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Jessica Bannister kann es nicht fassen. Aber sie hat es zuvor schon in einer Vision gesehen: Jim Brodie, ihr Kollege und Freund, der ihr seine Hände um die Kehle legt und unbarmherzig zudrückt! Und so geschieht es jetzt, Jim verfolgt Jessica, dann hat er sie eingeholt, schleudert sie zu Boden - und will sie erwürgen! Jessica sieht das seltsame grünliche Leuchten, das Jims Körper umfließt, und sie weiß, dass ihr Kollege unter magischer Kontrolle steht. Doch dieses Wissen kann sie nicht mehr retten. Sie wollte das Geheimnis des "Tempels der Unendlichkeit" lösen, doch eine unheimliche Macht lässt das nicht zu, und Jim wird zu ihrem Mörder werden ...
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Seitenzahl: 115
Veröffentlichungsjahr: 2017
Cover
Impressum
Die Hauptpersonen
Der Tempel der Unendlichkeit
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: shutterstock / indira’s work; Pikoso.kz
Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-4420-2
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Die Hauptpersonen:
Jessica Bannister
Sie ist Reporterin beim London City Observer und auf mysteriöse Fälle spezialisiert. Sie hat übersinnliche Fähigkeiten, kann in Visionen und Träumen in die Vergangenheit reisen und die Zukunft voraussehen. So sah sie als Zwölfjährige auch den Tod ihrer Eltern voraus. Sie wuchs danach bei ihrer Großtante Beverly Gormic auf, bei der sie noch heute lebt.
Jim Brodie
Er ist Fotograf beim London City Observer. Als Jessica ihren Job bei der Zeitung antritt, steht er ihr sogleich mit Rat und Tat zur Seite, und es entwickelt sich schon bald eine enge Freundschaft zwischen den beiden. Wenn Jessica an einem Auftrag arbeitet, ist er fast immer als Fotograf an ihrer Seite.
Beverley Gormic
»Tante Bell« ist Jessicas Großtante. Nach dem Tod von Jessicas Eltern hat sie ihre Nichte bei sich aufgenommen und großgezogen. Jessica hat auch heute noch ein sehr enges Verhältnis zu ihrer Ziehmutter. Beverly weiß über Jessicas übersinnliche Fähigkeiten Bescheid, sie selbst befasst sich intensiv mit Spiritismus und Okkultismus.
Martin T. Stone
Der Chefredakteur des London City Observer
Der Tempel der Unendlichkeit
von Janet Farell
Mein Puls raste, und eine Gänsehaut überzog meine bloßen Unterarme. Ich fröstelte, und ich fühlte mich wie lebendig begraben.
Vor mir lag ein hohes, düsteres Gewölbe aus kaltem Stein, das sich unendlich lang hinzuziehen schien. An den Wänden befanden sich steinerne Schalen, aus denen Flammen emporzüngelten. Sie tauchten alles in ein eigenartiges, fast gespenstisches Licht.
Auf beiden Seiten des Gewölbes befanden sich auch mehr als ein Dutzend offener Tore, durch die etwas Weißes, Kaltes hereinströmte, das wie Nebel über den Boden kroch.
An was für einen Ort war ich hier nur geraten?
Vorsichtig setzte ich einen Fuß vor den anderen. Einen Augenblick später warf ich einen Blick durch eines der Tore und musste unwillkürlich schlucken.
Dort schien buchstäblich nichts zu sein. Nur namenlose Finsternis, viel schwärzer als die Nacht.
Und Kälte.
Ein eisiger Hauch wehte von dort draußen herein und ließ mich bis ins Mark erschauern.
»Sehen Sie sich ruhig alles genau an!«, hörte ich in diesem Moment hinter mir eine Stimme, deren Klang so eisig war wie der gespenstische Nebel, der um meine Beine waberte.
Ich wirbelte herum und blickte in das Gesicht einer Frau, die wohl Mitte dreißig war.
Sie hatte rabenschwarzes Haar, und ihr Gesicht wirkte trotz des weichen Lichts, das in diesem Gewölbe herrschte, blass wie das einer Toten. Ein fein geschnittenes, hübsches Gesicht.
Der Mund war halb geöffnet, die blauen Augen musterten mich eingehend. Der kalte Hauch, der aus den finsteren Toren herausblies, bewegte den roten Umhang ihres dunklen Kleides.
Sie kam auf mich zu, und ihr Gesichtsausdruck veränderte sich. Er wurde hart und mitleidlos.
Sie deutete auf eines der Tore.
»Sehen Sie ruhig hinaus!«, wies sie mich an, und der Klang ihrer Stimme klirrte erneut wie Eis.
