H. C. Hollister 98 - H.C. Hollister - E-Book

H. C. Hollister 98 E-Book

H. C. Hollister

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Beschreibung

Nach sieben Jahren kehrt Hank Kingsford in jenen Winkel des Wind River Basins zurück, der einmal von seiner Sippe und der Kingsford-Ranch beherrscht wurde - bis zu jener furchtbaren Nacht. Er weiß, dass er nur noch verkohlte Trümmer der einst so mächtigen Ranch vorfinden wird, und doch zieht es ihn hierher zurück. Hank ist nicht gekommen, um Vergeltung an der Meute zu üben, die sich in jener Nacht zusammenrottete. Vielmehr hat er sich selbst überwunden und aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Er will in Frieden aufbauen, was damals durch Hass und entfesselte Leidenschaften zerstört worden ist.
Seit Jahren herrscht Waffenstillstand in diesem Land. Frieden kann man es nicht nennen. Aber Hanks Rückkehr lässt das Inferno losbrechen. Kein Wunder, dass man ihm die Zerstörung des Staudamms im Snake Canyon zur Last legt. Ihm bleibt keine andere Wahl als zu kämpfen, wenn er seine Unschuld beweisen will. Am Ende der Fährte findet er den geheimnisvollen Drahtzieher, der alle Leidenschaften des Landes erneut entfesselt. Doch dann erlebt Hank eine tödliche Überraschung ...


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Inhalt

Cover

DER STERN DER VERGÄNGLICHKEIT

Vorschau

Impressum

DER STERN DER VERGÄNGLICHKEIT

Nach sieben Jahren kehrt Hank Kingsford in jenen Winkel des Wind River Basins zurück, der einmal von seiner Sippe und der Kingsford-Ranch beherrscht wurde – bis zu jener furchtbaren Nacht. Er weiß, dass er nur noch verkohlte Trümmer der einst so mächtigen Ranch vorfinden wird, und doch zieht es ihn hierher zurück. Hank ist nicht gekommen, um Vergeltung an der Meute zu üben, die sich in jener Nacht zusammenrottete. Vielmehr hat er sich selbst überwunden und aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Er will in Frieden aufbauen, was damals durch Hass und entfesselte Leidenschaften zerstört worden ist.

Seit Jahren herrscht Waffenstillstand in diesem Land. Frieden kann man es nicht nennen. Aber Hanks Rückkehr lässt das Inferno losbrechen. Kein Wunder, dass man ihm die Zerstörung des Staudamms im Snake Canyon zur Last legt. Ihm bleibt keine andere Wahl als zu kämpfen, wenn er seine Unschuld beweisen will. Am Ende der Fährte findet er den geheimnisvollen Drahtzieher, der alle Leidenschaften des Landes erneut entfesselt. Doch dann erlebt Hank eine tödliche Überraschung ...

Eine Meile vor der Stadt hält Hank Kingsford noch einmal an, stopft sich die Reithandschuhe hinter den Gurt und dreht sich eine Zigarette.

Vor genau sieben Jahren hat er diese Hügel zum letzten Mal gesehen, ein unfertiger, schlaksiger Junge von knapp neunzehn Jahren. Der jüngste Welpe aus der Kingsford-Brut. So jedenfalls hatte man damals im Shoshone County gesagt. Er hatte auf dem alten Maulesel mehr gehangen als gesessen – zerschunden, zerschlagen und zerbrochen. Noch ein Jahr später ist er zuweilen nachts aus dem Schlaf aufgeschreckt, die furchtbare Stimme im Ohr: »Schießt, zum Teufel! Schießt und lasst keinen von ihnen am Leben!«

Dann glaubte er wieder den beißenden Rauch und die Hitze der sengenden Flammen zu spüren. Er hörte wieder den erstickten Schrei seines Bruders Pete, der neben ihm zusammenbrach und neben Old Warren zu Boden sank. Draußen zuckten die Mündungsfeuer. Scheiben zerklirrten und Querschläger jaulten durch den Raum. Einer dieser Querschläger erwischte auch Larry, als er die Treppe herabgestolpert kam, weil die Flammen bereits das ganze Obergeschoss erfasst hatten.

