H. C. Hollister 101 - H.C. Hollister - E-Book

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H. C. Hollister

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Beschreibung

Allgemein wird die Schlacht der vereinigten Dakota-Sioux gegen das 7. Kavallerie-Regiment am Little Bighorn, in dem General Custer vernichtend geschlagen wurde, als Höhepunkt der Indianerkämpfe betrachtet. Doch dieses leuchtende Fanal für die roten Nationen verlosch bald in jener endlosen Nacht, in der die Überlebenden der "Vergeltungsaktionen" in den kümmerlichen Reservationen dahinvegetierten. Ein Mann jedoch hielt auch noch zwei Jahre nach diesem Debakel die Fahne der Freiheit hoch: Chief Joseph, der überragende Häuptling der Nez-Percé- Indianer. Obgleich im tiefsten Grunde seines Wesens ein friedfertiger Mensch, widersetzte er sich den Blauröcken der Unions-Armee immer wieder und lieferte ihnen gnadenlose Kämpfe, bis auch sein Volk dem Verrat und der Übermacht im heroischen Kampf erlag.
Dan Hartell stammte aus Kentucky und hatte in der Armee gedient, ehe er seinen Abschied nahm - angewidert von den Methoden und der Doppelzüngigkeit, mit der man jene Menschen um ihre Freiheit und ihr Land betrog, die als einzige wirklich ein Recht gehabt hätten, sich Amerikaner zu nennen, obgleich man sie aufgrund eines grotesken Irrtums aus den Entdeckerjahren als Indianer bezeichnete.


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Inhalt

Cover

DIE ENDLOSE NACHT

Vorschau

Impressum

DIE ENDLOSE NACHT

Allgemein wird die Schlacht der vereinigten Dakota-Sioux gegen das 7. Kavallerie-Regiment am Little Bighorn, in dem General Custer vernichtend geschlagen wurde, als Höhepunkt der Indianerkämpfe betrachtet. Doch dieses leuchtende Fanal für die roten Nationen verlosch bald in jener endlosen Nacht, in der die Überlebenden der »Vergeltungsaktionen« in den kümmerlichen Reservationen dahinvegetierten. Ein Mann jedoch hielt auch noch zwei Jahre nach diesem Debakel die Fahne der Freiheit hoch: Chief Joseph, der überragende Häuptling der Nez-Percé- Indianer. Obgleich im tiefsten Grunde seines Wesens ein friedfertiger Mensch, widersetzte er sich den Blauröcken der Unions-Armee immer wieder und lieferte ihnen gnadenlose Kämpfe, bis auch sein Volk dem Verrat und der Übermacht im heroischen Kampf erlag.

Dan Hartell stammte aus Kentucky und hatte in der Armee gedient, ehe er seinen Abschied nahm – angewidert von den Methoden und der Doppelzüngigkeit, mit der man jene Menschen um ihre Freiheit und ihr Land betrog, die als einzige wirklich ein Recht gehabt hätten, sich Amerikaner zu nennen, obgleich man sie aufgrund eines grotesken Irrtums aus den Entdeckerjahren als Indianer bezeichnete.

Sie kommen von Montana herüber und haben die schroffe Kette der Bitterroots bereits hinter sich gelassen. Dan Hartell wendet sich im Sattel um und blickt auf die Herde von dreihundert Zuchtrindern, die hinter ihm einhertrottet.

Das schlimmste Stück des Hell-Gate-Trails haben sie hinter sich gebracht. Abgesehen von zwei Etappen durch das zerklüftete Canyon-Land liegt der Weg nach Fort Lapwai jetzt frei vor ihnen. Vier Tage noch, höchstens eine Woche, dann können sie ihre Herde bei der Agentur abgeliefert haben. Und dann — Dan Hartell sieht es im Geiste bereits vor sich — wird er eine neue Herde über die Berge holen, seine eigene Herde, der Grundstock einer eigenen Ranch, die er irgendwo hier im Nordwesten zu gründen beabsichtigt.