Ihr Gesicht verzog sich zu einem Ausdruck höhnischen Triumphs.
Ich wandte halb den Kopf und blickte in die Schwärze, die jenseits der Tore herrschte.
»Was ist dort?«, flüsterte ich tonlos.
»Dort wartet der Tod auf Sie, Jessica Bannister!«, sagte die Frau im roten Kleid kalt lächelnd.
Ich war unfähig, irgendetwas zu erwidern und schluckte nur. Instinktiv ahnte ich jedoch, dass mein Gegenüber die Wahrheit sprach, und diese Erkenntnis ließ mich wieder schaudern.
»Sie werden sterben!«, zischte die Frau, und ihr Tonfall hatte jetzt etwas Schlangenhaftes.
Es war mehr als eine Drohung, die da über ihre Lippen kam. Fast klang es wie die Verkündung eines Urteils.
Ein Sog erfasste mich dann. Unsichtbare Arme schienen nach mir zu greifen, und ich wurde durch eines der Tore geschleudert. Panik stieg in mir hoch, als ich begriff, dass nicht die geringste Chance für mich bestand, das Unheil noch abzuwehren.
Es dauerte nicht länger als einen Augenaufschlag, und ich war bereits dort, auf der anderen Seite eines jener Tore, hinter denen zweifellos die Kälte des Todes regierte. Ich fiel hinein in diese unendliche Schwärze. Es wurde kalt. Kälter als in jedem Grab dieser Welt. Alles drehte sich, Schwindel erfasste mich und schiere Verzweiflung. Ich schrie aus Leibeskräften, obwohl ich tief in meinem Inneren wusste, dass dieser Schrei von niemandem mehr gehört werden konnte.
Ein Schrei, verloren in der Unendlichkeit …
»Nein!«
***
Hände umfassten meine Schultern und schüttelten mich.
Kerzengerade und schweißgebadet saß ich im Bett und hatte die Augen weit aufgerissen.
»Nein!«
»Jessi!«
Ich blickte in das besorgte Gesicht von Tante Bell, die auf der Kante meines Bettes saß und mich festhielt.
»Jessica, es ist alles gut!«
Ich atmete tief durch. Langsam realisierte ich, dass die schreckliche Szene, die ich soeben erlebt hatte, nur ein Traum gewesen war.
Nur …?
Tante Bell nahm mich in den Arm, und ich fühlte mich wieder wie ein kleines Kind.
Nach dem frühen Tod meiner Eltern hatte mich meine Großtante Beverly Gormic – ich nannte sie Tante Bell – aufgenommen und wie eine eigene Tochter aufgezogen. Jetzt war ich Mitte zwanzig und arbeitete als Reporterin beim London City Observer. Aber noch immer wohnte ich bei Tante Bell, in deren alter, viktorianischer Villa ich die obere Etage für mich hatte.
»Jessi …«, murmelte Tante Bell.
»Ja?«
»Erzähl mir, was du geträumt hast!«
Sie sah mich sehr ernst dabei an.
»Du meinst …«
»Ja!«, unterbrach sie mich.
Ich wusste, worauf sie hinauswollte. Ich hatte eine leichte übersinnliche Gabe, die das Erbe meiner verstorbenen Mutter war. In Träumen, Tagträumen und Visionen konnte ich schlaglichtartig die Abgründe von Raum und Zeit überwinden. Lange hatte ich mich dagegen gewehrt, die Tatsache zu akzeptieren, dass ich über diese Gabe verfügte, aber inzwischen hatte ich begriffen, dass ich lernen musste, damit umzugehen.
Es gibt Dinge, die mit den Methoden der Naturwissenschaft bislang nicht zu erklären sind. Und diese mir selbst noch immer unheimliche Fähigkeit gehörte zweifellos dazu.
»Wie spät ist es, Tante Bell?«, fragte ich.
»Fünf Uhr morgens.«
»Ich glaube nicht, dass ich noch Schlaf finden werde.«
»War es so …« Tante Bell zögerte, ehe sie ihren Satz vollendete.
»… so furchtbar?«
»Ja«, erwiderte ich tonlos.
Und dann erzählte ich ihr alles. Jede Einzelheit dieses grauenerregenden Albtraums, von dem ich wusste, dass er aller Wahrscheinlichkeit nach etwas mit der Zukunft zu tun hatte.
Meiner Zukunft.
Zu oft hatte ich inzwischen erlebt, dass das, was ich in meinen Visionen sah, in der ein oder anderen Form schließlich Realität wurde.
»Ich habe meinen Tod gesehen!«, hörte ich mich selbst mit belegter Stimme sagen.
