H. C. Hollister 106 - H.C. Hollister - E-Book

H. C. Hollister 106 E-Book

H. C. Hollister

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Dort wo das Herz des Rinderlands von Texas schlägt, an der Grenze zwischen dem Comanche- und dem San-Mateo-County, herrschen zwei mächtige Sippen, die Reventlows und die Jeromes. Nur der Sage-Creek, an dessen Ufern sich eine Kette von Siedlern niederließ, trennt die beiden Rinderreiche. Und solange man sich erinnern kann, herrscht Krieg zwischen den beiden Sippen. Wenn auch im Augenblick Frieden zu sein scheint, unter der Oberfläche schwelen der Hass und die Feindschaft weiter.
Eine Fügung des Schicksals will es, dass Nancy Jerome und Dan Reventlow dieselbe Postkutsche nehmen, ohne dass sie sich zunächst kennen. Dan kann Nancy nicht vergessen, und so kommt es, wie es kommen muss. Als man ihre heimliche Zusammenkunft entdeckt, ist es fast zu spät; das schwelende Feuer des Hasses wird zur alles verzehrenden Flamme. Wiederum wird wie in alten Zeiten Blut vergossen. Dan Reventlow ist es, der aus Gründen der Vernunft und, wo das nicht fruchtet, mit eiserner Härte gegen Rachsucht und Unduldsamkeit vorgeht.


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 147

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

DER STUMME BEFEHL

Vorschau

Impressum

DER STUMME BEFEHL

Dort wo das Herz des Rinderlands von Texas schlägt, an der Grenze zwischen dem Comanche- und dem San-Mateo-County, herrschen zwei mächtige Sippen, die Reventlows und die Jeromes. Nur der Sage Creek, an dessen Ufern sich eine Kette von Siedlern niederließ, trennt die beiden Rinderreiche. Und solange man sich erinnern kann, herrscht Krieg zwischen den beiden Sippen. Wenn auch im Augenblick Frieden zu sein scheint, unter der Oberfläche schwelen der Hass und die Feindschaft weiter.

Eine Fügung des Schicksals will es, dass Nancy Jerome und Dan Reventlow dieselbe Postkutsche nehmen, ohne dass sie sich zunächst kennen. Dan kann Nancy nicht vergessen, und so kommt es, wie es kommen muss. Als man ihre heimliche Zusammenkunft entdeckt, ist es fast zu spät; das schwelende Feuer des Hasses wird zur alles verzehrenden Flamme. Wiederum wird wie in alten Zeiten Blut vergossen. Dan Reventlow ist es, der aus Gründen der Vernunft und, wo das nicht fruchtet, mit eiserner Härte gegen Rachsucht und Unduldsamkeit vorgeht.

Dan Reventlow dreht sich eine Strohhülsenzigarette, während er auf die Siedlerstelle, die Felder und die Zäune herabblickt. Fast eine halbe Stunde hat er bereits gewartet, als er die schlanke Gestalt Nancy Jeromes aus der Tür treten und zum Wagen gehen sieht. Vincent Hubbard, ein bärtiger Siedler, folgt ihr in unterwürfiger Haltung und ist ihr beim Aufsteigen behilflich.

Sobald das Mädchen unten in der Senke die Leinen ergreift und anfährt, sitzt auch Dan Reventlow auf und zieht seinen fahlen Wallach herum. Er zeigt in jeder Bewegung die Leichtigkeit und Körperbeherrschung eines Mannes, der für den Sattel geboren ist. Er hat ein schmales, kantiges Gesicht und das krause, braune Haar der Reventlows. Auch sein schmallippiger Mund könnte als typische Familieneigenart gelten.

Nach wenigen Minuten hat Dan Reventlow die Ausläufer der Hügel erreicht und galoppiert über die Bodenwellen in die tieferen Regionen der Breaks. Kurz darauf gelangt er zu jener Stelle, wo sich vor dem Weg das Unterholz zu einer weiten Bucht öffnet. Seine Zeitberechnung geht auf: gerade rollt von Westen her der leichte Einspänner heran und zieht einen Staubschleier hinter sich her.