Wenig später griff der Brand auf die Balkendecke über. Funken regneten herab, und der immer dichter werdende Rauch drang beißend in Augen und Lungen. Da hatte er sich den schlaffen Larry auf die Schulter geladen und war hinausgetaumelt, von einem Hustenkrampf geschüttelt und jederzeit bereit, nun ebenfalls das heiße, tödliche Blei des Aufgebots aufzufangen. Er wusste genau, dies war die letzte Schlacht des Shoshone-County-Krieges, und die Kingsford-Ranch hatte sie verloren.

Hinter der Stallecke war Rocky Lundvall aufgetaucht und lud mit vor Erregung zitternden Händen seinen Revolver nach. Und wieder röhrte seine gewaltige Stimme: »Schießt doch, ihr habt ihn vor dem Lauf! Lasst keinen von dieser höllischen Brut entkommen!«

Obgleich Hanks Augen tränten, hatte er den grimmigen Eisriesen wie durch einen Schleier erkannt. Doch zugleich rief das knarrende Organ des Sheriffs Buster Cody von der anderen Seite her:

»Nein, hört auf! Es ist nur der Junge!«

Erstaunlich, dass eine Marionette wie Buster Cody sich überhaupt zu solchem Widerspruch aufraffen konnte. Hank hatte seinen reglosen Bruder zu Boden gleiten lassen, um ins Haus zurückzuhasten und die anderen herauszuholen. Doch seine Kräfte hatten versagt und er war selbst in die Knie gebrochen. Dann waren sie von allen Seiten auf ihn zugekommen – der finstere Riese Rocky Lundvall und sein hagerer Bruder Holger, Sheriff Buster Cody in seiner schlotternden Jacke und der kantige, vierschrötige Knud Blomquist, Vormann der Lundvall-Ranch. Noch ein paar andere Gesichter hatte Hank Kingsford sich in diesem Moment eingeprägt, während er gegen seine lähmende Schwäche ankämpfte und das trockene Schluchzen unaufhaltsam in seiner ausgedörrten Kehle emporstieg.

»Warum eigentlich?«, sagte Rocky Lundvall rau. »Warum einen jungen Wolf am Leben lassen, wenn man genau weiß, dass er beißen wird, sobald er die Milchzähne verloren hat? Dieser hier beißt jetzt schon, das hat er soeben bewiesen. Man sollte ihn wie einen Welpen ertränken oder mit einem soliden Strick ...«

»Lass ihn nur, Boss«, war Knud Blomquist eingefallen. »Wir werden ihn auf andere Weise zähmen. Ich werde ihm eine Lektion erteilen, die er sein ganzes Leben nicht mehr vergisst.«

Und genau das hatte Knud Blomquist dann auch getan – mitleidlos und unerbittlich. Als die Knöchel seiner Rechten aufgeschlagen waren, hatte er den schweren Knauf seiner Bullpeitsche zu Hilfe genommen. Halbtot hatte man Hank Kingsford wenig später auf ein Maultier gepackt. Das war das Ende gewesen.

All diese Dinge stehen in schrecklicher Lebendigkeit wieder vor Hank Kingfords Augen, als er von seinem Wallach gleitet, sich am Ufer des Squaw Creeks niederhockt und gedankenvoll seine Zigarette raucht.

Hank Kingsford sieht sich um. Sein Appaloosa-Wallach ist fesseltief in den Creek hineingetrottet und hat vorsichtig getrunken. Doch ihm gilt weniger die Aufmerksamkeit Hanks. Mit gespannten Lippen stößt er einen langgezogenen durchdringenden Pfiff aus. Schon Sekunden später ist zwischen den Büschen ein scharfes Hecheln zu hören. Und dann schießt ein langgestreckter, gefleckter Schatten dazwischen hervor. Erst unmittelbar vor dem hockenden Mann bremst ein großer Hund, ähnlich einem schottischen Schäferhund, seinen Schwung ab und lehnt sich gegen Hanks Schulter.

