Jinn 2: Wilde Magie - Francisca Dwaine - E-Book

Jinn 2: Wilde Magie E-Book

Francisca Dwaine

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Beschreibung

Einhörner sind sanfte Geschöpfe, die keiner Fliege etwas zu Leide tun, richtig? Falsch. Nori und Jinns Leben bekommt einen mächtigen Dämpfer, als sie plötzlich einem Mann mit Horn auf der Stirn in ihrer Wohnung gegenüberstehen. Von den Umständen dazu genötigt, nehmen sie ihn widerwillig für einige Wochen bei sich auf. Der ungehobelte Möchtegerngauner Bert bedroht mit seiner beleidigenden, störenden Art aber nicht nur ihr Liebesleben, sondern überträgt Jinn auch noch einen Teil seiner magischen Kräfte, die langsam außer Kontrolle geraten. Ein humorvoller Gay-Romance Roman mit Fantasy-Anteil. Eine Gesamtausgabe mit beiden Titeln ist ebenfalls erhältlich.

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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Francisca Dwaine

Jinn 2: Wilde Magie

 

Inhalt:

 

Einhörner sind sanfte Geschöpfe, die keiner Fliege etwas zu Leide tun, richtig? Falsch. Noris und Jinns Leben bekommt einen mächtigen Dämpfer, als sie plötzlich einem merkwürdigen Wesen, halb Einhorn, halb Mann, in ihrer Wohnung gegenüberstehen. Von den Umständen dazu genötigt, nehmen sie ihn widerwillig für einige Wochen bei sich auf. Der ungehobelte Möchtegerngauner Bert bedroht mit seiner beleidigenden, störenden Art aber nicht nur ihr Liebesleben, sondern überträgt Jinn auch noch einen Teil seiner magischen Kräfte, die langsam außer Kontrolle geraten.

 

Ein humorvoller Gay-Romance Roman mit Fantasy-Anteil.

 

Copyright © 2016 Francisca Dwaine

 

Alle Rechte vorbehalten.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt und darf nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin ganz oder in Auszügen vervielfältigt oder kommerziell genutzt werden.

Alle handelnden Personen wurden frei erfunden.

 

Korrektur: Marion Stollenwerk

 

Cover © Francisca Dwaine

Unter Verwendung der Bilder von © closeupimages - Fotolia.com und © SergeyNivens www.fotosearch.de

 

Inhaltsverzeichnis

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Impressum

1. Kapitel

 

»Bleib bei mir!«

»Nichts ist für die Ewigkeit.«

 

Jinn erschauderte, als er sich an den schmerzvollen Abschied erinnerte. Mit was er erschauderte, wusste er nicht. Er war nicht mehr als eine Seele, die in der Unendlichkeit des Nichts schwebte. Eine Kugel aus Gedanken und Emotionen, umgeben von gleißend hellem Licht.

War es warm? Ohne Haut konnte er es nicht sagen und doch fühlte er etwas wie Wärme um sich herum. Ab und zu spürte er noch etwas, für das er eigentlich einen Körper brauchte. Womöglich waren es bloße Erinnerungen, denn er erinnerte sich an alles. An jeden Atemzug, an jede Entscheidung, jeden Kuss. Er wusste nun von seiner Vergangenheit, kannte seine Fehler. Endlich war ihm bewusst, warum er jahrhundertelang den Menschen gedient hatte. Für diese Taten hatte er gebüßt. Er verdiente die Wärme, die glücklichen Empfindungen, die ihn erfüllten, und das Licht.

Alles war perfekt und doch fehlte etwas. Diesen einen Gedanken, der ihn traurig machte, konnte er nicht loslassen. Obwohl er so viel Schmerz verursachte, war er gleichzeitig für so viele herrliche Erinnerungen verantwortlich.

Nori.

Ein Name, der sein Herz schneller schlagen ließ.

Nein, nicht sein Herz. Er erinnerte sich nur an dieses Gefühl. Da war kein Herz mehr, das schlagen konnte und doch hämmerte es in seiner nicht vorhandenen Brust.

Seitdem er Nori getroffen hatte, war nichts mehr so wie früher. Zuvor hatte er sich mit seinem Dasein als Dschinn abgefunden. Selbst ohne seine Erinnerungen hatte er gewusst, wie sehr er die Jahre als Sklave verdiente.

Noris Geburt machte alles anders. Obwohl er in seiner Lampe eingeschlossen gewesen war, hatte er seine Seele gespürt. Mit jedem Atemzug, den Nori machte, wusste Jinn mehr und mehr, dass er der Eine war.

Nori war sein Meister, der einzig wahre, und nur einige Jahre später wurde er noch so viel mehr. Er wurde ein Freund, ein Gefährte. Letztendlich wurde er sogar sein Freund, wenn auch nur für wenige Sekunden. Nori hatte ihn von seiner Knechtschaft befreit, doch das bedeutete auch ihren Abschied. Sobald der Fluch endlich verschwunden war, musste Jinn die Reise ins Jenseits antreten. Vor Nori hatte er diesen Moment herbeigesehnt, aber nun war die Trennung schmerzvoller als alles andere gewesen. Lieber hätte er noch jahrtausendelang den Menschen gedient, als Noris tränenüberströmtes Gesicht zu sehen.