In Nancy Jeromes Gesicht zeigt sich keine Überraschung, als sie den Reiter erblickt. Ein Schimmer von Freude mischt sich mit unverkennbarem Schmerz. Ihr dunkles, gewelltes Haar bildet einen merkwürdigen Kontrast zu ihren blauen Augen. Nancy Jerome trägt einen schwarzen Sombrero mit flacher Krone und eine kurze Weste von mexikanischem Schnitt, dazu einen geteilten Cordrock und zierliche, bestickte Cordoba-Stiefel. Starr blicken ihre Augen dem Reiter entgegen, als sie die Leinen anzieht und ihr Gespann zum Stehen bringt.

Dan Reventlow hält neben dem Bock des Wagens an und beugt sich weit aus dem Sattel.

»Dan«, sagt das Mädchen mit spröder Altstimme und zuckenden Lippen, »was wir hier tun, ist Wahnsinn. Hat sich nicht jeder von uns längst ausgerechnet, dass dies alles niemals ein gutes Ende nehmen kann?«

Mit einer leichten Bewegung beugt sich Dan Reventlow zu dem Mädchen hinab und lächelt auf eine unergründliche Art. Dann fasst er sie wortlos um die Taille und zieht ihren biegsamen Körper zu sich herüber. Ihr Hutrand stößt ihm gegen die Stirn, dann rutscht ihr der Sombrero auch schon in den Nacken, und er presst seine Lippen in einem festen Druck auf die ihren. Weil sein Falbe sich dabei unruhig bewegt, schlingt ihm das Mädchen die Arme um den Hals. Fast eine Minute verharren sie in dieser Stellung.

»Aah, ich wünschte, wir wären damals in der Postkutsche nicht allein gewesen. Du weißt ebenso gut wie ich, was geschehen würde, wenn ein Reventlow auf der Jerome-Weide entdeckt würde. Es ist beinahe schon ein Wunder, dass du es bisher immer noch unbemerkt geschafft hast.«

»Zum Teufel mit aller Rücksichtnahme auf die Familien! Was geht es uns an, dass unsere Großväter um Wasser und Weide gestritten und sich dann gegenseitig umgebracht haben.«

»Dan«, erwidert das Mädchen leise, »fordere es nicht heraus. Es ist zwischen unseren Sippen schon wegen geringerer Anlässe Blut vergossen worden. Du darfst nicht unvernünftig sein und wie ein leichtfertiger Narr durch das San-Mateo-County reiten.«

»Findest du es wirklich so unvernünftig, wenn man die Frau küsst, die man liebt?«

Nancy Jeromes Gesicht nähert sich dem seinen wie unter einem magischen Zwang. Sie hebt eine Hand, um über seine Wangen zu streichen. Aber dann erstarrt sie plötzlich. Ihre Augen weiten sich, und sie stößt mit schriller Stimme hervor:

»Dan! Um Gottes willen, flieh!«

Ruckartig blickt Dan Reventlow über die Schulter zurück. Noch einmal schaut er auf das Mädchen, dann reißt er den Revolver aus dem Halfter und legt seinem Wallach die Schenkel an.

»Nicht, Dan!«, sagt das Mädchen, als es den harten Kampfeswillen in seinem Gesicht entdeckt. »Einer von ihnen ist mein Bruder Mike.«

Dan Reventlow versteht. Wenn er eben noch entschlossen war, den beiden Reitern dort drüben entgegenzujagen und sie weit vor dem Wagen abzufangen, so erkennt er nun die Unmöglichkeit dieser Absicht. Wie eine Katze schnellt der lehmgelbe Wallach unter seinem Schenkeldruck herum und prescht am Rand des Gehölzes entlang. Schon nach wenigen Galoppsprüngen ist er schneller als die Pferde der beiden Verfolger und gewinnt Vorsprung. Nancy Jerome überlegt indessen fieberhaft, welchen Sinn es haben könnte, dieses Stelldichein zu leugnen oder als eine harmlose, völlig zufällige Begegnung hinzustellen. Vielleicht würden Mike und der dunkelhaarige Vetter Raimond Frontenac verständnisvoll nicken, aber glauben – nein, glauben würden sie es ihr bestimmt nicht.

