H. C. Hollister 107 - H.C. Hollister - E-Book

H. C. Hollister 107 E-Book

H. C. Hollister

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Beschreibung

Zunächst ist es Neugier, die Gene Sheridan dazu veranlasst, nach jener spanischen Schönen zu forschen, die ihm auf so geheimnisvolle Weise am Butte Creek begegnet war. Wie gefährlich dieses offensichtliche Verwechslungsspiel jedoch ist, erfährt er im spanischen Viertel von El Paso, wo er um ein Haar einer Bande von Desperados zum Opfer fällt. Es gehört schon eine besondere Hartnäckigkeit dazu, auch nach einem solchen Vorfall den Dingen noch auf den Grund gehen zu wollen. Aber Gene Sheridan gehört eben zu der verwegenen Sorte, und Geheimnisse haben auf ihn schon immer einen besonderen Reiz ausgeübt.
Innerhalb weniger Tage nimmt die Entwicklung dann einen geradezu explosiven Verlauf. Gene und sein Begleiter Pancho Alvarez werden in einen Strudel unverständlicher Ereignisse gerissen, deren Sinn sie erst unter Einsatz ihres Lebens ergründen müssen. Seit Jahren bergen die Blue Hills ein ungelöstes Rätsel. Für Gene Sheridan scheinen sie darüber hinaus ein tödliches Verhängnis bereitzuhalten ...


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Inhalt

Cover

DAS GEHEIMNIS DER BLUE HILLS

Vorschau

Impressum

DAS GEHEIMNISDER BLUE HILLS

Zunächst ist es Neugier, die Gene Sheridan dazu veranlasst, nach jener spanischen Schönen zu forschen, die ihm auf so geheimnisvolle Weise am Butte Creek begegnet war. Wie gefährlich dieses offensichtliche Verwechslungsspiel jedoch ist, erfährt er im spanischen Viertel von El Paso, wo er um ein Haar einer Bande von Desperados zum Opfer fällt. Es gehört schon eine besondere Hartnäckigkeit dazu, auch nach einem solchen Vorfall den Dingen noch auf den Grund gehen zu wollen. Aber Gene Sheridan gehört eben zu der verwegenen Sorte, und Geheimnisse haben auf ihn schon immer einen besonderen Reiz ausgeübt.

Innerhalb weniger Tage nimmt die Entwicklung dann einen geradezu explosiven Verlauf. Gene und sein Begleiter Pancho Alvarez werden in einen Strudel unverständlicher Ereignisse gerissen, deren Sinn sie erst unter Einsatz ihres Lebens ergründen müssen. Seit Jahren bergen die Blue Hills ein ungelöstes Rätsel. Für Gene Sheridan scheinen sie darüber hinaus ein tödliches Verhängnis bereitzuhalten ...

Gene Sheridan und sein Freund Pancho Alvarez halten mitten in der Furt des Butte Creeks und tränken ihre Pferde.

Das Hufgetrappel haben sie schon seit einiger Zeit vernommen, und Pancho blickt sich nach der vermeintlichen Postkutsche um. So sieht er die Kalesche, die vierspännig den sanft geneigten Hang zum Creek herabprescht, fürchtet jedoch noch immer nichts Böses, weil er natürlich annimmt, dass der Fahrer seine Gespanne noch vor Erreichen des Ufers zügeln wird. Und dann – nun, dann bleibt Pancho Alvarez gerade noch Zeit, seiner riesigen Maultierstute die Sporen zu geben und ein warnendes Krächzen auszustoßen.

Esmeralda, die Stute, versetzt Hannibal, Gene Sheridans struppigem Grauschimmel, einen Stoß. Der Schimmel wirft sich mit der Vorderhand empor und vollführt gleichzeitig einen wilden Satz. Sein Reiter landet im seichten Creek, als die Kalesche vorüberprescht und ihn mit Wasser überschüttet.