Die riesige Büffelweide ist frei — frei deshalb, weil man die Stämme der Sieben Ratsfeuer vertrieben oder in Reservationen gepfercht hat. Allein dieser Umstand verursacht bei Dan Hartell ein Unbehagen und lädt eine Last auf sein Gewissen. Doch er ist Realist genug, um auch die andere Seite des Problems zu sehen. Die Aktionen der Armee sind nicht mehr ungeschehen zu machen — Aktionen, an denen der Leutnant Daniel W. Hartell noch bis vor knapp zwei Jahren seinen Anteil hatte. Und wenn er sich seinen Besitz nicht absteckt, dann werden andere kommen, um das eroberte Land in Besitz zu nehmen.

Das Schicksal der Rothäute ist so oder so besiegelt. Nur hier in Idaho gibt es noch einige Stämme freier Nez-Percé-Indianer, während andere Stämme desselben Volkes bereits einen Vertrag abgeschlossen und sich in die Lapwai-Reservation begehen haben. Da die Reservations-Nez-Percé von ihren Jagdgründen in Montana abgeschnitten sind, steht die Regierung vor der Aufgabe, diese Indianer zu versorgen. So ist die Herde von Zuchtrindern, die Dan Hartell mit seiner kleinen Mannschaft treibt, für die Lapwai-Reservation bestimmt.

Von der rechten Flanke der Herde kommt ein Mann auf einem Schecken nach vorn galoppiert und lässt ihn neben Dans mausgrauem Hengst in Schritt fallen. Er heißt Norman Dee, stammt aus Georgia und ist ein dunkelhaariger, verwegener Typ.

»Was ist, Häuptling?«, erkundigt er sich schleppend. »Jetzt haben wir fast diese verteufelte Camas-Prärie erreicht, und noch immer ist der versprochene Bote von Dennis Gardiner nicht in Sicht, wie?«

Verdrossen schüttelt Dan Hartell den Kopf. Er hat ein schmales, energisches Gesicht mit einer Haut, deren Tönung an altes, ungefärbtes Sattelleder erinnert. Wind, Sonne und Wetter haben sein Haar so fahl gebleicht, dass es an den Schläfen beinahe aschgrau wirkt und ihn weit über seine achtundzwanzig Jahre hinaus gereift erscheinen lässt.

»Nichts«, antwortet er auf die Bemerkung Norman Dees. »Dabei müssten wir spätestens morgen wissen, welche Richtung wir einzuschlagen haben. Lapwai oder der Clearwater — das ist ein großer Unterschied.«

Kurz vor Sonnenuntergang schlagen sie in einer Mulde ihr Camp auf. Pinky Bush, dessen großer Revolver nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass dieser rothaarige Junge erst knapp achtzehn Jahre alt ist, errichtet sofort unter den Weißfichten einen Seilkorral für die Pferde und Packmaultiere. Erst als die Herde zur Ruhe gekommen ist, kommen auch Dan und die beiden anderen Reiter ins Camp.

Ed Barron ist ein vierschrötiger Klotz mit beginnender Glatze. Milt Scoggins ist ein dürrer, hochaufgeschossener Bursche mit kahlem Hals, grämlicher Miene und einem Haarschnitt, der an einen biblischen Propheten erinnert. Sie beide haben diesen Job bei Vincent Plowright, dem Besitzer der Herde, nur als eine Gelegenheitsarbeit angenommen. Und schließlich ist da noch Dave Russel, ein schweigsamer Oldtimer unbestimmbaren Alters. Sein ganzes Benehmen weist auf einen erfahrenen Treibherdenreiter hin.