Noch während Nancy nachdenkt, hat sie die Leinen gestrafft und ihren Wagen quer über den Weg gelenkt, um die beiden Reiter aufzuhalten. Doch ehe sie herankommen, schaut sie noch einmal besorgt dem davongaloppierenden Dan Reventlow nach. Und da sieht sie den breitschultrigen Reiter hinter einer Hügelkulisse hervorbrechen und von der Seite her auf den Fliehenden zuhalten. Nancy entringt sich ein heller, gequälter Schrei, als sie in dem breitschultrigen Mann Kelly Howard erkennt.

Dan Reventlow hört den Schrei und erspäht den neuen Gegner, der ihm in die Flanke stößt. Obwohl er den Plan von der ersten Sekunde an durchschaut, bleibt er eingedenk Nancys Bitte und behält seine Kugel im Lauf. Man hatte ihn erst von dem Wagen vertreiben wollen, um ihn dann hier, knapp zweihundert Yards entfernt, umso sicherer zu stellen.

Tief duckt Dan sich über den Hals des Falben und setzt zum ersten Mal die Sporen ein, um das Tier zur Hergabe aller Kräfte anzufeuern. Doch die Hoffnung, diesem neuen Gegner ebenfalls zu entgehen, ist nur gering. Zu gut hat dieser breitschultrige Bursche den Augenblick seines Vorbrechens abgepasst und kommt nun in voller Karriere im schrägen Winkel herangefegt. Der scharfe Luftzug drückt ihm die Hutkrempe in die Stirn.

Dan Reventlow stößt einen lauten Schrei aus, um die Aufmerksamkeit des Mannes herauszufordern. Er sieht, wie jener den Kopf emporreißt, hebt selbst den Revolver und feuert einen Schuss schräg in die Luft – eine eindringliche Warnung und doch zugleich deutlich genug, um den Reiter erkennen zu lassen, dass es sich wirklich nur um eine Warnung und nicht um einen gezielten Schuss handelt.

Im selben Moment schlägt die Hutkrempe des Mannes nach oben. Er ist nun schon nahe genug, dass Dan das breite Gesicht und die kalt glitzernden Augen dieses knochigen Burschen sehen kann. Er erkennt Kelly Howard, den Revolvermann, und es würgt in seiner Kehle. Eigentlich müsste er jetzt schießen und nicht mehr nur in die Luft. Doch eine unbegreifliche Lähmung hält ihn gepackt. Und dann feuert auch schon Kelly Howard.

Dan hat sich im Sattel weit nach vorn gebeugt. Die Mähne des Falben umflattert sein Gesicht. Aber trotzdem sieht er den triumphierenden Zug um Kelly Howards breiten, grausamen Mund. Dann, im Aufzucken des Mündungsfeuers dort drüben, trifft ein harter Schlag seinen Schädel wie eine dumpfe Explosion. Und dieses furchterregende, selbstbewusste Lächeln des Revolvermanns ist der letzte Eindruck, den Dan Reventlow mit in die grenzenlose Finsternis hinübernimmt.

Das Grauen verzerrt Nancy Jeromes Gesicht, als sie Dan seitlich aus dem Sattel stürzen sieht. Es ist ein Bild der Hoffnungslosigkeit, wie der lehmgelbe Wallach mit pendelnden Steigbügeln noch ein Stück weiterjagt, langsamer wird und schließlich mit hängendem Kopf umkehrt und wieder zu seinem reglos ausgestreckten Herrn trottet.

»Nein«, flüstert das Mädchen entsetzt. »Nein, das – das ist doch – das kann doch nicht ... Dan!«

Von den beiden vorbeigaloppierenden Reitern springt nur Mike Jerome ab und schnellt auf den Wagen seiner Schwester zu. Der schrille Schrei am Schluss der Worte hat ihm gezeigt, in welchem Zustand sich Nancy befindet. Ehe sie ihrem Gespannpferd die Peitsche geben kann, packt Mike in fliegender Hast den Bock. Sofort entspinnt sich zwischen ihm und seiner Schwester ein wilder Ringkampf, als er sie zu halten versucht.