Hank Kingsford erhebt sich mit mattem Lächeln, schnippt den Rest seiner Zigarette ins Wasser und sagt in gemächlichem Tonfall zu seinen beiden Begleitern:

»Jetzt fängt der Ernst des Lebens wieder an. Und benehmt euch ja anständig, wenn wir in die Stadt kommen. Auf alles, was mit dem Namen Kingsford zusammenhängt, ist man hier bestimmt nicht gut zu sprechen. Ihr wisst also Bescheid.«

Schon nach knapp einer halben Meile führt die Poststraße zwischen Mais-‍, Hartweizen- und Rübenfeldern dahin. Die größte Überraschung allerdings erlebt Hank, als er dann die Stadt vor sich sieht. Innerhalb von sieben Jahren hat sich Marshfield in seiner Ausdehnung fast verdoppelt.

Hank reitet staunend an vielen neuen Bauten, Saloons und sogar einer Bank vorbei. Nur die Handelsstation von Henry Marsh hat ihr Aussehen bewahrt. Sie ist General-Store, Mietstall und Umschlagplatz für Häute und Felle in einem. Teilweise sind sogar noch die alten Palisaden erhalten und zeigen mit ihren Brandspuren, wie es hier vor knapp zwanzig Jahren einmal zugegangen ist, in jener Zeit, als Old Warren Kingsford mit seiner Herde und seiner rauen Mannschaft von Süden heraufkam und sich vor den Hügeln seine Ranch absteckte.

Ein Mann steht auf dem Gehsteig vor dem Barber Shop, spricht noch ein paar Worte durch die halb geöffnete Tür und wendet sich dann der Straße zu. Im selben Augenblick, als Hank den Sheriff erkennt, versetzt es ihm einen Stich. Er presst die Zähne aufeinander und zwingt sich, dem forschenden Blick des anderen scheinbar gleichmütig standzuhalten. Buster Cody hat sich nur wenig verändert.

Hank Kingsford ist schon fast vorüber, als der Sheriff die Hand hebt und krächzend sagt:

»Warten Sie, Stranger! Kennen wir uns nicht?«

Ohne sichtbare Einwirkung des Reiters kommt der Appaloosa zum Stehen. Castor, der gefleckte Hund, trottet heran, schielt einmal aus bernsteingelben Lichtern zum Sheriff empor, um sich dann uninteressiert abzuwenden und schnuppernd den Gehsteig zu inspizieren.

»Unwahrscheinlich, Sheriff«, erwidert Hank in zusammengesunkener Haltung. »Gerade haben Sie mich noch Fremder genannt. Vielleicht werden Sie von einer Ähnlichkeit genarrt.«

Buster Cody legt den Kopf zur Seite, sodass sich sein Haar am Kragen staucht.

»Mister«, murmelt er nachdenklich, »dann muss es aber schon eine ganz verteufelte Ähnlichkeit sein. Ich bin sicher, dass wir uns schon einmal begegnet sind. Aber ich kann mich einfach nicht erinnern.«

»Wirklich?« Hank Kingsfords Stimme klingt spröde. »Dann machen Sie es so wie ich, Sheriff. Versuchen Sie, diese Erinnerungen einfach aus Ihrem Gedächtnis zu verbannen. Vergessen Sie es! Manchmal ist das die einzige Möglichkeit, mit der Vergangenheit fertigzuwerden und unbeschwert einen neuen Anfang zu machen.«

Offenbar wird durch diese Worte erst recht Buster Codys Argwohn geweckt.

»Das hört sich merkwürdig an«, entgegnet er hartnäckig. »Sehr merkwürdig, Freund. Wollen Sie mir nicht Ihren Namen nennen?«

Unwillkürlich strafft Hank die Schultern.