»Ihr kennt das Problem, Jungs«, nimmt Norman Dee das Gespräch wieder auf, das er mit Dan Hartell geführt hatte. »Der Indianeragent hätte uns schon gestern einen Boten entgegenschicken sollen. Aber dieser Mr. Dennis Gardiner hat sich offenbar zu viel Zeit gelassen. Also werden wir spätestens morgen Abend nicht mehr wissen, welche Richtung wir durch das Canyonland einschlagen müssen, nach Fort Lapwai oder zum Clearwater. Dabei riecht es nach Verdruss mit den Rothäuten, wenn man den Gerüchten drüben im Bitterroot-Valley glauben will.«

»Was machen wir, wenn der Bote gar nicht kommt?«, fragt Milt Scoggins grämlich.

»Dann sitzen wir morgen Abend vor dem Canyonland fest und wissen nicht wohin, besser wäre es also, ich würde morgen früh vorausreiten. Stoße ich unterwegs auf den Boten, kehre ich sofort um. Wenn nicht, dann könnte ich auch in zwei Tagen wieder zurück sein. – Traut ihr euch zu, solange allein zurechtzukommen?«

»Wir?«, grinst Norman. »Seit wir über den Pass sind, haben wir keine Bullpeitsche mehr anrühren müssen. Die Rinder haben sich ans Treiben gewöhnt und laufen ganz von selbst. Was hältst du davon, wenn du und ich gleich jetzt losreiten? Dann könnten wir bei Morgengrauen schon im Canyonland sein.«

Dan nickt.

»In einer halben Stunde, Norman. Pinky kann uns unterdessen etwas Proviant zusammenpacken.«

✰✰✰

Die beiden Männer haben ihre Halstücher über Nase und Mund gebunden und das Tempo beschleunigt, um so rasch wie möglich aus den erstickenden Staubschleiern herauszukommen. Doch es dauert fast bis zum Mittag, ehe sie ein letztes Felsengewirr durchqueren und endlich das offene Hügelland vor sich sehen.

»Ein Creek«, krächzt Norman Dee unter seinem Halstuch hervor und deutet mit einem Wink des Kopfes auf einen Grünstreifen, der sich vor ihnen durch eine Senke zieht. »Aah, ich weiß schon gar nicht mehr, wie Wasser ...«

Er verstummt mitten im Satz, weil er nun die bläulich-grauen Rauchschwaden entdeckt, die in der Nähe des Creeks hinter dem Uferhang aufsteigen.

»Los«, sagt Dan Hartell nur, dann setzen sie mit verhärteten Gesichtern ihre Pferde in Galopp und jagen einem Einschnitt zwischen den Bodenwellen entgegen.

Zwischen den Büschen halten sie wie auf Kommando an. An einem Lösshang, der wie eine Bucht die nächste Schleife des Creeks umschließt, steht ein Planwagen — oder vielmehr das, was von ihm übriggeblieben ist: ein verkohlter Wagenkasten, nackte Spriegel, an denen nur noch Fetzen der verbrannten Plane hängen, ein paar aufgebrochene Kisten, verstreut herumliegende Sachen, Kleidungsstücke und ein Wasserfass, das man mit Beilhieben zertrümmert hat. Der widerlich süßliche Geruch versengten Fleischs hängt in der Luft.

Doch das ist noch nicht alles. Etwa ein Dutzend Sattelpferde stehen in der Nähe des Creeks und werden von zwei Soldaten mit Gewehren bewacht.

»Kavallerie?«, murmelt Norman.

Hinter dem Wagen sind Soldaten mit Schaufeln am Werk, und es liegen drei stumme Gestalten am Boden, die man mit versengten Decken notdürftig zugedeckt hat. Als Dan und Norman im Schritt heranreiten, tritt ihnen ein junger Offizier entgegen, der auf seiner Oberlippe ein schmales Bärtchen kultiviert. Dan gleitet aus dem Sattel und tippt an seinen Hut.