Seine Seele war gereinigt, für seine Taten hatte er gebüßt und doch kam ihm diese Ewigkeit wie eine neue Strafe vor.

Jinn wusste nicht, wie es passiert war. Vielleicht lag es an seiner Sehnsucht, womöglich war es der tiefe, innige Wunsch Nori noch einmal berühren, ihn noch ein letztes Mal küssen zu können. Möglicherweise hatte sogar die Rachegöttin Alekto Mitleid mit ihm gehabt.

Was es auch war, auf einmal verschwand das warme Licht um ihn herum und er stand in der Dunkelheit. Kälte streifte seinen Körper, als er sich blinzelnd umsah. Seine Augen brauchten Zeit, um sich an die lichtarme Umgebung zu gewöhnen.

Moment mal. Körper? Augen?

Jinn fasste über kühle Haut, sah zwei Beine, Arme, Füße, die auf nassen, dreckigen Betonplatten standen. Seine Hände, zehn wunderbare Finger, tasteten seinen Torso hinauf und fanden dieses schlagende Etwas in seiner Brust.

Kein Zweifel möglich. Er lebte. War er zuvor nichts als eine sehnsüchtige Seele gewesen, besaß er nun einen Körper. Damit jedoch nicht genug.

Jinn war ein Mensch. Das Blut, das heftig durch seine Venen strömte, um die Kälte zu vertreiben, hatte keinen Funken Magie mehr inne.

Ein Lächeln breitete sich langsam auf Jinns Gesicht aus. Das bedeutete, dass er zu ihm zurückkonnte! Aber nicht nur das, er konnte endlich mit Nori zusammen sein. Kein Fluch hinderte sie mehr daran, eine richtige Beziehung zu führen. Ungebremst und ohne tickende Uhr im Nacken. Jinn würde mit Nori altern. Sie würden eines dieser Paare werden, die ihren Enkelkindern wundersame Geschichten vor dem Kamin erzählten. Enkel ... Kinder! Jinn könnte sogar eine Familie mit Nori haben. Von den biologischen Schwierigkeiten natürlich abgesehen, aber es gab Möglichkeiten. Nicht umsonst hatte er all diese amerikanischen Serien im Fernsehen gesehen.

Es gab Adoption, Leihmutterschaft ... unendliche Chancen für ihre Zukunft.

Als ihm all dies klar wurde, schrie Jinn vor Freude auf und sprang in die Luft. Das bereute er jedoch sogleich, als er mit dem nackten Fuß auf einen spitzen Stein trat, humpelte und zu Boden ging.

Mit der Kälte der Betonplatten an seinem Hinterteil kam die Ernüchterung. Würde es so einfach werden? Offiziell existierte Jinn nicht. Er brauchte eine Identität, eine Geschichte zu diesem Körper. Wo bekam er die her?

Auch dafür gibt es Möglichkeiten, dachte Jinn nickend und zog damit seine langen schwarzen Haare über den feuchten Boden. Nicht unbedingt legale, aber sie waren da.

Flach auf dem Rücken liegend sah Jinn zu dem mit Wolken verhangenen Sternenhimmel hinauf. Hätte er noch seine Kräfte, wäre alles ein Kinderspiel. Ein Fingerschnippen und er wäre in Noris Wohnung. Ein Gedanke und er hätte einen Ausweis, einen Job. Kleidung!

Jinn nieste, als ein heftiger Windzug seinen nackten Körper streifte. Alles in ihm, jede Zelle seines Körpers, drängte ihn, so schnell wie möglich zu Nori zurückzukehren. Aber wie kam er dorthin? Nori war stets sehr streng gewesen, was Jinns Kleidung betraf. Geh niemals nackt auf die Straße, hatte er gesagt.

Mit seiner ersten Tat nach seiner Rückkehr wollte Jinn ihn nicht in Verlegenheit bringen. Er war kein magischer Flaschengeist mehr, hatte wortwörtlich nichts als seinen Körper zu bieten. Am liebsten würde er sich ein richtiges Leben als Mensch aufbauen, bevor er Nori wieder unter die Augen trat. Auch ohne Magie wollte er nützlich sein und Nori dienen. Nicht als Sklave, sondern als Freund. Ebenbürtig. Eben so, wie Nori es sich immer gewünscht hatte. Wie er es verdiente.

Aber das war nicht so einfach. Menschsein war nicht einfach.

Jinn blinzelte und hob den Arm. Ein Licht blendete ihn. Er drehte den Kopf und sah ein paar glänzende Schuhe.

»Was zum ... was machen Sie denn hier? Warum sind Sie nackt?«

Als er aufstand, sah Jinn direkt in das Gesicht eines verwunderten Wachmanns, der ihn mit seiner Taschenlampe anstrahlte. »Verzeihung, wissen Sie zufällig, welches Datum wir haben?«, fragte Jinn.