»Wozu, Sheriff?«, versetzt er schleppend. »Wenn ich etwas zu verbergen hätte, wäre nichts leichter, als Ihnen einen Bären aufzubinden. Mit einem John Smith oder Ben Miller könnten Sie schwerlich etwas anfangen, nicht wahr?«

»Sie wollen also nicht«, zieht Buster Cody aus der Bemerkung grimmig das Fazit. »Lassen Sie sich aber gesagt sein: Dies ist eine friedliche und ordentliche Stadt, und wir schauen allen Fremden und Satteltramps auf die Finger.«

»Wie gut sich das trifft«, spöttelt Hank. »Ich bin nämlich auch ein friedlicher und ordentlicher Mensch, Sheriff. Oder gefällt Ihnen etwas an mir nicht?«

»Etwas?«, echot Cody mit verkniffenen Augen. »Zwei Dinge, um genau zu sein. Die Art, wie Sie Ihr Schießeisen tragen und wie Sie um den heißen Brei herumreden, Freund. Jetzt wissen Sie es also. Richten Sie sich danach, wenn Sie hier in der Stadt bleiben wollen, dann werden wir miteinander ...«

»Ich habe nicht die Absicht, in der Stadt zu bleiben«, fällt ihm Hank ins Wort. »Beruhigt Sie das, Sheriff?«

»Das, mein Freund«, brummt Buster Cody sarkastisch, »ist nicht nötig. So leicht bin ich nämlich gar nicht aus der Ruhe zu bringen.«

Hank nickt und greift nach den Zügeln. »Würden Sie mir eine Bitte erfüllen, Sheriff?«

Cody verbirgt sein Erstaunen hinter einer bärbeißigen Miene.

»Das kommt darauf an. Wenn es in meiner Macht steht ...« sagt er zögernd.

»Dann hören Sie endlich auf, mich Freund zu nennen«, sagt Hank Kingsford in völlig verändertem, hartem Tonfall. »Ob Sie und ich jemals Freunde werden können, steht in den Sternen.«

Der Sheriff bekommt keine Gelegenheit mehr zu einer Erwiderung. Er starrt dem schlanken, schmalhüftigen Reiter nach.

✰✰✰

Von all den Bekannten, die Hank Kingsford bisher in der Stadt gesehen hat, hat ihn niemand erkannt. Das bleibt offenbar Burt Rennahan vorbehalten – trotz seiner Brille und der kurzsichtig blinzelnden Augen.

»Mister«, beginnt der Schneider zögernd, und dann kräht er plötzlich los: »Hank! Natürlich bist du es, Hank Kingsford!«

Seine Stimme ist so durchdringend, dass Hank mit schmerzlichem Lächeln zusammenzuckt.

»Du hast ja recht, Burt«, erwidert er mit melancholischem Lächeln, »aber musst du es deshalb der ganzen Stadt in die Ohren brüllen? Ich glaube nämlich nicht, dass man hier über meine Rückkehr sehr erfreut sein wird!«

Burt Rennahan fällt Hank um den Hals, klopft ihm die Schultern und stellt bei dieser Gelegenheit gleich unter Beweis, dass in seiner zappeligen Gestalt weitaus mehr Kräfte stecken, als man ihm zutrauen würde.

Lächelnd lässt Hank diesen Schwall von Misshandlungen und unzusammenhängenden Worten über sich ergehen und erhebt auch keinen Widerspruch, als ihm zum Schluss der rechte Arm fast aus dem Gelenk gerissen wird. Erst als daraufhin Castor mit drohendem Grollen den Kopf hebt, weil er den Begeisterungsausbruch nicht versteht, sagt er:

»Du hörst jetzt besser auf, Burt, sonst kommst du noch in Verlegenheit, demnächst deinen eigenen Hosenboden zu flicken. Castor glaubt nämlich, dass du mich in Stücke reißen willst.«

