H. C. Hollister 108 - H.C. Hollister - E-Book

H. C. Hollister 108 E-Book

H. C. Hollister

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Beschreibung

Er ist alles andere als ein Held, dieser Lucky Lester, der von der Triangle-K-Mannschaft gern als Tollpatsch verspottet wird. Eben nur ein junger Weidereiter, der mit seinen zu lang geratenen Gliedmaßen und seinen Körperkräften noch nichts Rechtes anzufangen weiß. Seine hervorstechendste Eigenschaft ist sein unverwüstlicher Optimismus. Wie könnte sonst ein Cowpuncher auf die Idee kommen, sich in die Tochter von Colonel Kent zu verlieben, die ihm nur mit Spott begegnet.
Der Tag, an dem Lucky Lester auf der Fährte von Viehdieben in die unwegsamen Badlands reitet, wird zu einem Wendepunkt seines Lebens. Nicht nur wegen seiner haarsträubenden Abenteuer, sondern wegen des Zeitungsartikels, der darüber geschrieben wird. Mit einem Schlag ist Lucky ein "junger Held" und fühlt sich auch so. Aber dann, als die Triangle-K-Ranch in einen verzweifelten Existenzkampf gerät und Lucky all seinen Optimismus dringend benötigt, wird aus einem harmlosen Aufschneider und Träumer plötzlich ein Kämpfer, der ungeahnte Fähigkeiten entwickelt ...


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Inhalt

Cover

LUCKY LESTER LEBT GEFÄHRLICH

Vorschau

Impressum

LUCKY LESTERLEBT GEFÄHRLICH

Er ist alles andere als ein Held, dieser Lucky Lester, der von der Triangle-K-Mannschaft gern als Tollpatsch verspottet wird. Eben nur ein junger Weidereiter, der mit seinen zu lang geratenen Gliedmaßen und seinen Körperkräften noch nichts Rechtes anzufangen weiß. Seine hervorstechendste Eigenschaft ist sein unverwüstlicher Optimismus. Wie könnte sonst ein Cowpuncher auf die Idee kommen, sich in die Tochter von Colonel Kent zu verlieben, die ihm nur mit Spott begegnet.

Der Tag, an dem Lucky Lester auf der Fährte von Viehdieben in die unwegsamen Badlands reitet, wird zu einem Wendepunkt seines Lebens. Nicht nur wegen seiner haarsträubenden Abenteuer, sondern wegen des Zeitungsartikels, der darüber geschrieben wird. Mit einem Schlag ist Lucky ein »junger Held« und fühlt sich auch so. Aber dann, als die Triangle-K-Ranch in einen verzweifelten Existenzkampf gerät und Lucky all seinen Optimismus dringend benötigt, wird aus einem harmlosen Aufschneider und Träumer plötzlich ein Kämpfer, der ungeahnte Fähigkeiten entwickelt ...

Lucky Lester war als ausgesprochener Tollpatsch verschrien und trug den Spitznamen Lucky nur deshalb, weil er bei seinen vielen Ungeschicklichkeiten ein geradezu schamloses Glück entwickelte.

Sicher war es auch wieder recht ungeschickt von ihm, wie er deutend den Arm hochriss, als eine wütende Kuh auf die kleine Brennmannschaft losrannte.

Die emporschnellende Rechte traf den Unterarm Ham Garretts genau in dem Augenblick, da dieser den Brandstempel auf das Fell des Kalbs setzen wollte. Das rotglühende Eisen flog durch die Luft und landete auf Selwyn Gibbons' verlängertem Rücken.

Gibbons bekam auf diese Weise einen blitzartigen Start, der ihn mit verblüffender Schnelligkeit aus dem Gefahrenbereich brachte.

Anders der alte Ham Garrett und Lucky Lester. Zwar waren auch sie aufgeschnellt, doch das Kalb warf sich ebenfalls herum. Dadurch wurde das Lasso, das seinen Hals mit Luckys Pferd Pascha verband, mit einem Ruck wieder straff und geriet Hamilton Garrett vor die Beine. Er hatte gerade noch Zeit, einen seiner abenteuerlichen Flüche auszustoßen, ehe er mit seiner ganzen, wenn auch nicht gerade imposanten Länge, auf den Boden schlug. Und auf knapp zwanzig Yards Entfernung jagte schnaubend die entfesselte Kuh heran.