Gene Sheridan bleibt der Mund offen vor Erstaunen über die Erscheinung, die er in dem Wagen entdeckt: eine Frau, eine spanische Schönheit, die einen großen Schildpattkamm im dunklen Haar trägt und eine schwarze Spitzenmantilla darübergebreitet hat. Gene Sheridan sieht glutvolle Mandelaugen in einem schmalen, ausdrucksvollen Gesicht, dann ist der Spuk auch schon vorbei. Die Kalesche erreicht das Ufer und jagt rücksichtslos weiter. Gene Sheridan schluckt und greift nach seinem grauen Buschhut, der in der schwachen Strömung allmählich abtreibt. Inzwischen jedoch hat Pancho Alvarez seine Überraschung überwunden und den Grauschimmel beim Zügel erwischt.

»Puta mala«, schimpft er, als er mit Hannibal zurückkehrt. Dann allerdings kichert er in komischem Akzent: »Wenn dir so mucho gefällt dort unten, Patron, warum nicht gleich steigen ab und gehen baden?«

Gene Sheridan sagt kein Wort. Er erhebt sich im knietiefen Wasser, zieht seine Stiefel aus und wirft sie ans Ufer. Pancho Alvarez grinst noch immer. Er ist ein kleiner Mann mit lustigen Augen und einem schmalen Bart, der über die Mundwinkel bis fast zum Kinn hinabreicht und ihm ein diabolisches oder martialisches Aussehen verleiht. In seinen mexikanischen Gamaschenhosen und mit seinem aufgeschlagenen Sombrero wirkt Pancho Alvarez wie ein drahtiger Terrier, dem man eine große Tüte auf den Kopf gestülpt hat. Er ist ein Leichtgewicht, gehört aber zweifellos zu der besonders zähen Sorte.

»Hör auf«, erwidert Gene Sheridan in gespieltem Grimm.

Pancho Alvarez verstummt, aber dafür ziehen sich beim Feixen seine Mundwinkel in die Breite, bis sie den Ohrläppchen bedenklich nahekommen. Und dieses grinsende Gesicht ist mehr, als Gene Sheridan in dieser Situation ertragen kann. Blitzschnell packt er zu und erwischt das linke Bein des Mexikaners. Ein kräftiger Ruck und ein quiekender Schrei Panchos, dann liegt auch er im Butte Creek.

»Patron«, zetert er laut, ohne sich zu erheben, »ich kündigen – sofort jetzt!«

»Genehmigt«, schmunzelt Gene Sheridan ungerührt. »Auf diese Weise bekomme ich vielleicht endlich die Vorschüsse zurück, die du dir ...«

Panchos betroffene, fast verzweifelte Miene lässt ihn verstummen. Der kleine Mexikaner ist ein Geizhals und könnte sich bestimmt leichter von seiner leiblichen Großmutter als von zehn Pesos trennen. Gene Sheridan wendet sich ab, greift nach den Zügeln seines Grauschimmels und murmelt beiläufig:

»Na, du kannst es dir ja auch noch einmal überlegen ...«

Die Sonne steht nur noch knapp eine Spanne über dem westlichen Horizont, aber die Steine am Ufer des Butte Creeks haben im Laufe eines heißen Tages so viel Wärme gespeichert, dass sie sie nun mit einer wahren Backofenglut zurückstrahlen. So fangen denn die Kleider, welche die beiden Sattelgefährten zum Trocknen ausgebreitet haben, bereits nach kurzer Zeit an zu dampfen. Bei Sonnenuntergang sind ihre Sachen dann schon so weit getrocknet, dass sie sich ankleiden und ihren Weg nach El Paso fortsetzen können.

Hannibal und Esmeralda, der struppige Grauschimmel mit der abenteuerlichen Oberlippe und die Maultierstute mit ihrem ausgefransten, mottenzerfressenen Schwanz, sind so vollkommen aufeinander eingespielt, dass sie ihr Tempo automatisch einander anpassen.

Ungefähr sieben Meilen sind es noch bis El Paso. Zwei davon haben sie zwischen den Hügeln bereits zurückgelegt, als Gene Sheridan sich plötzlich höher in den Bügeln aufrichtet. Sekunden später entdeckt auch Pancho Alvarez die Kalesche, deren linkes Hinterrad zusammengebrochen ist, sodass sie vollkommen schief in den Ledergurten hängt. Zwei Pferde stehen noch mit hängenden Köpfen in den Strängen. Das vordere Doppelgespann ist verschwunden.