Erschreckt starrt Burt Rennahan auf den Hund hinab und reißt die Augen auf. Dann lächelt er unsicher und sagt:

»Hank, du glaubst gar nicht, wie froh ich bin, dass nicht Larry, sondern du zuerst wieder im Wind-River-Becken aufgetaucht bist. Ich bin sicher, Larry hätte hier die Hölle losgelassen. Von allen Kingsford warst du bisher der einzige, dem man genug Vernunft zutrauen konnte, nach allem, meine ich, was vor sieben Jahren hier vorgefallen ist.«

Unter der gebräunten Haut wird Hanks Gesichtsfarbe fahl. Als ob er nur ein einziges Wort verstanden hätte, wiederholt er monoton:

»Larry? Was ist mit Larry, Burt? Er ist doch tot wie die anderen. Ich selbst habe ihn aus dem brennenden Haus geschleppt. Er – er gab kein Lebenszeichen mehr von sich und war blutüberströmt.«

Fassungslos starrt Burt Rennahan ihn an.

»Du weißt es noch gar nicht, Hank?«, krächzt er heiser. »Nein, Larry war nicht tot. Er hatte einen schlimmen Streifschuss am Kopf und ein Querschläger hatte ihm die Brust aufgerissen. Aber tot war er nicht, Hank. Schon nach zwei Monaten war er so weit wiederhergestellt, dass sie ihn in Lander vor Gericht gestellt haben. Immerhin hattet ihr Kingsfords es dem Aufgebot nicht ganz leichtgemacht, Larry herauszuholen. Ein Mann ist getötet und drei verwundet worden. Nun, und da hat man Larry zu zehn Jahren verurteilt. Gleich nach der Verhandlung ist er ins Staatsgefängnis transportiert worden, und dort sitzt er jetzt noch. Ich hatte ja keine Ahnung, dass du nichts davon wusstest, Hank.«

»Larry«, murmelt Hank wiederum, dass es fast wie ein Seufzer klingt. »Ausgerechnet Larry im Gefängnis, der von uns allen die ungebundene Freiheit am meisten liebte. – Seit sieben Jahren hinter Gittern, Burt.«

Unruhig blickt der Schneider über Hanks Schulter hinweg zum Gehsteig vor dem Saloon und sagt nun hastig:

»Wollen wir nicht hineingehen und dort weiterreden, Hank? Ellen wird sicherlich vom Stängel fallen, wenn ich ihr diesen Besuch präsentiere.«

Ganz langsam wendet Hank sich um. Noch im selben Moment hat er bemerkt, wie Burt Rennahan ihm durch Grimasse ein Zeichen geben wollte, und ist deshalb auf alle möglichen Begegnungen vorbereitet. Dass er sich jetzt ausgerechnet dem Mann gegenübersieht, der ihm vor sieben Jahren als einem halbfertigen Jungen eine erbarmungslose »Lektion« erteilt hatte, versetzt ihm dennoch einen Schock.

Knud Blomquist, der Vormann der Schweden-Ranch, steht mit gespreizten Beinen und leicht vorgeneigtem Oberkörper. Dieser vierschrötige, bärenhafte Bursche ist gar nicht denkbar ohne seine lange Bullpeitsche. Auch jetzt hält er sie zusammengerollt in der Rechten, und gerade als Hank sich umwendet, schüttelt er das geschmeidige Leder aus, sodass es nun klatschend vor Hanks Füßen auf den Boden patscht, während der Vormann den umflochtenen Griff schlaff in der herabhängenden Hand hält.

Niemand braucht Hank zu sagen, welch eine gefährliche Waffe eine solche Bullpeitsche in der Hand eines geübten Mannes darstellt. Knud Blomquist jedenfalls wäre in der Lage, jedem Gegner damit einen Arm zu brechen, noch ehe dieser nach seiner Waffe greifen könnte.