Lucky Lester hechtete über das gespannte Lasso hinweg der rasenden Longhornkuh entgegen. Dabei war von seiner Tollpatschigkeit nicht viel zu erkennen. Mit einem Satz warf er sich zur Seite, ehe ihn eine der Hornspitzen durchbohren konnte, und wurde nur am Hemd gestreift, wobei dieses knirschend in Fetzen ging. Er erwischte das Horn mit beiden Händen, wurde herumgerissen und hielt trotzdem fest. So hing er an der Flanke der Kuh und stemmte beide Füße in den Boden. Sechs oder sieben Yards mochte die Furche messen, die er hinterließ, dann ruckte unter seiner gewaltigen Kraftanstrengung der Kopf der Kuh herum. Ihr Ansturm war gebrochen. Offenbar hatte sie inzwischen schon ihre Wut über die Misshandlung ihres Kalbs vergessen und sah jetzt nur noch den lästigen Zweibeiner, der ihr das Genick verdreht hatte und nun ihre beiden Hörner als Hebelarm benutzte.

»Lass los, Lucky«, keuchte der alte Ham Garrett. »Spring zur Seite, dann donnere ich diesem wildgewordenen Biest eine halbe Unze Blei vor den sturen Schädel.«

Aber Lucky gab nicht auf und sprang nicht zur Seite.

Zweimal sah es aus, als würde ihn die Kuh glatt ausheben und in die Luft schleudern. Doch beide Male hatte er ihr Genick bereits weit genug verdreht, um ihre volle Kraftentfaltung zu verhindern. Der Pulsschlag hämmerte in seinen Schläfen und die Sehnen an seinem Hals traten hervor, aber er gab nicht auf, obgleich er sich an der Hornspitze die Innenseite der linken Hand aufgerissen hatte. Stattdessen nahm er das Horn in die Beuge des Ellenbogens, den rechten Arm gestreckt zur anderen Seite hinübergestemmt.

Lauter wurde das Schnauben der Kuh, als ihr Kopf mehr und mehr zur Seite gezwungen wurde. Man sah, wie Lucky Lester alle Kräfte anspannte. Dann, mit einem Schlag, brach der Widerstand des Tiers zusammen. Die linke Hornspitze bohrte sich schon fast in den Boden, als es zur Seite stürzte und nach einem seltsamen Seufzer mit jagenden Flanken dalag.

Auch Lucky Lester keuchte und ließ die Arme hängen, während sich das Blaurot seines Gesichts allmählich wieder zu normaler Farbe wandelte. Hinter ihm irrte das Kalb umher und versuchte zu seiner Mutter zu gelangen, doch Pascha, der Apfelschimmel, stand wie ein Fels, sodass die Länge des Lassos den Bewegungsdrang des Ausreißers begrenzte.

Dann kam der alte Ham heran und klatschte zweimal mit der Bullpeitsche, die er sich von Paschas Sattel geholt hatte. Beim ersten Mal wälzte sich die Kuh und kam auf die Beine, beim zweiten Mal vergaß sie ihren Ehrgeiz und galoppierte verstört davon.

»Du verrückter Teufel«, krächzte Old Ham und maß seinen jungen, hünenhaften Sattelgefährten mit zornigen Blicken. »Demnächst wirst du noch versuchen, einen Puma am Schwanz auf die Ranch zu schleifen und zum Mäusefangen abzurichten. Aah, so ein unverschämtes Glück möchte ich auch mal haben! Jedem anderen hätte dieses Biest den Bauch aufgeschlitzt, aber ein Narr wie du bleibt natürlich heil.«

Darauf gab es eigentlich keine Antwort, und so stand Lucky Lester nur einfach da und grinste wieder einmal schuldbewusst. Aber da meldete sich hinter ihm eine giftgeladene Stimme:

»Ich will mich frikassieren lassen, wenn du das nicht absichtlich gemacht hast, du verteufelter Trottel. Und ich sage dir, dafür wirst du ...«

Lucky Lesters Gesicht lief wieder dunkel an, als er Selwyn Gibbons breitbeinig angestampft kommen sah.