»Nancy«, sagt er verzweifelt, »so nimm doch Vernunft an! Er ist ein Reventlow und hat es sich selbst zuzuschreiben. Raimond wird schon zusehen, ob man noch etwas für ihn tun kann. Das ist doch nichts für dich.«

Nancy Jerome kämpft mit der Wildheit einer Raubkatze. Doch der Schock lässt ihre Kräfte vorzeitig erlahmen. Schließlich sitzt sie nur noch zusammengesunken auf dem Bock und starrt aus brennenden, tränenleeren Augen zum Schauplatz des schlimmen Geschehens hinüber.

»Mörder«, kommt es anklagend über ihre Lippen. »Ihr Mörder! Wie ein Tier habt ihr ihn gejagt und – und vielleicht sogar umgebracht. Was hat er euch getan? Warum konntet ihr ihn nicht in Frieden lassen?«

Mike Jerome blickt an ihr vorbei. Sein jungenhaftes Gesicht ist dunkel angelaufen.

»Das weißt du doch ganz genau«, erwidert er finster. »Er ist ein Reventlow. Und außerdem habe ich gesehen, dass er zuerst geschossen hat. Es war ein fairer Kampf zwischen ihm und Kelly.«

Er bricht ab, als ob ihm die Sinnlosigkeit jeder Rechtfertigung zu Bewusstsein komme. Verloren scheinen seine Worte noch in der Luft zu hängen, während er verkniffen zu seinen beiden Begleitern hinüberschaut, die neben Dan Reventlow abgesessen sind.

»Als ob es gegen einen Revolvermann wie Kelly Howard jemals einen fairen Kampf gäbe«, sagt Nancy gepresst. »Mach dir doch nicht selbst etwas vor, Mike. Ob er nun zu unserer weitläufigen Verwandtschaft gehört oder nicht, in meinen Augen bleibt er doch immer ein angeworbener Revolverheld, denn er hat seine Schießkunst bereits früher bei Weidekriegen an den Meistbietenden vermietet.«

Sie lässt eine kurze Atempause eintreten und fährt dann in bitterer Hoffnungslosigkeit fort: »So sieht also der Anfang aus: Ein Mann wird angeschossen – ein Reventlow von einem Jerome. Und bei der Blutrache primitivster Völkerschaften kommt dann eine ganze Sippe, um auf eine ganze Sippe loszugehen.«

»Davon verstehen Frauen nichts«, entgegnet Mike Jerome mit der ganzen Autorität seiner zwanzig Jahre, wenn auch mit etwas betretener Stimme. »Ich möchte nur wissen, was in dich gefahren ist, Nancy. Es war doch kein Zufall, dass du hier mit diesem verteufelten Narren zusammengetroffen bist. Aber mach dir keine Sorgen: Ich werde mit Kelly und Raimond sprechen, damit es unter uns bleibt. Niemand soll erfahren, dass eine Jerome mit einem Reventlow ...«

Er verstummt aus zwei verschiedenen Gründen.

Einmal kann er beobachten, wie Kelly Howard und Raimond Frontenac gerade Dan Reventlow vom Boden aufheben und die schlaffe Gestalt bäuchlings über den Sattel des lehmgelben Wallachs legen, wo sie ihn mit einem Lasso festschnüren. So verfährt man im Rinderland üblicherweise nicht mit einem angeschossenen Mann, sondern nur mit einem Toten. Zum anderen verstummt der junge Mike auch deshalb, weil er einen leisen, wehen Laut hört und dann einen Druck an seiner Schulter spürt. Hastig muss er zufassen, ehe seine Schwester ohnmächtig vornüber sinkt.