»Knud Blomquist von der Schweden-Ranch«, stößt Hank mit einem gepressten Atemzug aus. »Es soll also wieder von vorn losgehen, wie? Nun, worauf wartest du dann noch, Blomquist? Fang nur an!«

Die raupenartigen dunklen Brauen des Vormanns ziehen sich zusammen, und in seinen Augen beginnt es gelb zu funkeln.

»Sicher«, sagt er in fremdartigem Akzent, den er immer noch nicht verloren hat. »Warum eigentlich nicht? Ein Welpe wurde vor Jahren davongejagt, und ein ausgewachsener Bergwolf kommt zurück. Man muss ihm gleich die heilige Furcht des Herrn einhämmern. Du trägst einen prächtigen Revolver, Kingsford, und ich vermute, du hast inzwischen damit umzugehen gelernt. Aber gegen Knud Blomquist und seine Bullwhip wird dir das wenig nützen.«

»Ich weiß«, gibt Hank verschlossen zurück. »Du würdest es fertigbringen, mir das Fleisch von den Knochen zu fetzen, ehe ich mich zur Wehr setzen kann. Das wolltest du doch sagen, nicht wahr? Warum versuchst du es dann nicht?«

Mit einem Schlag wird der bullige Schwede unsicher. Für eine Sekunde irren seine Blicke ab. Und dann sieht er den Hund, der einige Schritte seitlich von ihm zusammengeduckt am Boden liegt, sprungbereit und die Lefzen emporgezogen, als ob er die Situation instinktiv erfasst hätte.

»Dieser Köter«, sagt der Vormann heiser. »Halte ihn mir vom Leib, Kingsford, wenn du nicht willst, dass ich ihm mit dem ersten Schlag das Rückgrat zerschmettere.«

»Knud«, entgegnet Hank mit tödlicher Sanftheit, »daran würde ich an deiner Stelle nicht einmal denken. Genauso wenig wie ich die Absicht habe, es hier mit dem Schießeisen auszutragen. Du warst schon damals ein Held, als du einen schlaksigen, Jungen zerbrechen wolltest, und sicher bist du es heute noch. Also dann – nehmen wir doch beide die gleichen Waffen, nicht wahr?«

Ohne eine Erwiderung abzuwarten, geht er drei Schritte zu seinem Appaloosa-Wallach und nimmt ebenfalls eine Bullpeitsche mit silbernem Knopf vom Sattelhorn. Knud Blomquist kneift die Augen zusammen und entblößt die Zähne in einem harten Grinsen.

»Junge«, sagt er bissig, »das kann doch nicht wahr sein. Du willst es wahrhaftig mit einer ausgewachsenen Bullwhip austragen? Dann schicke nur deinen Köter weg, und du wirst deine helle Freude bekommen.«

»Hank«, keucht Burt Rennahan und schiebt verzweifelt seine Nickelbrille höher empor, »sei kein Narr! Das ist doch Wahnsinn, wenn du jetzt ...«

»Schon gut, Burt«, unterbricht ihn Hank spröde, »Blomquist will es nicht anders haben. Von selbst hätte ich mich nicht mit ihm angelegt. Ich hatte mir sogar vorgenommen, friedlich zu sein und jedem Burschen von der Schweden-Ranch aus dem Weg zu reiten. Aber so liegen die Dinge natürlich anders. Niemand soll sich einbilden, mir noch jemals die Furcht des Herrn einbläuen zu können. – Castor«, wendet er sich schärfer an den Hund, »zurück! Runter! Hast du gehört? Bleib nur unten und stör uns nicht!«

»Ein kluger Hund!«, grinst Knud Blomquist, als Castor sich daraufhin kriechend zurückzieht und schließlich zwischen den Hufen des Wallachs liegenbleibt. »Bist du fertig, Mister?«

Mit einer Bewegung des Handgelenks lässt Hank seine Bullpeitsche ausrollen. Zwölf Fuß lang liegt das geschmeidige, braunglänzende und eng geflochtene Leder jetzt in leichter Schlängelung am Boden.

»Fertig«, gibt Hank trocken zurück.

