H. C. Hollister 95 - H.C. Hollister - E-Book

H. C. Hollister 95 E-Book

H. C. Hollister

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Beschreibung

Es gibt verschiedene Methoden, eine Stadt zu beherrschen. Offener Terror ist die plumpste davon. Sie braucht Earnie Dexter - Big Earnie - nicht anzuwenden. Er hat es noch immer auf skrupellose Weise geschafft, seine Ziele zu erreichen und dabei doch nach außen eine fleckenlose Weste vorzuweisen. Und dann ist da noch "Dandy" Jim Randall, ein Mann mit vielen Gesichtern. Bittere Erfahrungen der Vergangenheit haben ihn zum Zyniker gemacht, der kräftige Ellenbogen als die wichtigsten Körperteile eines Mannes betrachtet. Er ist der Statthalter Earnie Dexters im Emporia, der prächtigsten Spielhölle in der Minenstadt Dexter Springs.
Doch in Dandy Jim geht eine Veränderung vor sich, als der gefährlichste Revolvermann Earnie Dexters beauftragt wird, einen alten, einarmigen Mietstallbesitzer unter Druck zu setzen und ihm sein Unternehmen abzupressen. In der Folge wird aus dem Statthalter Earnie Dexters dessen gefährlichster Gegner. Dandy Jim kämpft gegen die Willkür und Gewaltherrschaft, um so einer ganzen Stadt zu einer besseren Zukunft zu verhelfen.


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Inhalt

Cover

STUNDE DER ENTSCHEIDUNG

Vorschau

Impressum

STUNDE DER ENTSCHEIDUNG

Es gibt verschiedene Methoden, eine Stadt zu beherrschen. Offener Terror ist die plumpste davon. Sie braucht Earnie Dexter – Big Earnie – nicht anzuwenden. Er hat es noch immer auf skrupellose Weise geschafft, seine Ziele zu erreichen und dabei doch nach außen eine fleckenlose Weste vorzuweisen. Und dann ist da noch »Dandy« Jim Randall, ein Mann mit vielen Gesichtern. Bittere Erfahrungen der Vergangenheit haben ihn zum Zyniker gemacht, der kräftige Ellenbogen als die wichtigsten Körperteile eines Mannes betrachtet. Er ist der Statthalter Earnie Dexters im Emporia, der prächtigsten Spielhölle in der Minenstadt Dexter Springs.

Doch in Dandy Jim geht eine Veränderung vor sich, als der gefährlichste Revolvermann Earnie Dexters beauftragt wird, einen alten, einarmigen Mietstallbesitzer unter Druck zu setzen und ihm sein Unternehmen abzupressen. In der Folge wird aus dem Statthalter Earnie Dexters dessen gefährlichster Gegner. Dandy Jim kämpft gegen die Willkür und Gewaltherrschaft, um so einer ganzen Stadt zu einer besseren Zukunft zu verhelfen.

»Dandy« Jim Randall kommt die große Treppe im »Emporia« herab wie jeden Abend, und jeden Abend ist dies ein Auftritt, der an Wirkung nichts zu wünschen übriglässt. Schon jetzt ist der große Raum von all jenen Lauten und Geräuschen erfüllt, die für das Emporia so typisch sind – dem Klappern der beinernen Roulettekugel, den eintönigen Stimmen der Croupiers und Bankhalter, den abgerissenen Musikfetzten aus dem Nebenraum, und dem unablässigen Gemurmel der Stimmen. Dazwischen ertönt hier und da eine Lachsalve aus den rauen Kehlen der Miner oder das hellere, schrille Lachen eines Tanzgirls.

Zwei dieser Flittergirls lösen sich gerade von der langen Mahagonibar. Sie werfen Dandy Jim anhimmelnde Blicke zu, die jedem der hier anwesenden Minenarbeiter ein wohliges Kribbeln am Rückgrat verursachen würden. Nicht so Jim Randall. Er quittiert die bewundernden Blicke nur mit melancholisch herabgezogenen Mundwinkeln, nickt den beiden Hübschen zu und überblickt dann vom Treppenabsatz das gesamte Lokal.

Das Emporia ist nicht gerade sein Reich, über das er unumschränkt herrschen kann, aber zumindest ist er hier der Statthalter des großen Earnie Dexter.