✰✰✰

Seit Wochen arbeiten Vernon Rush und Eric Chataway in den Hügeln bei den Crow Pits. Einige Quadratmeilen Weide werden von diesen »Krähenlöchern« beherrscht, und da sie auf große Entfernung die einzigen Wasserstellen sind, ziehen sie streuende Rinder magisch an. Schon vor Jahren hat die Reventlow-Ranch deshalb an einem dieser Wasserlöcher eine primitive Weidehütte errichtet und fast ständig drei Reiter auf dem entfernten Vorposten stationiert.

Es ist schon Abend, als Vernon Rush und Eric Chataway aus den Hügeln zu der Hütte an den Crow Pits zurückkehren und ihre abgetriebenen Pferde in die Fenz schicken.

Der Sonnenuntergang taucht den westlichen Horizont in eine einzige flammende Lohe. Allmählich wächst Eric Chataways Unruhe. Zwar ist Dan Reventlow heute nicht zum ersten Mal über den Sage Creek geritten, aber die Wiederholung eines Risikos macht die Gefahr nicht geringer. Und durch gewisse Routine könnte auch die Wachsamkeit eines erfahrenen Mannes wie Dan Reventlow eingeschläfert werden. Eric Chataway jedenfalls wagt gar nicht an die Folgen zu denken, wenn Dan bei seinem Ritt ins San Mateo County, das von den Jeromes beherrscht wird, etwas zugestoßen sein sollte.

Er kippt den Inhalt des Wassereimers schwungvoll in die Büsche und wendet sich der Hütte zu. Noch an der Tür wirft er dann wie unter einer dunklen Ahnung einen Blick zurück zu den Hügeln.

Ein krächzender Laut entringt sich seiner Kehle, als er das Pferd sieht, das dort mit hängendem Kopf herangetrottet kommt und sich wie ein schwarzer Schattenriss gegen den leuchtenden Horizont abhebt. Erics Krächzen klingt so fremdartig, dass auch der dürre Vernon Rush zur Tür kommt. Mit vollen Backen kauend schnauft er:

»Was gibst du hier für verrückte ...«

Dann verstummt er und läuft beim Anblick des herankommenden Falben dunkel an.

»Ich habe ihm gleich gesagt, dass es pure Verrücktheit ist!«, knirscht Eric Chataway. »Irgendwann mussten die Jeromes einfach dahinterkommen. Großer Vater, was haben sie bloß mit ihm gemacht?«

»Und was werden wir dem Alten sagen?«, will Vernon Rush wissen. »Er zieht uns die Haut ab, wenn er erfährt, dass wir Dan allein ins San Mateo County haben reiten lassen. Wo mag er jetzt nur sein?«

Er zuckt zusammen, als plötzlich Eric Chataways große Pranke mit hartem Druck seinen Arm umspannt. Dann weiten sich seine Augen, als er entdecken muss, dass der lehmgelbe Wallach gar nicht reiterlos ist, wie sie es beide bisher angenommen haben. Gerade kommt das Tier den letzten Hang zu dem kleinen Weiher herab. Mit einem heiseren Schrei stürmt der vierschrötige Eric Chataway ihm entgegen, und Vernon Rush rennt in langen, grotesken Sprüngen hinterher.

Tränen stehen in den Augen des untersetzen Weidereiters, als er wenig später den Wallach am Zügel vor die Hütte führt. Obwohl man die Wunde an Dan Reventlows Kopf nicht sehen kann, ist sein gewelltes Haar vollkommen von Blut verkrustet. Und noch immer tropft es dunkel glänzend zu Boden, als sie Dan vom Sattel losbinden und herabheben.

Etwas unbeholfen schauen sie sich um und legen ihn dann auf die Bank vor der Hütte. Für keinen von ihnen scheint es strittig zu sein, dass der Wallach einen Toten zu den Crow Pits zurückgetragen hat.

Doch jäh zuckt Vernon Rush zusammen.