»Du – du irrst dich, Gibbons«, beteuerte Lucky nach einem hastigen Schlucken. »Ich konnte wirklich nichts dafür, ich meine, ich wollte euch nur vor dieser verrückten Kuh warnen und war vielleicht ein bisschen hastig. Wie hätte ich auch ahnen können, dass du dir dabei ausgerechnet den – nun, dass dieses blöde Brenneisen ausgerechnet zu dir hinüberfliegen und dich am ...«

Der alte Ham begann auf eine geradezu entnervende Art zu feixen, und das war mehr, als Selwyn Gibbons in seinem gereizten Zustand ertragen konnte. Mit einem zornigen Gebrüll stürzte er sich auf Lucky Lester und schwang die Fäuste.

Ziemlich verdattert und unglücklich wehrte Lucky die ersten wilden Hiebe ab. Er war es gewohnt, von den anderen wegen seiner Tollpatschigkeit gehänselt und aufgezogen zu werden, und es kam nicht selten vor, dass man Ungeschicklichkeit oder Vergesslichkeit, die Lucky nicht bestreiten konnte, mit Trottelhaftigkeit gleichsetzte. Schließlich hielt ihn sogar der alte Ham für einen unverbesserlichen Narren, und der meinte es zweifellos gut mit ihm.

An einem Punkt allerdings hörten alle Spötteleien und aller Hohn auf, nämlich, sobald offensichtlich war, dass Lucky Lester die Geduld verlor oder ärgerlich wurde. Selten genug war das in den vergangenen Jahren geschehen, doch wenn es geschah, dann hatten die Spötter eine Bekanntschaft mit ziemlich harten Fäusten gemacht, die sie so bald nicht wieder vergaßen. Doch entweder war Gibbons' Zorn zu groß, oder er vertraute auf seine eigenen, nicht gerade schwächlichen Kräfte.

Lucky Lesters Verdatterung über diesen erbitterten Angriff war groß genug, dass er sich eine Weile auf die Verteidigung beschränkte, Schwinger abblockte oder wilden Haken durch rasche Beinarbeit auswich.

»Hör doch auf, Gibbons«, schnaubte er dazu. »Mein Gott, sei doch nicht so nachtragend. So ein kleines Missgeschick kann doch schließlich jedem mal passieren.«

Er hätte ebenso gut in den Wind reden können. Das mürrische Schwergewicht schien ihn gar nicht zu hören und setzte die Angriffe nur umso verbissener fort. Dann kam es, wie es kommen musste. Vor einer wilden Dublette konnte Lucky den Kopf nicht mehr rechtzeitig zur Seite nehmen und wurde am Ohr getroffen, das sofort zu brennen begann.

Er grunzte, hielt sich aber durch die übergroße Reichweite seiner Arme den Gegner immer noch vom Leib. Irgendwie jedoch gelang es Gibbons, darunter hinwegzutauchen. Unmittelbar vor Lucky kam er hoch, sprang ihn an und traf ihn mit einem gemeinen Kniestoß, während er gleichzeitig mit beiden Fäusten zum Kopf durchzukommen suchte.

Lucky krümmte sich vor Schmerzen und wankte rückwärts. Gibbons, in dem berauschenden Bewusstsein, den Grundstein zum Sieg gelegt zu haben, stürmte hinterher.

Der Fausthieb traf ihn mitten im Siegesrausch, ohne dass er ihn kommen sah, und traf ihn mit der Wucht eines Maultiertritts an der Kinnlade. Gibbons wurde zurückgeworfen und stürzte zu Boden – vor die Füße des Bullkalbs, das scheu und blökend davonstob, soweit es das Lasso erlaubte. Doch obgleich der Treffer Gibbons das Bewusstsein geraubt hatte, gab er in halber Betäubung noch ein Grunzen von sich, bäumte sich auf und wälzte sich auf den Bauch, um seine angegriffene Kehrseite nicht zu belasten.