Gelassen tritt er an die Bar. Aber diesmal kommt Dandy Jim nicht dazu, einen Drink einzunehmen. An einem der Pokertische ertönt plötzlich ein zorniger Schrei, und gleich darauf peitscht ein Pistolenschuss durch den Raum.

Sekunden später ist Dandy Jim zur Stelle und erfasst die Situation mit einem Blick. Lucky Nicholson heißt der Spieler des Emporia, der hinter seinem Tisch sitzt und den Derringer noch in der Hand hält. Ein Mitspieler ist von seinem Platz emporgetaumelt und presst mit bleichem Gesicht die Hand auf seinen blutenden rechten Oberarm.

»Mister«, keucht Lucky Nicholson gepresst. »Sie haben Glück gehabt. Ebenso hätte ich Sie totschießen können, als Sie nach der Waffe griffen. Es war ein klarer Fall von Notwehr. Überlegen Sie sich beim nächsten Mal vorher, ob Sie einen ehrenwerten Mann des Falschspiels bezichtigen.«

Dandy Jim knöpft seinen grauen Rock auf und schlägt den Schoß etwas zurück. Er ist so gekleidet, wie man es von einem »Dandy« erwartet; die Hosen gestreift und von einem etwas helleren Grau der Rock, die Weste dezent geblümt und die seidene Überschlagkrawatte von ebenso mattem Glanz wie seine Zugstiefel. Nur ein Umstand passt nicht dazu: der braunglänzende gepunzte Gurt von mexikanischer Handarbeit, den Dandy Jim schräg um die Hüften geschnallt hat. Dieser Gurt würde eher zu einem Rindermann passen als zu einem Spieler oder Manager.

Überdies würde einem aufmerksamen Beobachter auffallen, dass Dandy Jims Hände zwar geschmeidig und sorgfältig gepflegt sind, dass aber seine Rechte auf dem Handrücken unverkennbar Lassonarben aus alter Zeit aufweist. Ungefähr ein Jahr liegt es zurück, dass Jim Randall hier im Emporia unter Beweis stellen konnte, wie gut er mit der blauschimmernden Waffe umzugehen versteht, deren Elkhornkolben aus dem Halfter ragt.

Es war bei jenem Überfall gewesen, als drei kaltschnäuzige Banditen sich von einem Griff in die Kasse mehr versprochen hatten als von einer Chance am Spieltisch. Noch Monate später hatte man in Dexter Springs von dem Kampf gesprochen – und natürlich von Dandy Jim, der ihn als einziger im Emporia aufgenommen hatte. Deshalb wird es jetzt still, als der Manager des Emporia kalt sagt:

»Stecken Sie Ihre verteufelte Pistole weg, Nicholson! Und dann seht zu, dass dieser Mann zum Arzt geschafft wird!«

»Nein«, krächzt in diesem Augenblick der Verwundete heiser, »ich gehe hier nicht weg! Ich bin betrogen worden. Der Marshal soll her, damit er mir ...«

»Was soll der Marshal?«, meldet sich aus dem Hintergrund ein grauhaariger, aber dennoch ziemlich jung wirkender Mann und verschafft sich Platz. Brian Hill ist der Marshal von Dexter Springs.

Der Verwundete stürzt sofort auf ihn los und ächzt:

»Betrug! Dreihundert Dollar sind von mir im Topf, Marshal. Aber dieser Kartenhai ...«

»Mister«, geht in diesem Augenblick Dandy Jim dazwischen, »jetzt ist es genug. Ich kenne Ihre Sorte. Burschen wie Sie steigern immer erst bis in die Hölle, und hinterher haben sie dann nicht die Nerven, einen Verlust zu ertragen. Anschließend fangen sie an von Falschspiel zu faseln, und wenn sie besonders hartnäckig sind, dann greifen sie nach dem Schießeisen. Wir kennen das, Mister ...«

»Randall«, erwidert der Marshal rau, »damit ist eine solche Sache nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Schließlich hat Nicholson diesen Mann angeschossen ...«