»Datum? Sie wissen nicht ... Oh, Nicht schon wieder einer von denen. Hör mal, Junge, ich weiß nicht, wie oft ich es noch sagen soll. Keine Drogen auf dem Campus! Am besten überhaupt keine Drogen. Damit macht ihr euch doch nur kaputt, Mann. Außerdem bedeutet das schweineviel Papierkram für mich.«

Jinn blinzelte erneut. Er wünschte sich, der Mann würde die Lampe nicht ständig in sein Gesicht halten. »Campus? Oh! Ich bin auf Noris Campus!« Strahlend sah er sich um. Nun erkannte er auch die Gebäude wieder. Er stand an genau dem gleichen Ort, an dem er damals auch verschwunden war.

Der Wachmann seufzte und nahm sein Funkgerät vom Gürtel. Jinn sah ihm neugierig zu. »Heinrich, ruf mal bitte die Polizei. Wir haben hier einen verwirrten Junkie. Und wenn du schon dabei bist, bring doch gleich diesen alten Overall mit, der noch in Karls Schrank hängt. Ja, er ist nackt. Schon wieder.« Er schaltete das Funkgerät ab und wendete sich erneut an Jinn. »Mein Kollege bringt dir gleich was zum Anziehen. Kannst du dich irgendwie ausweisen? Bist du ein Student?«

Jinn legte den Kopf schief. »Ausweisen?« Offenbar bekam er schneller Probleme, als er erwartet hatte.

»Stimmt, blöde Frage. Hast ja keine Taschen.« Der Mann leuchtete mit seiner Taschenlampe auf den Boden. »Mal schauen, ob hier nicht doch noch etwas von dir herumliegt. Ah, da.«

Erstaunt sah Jinn zu, wie der Mann ein Portemonnaie vom Boden aufhob. »Jinn Chalid. Ja, das scheinst du zu sein.«

Mit großen Augen starrte Jinn auf ein Foto von sich. »Das bin ja wirklich ich! Erstaunlich!«

Der Wachmann runzelte die Stirn. »Du bist ja noch zugedröhnter, als ich dachte. Dabei sieht man dir das gar nicht an.«

»Das ist sehr nett von Euch. Kommt Euer Freund bald? Es ist doch etwas kalt. Haben wir Winter?«

»Winter? Nee, nur ’ne sehr kalte Nacht.« Die Augen des Wachmanns wanderten für einen kurzen Augenblick nach unten, bevor sie erneut hochschnellten. »Aber offenbar ist es noch nicht kalt genug. Ihr Südländer habt aber auch ein Schwein.«

»Auch für dieses Urteil danke ich Euch vielmals«, sagte Jinn lächelnd.

Falls der Mann noch etwas erwidern wollte, wurde er von seinem Kollegen unterbrochen. Humpelnd kam der zweite Wachmann mit einem dunkelblauen Overall über dem Arm hängend angerannt. »Das ist er?«

»Siehst du hier sonst noch einen Nackten?«

»Mein nur, so jung ist er nicht mehr, was? Die letzten waren wie alt? 19? 20?«

»Ist doch egal. Jetzt gib dem armen Kerl schon das Teil«, sagte der erste Wachmann, riss seinem Kollegen den Overall aus den Händen und gab ihn Jinn. »Was ist mit der Polizei?«

»Sie schicken einen Wagen. Müssten jeden Moment da sein.«

»Zum Glück! Ich will nicht wieder einen von denen in der Wachstube sitzen haben. Das letzte Mal haben sie uns die ganze Bude vollgekotzt, weißt du noch?«

»Wie sollte ich das vergessen? Ich war derjenige, der es aufwischen musste.«

»Du weißt ja, meine Knie ...«

»Witzig. Das letzte Mal war es noch der Rücken.«

Jinn hörte dem Streit zu, während er versuchte, den Overall überzuziehen. Irgendwie erinnerten ihn die beiden an Nori und dessen Freundin Hanna. »Eure Arbeit scheint unterhaltsam zu sein«, sagte er, als er den Kampf mit dem Kleidungsstück gewonnen hatte und den Reißverschluss bis unters Kinn hochzog. Ihm wurde augenblicklich wärmer.

Die beiden Männer blickten ihn verständnislos an. »Unterhaltsam? Ich vergeude hier die besten Jahre meines Lebens mit diesem Vollidioten. Stattdessen hätte ich bei der Bundeswehr bleiben sollen«, sagte Wachmann Eins.