Es bedarf nur eines Schnalzens und einer unmerklichen Gewichtsverlagerung im Sattel, damit Hannibal in einen raumgreifenden Galopp übergeht. Esmeralda stellt denn auch gleich ihren zerfransten Stummelschwanz auf und galoppiert hinterher.

Noch ehe der Grauschimmel ganz zum Stehen gekommen ist, springt Gene aus dem Sattel und rennt zu der schiefhängenden Kalesche. Gerade will er den Wagenschlag öffnen, als er plötzlich ein blasses Gesicht entdeckt und – eine doppelläufige, vernickelte Derringer-Pistole mit gespannten Hähnen, deren auf ihn gerichtete Mündungen ihm großes Unbehagen bereiten. Unwillkürlich tritt er einen Schritt zurück, greift an seinen Hut und krächzt verdutzt:

»Buenas tardes, Señorita. Mir wäre wohler, wenn Sie mit diesem stupsnäsigen Ding in eine andere Richtung als ausgerechnet auf meinen Magen zielen würden.«

Im selben Moment langt auch Pancho Alvarez neben ihm an, reißt erschreckt die Augen auf und reckt sofort beide Hände zum Himmel, indem er keucht:

»Por Dios, Señorita – das ist schlechter Witz. Wir kommen, Sie zu helfen, Sie mirr wollen schießen tot – warum?«

In den Augen der Señorita ist ein belustigtes Funkeln zu entdecken. Gene Sheridan zuckt die Achseln und sagt:

»Ich weiß nicht, Pancho. Vielleicht ist das eine neue Art von Straßenraub, und die Helfer der schönen Señorita stecken drüben in den Büschen.«

Alles hätte Gene erwartet, nur nicht diese kühl beherrschte, ein wenig spöttische Altstimme, die in völlig akzentfreiem Englisch sagt:

»Machen Sie sich nicht lächerlich, Mister. Wenn sich hier jemand in Acht nehmen muss, dann doch wohl in erster Linie ich. Und deshalb werden Sie und Ihr Pancho jetzt so freundlich sein, mir Ihre Revolver in den Wagen zu werfen. – Darf ich bitten!«

Die Schärfe dieser energischen Stimme duldet keinen Widerspruch. Gene Sheridan wechselt einen ergebenen Blick mit Pancho, schnallt dann seinen Gurt ab und entgegnet melancholisch:

»Wirklich schade um Ihre Mühe, meine teure Miss. Wie ich die Lage einschätze, sind unsere Patronen dank Ihrer gütigen Mithilfe viel zu nass geworden, als dass eine von ihnen noch losgehen könnte. Aber selbstverständlich richten wir uns ganz nach Ihren Wünschen.«

Von innen öffnet die Señorita den Wagenschlag und steigt aus, die Pistole noch immer wachsam auf die beiden Männer gerichtet.

»Vielleicht sagen Sie die Wahrheit, Mister – oder auch nicht. Ich habe jedenfalls nicht die Absicht, auch nur das geringste Risiko einzugehen. – Was wollen Sie hier?«

Seufzend hängt Gene Sheridan seinen Gurt ans Sattelhorn und nimmt auch Panchos Schießeisen entgegen, um damit ebenso zu verfahren.

»Was will man schon, wenn man eine Kalesche mit zerbrochenem Rad sieht und genau weiß, dass darin kurz zuvor eine hübsche Señorita gefahren ist? – Wir wollten natürlich nachsehen, ob wir helfen können.«

Die Dämmerung ist inzwischen hereingebrochen. Aber trotzdem erkennt Gene das spöttische Kräuseln ihrer Lippen, als sie sarkastisch entgegnet:

»Hören Sie schon endlich auf, mir ein solches Theater vorzuspielen, Mr. Patrick O'Toole! Oder wollen Sie mir erzählen, dass unser Zusammentreffen ein Zufall ist? Seien Sie lieber ehrlich und geben Sie zu, dass Sie an der Furt auf mich gewartet haben.«

Mit offenem Mund schaut Pancho von dem Mädchen auf Gene Sheridan und wieder zurück.