»Wirklich? Dann haben Sie also nicht gehört, dass hier von Notwehr die Rede war? – Also, Mister«, wendet sich Dandy Jim direkt an den Verwundeten, »ich will gar nicht erst von Ihren Mitspielern hören, wie alles gelaufen ist. Streichen Sie den Topf ein, aber dann verschwinden Sie, und lassen Sie sich im Emporia nicht mehr blicken, verstanden? – Los, worauf warten Sie noch?«

Einen Moment lang sieht es so aus, als ob der Mann aufbegehren wolle. Dann jedoch ist seine Habgier stärker als seine Aufsässigkeit. Unbeholfen streicht er mit der verwundeten Rechten den Einsatz vom Tisch, um sich gleich darauf durch den Ring der Gaffer zum Ausgang zu drängen.

»Sehen Sie, Brian«, sagt Dandy Jim gedehnt, »da haben Sie endlich den Beweis. Oder hätten Sie sich an seiner Stelle wie ein geprügelter Hund davongeschlichen, wenn Sie im Recht gewesen wären?«

»Nein«, erwidert der Marshal spröde. »Nein, natürlich nicht!«

»Charlie«, dreht Dandy Jim sich dem Chefkeeper zu, »unsere Gäste sind gestört worden, und das war unsere Schuld. – Eine Runde auf Kosten des Hauses! Und für den Marshal einen Drink aus meiner Privatflasche!«

Eine Weile ist im Füßescharren und beifälligen Gebrüll kein Wort mehr zu verstehen. Die Menge drängt zur Bar. Außer der Spielrunde und Dandy Jim bleibt nur noch der Marshal zurück und sagt:

»Nein, danke, Randall. Ich gehöre nicht zu der Art von Nachtwächtern, die man mit einem Schluck aus der Privatflasche beeinflussen kann. Ich möchte mich nicht einmal dem Schimmer eines Verdachts aussetzen, dass ich auf Earnie Dexters Lohnliste stehe.«

»Schade«, versetzt Dandy Jim trocken. »Haben Sie neuerdings etwas gegen mich?«

»Sie jonglieren mit Menschen wie ein Taschenspieler mit Bällen oder Karten, Dandy Jim«, erwidert er dann feindselig. »Aber eines Tages wird es ins Auge gehen, sodass Sie und Earnie Dexter zu anderen Mitteln greifen müssen. Ich fürchte, von diesem Tag an werde ich etwas gegen Sie haben!«

»Brian«, entgegnet Dandy Jim mit dünnem Lächeln. »Sie sprechen in Rätseln, die ich nicht lösen kann. Denn ich glaube nicht, dass Sie so närrisch wären, sich zu einer Drohung gegen Earnie Dexter hinreißen zu lassen. Schließlich haben Sie an eine Frau und zwei kleine Kinder zu denken. Wirklich, prächtige Kinder haben Sie, Brian ...«

Da dreht sich der Marshal grußlos und ruckartig um und verlässt das Lokal.

Dandy Jim blickt dem einsamen Mann nach, der jetzt in den Straßen und Lokalen von Dexter Springs seine Runde machen wird. Es ist nicht das erste Mal, dass Brian Hill das Amt des Townmarshals bekleidet. Die Gerüchte, die darüber im Umlauf waren, bildeten nicht gerade ein Ruhmesblatt. Danach gehörte Brian Hill zu jenen Männern, die den Weg des Nachgebens und der Anpassung dem dornenreichen Pfad der Unbestechlichkeit und Unnachgiebigkeit vorzogen. Und gerade dieser Umstand hatte Earnie Dexter Veranlassung gegeben, Brian Hills Ernennung zum Marshal von Dexter Springs im Stadtrat durchzusetzen.

Monatelang hatte der neue Marshal von Dexter Springs farblos und unbeholfen gewirkt – also genauso, wie ihn sich einige Leute in der Stadt gewünscht hatten. Aber dann begann sich in seinem Wesen ein Zug von Hartnäckigkeit und Verbitterung abzuzeichnen, ohne dass sich daraus vorerst irgendwelche Auswirkungen ergaben.