Hamilton Garrett grinste erneut, was ihm vorübergehend vergangen war. Mit fachmännischen Blicken begutachtete er den versengten Fleck an Selwyn Gibbons' Hosenboden, durch den die ebenfalls noch verbrannte Unterhose und an einer Stelle sogar die blanke Haut durchschimmerte.

»Schade«, sagte er dann. »Wenn es ein sauberes Brandzeichen hätte werden sollen, hätte man das Eisen ein paar Sekunden festhalten müssen. Linke Hinterhand, die Stelle wäre richtig gewesen.«

»Hör bloß auf mit deinen dummen Witzen«, murmelte Lucky Lester bedrückt. »Wenn du nicht so blödsinnig gegrinst hättest, Ham, wäre er nicht wie ein Verrückter auf mich losgegangen. Komm schon, damit wir endlich das Kalb vom Lasso befreien können«

Old Ham nahm das Brandeisen vom Boden auf, legte es ins Feuer und nahm das heiße Zweiteisen zur Hand. Innerhalb einer Minute war es geschafft, und das Bullkalb rannte mit kläglichem Muhen seiner Mutter nach.

Doch schon auf halber Strecke begegnete es zwei Reitern, die ziemlich eilig die Mulde herabkamen. Lucky und Ham wechselten einen Blick, denn es waren keineswegs zwei der Cowboys, die hier vor der Elk Range das Buschland nach streunenden Rindern absuchten. Vielmehr handelte es sich um Aaron Valance und Shirley Kent, die Tochter des Colonels. Und letzterer Umstand ließ Lucky Lester unvermittelt wieder an die unschickliche Blöße Selwyn Gibbons' denken.

»Ham«, fragte er mit belegter Stimme, »was machen wir jetzt? Kannst du dich nicht so stellen, dass Gibbons' Rückseite ein bisschen vor Shirley verdeckt wird?«

Hamilton Garrett zog beim Feixen eine Grimasse, spuckte dann durch eine Zahnlücke ins Feuer und erwiderte:

»Warum soll sie das eigentlich nicht sehen? Ich bin sicher, sie wird nicht blind davon werden. Denn wenn ich mich vor ihn stelle, so wie er sich jetzt auf dem Bauch ausruht, dann wird sie erst recht neugierig. Ich meine, gerade du solltest Shirley eigentlich kennen.«

Lucky konnte nicht umhin, diese Bemerkung des Freundes als taktlos zu empfinden. Aber so war der alte Ham eben zuweilen – herzlos und brutal, wenn es die zartesten Gefühle anderer Menschen betraf.

Längst hatte Lucky bereut, diesem grinsenden Raubein seine Verschossenheit in Shirley Kent gestanden zu haben. Wenn er dafür wenigstens bei Shirley, diesem zappelfüßigen Teufelsbraten, die Spur einer Chance besessen hätte. Aber es war offensichtlich, dass das Mädel ihn nicht für voll nahm. Zwar konnte sie ihn sicher ganz gut leiden, aber mehr auf eine schwesterliche Art und ohne den geringsten Respekt, auf den er als Mann Anspruch zu haben glaubte.

Aaron Valance dagegen, ein auffallend hübscher Bursche mit dunklen Haaren, verwegenem Gesicht und geschmeidiger, pantherhafter Gestalt, verkörperte einen ausgesprochenen Frauentyp. So gab es denn auch keinen Zweifel, dass Shirley Kent für ihn entflammt war und sich seine galanten Aufmerksamkeiten gern gefallen ließ. Wer allerdings auf Grund von Aaron Valances Äußerem zu dem Schluss kam, einen Dandy vor sich zu haben, der konnte sehr leicht eine unangenehme Überraschung erleben.

Valance war ein Revolvermann, eine lebendige Schießmaschine von geradezu bedrückender Präzision. Dieser Fähigkeiten wegen hatte der Colonel ihn ja auch angeworben – damals, als die schwelende Fehde mit Otis Hall und der Star-Ranch zu einem offenen Weidekrieg zu entflammen drohte. Und später war Aaron Valance dann geblieben und verwandte seine Schießfertigkeit dazu, das Raubzeug in den Hügeln kurz zu halten. Der Colonel war vermutlich der Ansicht gewesen, dass es sich rentierte, einen Revolvermann wie Valance als beständige Warnung an Leute wie Otis Hall auf der Lohnliste zu behalten. Nur war diese Warnung leider nicht so beachtet worden, wie Colonel Kent es sich gewünscht hätte, denn die Viehdiebstähle im Elk Valley nahmen trotzdem immer mehr zu.