»Sie – Sie kennen mich, Señorita?«, erkundigt Gene sich zögernd.

»Hätten Sie etwas anderes erwartet, Mr. O'Toole?«

»Nein, eigentlich nicht.«

»Na, sehen Sie! Dann ersparen wir uns doch alle Ausreden. Sie haben sich diese Verkleidung als Satteltramp ausgedacht, um mich zu täuschen und auf den Leim zu locken, nicht wahr?«

»Señorita«, murmelt Gene Sheridan gekränkt, »etwas Derartiges würde ich mir niemals erlauben.«

Zwei blitzende Zahnreihen kommen zum Vorschein, als das Mädchen zurückgibt:

»Es hätte auch nicht den geringsten Sinn – nicht nach den Drohungen, die Sie gegenüber Dean Lombard gebraucht haben.«

»Aha!« Gene Sheridan senkt den Kopf und gibt sich redliche Mühe, betreten dreinzublicken. »Das hat Mr. Dean Lombard wohl nicht gefallen, wie?«

»Da fragen Sie noch? Zuerst stellten Sie Behauptungen auf, die jeder andere an Dean Lombards Stelle mit einem Revolver beantwortet hätte, dann drohen Sie, durch irgendeinen Geheimgang in den Hauptstollen einzudringen und die ganze O'Toole-Mine in die Luft zu jagen, und jetzt fragen Sie wirklich ...«

»Das habe ich wirklich gesagt?«, fällt Gene ihr ungläubig ins Wort.

»Und noch einiges mehr«, bestätigt das Mädchen vorwurfsvoll. »Ich kann Ihnen nur raten, von Ihren Erpressermethoden abzulassen, sonst wird Dean Lombard sich an den Sheriff wenden. Er hat die O'Toole-Mine nun einmal ordnungsgemäß übernommen. Und für den Tod Ihres Vaters können Sie ihn auch nicht verantwortlich machen. Es war Krieg, die Truppen zogen sich aus diesem Gebiet zurück, und die Rothäute waren in Aufruhr. In einer solchen Lage hat jeder genug mit sich selbst zu tun. Wahrscheinlich hatte Dean Lombard gar keine Möglichkeit, sich weiter um Ihren Vater zu kümmern.«

»Wahrscheinlich«, stimmt Gene Sheridan zu. »Ich muss sagen, Sie haben mich beinahe überzeugt, Señorita.«

»Das freut mich, Mr. O'Toole. Ich habe Dean Lombard gleich gesagt, dass diese Angelegenheit sich bestimmt auf friedliche Weise beilegen ließe. – Aber warum nennen Sie mich immer so steif ›Señorita‹?« Sie zögert einen Moment und setzt dann hinzu: »Sie kennen doch meinen Namen, nicht wahr? Und bestimmt wollen Sie nach El Paso, um dort mit meinem Vater zu reden, habe ich recht?«

Wieder einmal wirft Gene Sheridan seinem Begleiter einen warnenden Blick zu. Das ist angebracht, denn Pancho Alvarez ist vollkommen aus der Fassung geraten. Schon ein Blick auf sein verdattertes Gesicht würde genügen, um sein vollkommenes Unverständnis zu entdecken.

»Steig schon endlich ab, Hombre!«, fährt Gene Sheridan ihn gewollt grob an. »Nimm Hannibal mit und binde ihn drüben an den Baum. Du hast doch gehört, dass die Señorita und ich uns friedlich einigen wollen.«

Das Lächeln des Mädchens wirkt undurchsichtig. Sekundenlang hält sie Genes Blick stand, dann entspannt sie die Hähne ihrer Derringer-Pistole, behält die Waffe jedoch in der Hand.

»Von einer Einigung zwischen uns kann wohl keine Rede sein. Diese Angelegenheit geht nur Dean Lombard und Sie etwas an, Mr. O'Toole.«

Zum ersten Mal beginnt Gene Sheridan zu grinsen. Eine solche Verwechslung würde ihn in jedem Fall amüsieren, bei einem so hübschen Mädchen jedoch bereitet sie ihm in doppelter Hinsicht ein diebisches Vergnügen. Wenn es sich bei seinem kapriziösen Gegenüber tatsächlich um eine Spanierin handelt, woran er gewisse Zweifel hegt, dann muss sie in den Staaten aufgewachsen sein, das geht aus ihrer Sprechweise hervor.