Dandy Jim wendet den Kopf über die Schulter und sagt zu dem Spieler:

»Gehen Sie in mein Büro, Nicholson, sofort! Die beiden Gentlemen werden unterdessen schon einen anderen Spieltisch finden.«

Nur widerwillig erhebt sich der Kartenhai von seinem Platz. Keine Sekunde lässt Dandy Jim ihn dabei aus den Augen und folgt ihm auf dem Fuß, als Lucky Nicholson zu der Tür neben der vergitterten Kasse geht, wo einer der beiden Coffey-Brüder als Wache Aufstellung genommen hat.

Vor dem Schreibtisch dreht Lucky Nicholson sich um und wartet ab, bis der Manager des Emporia hinter sich die Tür geschlossen hat.

»Nicholson«, ertönt die sanfte Stimme Dandy Jims, »wieviel, glauben Sie, ist die weiße Weste eines Berufsspielers wert?«

»Eine Menge«, erwidert er achselzuckend. »Schließlich ist sie der Leim, auf dem die Fliegen kleben bleiben.«

»Richtig«, lautet die lakonische Antwort. »Und mit der Spielhalle ist es natürlich ebenso. Erinnern Sie sich noch, was ich einmal vor unseren Bankhaltern und Spielern gesagt habe?«

»Yeah«, grinst der Kartenhai unverschämt. »Sie sagten, ein cleverer Spieler müsse ohne Tricks auskommen können, aber wenn es schon nicht anders ginge, dann wäre es die schlimmste Sünde ... also – dann wäre es die schlimmste Sünde, sich bei einem solchen Trick erwischen zu lassen.«

»Sie haben es also noch gewusst«, murmelt Dandy Jim. »Sie haben es gewusst und trotzdem ...«

»Es war kein Trick«, stößt Lucky Nicholson hervor. »Glauben Sie mir, Mister Randall, dieser Bursche hatte seine Beschuldigungen aus der Luft gegriffen. Er hat zu viel riskiert und dann die Nerven ...«

Dandy Jim ist mit einem Schritt bei dem Mann, reißt dessen linkes Handgelenk in die Höhe und fährt ihm mit zwei geschmeidigen Fingern in die Manschette. Wie durch Zauberei kommen dort zwei Karten zum Vorschein, ein König und eine Zehn. Dandy Jim sagt nichts. Achtlos lässt er die beiden Karten fallen. Und dann schlägt er zu – hart und mitleidlos.

Der Hieb gegen den Kinnwinkel wirft den Kartenhai bis in die Ecke zurück. Aber Lucky Nicholson ist hart im Nehmen. Aus tückischen Augen starrt er auf Dandy Jim, der inzwischen zum Schreibtisch getreten ist und in einer Liste blättert.

»Sie haben tausend Dollar Kaution hinterlegt, Nicholson«, sagt der Manager kalt. »Der Gewinn Ihres Gegners geht natürlich zu Ihren Lasten. Sechshundertvierzig Dollar habe ich gezählt. Ich werde Limp Mallory also Anweisung geben, Ihnen dreihundertsechzig Dollar auszuzahlen, bevor Sie verschwinden. Ab morgen früh zehn Uhr will ich Sie in Dexter Springs nicht mehr sehen, haben Sie das verstanden?«

Ein Laut wie ein zitternder Seufzer kommt aus der Kehle des Kartenhais. Und dann zeigt er im Bruchteil einer Sekunde, dass er nicht umsonst maßgeschneiderte Hemden mit besonders weiten Manschetten an beiden Handgelenken trägt. Ein Druck seines rechten Ellbogens gegen die Rippen genügt, um aus seinem Ärmel wieder den Derringer hervorschnellen zu lassen, geradewegs in seine geöffnete Hand.

Aber Dandy Jim scheint mit einer ähnlichen Reaktion gerechnet zu haben. Als der Schuss aufbellt, zertrümmert die Kugel nur die Scheibe einer Vitrine, die hinter Dandy Jim an der Wand hängt. Er selbst hat sich zur Seite geschnellt. Der Rockschoß fliegt zur Seite, als Dandy Jim mitten im Sprung seinen 38er Navy-Colt herauswirbelt und feuert.

Ein verzweifelter Schrei ertönt. Der verbrannte Pulverrauch hinterlässt einen beißenden Geruch in dem kleinen Raum. Heulend schnellt Lucky Nicholson empor und presst seine Rechte gegen die Brust. Blut ist nicht an der Hand zu sehen. Offenbar hat das Geschoss von der Seite her nur die kleine Pistole getroffen, aber das mit so vernichtender Kraft, dass das Gesicht Nicholsons sich zu einer Grimasse voller Schmerz verkrampft.