Ein wenig unsicher blickte Lucky Lester den beiden entgegen. Shirley ritt ihre hochbeinige Fuchsstute. Sie trug Levishosen, ein sandfarbenes Baumwollhemd mit aufgesetzten Taschen und einen staubigen, verbeulten Hut. Allein in dieser Kleidung trug sie ihre unverkennbare Verachtung für alles Hergebrachte zur Schau. Es gab sicherlich in ganz Oregon nur wenige Frauen, die Hosen trugen und im Herrensitz ritten, und Lucky Lester war überzeugt, dass keine davon hübsch genug war, um es mit diesem kleinen Teufel aufzunehmen. Mit nachsichtigem Lächeln hielt sich Aaron Valance neben ihr, als sie ihre Stute zügelte, die Brauen runzelte und auf die Männer hinabsah.

»Lucky, Ham«, sagte sie gewollt burschikos, »kann mir einer von euch verraten, was Gibbons da am Boden macht?«

Lucky räusperte sich, als er zum Sprechen ansetzte, doch der alte Ham kam ihm zuvor.

»Sandflöhe sucht er bestimmt nicht«, erklärte er kichernd. »Wir haben hier im Camp einen kleinen Unfall gehabt. Eine von diesen verrückten Longhornkühen gebärdete sich wie ein Stier, als wir ihrem Kalb zu nahe kamen. Daraus hat sich dann der ganze Ärger entwickelt. Es taugt eben nichts, wenn sich Frauenzimmer einbilden, sie könnten ...«

»Ham«, unterbrach ihn Shirley scharf, »ich danke dir für deine taktvolle Aufklärung. Wenn darin allerdings eine Anzüglichkeit enthalten gewesen sein sollte, dann habe ich sie nicht ganz mitgekriegt. – Zum Teufel«, setzte sie dann womöglich noch unwilliger hinzu, »warum kümmert ihr euch nicht um ihn?«

Ehe auch nur jemand eine Erklärung abgeben konnte, sprang sie auch schon leichtfüßig aus dem Sattel, ließ die Zügel der Stute einfach zu Boden fallen und ging auf Selwyn Gibbons zu.

»Nein«, ächzte Lucky Lester, »es ist wirklich nicht nötig, Shirley.«

Aber da war es bereits zu spät. Die Tochter des Colonels sah die Bescherung, blieb stocksteif stehen und lief dabei dunkel an. Im selben Moment richtete sich Selwyn Gibbons grunzend auf Ellenbogen und Knie auf, eine wenig dezente Haltung, wenn man berücksichtigte, dass er den anderen dabei seine Kehrseite zuwandte, wobei der versengte und angekohlte Stoff seiner Hose dieser neuerlichen Anspannung nicht mehr standhielt.

»Nein«, stöhnte Lucky Lester zum zweiten Mal, stürzte vorwärts und schob sich zwischen Gibbons und das Mädchen. Dabei breitete er beschwörend die Arme aus, als ob er dadurch Shirleys Blicke aufhalten könnte.

Doch inzwischen war die Gefahr bereits gebannt. Selwyn Gibbons kam etwas schwankend auf die Füße, drehte sich um und rieb sich grollend die Kinnlade.

»Warte nur, du tollpatschiger Narr«, knurrte er dazu, »das bleibt dir nicht geschenkt.«

»Hört auf«, sagte Aaron Valance mit trügerischer Sanftmütigkeit. Er hatte ein schmales Gesicht, dunkle Koteletten und eine samtene Stimme, und es wurde erzählt, dass seinen verschleierten Blicken weder in Bedford noch in Umatilla Junction ein Mädchen entgangen war, dessen Leichtfertigkeit zu einem Abenteuer ausreichte. Merkwürdigerweise taten diese Gerüchte Shirley Kents Vorliebe für den Revolvermann keinen Abbruch. Aaron Valances Lippen kräuselten sich, als er bemerkte, wie die Hände von Selwyn Gibbons zu dessen verlängertem Rücken fuhren, dann setzte er hinzu: »Wir haben wirklich andere Sorgen als euren kindischen Streit. Terry Flynn hat zwischen den Felsen der Badlands Rinderfährten gefunden. Mindestens dreißig Tiere sind nach Nordosten getrieben worden. Wir müssen sofort die Mannschaft zusammenholen und den Colonel benachrichtigen.«

Einen Augenblick lang starrte Lucky ihn aus ungläubigen Augen an.