Wachmann Zwei lachte auf. »Guter Witz! Die haben dich doch rausgeschmissen.«

»Nur weil ich mir eine Kugel eingefangen habe.«

»Ja, weil du dich selbst angeschossen hast, du Blödmann. Niemand würde dir noch mal freiwillig eine Waffe geben.«

Lächelnd sah Jinn dem Gekeife und Gezeter zu, bis ihm eine Idee kam. »Oh! Darf ich bei Euch mitmachen? Ich kann sicher gut bewachen.«

Erneut wendeten sich die Blicke beider Männer Jinn zu. »Du?«, fragte Wachmann Eins. »Ein nackter Junkie soll den Campus bewachen? Die würden dich niemals nehmen.«

Jinn runzelte nachdenklich die Stirn. »Und eine andere Arbeit?«

»Da hast du schlechte Karten. Obwohl die alte Kathrin dir bestimmt eine Chance geben würde ...« Wachmann Eins grinste über das ganze Gesicht. »Ja, genau. Sobald sie dich gehen lassen, kannst du es mal bei unserer Bibliothekarin versuchen. Die legt bestimmt ein gutes Wort für dich ein. Sie steht auf hübsche Burschen.«

»Sobald sie mich gehen lassen? Wer denn?« Genau als Jinn dies fragte, kamen zwei Polizisten aus Richtung des Parkplatzes. Sie nahmen Jinns Personalien auf und führten ihn zum Auto.

»Wenn du wirklich versuchst, bei Kathrin einen Job zu bekommen, dann schau mal bei uns in der Wachstube vorbei. Würde mich brennend interessieren, wie sie reagiert«, rief ihm Wachmann Eins lachend hinterher und Wachmann Zwei stimmte mit ein.

Jinn hatte keine Ahnung, was daran so witzig war, aber wenn diese Kathrin nur halb so lustig wie die Wachmänner war, könnte ihm die Arbeit gefallen.

 

***

 

Nur wenige Minuten später saß Jinn unruhig auf einem harten Holzstuhl vor dem Schreibtisch eines Polizisten, der wortlos ein Formular ausfüllte. Inzwischen hatte man ihm ein Paar abgelaufene Sandalen gegeben, die mehr schlecht als recht passten. Immerhin musste er nun nicht mehr auf nackten Füßen laufen.

»Wir müssen Ihnen gleich noch Blut abnehmen. Sie haben wirklich keine Ahnung, wie Sie auf den Campus gekommen sind?«

Jinn schüttelte den Kopf. In dieser Situation war es vermutlich am besten, Unwissen vorzutäuschen. Zumindest glaubte er nicht, die Geschichte seiner Wiedergeburt würde bei diesen Menschen auf Verständnis stoßen.

»Und Sie kennen niemanden, zu dem Sie gehen können? Sie haben kein Zuhause?«

Erneut schüttelte Jinn den Kopf. Die Idee, sich zunächst einen Job zu suchen und anschließend vor Nori als gemachter Mann aufzutauchen, hatte sich mehr und mehr in seinem Kopf verankert. Außerdem sollte Nori nicht als Erstes nach Jinns Rückkehr erfahren, dass er wegen nackter Tatsachen verhaftet worden war.

Ein anderer Polizist beugte sich zu dem Mann hinunter, der Jinn befragte. »In seiner Brieftasche war nichts außer dem Ausweis. Vielleicht wurde er überfallen.«

»Welcher Dieb würde denn seine ganzen Klamotten mitnehmen?«

»Keine Ahnung, aber ich glaube nicht, dass er etwas eingenommen hat. Vielleicht ist es der Schock gewesen? Es könnte auch ein Streich sein, der schiefgegangen ist.«

Der Polizist, der vor Jinn saß, rieb sich nachdenklich das Kinn. »Ist es das? Sind Sie überfallen worden?«

»Vielleicht?«, fragte Jinn vorsichtig. Wenn sie davon ausgingen, er wäre Opfer statt Täter, wäre er bestimmt schneller wieder draußen. »Ich meine, natürlich! Genau das ist passiert. Kann ich jetzt gehen?« Er wollte schon aufstehen, doch der Polizist drückte ihn an seiner Schulter runter.

»Das kommt gar nicht in Frage. Selbst wenn sie das Opfer eines Verbrechens sind, kann ich sie nicht einfach so gehen lassen. Wir müssen noch den Drogentest abwarten. Egal ob Sie unter Einfluss bewusstseinsverändernder Substanzen stehen oder nicht, Sie sind offenbar verwirrt. So können wir Sie nicht wieder auf die Straße lassen.«

Letztendlich verbrachte Jinn die ganze Nacht und den Morgen des nächsten Tages auf der Wache. In einer der Zellen hatte er einen netten Mann namens 'Candy' kennengelernt, der ihm weißmachen wollte, sein Penis würde wie eine Zuckerstange schmecken. Jinn hatte das Angebot, davon zu kosten, dankend abgelehnt und sah anschließend zu, wie der dicke, glatzköpfige Mann zu einem anderen Zellengenossen ging.

Hoffentlich musste er nicht zu lange in dieser Zelle sitzen. Je früher er sich einen Job suchte, desto besser. Jinn sah sich schon in Anzug und mit Blumenstrauß vor Noris Tür stehen. Oder doch lieber etwas Süßes? Nori mochte keine Schnittblumen.

Was er jetzt wohl machte? Lernte er für die Uni? Oder unternahm er etwas mit Hanna?