Die Tür wird aufgerissen. Butch Coffey stürmt mit schussbereitem Revolver herein, gefolgt von seinem Bruder, Limp Mallory, dem Kassierer, und Charlie, dem Chefkeeper der Bar.

»Limp«, sagt Dandy Jim beinahe gleichgültig, »was kostet so eine Vitrinenscheibe?«

»Ich – ich glaube, so ungefähr zwei Dollar«, stottert der kleine, hinkende Kassierer.

»Dann bekommt Nicholson von seiner Kaution noch dreihundertachtundfünfzig Dollar ausgezahlt«, versetzt der Manager. »Und danach setzt ihn an die Luft! Er hat Lokalverbot auf unbegrenzte Zeit.«

✰✰✰

Es ist gegen Mitternacht, als drei stämmige Burschen das Emporia betreten und sich unter gekonntem Einsatz ihrer Ellenbogen bis an die Bar vordrängen. Ihrem robusten Aussehen und ihrer Kleidung nach kann es sich nur um Männer aus der rauen Gilde der Frachtfahrer handeln. Einer von ihnen, ein Hüne mit rotem Vollbart, greift nach dem nächstbesten Glas und kippt dessen Inhalt hinunter. Der Besitzer des Glases fährt herum und brummt böse:

»He, Partner, wenn das ein Witz sein soll ...«

Ruhig hält der Hüne dem Blick der zornfunkelnden Augen stand, legt dem aufgebrachten Miner die Pranke vor die Brust, schiebt ihn auf Distanz und grollt:

»Ein Irrtum, Junge, nichts weiter als ein Irrtum. Wer wird sich schon wegen eines Whiskys mit Holger McBride streiten wollen, nicht wahr?«

Zwei Freunde stärken dem Miner den Rücken und stemmen sich gegen den Druck, den die Pranke des Hünen ausübt. Vergebens. Auch sie werden noch ein Stück mit zurückgeschoben, ehe Holger McBride die so gewonnene Ellbogenfreiheit genügt und er seinen Begleitern einen Wink gibt:

»Kommt her, Neffen! Kommt her und spült euch den verteufelten Staub aus den Kehlen! Ihr habt gesehen, wir sind hier unter Freunden, die für uns gern ein bisschen zusammenrücken.«

»Yeah, Onkel Holger«, sagt einer der beiden folgsam, wenn auch grinsend.

Von Seiten der Minenarbeiter ist nur noch unwilliges Gemurmel zu hören, ansonsten scheint es ihnen nicht geraten, mit diesem kraftstrotzenden Familien-Clan anzubinden, obgleich jetzt beim spöttischen Grinsen sogar »Onkel Holgers« gelbe Zähne zum Vorschein kommen.

Er schlägt mit der flachen Hand auf die Bar und brüllt:

»Charlie, du alte Schlafmütze! – Getränke sind wohl selten hier, was?«

Vom hinteren Ende der langen Bar winkt Charlie beschwichtigend herüber. Dafür übernimmt es ein anderer Keeper, am laufenden Band die Gläser zu füllen und sie dann mit geübtem Schwung die Bar entlangschlittern zu lassen, sodass sie mit traumhafter Sicherheit vor dem betreffenden Gast zum Stehen kommen.

»Uns auch drei!«, ruft der erboste Miner, und der Barkeeper nickt.

Nun hat allerdings das System einen Nachteil; eine geschickte Hand kann die Gläser schon unterwegs abfangen, wenn sie noch gar nicht an ihrem Bestimmungsort angelangt sind. Rocky und Snuff McBride, die beiden Neffen des Hünen, sind darin besonders geschickt. Ihnen scheint es ebenso wenig auszumachen, dass die Männer hier an der Bar in der Überzahl sind und sich allmählich zu einer feindseligen Front zusammenschließen, als bereits das siebte Glas auf diese Weise abgefangen wird.