»So ein Blödsinn«, entfuhr es ihm dann ungewollt heftig. »Ich habe nichts gegen Terry Flynn, aber wenn er in den Badlands Spuren gesehen hat, dann höchstens die von weißen Mäusen, falls er gestern Abend mit einer Flasche schlafen gegangen ist. Der Junge spinnt doch sonst nicht.«

In Aaron Valances Gesicht begann es zu wetterleuchten.

»Wir haben nicht nach deiner Meinung gefragt, Tollpatsch«, sagte er ärgerlich. »Ich habe die Fährten auch gesehen.«

Lucky wechselte einen Blick mit dem alten Ham und schwieg. Seine Erbitterung war nicht zu übersehen. Andrerseits sagte er sich jedoch, dass er selbst an dieser Behandlung die Schuld trug. Wenn sich ein Mann so viele Ungeschicklichkeiten leistete wie er, dann musste das die Folge sein. Dann jedoch gewann seine nüchterne Überlegung die Oberhand, soweit seine entfesselte Fantasie das überhaupt jemals zuließ.

Die Badlands waren ein übles, wildzerklüftetes Gebiet im unteren Teil des Elk Valleys. Es bildete die Grenze und gleichzeitig gewissermaßen einen Puffer zwischen der Triangle-K-Ranch und den anderen Ranches des Beckens, darunter auch die Star-Ranch von Otis Hall. Wenn in den Badlands ein versteckter Pfad existierte, dann war er zweifellos der geeignete Weg, um Rinder der Triangle-K-Ranch wegzutreiben. Doch Lucky Lester bezweifelte, dass es eine solche Passage durch jenes Labyrinth von Felsen, Scrubwoods und Schründen gab.

Nach seiner Kenntnis jenes Geländes konnte er sagen, dass von dreißig Rindern, die in die Badlands getrieben wurden, bestenfalls ein halbes Dutzend wieder daraus zum Vorschein kamen. Die gleiche Kenntnis hätte man eigentlich auch bei Viehdieben voraussetzen können. Doch sein Einspruch wurde abgelehnt, und es berührte ihn schmerzlich, dass auch Shirley geflissentlich über ihn hinwegsah.

»Gibbons«, knurrte Aaron Valance ein wenig anmaßend, »du reitest an den Hügeln entlang und schickst alle Burschen von der Weidearbeit hierher! Garrett, du reitest zum anderen Brenncamp hinüber und bringst Chuck Rafferty mit seinen Leuten her! Ich selbst reite mit Shirley zur Ranch und benachrichtige den Colonel. In ungefähr zwei Stunden können wir dann die ganze Mannschaft hier versammelt haben.«

Lucky Lester stand da wie ein begossener Pudel. Er war nicht erwähnt worden, und er wusste auch genau, was die Antwort sein würde, wenn er sich jetzt nach seiner Aufgabe erkundigte:

Valance würde zweifellos sagen, er solle sich nur hier ins Gras legen, um Mücken oder Ameisen zu zählen, weil er zu etwas anderem doch nicht tauge. Dessen war sich Lucky schon deshalb so sicher, weil Valance keine Gelegenheit ausließ, ihn vor Shirley lächerlich zu machen. Also schwieg er weiterhin und trat nur hinzu, als das Mädchen Anstalten machte, wieder in den Sattel zu steigen. Ungelenk und hilflos stand er dann da und wusste nichts mit seinen zu groß geratenen Händen anzufangen, weil die Tochter des Colonels ihm nur einen tadelnden Blick zuwarf und spitz murmelte: