelle getan.«

»Und zu welchem Schluss sind Sie gekommen?«

»Ich habe mich gefragt, wem Mark Masters im Weg gewesen sein könnte.«

»Eine gute Frage. Kennen Sie die Antwort schon?«

»Der Mann, der die Kontrolle über dieses Becken für sich beansprucht, heißt Terence Deerwood, nicht wahr?«

Der Marshal nickte – nicht um Yanks Erkundigung zu bejahen, sondern als ob er etwas Ähnliches erwartet hätte.

»Das hat Mark Masters Ihnen also erzählt?«

»Und noch einiges mehr.«

»Auch von dem Ärger, den die Leute von den Green Meadows mit der TD-Ranch haben?«

»Auch davon«, bestätigte Yank nüchtern.

»Jetzt meinen Sie natürlich, dass sich diese Dinge außerhalb meines Amtsbereichs abspielen, nicht wahr?«

»Ist es denn nicht so?«

Warren Daniels stopfte gelassen seine Pfeife zu Ende.

»Wissen Sie«, murmelte er gedehnt, »hier bei uns legt man die Gesetze noch nicht so spitzfindig aus. Bis jetzt hat auch kaum jemand Einspruch erhoben, wenn ich die Stadtgrenzen aus eigener Machtvollkommenheit mal ein bisschen erweitert habe – sagen wir um fünfzehn oder zwanzig Meilen ...«

»Nicht einmal Terence Deerwood?«

»Nicht einmal der«, versetzte der Marshal sarkastisch.

»Hat er dafür einen besonderen Grund?«

»Vielleicht«, entgegnete Warren Daniels unbestimmt, paffte an seiner Pfeife und löschte schlenkernd das Zündholz aus. »Es gibt jenseits der Seen eine kleine Ortschaft namens Dayton. Auch ihre Bewohner haben mir ein kleines Gehalt als Marshal ausgesetzt, weil ich sonst nicht zurechtkäme. Ich kann also mit einigem Recht behaupten, dass sich mein Amtsbereich von hier bis nach Dayton erstreckt.«

»Über das ganze Becken also?«

»Yeah, denken Sie mal an.«

»Das ist gerissen.«

»Man tut, was man kann«, wehrte der Marshal mit bescheidenem Grinsen ab.

Aber Yank Hammond war nicht zu solchen Scherzen aufgelegt.

»Dann teilen Sie sich also die Kontrolle des Beckens mit Terence Deerwood?«, fragte er bissig.

»Sie meinen, dass er mich in der Tasche hat?«

»Oder dass er Ihnen vielleicht zu einer weiteren Aufbesserung Ihres Gehalts verhilft«, sprach Yank ungeschminkt seine Gedanken aus.

Warren Daniels schien ihm das nicht einmal übelzunehmen. Er vollführte eine nichtssagende Bewegung mit dem Pfeifenstiel.

»Diesen Verdacht haben schon viele gehabt«, gab er unumwunden zu. »Nur den Beweis hat noch niemand erbringen können. Und natürlich hat sich bislang keiner getraut, es mir so offen ins Gesicht zu sagen wie Sie, Hammond.«

»Möglicherweise wissen die anderen auch so, wo Sie stehen, Warren Daniels«, gab Yank unnachgiebig zurück.

Der Marshal schürzte die Lippen.

»Das ist schwer zu sagen. Lane Braddock meint natürlich, dass ich Terence Deerwoods Mann wäre. Deshalb macht er Stimmung gegen mich und tut alles, damit der Stadtrat im nächsten Jahr meinen Vertrag nicht verlängert.«

»Und was denkt Deerwood selbst?«

»Bei dem ist es noch schwieriger als bei mir, seine Gedanken zu erraten«, grinste Daniels. »Vielleicht hilft es Ihnen weiter, wenn ich gestehe, dass mir bei jedem Besuch auf der TD-Ranch ein Glas Portwein angeboten wird – der beste Portwein übrigens, den ich jemals getrunken habe.«

Yank kam sich vor wie in einem Irrgarten. Auf jeden Fall hatte der Marshal eine besondere Art von Humor. Offenbar befriedigte es ihn, den anderen Nüsse zuzuspielen und dann zu beobachten, ob und wie sie geknackt wurden. Yank fasste den Entschluss, sich keine Blöße zu geben.

»Lane Braddock ist Landagent, nicht wahr?«, fragte er verschlossen.

Warren Daniels wiegte den Kopf.

»Ein vielseitiger Mann«, entgegnete er bedeutungsvoll und versuchte mit seinem Tonfall einen gewissen Respekt auszudrücken. »Als er vor Jahren herkam, übernahm er die Oregon Hall, das ist der große Saloon auf der anderen Straßenseite. Dann kam er in den Stadtrat, machte auch Grundstücksgeschäfte und nannte sich Makler. In der Zwischenzeit hat er schließlich die Vermont-Ranch übernommen und vor ein paar Monaten den Frachthof von Ben Rogers aufgekauft. Seine Freunde meinen, er sei ein bedeutender Mann und würde bestimmt eines Tages einen Platz im Kongress einnehmen.«

»Und was sagen seine Feinde?«

»Das ist das Merkwürdige an Lane Braddocks – er scheint keine Feinde zu haben. Außer Terence Deerwood natürlich, und den könnte man höchstens als Braddocks Gegner bezeichnen. Verstehen Sie den feinen Unterschied?«

»Sie meinen, Terence Deerwood nimmt diesen Lane Braddock nicht ernst?«

Wieder beschäftigte sich der Marshal eine Weile mit seiner Pfeife, die nicht richtig ziehen wollte, ehe er erwiderte:

»Er hat es jedenfalls lange Zeit nicht getan.«

»Inzwischen ist er also bekehrt?«

Daniels hob die Schultern. »Wer will das bei Terence Deerwood schon entscheiden?«

Skeptisch blickte Yank Hammond ihn an. Manchmal erweckte dieser Marshal mit seinem verschmitzt-törichten Lächeln den Eindruck eines alten Trottels. Aber Yank hatte längst Klarheit darüber gewonnen, dass dieser Eindruck täuschte.

»Sie selbst haben keine Meinung über Lane Braddock?«, erkundigte er sich ironisch.

Es schien so, als nähme Warren Daniels den beißenden Spott gar nicht wahr. Wenn doch, dann prallte er jedenfalls vollkommen wirkungslos an ihm ab.

»Er hat sich bei der Fortentwicklung dieses Landes große Verdienste erworben«, antwortete er scheinbar arglos.

Yank kniff die Augen zusammen. »Meinen Sie damit das Verdienst oder den Verdienst?«

»Das ist ein bisschen zu hoch für einen alten, vertrottelten Marshal, finden Sie nicht, Hammond?«, entgegnete Warren Daniels gleichmütig. »Suchen Sie sich heraus, was Ihnen passt. Sie können doch nicht erwarten, dass ich mir gegenüber einem Fremden das Maul verbrenne.«

»Und wie sehen Braddocks Verdienste aus?«

»Er unterstützt die Besiedlung und bringt Menschen ins Land.«

»Auch die Leute von den Green Meadows?«

Resigniert klopfte der Marshal seine Pfeife aus, weil sie endgültig erloschen war.

»Ich glaube schon, dass die beiden Masters, Ihr Schwager Savage und ein paar andere seinem Rat gefolgt sind, als sie auf den Green Meadows ihre kleinen Ranches und Siedlerstellen gründeten. Seine Verbindungen zu Milton Masters und dessen Frau Moira sollen sogar ausgesprochen freundschaftlichen Charakter haben.«

Nur ein winziges Schwanken in Daniels' Stimme verriet Yank, dass der Marshal zum Schluss ein wenig gezögert hatte. Er setzte auch dieses winzige Steinchen in das Bild ein, das er sich allmählich aus vielen Bruchstücken und Einzelheiten zu formen begann. Man müsste viele unsichtbare Strömungen ergründen, ehe man die Kräfte erfasste, von denen die Menschen dieses Beckens getrieben wurden.

Yank Hammond spürte, dass es irgendwo in seinen Gedanken und in denen des Marshals gleichsam eine gemeinsame Wellenlänge gab, obgleich nach außen hin nichts davon in Erscheinung trat.

»War das schon alles, was Sie über Braddocks Verdienste zu sagen hatten?«, murmelte er gedehnt.

»Nein, selbstverständlich nicht«, beteuerte Warren Daniels treuherzig. »Das Wichtigste habe ich beinahe vergessen: Drüben in der Oregon Hall steht für mich und meinen Deputy immer eine Flasche mit echtem Scotch bereit – gratis, versteht sich ...«

Das war schon mehr als Ironie, das war blanker Hohn. Yank wusste nicht mehr zu sagen, wer hier wen auf versteckte Art verspottete, und er gestand sich ein, dass er in seiner Selbstsicherheit einen bösen Stoß bekommen hatte. Wahrscheinlich machte er in den Augen des Marshals keine besonders gute Figur, auch wenn Daniels sich nichts davon anmerken ließ. Diese Erkenntnis veranlasste ihn, direkt auf sein Ziel loszusteuern.

»Die TD-Ranch und die Leute von den Green Meadows stehen nicht auf sehr gutem Fuß miteinander, wie?«, fragte er lakonisch.