Hoffentlich hatte er keinen neuen Freund. Auf dem Schreibtisch des Polizisten hatte Jinn einen Kalender gesehen, von dem er endlich das Datum erfahren hatte. Demnach waren nur zwei Wochen vergangen, seitdem er direkt vor Noris Augen verschwunden war. In dieser Zeit hatte er bestimmt niemanden gefunden. So schnell würde er ihn nicht vergessen, davon war Jinn überzeugt.

»Herr Chalid?« Ein Polizist stand vor der Zellentür und starrte ihn an. Jinn brauchte einige Sekunden, um zu begreifen, dass 'Chalid' nun sein Nachname war. »Ihr Drogentest war negativ. Sie können gehen, aber wenn die Staatsanwaltschaft Ihre Geschichte mit dem Raub nicht glaubt, wird womöglich noch eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs und Erregung öffentlichen Ärgernisses auf Sie zukommen. Die Adresse auf Ihrem Ausweis stimmt noch?«

Jinn nickte steif. Er hatte keine Ahnung, welche Adresse genau dort stand. War es Noris? Falls ja, müsste er sich beeilen, einen Job zu finden. Nori sollte nicht auf diese Weise erfahren, dass er zurück war. »Wann bekomme ich denn Post?«, fragte Jinn, als er durch die geöffnete Zellentür ging und Candy zuwinkte. Seitdem er erneut abgewiesen worden war, saß er beleidigt in der Ecke.

Der Polizist zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung. Könnte auch sein, dass das Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt wird. Ich glaube nicht, dass die Wachmänner der Universität Anzeige erstatten wollen. Nach eigener Aussage haben sie schon Schlimmeres als Ihren nackten Hintern gesehen.«

Jinn wurde in einen anderen Raum geführt, wo er sein Portemonnaie zurückbekam. Als er aus dem Gebäude trat, blendete ihn die Mittagssonne. Er entfernte sich noch einige Schritte von der Polizeiwache und öffnete dann sein Portemonnaie, um einen Blick auf seinen Ausweis zu werfen. Dort stand tatsächlich Noris Adresse.

Er brauchte eine Arbeit, und zwar dringend! Das einzige, was ihm einfiel, war die Universitätsbibliothek. Hatte der Wachmann nicht gesagt, er sollte es bei einer gewissen Kathrin versuchen?

Aber konnte er einfach so dort auftauchen? Jinn sah an sich herunter. Er trug immer noch den Overall des Wachmanns, besaß keine Papiere, konnte noch nicht einmal eine Bewerbung schreiben.

Wie das ging, wusste er von Nori. Als sie zusammengelebt hatten, musste er sich für einige Aushilfsjobs bewerben und Jinn hatte ihm damals immer über die Schulter geschaut. Ohne Geld, Computer oder Drucker würde das jedoch schwierig werden.

Ein persönliches Gespräch, das war die einzige Möglichkeit. Laut Nori war er charmant. Was konnte schon schiefgehen?

 

***

 

»Das soll wohl ein Scherz sein«, sagte die Dame an dem Informationsschalter der Bibliothek. Ihre knallroten Locken fielen ihr wild ins Gesicht und die grüne Brille rutschte fast von ihrer Nase, als sie mit der Faust auf den Tisch haute. Jinn zuckte zusammen. »Sie können doch nicht ohne Erfahrung, ohne Bewerbungsschreiben oder sonstige Papiere auftauchen und erwarten, dass ich Ihnen einen Job gebe. Schon gar nicht in diesem Aufzug.«

Jinn ließ den Kopf hängen. Er hätte nicht damit gerechnet, so niedergeschmettert zu werden. »Aber ich brauche unbedingt Geld. Ich ... ich könnte Ihnen doch zeigen, was ich kann. Dann wollen Sie mich bestimmt einstellen.«

Eine Augenbraue der Dame erhob sich. Als einige Mädchen in der Nähe kicherten, warf sie ihnen einen strafenden Blick zu, der sie augenblicklich schweigen ließ. »Ich könnte tatsächlich etwas Hilfe gebrauchen, aber das ist nicht so einfach. Das einzige, was ich Ihnen anbieten kann, wäre ein Praktikum. Ein unbezahltes, versteht sich. Wenn ich dann merke, dass Sie eine Hilfe sind, können wir noch einmal über eine Festanstellung reden.«

Jinns Augenbrauen zogen sich zusammen. Er hatte ein merkwürdiges Gefühl bei der Sache. Wenn er unbezahlt arbeitete, wie sollte er dann erhobenen Hauptes zu Nori zurückkehren? »Das hört sich ganz gut an, aber ich ... ich bräuchte schon ein wenig Geld. Für Essen und Kleidung, eine Wohnung ...«

»Sie haben nicht einmal eine Wohnung?«

Etwas in ihrem Tonfall sagte Jinn, eine kleine Notlüge wäre angebracht. »Doch, doch! Ich wohne im Moment bei einem Freund. Das steht sogar in meinem Ausweis. Wollen Sie ihn sehen?«