»Hallo, Leutnant! Das sieht nicht nach einer erfreulichen Entdeckung aus.«

Der Offizier mustert den lässigen, lederhäutigen Mann aus schmalen Augen und verbirgt seine Unsicherheit hinter einer militärisch-barschen Miene.

»Wer sind Sie, Mister?«

»Hartell«, erwidert der Herdenboss gelassen. »Daniel Hartell. Und dies ist Norman Dee. Wir kommen mit einer Plowright-Herde aus Montana herüber und wollen mit den Rindern zur Reservation. Gestern Abend sind wir vorausgeritten, weil wir vergeblich auf einen Boten aus Lapwai gewartet haben.«

»Rinder für die Reservation?«, wiederholt der Leutnant. »Ich habe davon gehört. Und was hat es mit dem Boten auf sich?«

»Der Indianeragent aus Fort Lapwai, Dennis Gardiner, sollte uns diesseits der Bitterroots Bescheid geben, wohin die Herde nun endgültig bestimmt ist. Möglicherweise sollte sie zum Clearwater geschafft werden. — Darf ich jetzt auch erfahren, wer Sie sind, Sir?«

Ein Schatten fliegt über das Gesicht des jungen Offiziers. Offenbar findet er schon eine solche Frage eines Zivilisten anmaßend.

»Leutnant Forbes von der 5. Infanterie aus Vancouver«, bequemt er sich nur widerwillig zu einer Antwort. »Zurzeit in Fort Lapwai stationiert.«

Dan wechselt einen Blick mit seinem Begleiter, der noch im Sattel verharrt, und zieht leicht die Brauen empor.

»Ist es schon so weit, dass Howard Truppen hierher verlegt?«

»Die Beurteilung der Lage sollten Sie schon General Howard überlassen, Mr. Hartell«, entgegnet der Leutnant schroff. »Im Übrigen — welches Interesse haben Sie an den Truppenbewegungen?«

»Das Interesse eines Mannes, der gern noch eine Weile seine Haare behalten möchte«, grinst Norman aus dem Sattel herab. »Ist das nicht verständlich, Leutnant?«

»Darüber machen Sie sich nur keine Kopfschmerzen, Mister«, versetzt der Offizier abweisend. »Der General ist vor wenigen Tagen selbst hier eingetroffen.«

Der Herdenboss hält für einen Augenblick den Atem an.

»Howard ist in Fort Lapwai?«, sagt er dann abgehackt. »Das sieht ja noch schlimmer aus.«

»Sir«, erwidert Leutnant Forbes gepresst, »da Sie auf Anregungen anscheinend nicht reagieren, möchte ich Sie in aller Form ersuchen, etwas respektvoller von General Howard zu sprechen.«

Anscheinend hat Norman Dee nur auf einen so scharfen Anranzer gewartet. Er zeigt sein entnervendstes Grinsen und sagt:

»Und Sie, Leutnant, sollten sich besser nicht so aufblasen. Vor knapp zwei Jahren hat Dan Hartell noch ebenso hübsche Epauletten getragen wie Sie, und wenn ich mich nicht irre, dann hatte er als First Leutnant sogar noch einen Stern mehr auf seinen Spangen.«

Das Gesicht von Leutnant Forbes läuft dunkel an. Einen Moment lang scheint er aufbegehren zu wollen, aber unter Dans ruhigem Blick gewinnt seine Unsicherheit die Oberhand.

»Entschuldigen Sie, Sir«, sagt er gepresst. »Aber in letzter Zeit treiben sich hier so viele Renegaten und undurchsichtige Burschen herum, dass man nicht vorsichtig genug sein kann.«

»Und das hier?«, lenkt der Herdenboss ab. »Ein Überfall der Rothäute?«

Der Offizier nickt mit verkniffenem Mund.

»Es muss schon gestern Abend geschehen sein. Nur durch das schwelende Holz sind wir darauf aufmerksam geworden. Aber sehen Sie sich es nur aus der Nähe an!«

Er gibt dem Sergeanten, der das Ausheben der Gräber beaufsichtigt, einen Befehl, und dieser hebt eine der Decken an, unter denen die stummen Gestalten ruhen.