»Natürlich«, sagt Gene lächelnd, »in erster Linie geht das Dean Lombard und mich an. Aber immerhin ist es Ihr Verdienst, als erste zwischen uns vermittelt zu haben.«

»Allerdings«, erwidert sie ein wenig unsicher. »Und weiter?«

Gene Sheridan tritt dicht an sie heran. Während er an ihrer Spitzenmantilla zupft, äußert er sanft:

»Meinen Sie nicht auch, dass wir uns bestimmt blendend verstehen würden, auch ohne Dean Lombard?«

Ihr Gesichtsausdruck lässt ihn Hoffnung schöpfen. Er sieht ihre vollen, leicht geöffneten Lippen und die dunklen Augen, die leicht verschleiert wirken. Noch mehr nähert er sich ihrem Gesicht, und dann – spürt er plötzlich den harten Druck in seiner Magengrube und hört ihre nüchterne Stimme:

»Natürlich – genauso hatte ich mir vorgestellt, dass Sie es versuchen würden, Mr. Patrick O'Toole. Machen Sie nur weiter so, wenn Sie herausfinden wollen, wie weit ich zu gehen bereit bin.«

Das leise Knacken beim Spannen eines Hahns begleitet diese Worte.

»Madam«, murmelt er mit belegter Stimme, »Sie lieben es offenbar, mit dem Feuer zu spielen. Und Ihre Art, Männer zu überzeugen, ist geradezu unwiderstehlich. Können Sie mir noch einmal verzeihen?«

»Auf einmal so bescheiden?«, klingt es anzüglich und sanft zurück. »Soeben kamen Sie mir doch bedeutend mutiger vor, Mr. O'Toole.«

Gene Sheridan lächelt ergeben und tritt einen halben Schritt zurück.

»Wenn mir jemand gesagt hätte, dass eine so hübsche Frau so hart sein kann, ich hätte ihm nicht geglaubt.«

»Nicht wahr?«, bemerkt sein schönes Gegenüber ungerührt und fügt hinzu: »Wo nur Jonah bleibt. Eigentlich müsste er schon längst mit dem neuen Rad aus El Paso zurück sein.«

»Das gute Jonah«, versetzt Gene scheinheilig. »Er gönnt dem armen Patrick O'Toole wenigstens eine Augenweide. Allerdings konnte er wohl nicht ahnen, wie unbarmherzig und hart seine Herrin ist.«

Kokett wendet sich das Mädchen ab. Pancho steht unterdessen seitab unter dem Baum, wo er Hannibal und Esmeralda angebunden hat, und blickt vorwurfsvoll herüber. Die fahle Färbung des Himmels wird allmählich immer dunkler. Ehe die Unterhaltung ihren Fortgang nehmen kann, ist Hufgetrappel zu hören.

Sofort spannt sich Gene Sheridans Gesicht. Pancho Alvarez räuspert sich und kommt näher. In der Miene des Mädchens zeichnet sich Bedauern ab, als sie wieder an den geöffneten Wagenschlag tritt.

Es sind insgesamt vier Männer, die aus der Dunkelheit auftauchen. Jonah, der schwarze Kutscher, und ein anderer, bei dem es sich anscheinend um einen Schmied oder Wagner handelt, reiten auf den beiden Gespannpferden der Kalesche. Sie führen zwischen sich ein Tragtier, dem man ein neues, ungestrichenes Wagenrad auf den Packsattel geschnallt hat. Der untersetzte rothaarige Handwerker sitzt denn auch sofort ab, um den Schaden zu begutachten.

Die beiden anderen Reiter machen einen weniger harmlosen Eindruck. Der eine ist ein Mexikaner mit unruhigen Augen und einem dünnlippigen Mund. Um seine mexikanische Herkunft zu entdecken, muss man allerdings zweimal hinsehen, denn in seiner Kleidung vermeidet er alles, was einen Anhaltspunkt dafür liefern würde. Sein grauer Rock ist von neuestem Schnitt, sein heller Hut fleckenlos und seine Stiefel von strahlendem Glanz.