»Nein, ist schon gut. Wie gesagt, das ist alles, was ich Ihnen anbieten kann. Wenn das nicht gut genug ist ...«

»Doch!«, sagte Jinn schnell. »Ich nehme das Angebot gerne an. Wann kann ich anfangen?«

»Meinetwegen schon morgen früh. Ziehen Sie sich aber bitte etwas anderes an. Dieses Ding ist kaum die richtige Kleidung für eine Bibliothek.«

Als Jinn daraufhin das Gebäude verließ, ließ er die Schultern hängen. So hatte er sich das nicht vorgestellt. Nun hatte er zwar eine Arbeit, aber ohne Bezahlung. Wie sollte er diese Zeit überstehen, wenn er sich noch nicht einmal etwas zu essen kaufen konnte?

»Oh, ich hätte nicht gedacht, dich so schnell wieder zu sehen. Sag bloß, du hast tatsächlich versucht, bei Kathrin einen Job zu bekommen.«

Jinn sah auf. Der Wachmann, der ihn in der letzten Nacht gefunden hatte, lächelte ihn an. »Ihr seid es! Vielen Dank für die Kleidung. Sie war wirklich sehr hilfreich.«

»Ach was. Das alte Ding gehört einem Kollegen, der vor einigen Wochen aufgehört hat. Wenn wir es dir nicht gegeben hätten, hätte ich es in den Müll geworfen. Wie sieht es denn nun aus? Wirst du in Zukunft Bücher sortieren und Studentinnen den Kopf verdrehen?«

Jinns Mundwinkel traten wieder ihren Weg nach unten an. »Ich soll erst ein Praktikum machen, weil ich keine Erfahrung habe.«

Der Mann runzelte die Stirn. »Und das hat dir Kathrin gesagt? Hast du nicht mit Herrn Dorfstädt gesprochen? Der ist eigentlich für das Personal zuständig. Deshalb haben wir uns gestern auch so ins Fäustchen gelacht. Kathrin ist bloß ’ne alte Schreckschraube.«

»Könnte er mir denn eine richtige Arbeit geben?«, fragte Jinn hoffnungsvoll.

»Schon möglich. Mal ehrlich, ich hätte nie gedacht, dass du wirklich bei Kathrin auftauchst. Wenn du Lust hast, bringe ich dich gleich zu ihm. Er sitzt in der Verwaltung.«

»Das wäre sehr nett von Euch.«

»Ehrensache. Irgendwie bin ich dir ja auch was schuldig. Das Gespräch mit der Kathrin war bestimmt nicht angenehm. Sie kann ziemlich kratzbürstig sein. Der Dorfstädt ist da ganz anders. Der gibt dir bestimmt eine Chance. Aber nur so zur Sicherheit, du nimmst doch nicht wirklich Drogen, oder?«

»Nein, ich wurde überfallen«, sagte Jinn etwas zu schnell. Wenn er doch nur besser im Lügen wäre ...

»Ja, ich habe mir schon gedacht, dass ich dich da falsch eingeschätzt habe. Du hast zwar sicher die eine oder andere Schraube locker, aber wie ein drogensüchtiger Exhibitionist kommst du mir nicht vor.«

»Schraube?« Jinn legte den Kopf schief. »Ich habe doch gar keine Schrauben.«

»Mensch, das ist doch nur eine Redewendung. Noch nie gehört? Na ja, was soll’s. Komm jetzt aber in die Hufe. Ich hab eigentlich schon Feierabend und meine Frau macht mir die Hölle heiß, wenn ich zu spät zum Essen komme.«

»Hufe?«

Der Wachmann ignorierte Jinns Frage und ging den Weg zu einem Gebäude hoch. Jinn folgte ihm schnell. Es war wirklich ein Glück, dass er ihn führte. Alleine hätte er sich niemals in diesem Irrgarten zurechtgefunden. Als sie endlich in der Verwaltung angekommen waren, zeigte der Wachmann auf einen Mann, der im Flur stand und mit einer Frau sprach. »Das ist er. Erzähl ihm am besten das mit dem Praktikum. Er hasst es, wenn Kathrin so tut, als würde ihr der Laden gehören. So gibt er dir bestimmt eine Chance«, sagte er, klopfte Jinn auf die Schulter und ließ ihn allein.

Jinn schluckte. Diese Art von Nervosität hatte er nie als Dschinn gespürt. Was würde er tun, wenn er keinen Erfolg hatte? Dann musste er zu Nori zurückkehren, wie er war. Ohne einen Cent, in einem geliehenen Overall und mit nichts vorzuweisen, womit er ihn beeindrucken konnte.

Jinn brauchte einen Moment, um einschätzen zu können, was er fühlte. Dann begriff er endlich, dass es Scham war. Er hatte diesen unheimlichen Drang, sich zu beweisen. Menschliche Gefühle waren wirklich sonderbar. Zum einen machten ihn diese Emotionen noch nervöser, zum anderen aber auch entschlossener. Mit einem tiefen Atemzug setzte er sich in Bewegung.