»Diese Schufte«, krächzt Norman beim Anblick des grauenvollen Bildes heiser.

Auch Dans Miene ist erstarrt. Er tritt näher an den Wagen, dessen eine Seitenwand nur an der Oberkante angekohlt ist. Zwei Pfeile stecken im Holz. Die polierten, gefiederten Schäfte glänzen in der Sonne. Der Herdenboss zieht sie heraus und stellt erstaunt fest, wie leicht das geht.

»Leutnant«, sagt er plötzlich mit einem scharfen Atemzug.

»Yeah?« Der Offizier tritt heran, und auch der Sergeant schaut um die Ecke des Wagenkastens.

Dan Hartell scheint noch zu überlegen.

»Sagen Sie, Forbes«, murmelt er dann formlos, »haben Sie jemals mit der Durchschlagskraft eines Kriegsbogens Bekanntschaft gemacht?«

»Am eigenen Leib? Erfreulicherweise nicht.«

»Und es wundert Sie nicht, dass diese Pfeile nur weniger als einen halben Zoll tief eingedrungen sind?«

»Vielleicht wurden sie aus größerer Entfernung abgeschossen.«

»Dann müssten sie in einem Bogen von oben eingeschlagen sein. Diese hier aber stecken völlig waagrecht im Holz.«

Zum Beweis seiner Behauptung steckt Dan die beiden Geschosse noch einmal in die Löcher zurück. Sie finden gerade so viel Halt, dass sie dort haften bleiben.

»Das stimmt, Sir«, mischt sich der Sergeant ein. Er ist ein rotgesichtiger Mann mit wallendem Schnauzbart, ganz der Typ des Ausbildungssergeants, der auf allen Kasernenhöfen der Welt zu finden ist. »Auf größere Entfernung schießen die Rothäute ihre Pfeile schräg in die Luft, weil sie sonst nicht weit genug tragen. Und außerdem ...«

»Yeah?«, ermuntert Dan den Mann.

»Und außerdem sind es Büffelpfeile — Jagdpfeile.«

»Eben«, erwidert der Herdenboss. »Hier stimmt doch etwas nicht.«

»Und warum?«, lässt sich Leutnant Forbes skeptisch vernehmen. »Vielleicht befanden sich die Indianer auf der Jagd, als sie diesen Wagen entdeckten und angriffen. Ich glaube nicht, dass sie in der Verwendung ihrer Pfeile so wählerisch sind. Was halten Sie davon, Pembroke?«

»Ich weiß nicht, Sir«, murmelt der Sergeant zögernd. »Ganz astrein kommt mir die Sache auch nicht vor.«

»Dann will ich es Ihnen erklären«, wendet sich Dan Hartell an ihn, obgleich seine Worte mindestens ebenso für den Offizier bestimmt sind. »Jeder Pfeil stellt für einen Indianer eine Kostbarkeit dar. Um das zu begreifen, muss man gesehen haben, welch mühevolle Sorgfalt sie auf die Herstellung ihrer Pfeile verwenden. Die Spitzen ihrer Jagdpfeile sind glatt oder weisen am Rand nur eine ganz leichte Sägekante auf, damit sie sie möglichst unbeschädigt wieder aus dem erlegten Wild herausziehen können. Nur die Kriegspfeile versehen sie mit Widerhaken, um den Gegner auch dann möglichst lange kampfunfähig zu machen, wenn er nicht tödlich getroffen wird. Zudem können Sie sicher sein, dass kein Nez Percé zur Jagd geht, ohne nicht auch ein paar Kriegspfeile in seinem Köcher zu haben.«