***
Tante Bell hatte bereits mein Zimmer verlassen. Ich zog mir schnell etwas an. Etwas Praktisches, Jeans und eine Bluse.
Dann folgte ich Tante Bell in die untere Etage ihrer Villa, die einem eigentümlichen Grusel-Kabinett glich.
Bells seit Jahren verschollener Mann Franklin Gormic war ein berühmter Archäologe gewesen, der von seinen zahlreichen Reisen allerlei Gegenstände mitgebracht hatte. So standen die Räume der Gormic-Villa voller archäologischer Fundstücke, Artefakte bizarrer Kulte, zum Beispiel Schrumpfköpfe und uralte Dämonenmasken, die vor langer Zeit zu unaussprechlichen Ritualen verwandt wurden, aber auch kleine Steintafeln mit bislang nicht entzifferten Schriftzeichen. Onkel Franklin hatte ein Faible für das Ungewöhnliche gehabt, und diese Begeisterung hatte er mit seiner Frau geteilt.
Beverlys Steckenpferd war der Okkultismus und alle Arten übersinnlicher Phänomene, denen sie mit wissenschaftlicher Akribie nachging. Tante Bell war eine Sammlerin. Sie sammelte alles, was sie zu diesen Bereichen in die Hände bekommen konnte, angefangen von Zeitungsartikeln, die sie sorgsam archivierte, bis hin zu seltenen, oft nur in Privatdrucken mit geringer Auflage erschienenen Schriften, in denen magische Praktiken, geheime Rituale und okkultes Wissen vermittelt wurden.
Uralte staubige Folianten reihten sich in der Bibliothek aneinander, manche davon hatte Tante Bell selbst in mühevoller Kleinarbeit aus einzelnen Fragmenten restauriert. Vermutlich hatte sie das größte Okkultismus-Archiv in ganz England.
Natürlich war ihr nur zu gut bewusst, dass sich gerade auf diesem Gebiet eine Unzahl von Betrügern und Geldschneidern tummelten, die nichts anderes im Sinn hatten, als die Sehnsucht der Menschen, mehr über das Unerklärliche zu erfahren, schamlos auszunutzen.
Aber sie war überzeugt davon, dass es durchaus übernatürliche Phänomene gab, die mit den Mitteln der heutigen Wissenschaft entweder überhaupt nicht oder nur unzureichend zu erklären waren.
Und diesen Dingen galt ihr Interesse.
Als ich die Treppe hinunterging, grinste mich das groteske Gesicht eines hölzernen Totems an, das an der Wand hing.
Mir konnte diese Teufelsfratze schon lange keinen Schrecken mehr einjagen. Schließlich war ich es gewohnt, in dieser Villa zu leben, die eine eigentümliche Mischung aus Geisterbahn und Museum darstellte.
Tante Bell hatte inzwischen Tee aufgesetzt und im Esszimmer für das Frühstück gedeckt.
»Eigentlich ist es mir nicht recht, dass du dir auch die Nacht um die Ohren schlägst«, meinte ich.
Aber Tante Bell lächelte nur. »In meinem Alter braucht man nicht mehr so viel Schlaf, mein Kind.«
Das sagte sie häufiger, es war so eine Art Standardsatz von ihr.
Ich sah sie an, und sie erwiderte meinen Blick. Für einen Moment schwiegen wir beide.
Dann sagte ich: »Ich habe Angst, Tante Bell.«
»Ich weiß, Jessi.«
»Ich frage mich die ganze Zeit über, was das nur für ein Ort gewesen ist, an dem ich mich in meinem Traum befunden habe.«
»Glaubst du, es gibt dieses Gewölbe wirklich?«
»Ja«, erwiderte ich. »Ich bin überzeugt davon.« Ich murmelte fast wie in Trance vor mich hin. »Irgendwo … tief unter der Erde … Sehr tief!«
»Rede weiter, Jessi«, forderte Tante Bell. »Folge dem Strom deines Unterbewusstseins.«
Für einen Moment schloss ich die Augen, um mir die Szene noch einmal zu vergegenwärtigen.
Aber es gelang mir nicht. Die Bilder vor meinem inneren Auge waren blass und unscharf.
Nur die eisige Kälte aus dem Bereich jenseits der düsteren Tore war in diesem kurzen Moment wieder derart real für mich, dass sich eine leichte Gänsehaut über meine Unterarme zog.
Ich schüttelte den Kopf und öffnete die Augen wieder.
»Es hat keinen Sinn«, sagte ich.
»Sei vorsichtig, Jessi«, mahnte mich Tante Bell, und ich nickte leicht.