Der Mann hatte sein Gespräch gerade beendet, als Jinn ihn erreichte. »Herr Dorfstädt? Dürfte ich Sie um einen Gefallen bitten?«

»Was? Oh. Worum geht es denn?« Herr Dorfstädt wirkte überrascht, plötzlich von Jinn angesprochen zu werden. Seine Augen wanderten kurz über den Overall und blieben an den Sandalen hängen.

»Ich war vorhin in der Bibliothek und wollte mich eigentlich für eine Stelle dort bewerben, aber eine Frau Kathrin meinte, ich könnte nur als Praktikant anfangen, weil mir die Erfahrung fehlt.«

»Ach ja? Dabei vergeben wir keine Praktika und sie besitzt auch nicht die Befugnis, Leute einzustellen.« Wie der Wachmann gesagt hatte, schien der Mann alles andere als erfreut über die Situation zu sein. »Ich muss wirklich noch mal mit ihr reden. Was Ihre Lage betrifft ... Nun, ohne jede Erfahrung kann ich Sie nicht sofort einstellen. Außerdem scheinen Sie mir etwas ... Darf ich fragen, warum Sie diese Sachen tragen?«

Nervös suchte Jinn nach einer passenden Antwort, die nichts mit seinem nächtlichen Aufenthalt bei der Polizei zu tun hatte. »Ich ... hatte nichts anderes?«

»Ah, Waschtag. Daran kann ich mich noch vage erinnern. Meine Jahre als Single waren eine echte Herausforderung. Also gut, dann werde ich dem Praktikum zustimmen, wenn Sie das wirklich möchten. Schon allein, um dieser Person eine Lektion zu erteilen ... Außerdem könnte ich Ihnen eine Kleinigkeit zahlen, was natürlich nicht mit einem richtigen Gehalt vergleichbar wäre, aber für den Anfang ... Sie sehen aus, als könnten Sie das Geld gebrauchen. Wie hört sich das an?«

Zu gut, um wahr zu sein, dachte Jinn. Er bedankte sich überschwänglich bei dem Mann. Niemals hätte er gedacht, so schnell an eine Arbeit zu kommen. Natürlich hatte er noch keine Festanstellung, aber es war genug, sodass er sich nicht vor Nori schämen musste. Jetzt brauchte er nur noch etwas ordentliches zum Anziehen und dann konnte er endlich erhobenen Hauptes zu ihm zurückkehren. Als richtiger Mensch, mit einer Arbeit, einem vollen Namen und ohne Fluch, der ihn an seinem Glück hinderte.

 

***

 

Wenn Jinn das eine Buch zur Seite schob, konnte er ihn sehen. Bei seinem genialen Plan, sich erst ein Leben als Mensch aufzubauen, hatte er eine winzige Kleinigkeit übersehen: Nori war Student an dieser Universität. Natürlich bedeutete das, er würde ab und an die Bibliothek aufsuchen müssen. Leider geschah das bereits an Jinns ersten Tag.

So sehr er es auch versuchte, er konnte die Augen nicht von Nori abwenden. Immer wieder suchte er nach Ausreden, um in seiner Nähe zu bleiben. Mal sortierte er ein Buch ein, mal fand er ein falsch einsortiertes, das er natürlich sofort an die richtige Stelle bringen musste und jedes dieser Bücher befand sich in einem Regal, von dem er Nori sehen konnte.

Bisher wurde er noch nicht entdeckt, aber es war nur eine Frage der Zeit. Hanna schien ihn auf jeden Fall bemerkt zu haben. Glücklicherweise hatte sie ihn durch die Magie längst vergessen, aber wenn er sich weiterhin so auffällig benahm, würde sie Nori früher oder später auf ihn aufmerksam machen.

Jinn zwang sich, den Bücherwagen an eine andere Stelle der Bibliothek zu schieben. Dabei zwickte die geliehene Hose, die er trug, ihm mächtig im Schritt. Er hatte die Nacht in der Universität verbracht, und als er von dem Wachpersonal entdeckt wurde, hatte ihm Wachmann Zwei, der eigentlich Heinrich hieß, einen alten Anzug von ihm geliehen. Leider war Heinrich recht dünn und längst nicht so muskulös wie Jinn.

Als Kathrin ihn anschließend am Morgen gesehen hatte, war ihr Blick so oft an den sich spannenden Stellen auf Jinns Körper hängen geblieben, dass er zunächst befürchtete, sie würde ihn so nicht arbeiten lassen, aber dann hatte sie mit den Schultern gezuckt. Jinn hatte den Eindruck, ihr Chef musste ein ernstes Wort mit ihr geredet haben, denn sie war plötzlich ausgesprochen freundlich zu ihm.

Für heute hatte sie ihm nur aufgetragen, sich mit den Regalen und dem System der Bibliothek vertraut zu machen. So hatte er leider umso mehr Zeit, Nori zu beobachten. Irgendwann würde er es nicht mehr aushalten können und zu ihm gehen. Jinn hätte nur nicht gedacht, dass es so schnell passieren würde.