»Das ist alles sehr interessant, Hartell«, sagt der Offizier mit verständnisvollem Nicken, »aber finden Sie das alles nicht ein bisschen an den Haaren herbeigezogen? Ein Indianer hat sich im Eifer des Gefechts vergriffen. Wahrscheinlich würde er sich jetzt ins Fäustchen lachen, wenn er wüsste, dass wir uns nun darüber die Köpfe zerbrechen.«

»Ich bleibe trotzdem dabei«, entgegnet Dan rau, »diese Pfeile sind nicht von einem Bogen abgeschossen worden. Außerdem hätte ein Indianer sie wieder mitgenommen, wenn er genug Zeit dazu hatte und sie so leicht aus dem Wagenkasten zu ziehen waren.«

»Aber das ergibt doch keinen Sinn«, entgegnet Leutnant Forbes ungeduldig. »Oder wollen Sie etwa behaupten, dass jemand die Pfeile mit der Hand in das Holz gerammt hat?«

»Ich finde jedenfalls keine andere Erklärung.«

Der Offizier lächelt überheblich.

»Ich bewundere Ihre Fantasie, Mr. Hartell. Können Sie mir sagen, warum dieser Jemand die Pfeile dann nicht gleich so tief hineingerammt hat, dass es völlig echt aussah?«

»Weil er dann die Schäfte abgebrochen hätte«, versetzt der Herdenboss nüchtern. »Und allem Anschein nach war es ihm wichtig, dass die Pfeile mit ihrer hübschen Befiederung auffielen. Offenbar stecken sie deshalb auch an einer Stelle, die vom Feuer nicht erfasst wurde.«

»Na schön, Sir«, seufzt Leutnant Forbes ergeben. »Ich werde diese Dinge berücksichtigen, wenn ich meinen Bericht abfasse. Ich fürchte nur, man wird in der Kommandantur nicht genügend Fantasie aufbringen, um Ihnen zu folgen. Vielmehr wird man sich daran halten, dass hier drei Männer getötet und skalpiert wurden und dass demnach wohl nur Rothäute als Täter in Frage kommen. — Wir werden hier noch einige Zeit zu tun haben«, setzt er kühl hinzu. »Wollen Sie so lange warten, um sich der Patrouille anzuschließen?«

Dan blickt kurz zu seinem Begleiter.

»Danke, Sir«, erwidert er dann unbewegt. »Wenn wir heute Abend noch in Fort Lapwai sein wollen, können wir uns keine lange Rast erlauben.«

✰✰✰

Die beiden Burschen, die vor dem Gebäude der Indianer-Agentur herumlungern, machen auf Dan und seinen Begleiter keinen sehr vertrauenerweckenden Eindruck. Nicht einmal die Tatsache, dass runde Messingplaketten die Männer als Angehörige der Indianerpolizei ausweisen, kann daran etwas ändern.

Dans Frage nach dem Agenten wird nur mürrisch beantwortet. Immerhin ist der Weg zu dem erleuchteten Raum im rechten Flügel des Gebäudes nicht zu verfehlen. Eine schweigsame Gestalt steht dort im Lichtschein neben zwei gescheckten Pferden, das schwarze Haar glatt gescheitelt und zu zwei Zöpfen geflochten und eine jener bunten Wolldecken der Hudson-Bay-Company um die Schultern geschlagen. Nichts in dem stoischen Gesicht des Indianers weist darauf hin, dass er die beiden Reiter überhaupt bemerkt. Er steht nur einfach da, die Augen halb geschlossen und das Gesicht scheinbar völlig entspannt. Und doch würde Dan jede Wette eingehen, dass dem Mann keine ihrer Bewegungen und Gesten entgeht.

Als der Herdenboss den dämmerigen, muffig riechenden Flur betritt, hört er eine unangenehm keifende Männerstimme, die im selben Augenblick verstummt, als er an die Tür klopft.