»Eric«, fragt er, »hast du schon einmal gehört, dass bei einem Toten die Wunden noch so lange bluten? Mein Gott, vom Sage Creek bis hierher muss er ja fast drei Stunden mit dem Kopf nach unten gehangen haben. Das wäre doch ...«

Eric Chataway lässt ihn gar nicht mehr zu Ende reden. Er ist bereits in die Knie gesunken, winkt heftig ab und presst das Ohr gegen Dan Reventlows Brust. Schon Sekunden später schnellt er hoch und stößt hervor:

»Er lebt, Vernon! Ich weiß nicht, wie er das überstanden hat, aber er lebt. Los, bringen wir ihn hinein! Und dann muss Doc Fitzgerald aus Comanche her, so schnell es nur geht. Am besten nimmst du gleich zwei Gäule mit, die du abwechselnd reiten kannst, und machst den kleinen Umweg bei den Benedicts vorbei. Dort lässt du dir nochmals ein frisches Pferd geben, und gleichzeitig können die Benedicts eine Nachricht zum Hauptquartier schicken.«

Vernon Rush hat sich bereits zu Dan Reventlows Beinen herabgebeugt, um nochmals anzufassen. Doch er stockt, hebt den Kopf und wechselt einen Blick mit seinem Sattelgefährten.

»Eric«, fragt er, »weißt du auch, was daraus werden wird?«

»Ja«, antwortet Eric gepresst. »Die höllischste Sache, die es hier im Rinderland seit der Indianerzeit jemals gegeben hat. Und wir Narren sind daran nicht weniger schuld als Dan.«

Nicht nur zum Hauptquartier der Reventlow-Ranch wird von den Benedicts ein Reiter geschickt, sondern ebenso zu den Sinclairs und zu den Kilroys, die gleichfalls zur Sippe gehören. Und dass sich in der Stadt die Nachricht wie ein Lauffeuer verbreitet, dafür sorgt schon die Haushälterin von Doc Nelson Fitzgerald. Sowohl die Stadt Comanche, als auch das ganze Comanche County wird davon in Aufruhr versetzt. Noch im Morgengrauen des darauffolgenden Tages erscheint im Telegraph Office Lance Kilroy, um im Namen der Reventlow-Ranch einige Depeschen aufzugeben.

Dafür gibt es nur eine einzige Erklärung: Kirk Reventlow, das Oberhaupt der Sippe, hat die Mobilmachung angeordnet.

Als Dan Reventlow zum ersten Mal für kurze Zeit das Bewusstsein zurückerlangt, liegt er noch immer in seiner Bunk in der Weidehütte an den Crow Pits. Und die Frau, die sich vorsichtig auf seine Bettkante gesetzt hat, ist Thelma Reventlow, seine Mutter.

Zu einem Lächeln reicht es bei Dan nicht. Nicht einmal zu einem Blinzeln, denn die geringste Bewegung seiner Gesichtsmuskeln ruft in seinem Schädel einen heftigen Schmerz hervor. Aber seine Mutter erkennt trotzdem, dass er zu Bewusstsein gekommen ist. Ein heller Schimmer fliegt über ihr verhärmtes Gesicht, als sie besänftigend sagt:

»Jetzt nur ganz ruhig und keine Bewegung, Daniel, dann wird in ein bis zwei Wochen alles wieder in Ordnung kommen. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.«

Wie durch eine Lücke in grauen, wallenden Nebeln sieht Dan sie an und bemerkt die Schatten unter ihren Augen. Die Frage, wie lange er hier schon liegt, drängt sich ihm auf, doch er spricht sie nicht aus, weil das Toben in seinem Kopf jetzt unerträglich ist und ihn mit würgender Übelkeit erfüllt. Hinter seiner Mutter jedoch sieht er noch einen weiteren Kopf und reißt die Augen auf, um jenen Mann mit dem stacheligen Robbenbart zu erkennen, der ihn so gewollt freudig angrinst.

»Dein Vetter Jervis Benedict aus Amarillo«, sagt sie leise. »Er ist gestern zu Besuch gekommen.«

Die Benedicts aus den Llanos sind da. Wie ein glühendes Messer durchzuckt dieser Gedanke Dans Hirn. Er ist erregt.