»Ja, ich weiß.«
»Betrachte diesen Traum als Warnung.«
»Das werde ich.«
Ich fühlte mich furchtbar. Wie ein Boxer, den man gezwungen hatte, mit verbundenen Augen in den Ring zu steigen, der nun die Schläge seines Gegners erwartete …
»Ich weiß nicht, ob es wirklich eine Gabe ist, worüber ich verfüge«, meinte ich dann seufzend zu Tante Bell.
»Kind …«
»Es ist ein Fluch!«
***
Der Mann hieß Jack Balmore, war Mitte dreißig, Mitinhaber einer Werbeagentur und beruflich immerhin so erfolgreich, dass er sich ein Penthouse leisten konnte.
Es war weit nach Mitternacht, und er schlief noch immer nicht, obwohl er einen harten Tag hinter sich hatte.
Aber da war eine seltsame Unruhe, die ihn erfasst hatte, und die ihn keinen Schlaf finden ließ.
Er goss sich einen Drink ein und führte das Glas zum Mund. Aber er trank nicht. Balmore zögerte.
Tu es!
Er hatte diesen Gedankenimpuls schon einmal registriert, als er am Abend in seine Wohnung gekommen war.
Balmore schluckte und fühlte, wie sein Puls schneller ging. Er ahnte, dass etwas Furchtbares geschehen würde. Etwas, das er selbst niemals gewollt hätte. Und doch, gegen den Impuls konnte er sich nicht wehren.
Tu es … jetzt!
Es war ihre Stimme, die er in seinem Inneren hörte. Die Stimme der ERLEUCHTETEN.
Sein Blick ging zu dem goldumrahmten Foto an der Wand, das ihr Gesicht zeigte. Dunkelhaarig war sie, und ihre blauen Augen schienen ihn geradewegs anzusehen. Ein hübsches Gesicht.
Über Tausende von Kilometern stand er mit ihr in geistiger Verbindung, und sie gab ihm Kraft. Aber diesmal war es nicht das wohlige Gefühl neuer Energie, das ihn durchströmte.
Diesmal war es etwas anderes, etwas Düsteres …
Ihm schauderte. Sein Gesicht wurde blass, als er erkannte, was er tun sollte.
»Nein«, flüsterte er tonlos, in der Gewissheit, dass jeglicher Widerstand zwecklos war.
Ein fremder Willen schien seinen Körper jetzt zu lenken.
Balmore setzte sein Glas auf dem kleinen Wohnzimmertisch ab, ging zum Fenster und öffnete es. Das fluoreszierende Leuchten, das ihn wie eine eigenartige Aura umgab, bemerkte er nicht.
Er blickte in die Tiefe.
Selbst um diese Zeit herrschte dort unten immer noch Leben. Nachtlokale, Diskotheken und einige Theater machten dort mit grellen Leuchtreklamen auf sich aufmerksam. Dazu einige etwas ausgefallene Restaurants und Bars.
Männer im Smoking und Damen in feiner Abendgarderobe kehrten schlendernd zu ihren Wagen zurück oder warteten auf ein Taxi, das sie nach Hause bringen sollte.
Jetzt!
Balmore lehnte sich hinaus in die Dunkelheit, setzte einen Fuß auf die niedrige Fensterbank – und sprang!
Die Menschen unten sahen eine eigenartig leuchtende Gestalt sich gegen den Nachthimmel abheben, die wie ein Stein auf den Asphalt der Straße zuraste …
***
Als ich am Morgen das Großraumbüro der Redaktion des London City Observer betrat, lief mir als Erstes Jim Brodie über den Weg. Jim war Fotograf und arbeitete häufig mit mir zusammen. Wir waren fast im selben Alter, und insgeheim war er wohl auch ein bisschen in mich verliebt.
Wir waren ein gutes Team, aber kein Liebespaar. Und auch, wenn Jim sich das insgeheim anders wünschen mochte, es würde sich daran auf absehbare Zeit nichts ändern.
Der unkonventionelle, jungenhaft wirkende Jim mit seinen etwas zu langen blonden Haaren und der zerschlissenen Jeans, die fast schon Museumscharakter hatte, war einfach nicht der Typ Mann, vom dem ich in einsamen Nächten träumte.
Er lachte mich an und wischte sich mit einer beiläufigen Handbewegung ein paar blonde Strähnen aus dem Gesicht. Ich bemerkte, dass an seinem Hemd ein Knopf fehlte. Das Revers seines bereits etwas abgewetzten Jacketts war durch die Kameras, die er um den Hals zu tragen pflegte, derart verknittert, dass es wohl nie wieder in Form zu bringen sein würde.