»Yeah?«, klingt es dann etwas ruhiger. »Wer ist da, zum Teufel?«

Dan tritt ein. Er ist nicht erstaunt, neben dem Agenten einen Nez-Percé-Indianer anzutreffen, einen noch jüngeren, untersetzten Mann mit einem Stirnband, gekrümmten Beinen und einem mongolenhaften Gesicht. Auch der trägt das Haar in zwei Zöpfen geflochten, und sein bronzehäutiger Oberkörper wird von einer kurzen, farbenprächtigen Weste aus grob gesponnener Wolle bedeckt. Bewaffnet ist er nur mit einem breiten Jagdmesser. Seine dunklen Augen heften sich auf den eintretenden Herdenboss und lassen ihn nicht mehr los.

Mr. Dennis Gardiner, der Indianeragent, steht neben seinem rohen Schreibtisch. Er hat ein knochiges Gesicht und eine gebuckelte Stirn, in die sein dunkler Haaransatz weit hinabreicht. Seine tief in den Höhlen liegenden Augen werden von dichten, raupenartigen Brauen überschattet.

»Mr. Gardiner?«, fragt Dan.

Der Agent wechselt einen Blick mit dem Indianer und schiebt das Kinn vor.

»Was kann ich für Sie tun, Mister?«

»Umgekehrt«, erwidert Dan trocken. »Ich würde gern wissen, was wir für Sie tun können. Mein Name ist Daniel Hartell. Wir stehen mit der Plowright-Herde vor dem Canyonland und wissen nicht, welche Richtung wir mit den Tieren einschlagen sollen, weil Ihr Bote ausgeblieben ist.«

Die Mundwinkel des Agenten zucken. Er wechselt ein paar Worte mit dem Nez Percé in dessen Sprache, und der Indianer geht in seltsam watschelnder Gangart hinaus.

»Ich verstehe das nicht«, sagt Dennis Gardiner kopfschüttelnd und schlägt einen völlig veränderten Tonfall an. »Vor zwei Tagen habe ich Ihnen einen Mann entgegengeschickt, ein Halbblut namens Chuck Jones. Es ist mir unerklärlich, wie er Sie verfehlt haben sollte.« — Er lässt eine Pause eintreten, greift dann nach einem Kästchen und sagt gönnerhaft: »Aber setzen Sie sich doch, Gentlemen! Sie sehen ziemlich mitgenommen aus. Zigarre?«

Nur Norman Dee bedient sich aus dem angebotenen Kistchen.

Dan lässt sich auf die Bank an der Wand sinken und streckt steif die Beine von sich.

»Was mit Ihrem Halbblut los ist, müssen Sie selbst entscheiden, Gardiner«, sagt er müde. »Bei der Herde hat der Mann sich jedenfalls nicht blicken lassen. Dafür fanden wir dreißig Meilen von hier einen verbrannten Wagen und eine Armeepatrouille, die gerade dabei war, drei skalpierte Männer zu begraben.«

Der Agent reckt den Kopf vor und legt ihn gleichzeitig etwas auf die Seite.

»Diese Schurken«, sagt er gepresst. »Da sind also doch wieder ein paar von ihnen aus der Reservation geschlüpft, um Unheil zu stiften. Wenn sie doch nur schon in der Hölle wären! Mit knapp zwei Dutzend Mann Indianerpolizei kann man jedenfalls nicht verhindern, dass sie sich immer wieder selbstständig machen und mit ihren wilden Vettern zusammentun.«

»Sie meinen also, dass Ihre Vertrags-Indianer den Überfall auf den Wagen begangen haben könnten?«

»Meinen?«, brummt der Agent sarkastisch. »Nein, ich bin sicher, dass wir diesen Überfall nur den jungen Kriegern von Schnelles Wasser zuzuschreiben haben. Der Häuptling hat einfach nicht mehr genügend Autorität, um sie an die Kette zu legen.«

»Ist denn die Lage so gespannt?«, erkundigt sich der Herdenboss.