Der andere wirkt demgegenüber ein bisschen schlampig: ein vierschrötiger, kantiger Mann, der ziemlich mürrisch dreinblickt und eine alte, ausgefranste Tweedjacke sowie einen schweißfleckigen Hut trägt. Er sitzt im Sattel eines starkknochigen Schecken, drängt das Pferd sofort dicht an Jonah heran und flüstert dem schwarzen Kutscher etwas zu. Jonah wirft daraufhin einen raschen Blick zu Gene Sheridan und Pancho hinüber und gibt ebenso leise Auskunft.

Gewandt springt der Vierschrötige aus dem Sattel. Aus der Nähe wirkt sein Gesicht brutal. Ohne sich um das Mädchen zu kümmern, tritt er sofort auf Gene Sheridan zu und gibt auch seinem mexikanischen Begleiter einen Wink.

»Mister«, sagt er dann schroff, »Sie tragen zwar keine sichtbare Waffe, aber vorsichtshalber möchte ich doch genauer nachsehen. Drehen Sie sich um, und heben Sie die Hände!«

Der Vierschrötige zieht plötzlich seinen Revolver und richtet die Mündung gegen Genes Brust. Einen Moment sieht es so aus, als wolle dieser sich trotzdem zur Wehr setzen, aber dann zuckt er mit den Achseln und sagt spröde:

»Nun gut! Ich nehme an, wir werden uns später noch einmal darüber unterhalten können.«

»Vielleicht«, gibt der Mann kalt zurück. »Aber jetzt drehen Sie sich um – und du auch, Hombre!«, faucht er Pancho Alvarez an.

Der kleine Mexikaner spuckt ihm vor die Füße. Dann wendet er den beiden Männern ebenfalls den Rücken zu. Am Schatten bemerkt er gerade noch, wie der Vierschrötige hinter Gene Sheridan den Revolverlauf emporreißt. Er will eine Warnung ausstoßen, doch im selben Augenblick trifft ein dumpfer Schlag seinen Hinterkopf und raubt ihm das Bewusstsein.

✰✰✰

Der erste Eindruck, den Gene Sheridan wieder in sich aufnimmt, ist ein warmes Schnobern in seinem Gesicht. Er reißt die Augen auf und sieht den knochigen Pferdeschädel, der sich gegen den Nachthimmel abhebt.

Ein heftiger Schmerz tobt in seinem Schädel, und als er nach seinem Hinterkopf tastet, spürt er dort eine gewaltige Beule. Zugleich übermannt ihn eine würgende Übelkeit und zwingt ihn, die Augen wieder zu schließen.

Minuten verstreichen, ehe er sich endlich aufgerichtet hat und sich um Pancho kümmern kann, der stöhnend zu sich kommt.

»Patron«, ächzt er völlig verwirrt, »was ist das?«

Sein Schmerzenslaut gilt der Beule, die auch seinen Hinterkopf ziert und sich bemerkbar macht, als er sich aufrichtet.

»Sie haben unsere Taschen durchwühlt«, stellt er lakonisch fest. »Und dann haben sie Hannibal und Esmeralda losgebunden und davongejagt, um uns möglichst lange hier festzuhalten.«

Pancho schrickt auf und blickt um sich. Der Grauschimmel steht zwar mit schleifenden Zügeln und hängendem Kopf da, aber die Maultierstute ist nirgends zu entdecken.

»Esmeralda!«, ruft Pancho mit zitternder Stimme. »Mein weißes Täubchen, was haben sie mit dir gemacht? Wo bist ...«

Durch gellendes Maultiergeschrei wird er unterbrochen. Mit kokett gehobenem Schweif kommt Esmeralda aus den Büschen getrabt. Ungeachtet seiner Benommenheit ist Pancho sofort auf den Füßen, um den Hals seines »weißen Täubchens« zu umschlingen.

Gene Sheridan begutachtet unterdessen die Stelle, wo noch vor kurzer Zeit die Kalesche stand, und sucht seinen Tascheninhalt wieder zusammen.