Erst hörte er Schritte, dann eine Stimme zwischen den Regalen hinter ihm. »Jinn, ich ... ich wünsche, dass du zu mir zurückkommst, bitte!«

Jinns Herz drohte, stehen zu bleiben. Nori war ihm so nah, klang so verzweifelt. Sein Körper reagierte, bevor er überhaupt merkte, was er tat. Jinn schob den Wagen in seine Richtung.

 

***

 

Der Schmerz war noch frisch. Nori konnte ihn in seinen Knochen fühlen. Für einen schrecklichen Moment glaubte er, sich diese warmen Arme nur einzubilden. Wie oft war er in den letzten Wochen aufgewacht und hatte geglaubt, Jinn neben sich zu spüren?

Doch die Arme verschwanden nicht. Genauso wenig wie dieser Geruch von Meerwasser, der ihn schon wochenlang verfolgte. »Du bist tatsächlich hier? Ich bilde mir das nicht ein?«

»Ich bin wirklich hier«, flüsterte Jinn.

Nori fuhr herum und warf die Arme um seinen Hals. »Ich habe gedacht, ich würde dich nie wieder sehen. Wie ist das möglich?«

Jinn hielt ihn so fest, als würde er befürchten, Nori wäre dieses Mal derjenige, der jeden Moment verschwinden könnte. »Ich habe keine Ahnung. Ich war an einem sehr hellen Ort und irgendwie war ich auch glücklich. Da gab es so viele wunderschöne Erinnerungen, aber etwas hat immer gefehlt. Ihr habt mir gefehlt. Auf einmal konnte ich an nichts anderes mehr denken als daran, Euch wieder zu sehen. Und dann war ich wieder da.«

»Du warst ... da?«

Jinn nickte. »Ja. Ich stand plötzlich auf dem Campus. Nur ein Portemonnaie lag auf dem Boden. Nachdem ich dann von der Polizei freigelassen wurde, habe ich-«

»Moment. Du bist verhaftet worden?«, fragte Nori mit erhobenen Augenbrauen. »Warum?«

Auf einmal wirkte Jinn verlegen. Diesen Teil der Geschichte hätte er anscheinend lieber verschwiegen. Er senkte die Stimme. »Es ist in Eurer Welt verboten, nackt herumzulaufen, Meister Nori.«

Nackt? Nori musste lachen. Die Vorstellung, dass Jinn tatsächlich vollkommen nackt auf dem Campus gestanden hatte und von der Polizei aufgegriffen worden war, amüsierte ihn bereits genug, er lachte jedoch vor allem, weil er so unheimlich glücklich war.

Jinn war hier. Er war tatsächlich lebendig, genauso sonderbar und liebenswert wie zuvor. Um sich noch einmal zu vergewissern, dass er tatsächlich vor ihm stand, musste Nori ihn anfassen. Von oben bis unten tastete er ihn ab, ließ wissbegierige Hände über jeden Millimeter dieses viel zu engen Anzugs fahren. Als er in Jinns Gesicht sah, konnte er eine Spur von Rot erkennen. Verdammt ... die Dinge, die er in diesem Moment am liebsten mit ihm tun würde. Nichts davon war jugendfrei oder auch nur ansatzweise angemessen für eine Bibliothek.

Nori nahm einen tiefen Atemzug, mit dem er versuchte, wenigstens einen Teil dieser Gedanken zu verdrängen. »Und du bist jetzt ein Mensch? Vollkommen?«

»Ich habe sogar einen Nachnamen«, sagte Jinn stolz und holte ein Portemonnaie aus der Hosentasche, um Nori seinen Ausweis zu zeigen. »Jinn Chalid.«

»Ich kann es immer noch nicht glauben«, flüsterte Nori. »Aber warum bist du nicht sofort zu mir gekommen? Wie lange bist du überhaupt schon hier?«

»Erst seit zwei Tagen. Ich ... ich wollte sofort zu Euch, aber ich wusste nicht, wie ich mich bemerkbar machen sollte. Ich wollte mir etwas Besonderes ausdenken. Diese Gefühle sind so stark und sonderbar. Plötzlich bekam ich Zweifel. Ich wusste nicht, ob Ihr mich wirklich wieder haben wollt, und wollte erst etwas vorzeigen können.« Jinn ließ den Kopf hängen. »Ich bin jetzt ein Mensch. Ich kann keine Wünsche mehr erfüllen, aber ich will trotzdem nützlich sein.«

»Deine Kräfte waren mir doch nie wichtig. Wie kommst du nur auf solche Gedanken?«

»Das weiß ich, Meister Nori. Ich wollte nur absolut sicher sein können, dass Ihr mich nicht nur aus Mitleid oder Pflichtgefühl bei Euch haben wollt. Ich wollte mir zuerst ein Leben als Mensch aufbauen, bevor ich Euch wiedersehe. Ich habe sogar schon einen Job«, sagte Jinn stolz.

---ENDE DER LESEPROBE---