Im selben Moment reißt der Gegner auch schon den Arm hoch. Seine Lederschlange gerät in zuckende Bewegung. Die Spitze mit dem Schwipper zischt auf Hanks Gesicht los. Doch der vollführt aus dem Handgelenk spielerisch einen Schlenker. Klatschend prallen die beiden Lederschlangen aufeinander. Die Peitsche des Schweden wird abgelenkt und faucht mit einem pfeifenden Laut über Hank Kingfords Kopf hinweg. Hanks Leder jedoch gleitet daran entlang vorwärts, und ehe der Vormann seine Peitsche mit ausholender, kraftvoller Bewegung zurückreißen kann, um sie einen Sekundenbruchteil später schon wieder losschnellen zu lassen, klatscht ihm ein Hieb über die Schulter und reißt seine Jacke in Fetzen.

Blomquist stößt einen Grunzlaut aus und gerät ins Stolpern. Nur mit dem Griff kann er den nächsten Hieb abwehren und muss schon wieder Schwung holen, weil es wie durch Zauberei von der anderen Seite heranzischt. Mit scharfem Klatschen knallt es gegen seinen rechten Schenkel. Der Hieb hinterlässt einen klaffenden Riss in den Lederchaps des Schweden. Mit aller Kraft schlägt auch Knud Blomquist zu, gerade in diesem Augenblick legt sich etwas um seine Waden. Ein Ruck, und die Beine werden ihm unter dem Leib weggerissen. Mit einem Krächzen stürzt er rückwärts zu Boden, während sich Hank Kingsford geschmeidig unter dem Hieb des Gegners hinwegduckt.

»Halt!«, ertönt in diesem Moment ein Schrei aus weiblicher Kehle. »Hört auf damit! Sofort!«

Hanks Fuß steht auf dem Ende von Knud Blomquists Peitsche, während der Schwede im Moment wehrlos am Boden liegt. Wer jemals Erfahrungen im Kampf mit der Bullpeitsche hat sammeln können, der erkennt auf Anhieb die völlige Hoffnungslosigkeit von Blomquists Situation.

Aber Hank Kingsford unternimmt nichts. Mit ruhigen Bewegungen rollt er seine Bullpeitsche auf und blickt über die Schulter. Es wundert ihn nicht, in der Umgebung annähernd zwei Dutzend Zuschauer zu entdecken, die sich jetzt größtenteils zur Seite drücken oder wieder im Saloon verschwinden. Doch dann fällt sein Blick auf eine Gruppe vor der Schneiderwerkstatt. Schlank, weißblond und hochbeinig steht Karen Lundvall in der Mitte. Ihre Lippen sind von eigenwilligem Schwung, und ihre grünen Katzenaugen zeigen den Ausdruck bodenlosen Erstaunens. Sie trägt ein Reitkostüm aus grünem Samt und dazu eine Art Barett, das mit wallenden Federn geschmückt ist.

Eine ganze Weile verharren Hank Kingsfords Blicke bei diesem Bild. Er hatte Karen Lundvall als einen dünnbeinigen Wildfang in Erinnerung gehabt, hochmütig, überheblich und verschlossen. Was er jetzt vor sich sieht, ist eine Lady mit allen weiblichen Attributen, dabei selbstbewusst und von einer unverkennbaren Energie.

Erst danach nimmt er auch ihren Bruder wahr. Holger Lundvall, hager, ein bisschen unbeholfen und schlaksig und mit einem schütteren blonden Bärtchen auf der Oberlippe.

Die Dritte im Bunde ist Ellen Rennahan, die zusammen mit ihrem Bruder Burt die Schneiderei führt. Ihr lebhaftes und hübsches Gesicht hat sich verkrampft, und ihre Rechte liegt vor dem Hals, als ob sie einen Schrei zurückhalten müsse. In ihrem einfachen Kattunkleid wirkt sie gegenüber Karen Lundvall beinahe unscheinbar.