»Jetzt reicht es mir aber endgültig!«, knirscht der untersetzte dunkelhaarige Miner. »Wegen eines Whiskys hätte ich wirklich keinen Streit angefangen. Aber jetzt sind es schon sieben! Jungs, wollen wir es diesen lausigen Fuhrknechten zeigen?«

»Onkel Holger«, jubelt Snuff McBride, »sie haben es endlich erfasst! Jetzt kommen wir doch noch zu unserem Spaß!«

Er schiebt bei diesen Worten bereits die Ärmel empor. Auch Rocky, sein Bruder, macht sich mit freudigem Grinsen kampfbereit, und der rotbärtige Hüne schaut blinzelnd die Front seiner Gegner entlang.

In diesem Moment erklingt hinter ihnen eine Stimme:

»Natürlich, die McBrides! – Holger, Sie verrückter Teufel, wenn es diesmal wieder Kleinholz gibt, dann werde ich dafür sorgen, dass Ihnen Earnie Dexter jeden Cent des angerichteten Schadens von Ihrem Frachtlohn abzieht! Haben Sie das begriffen?«

Der rotbärtige Hüne wendet sich langsam um.

»Dandy Jim«, murmelt er zerknirscht, »das ist doch nicht Ihr Ernst? Wir sind ganz friedlich hier hereingekommen und haben bestimmt nicht den Anfang gemacht.«

»Ich weiß«, versetzt Dandy Jim trocken. »Inzwischen kenne ich ja euren höllischen Stil, eine Prügelei anzuzetteln. Meinetwegen geht hinaus auf die Straße und schlagt euch gegenseitig eure Dickschädel ein. Aber wer hier im Emporia loskeilt, der kann hinterher bezahlen, bis er schwarz wird!«

»Onkel Holger« zuckt zusammen, als ob er schmerzhaft an einem Nerv getroffen worden sei. Anklagend verdreht er die Augen und sagt vorwurfsvoll:

»Ich hätte nie gedacht, dass Sie so hundsgemein sein können, Dandy Jim. Da quält man sich mit Dexters Erzfuhren tagelang auf einem staubigen Trail in die Berge ab und ärgert sich mit störrischen Maultieren herum, und wenn man dann wieder einmal unter Menschen kommt, wird einem nicht einmal der kleinste Spaß gegönnt. – He«, setzt er unvermittelt hinzu, »da fällt mir ein, ich sollte Ihnen etwas ausrichten. Earnie Dexter will Sie sprechen.«

»Jetzt?« Dandy Jim zieht die Brauen hoch. »Mitten in der Nacht? – Holger, wenn das einer Ihrer Tricks ist, um mich hier loszuwerden ...«

»Wirklich nicht«, versichert der Hüne. »Sie sollen gleich kommen, hat Dexter gesagt, und ich hatte den Eindruck, dass er nicht sehr gut auf Sie zu sprechen war. An Ihrer Stelle würde ich ihn nicht warten lassen.«

»Es ist gut«, erwidert Dandy Jim. »Ich gehe hinüber. Aber wenn Sie während meiner Abwesenheit Unruhe stiften, Holger, wird Ihnen das schon bald höllisch leidtun.«

Earnie Dexters Haus ist ein protziger Bau im viktorianischen Stil, dessen Eingang von zwei Halbsäulen flankiert wird. Die Rasenflächen mit den Hibiskusbüschen sind sorgfältig gepflegt, und die Auffahrt ist mit Kies bestreut. Wenn man sagen wollte, dass Earnie Dexter hier wohnt, so wäre dies unangemessen. Earnie Dexter wohnt nicht, er residiert. Die rentabelsten Unternehmen von Dexter Springs hat er in der Hand – das Emporia, den General Store und den Frachtwagenhof. Damit besitzt er eine Schlüsselposition, die ihm genügend Einfluss im Stadtrat und eine fast uneingeschränkte Machtstellung gewährleistet.

Ob jener Mann, der Dexter Springs einmal gegründet hat, irgendwie mit ihm verwandt war, wird sich nurmehr schwerlich klären lassen. Aber weil sich so etwas immer gut macht, hat Earnie Dexter diesen Stadtgründer kurz entschlossen zu seinem Großonkel ernannt, und es gibt niemanden in der Stadt, der es wagen würde, diese verwandtschaftliche Beziehung anzuzweifeln.