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Als der ehemalige Boxer Luka West von seinem Rivalen aus Kindheitstagen kontaktiert wird, hält er die ganze Sache zunächst für einen Scherz. Er soll nämlich dessen Ex-Freund Jay beschützen. Dieser wird jedoch nicht nur von einem Drogenboss bedroht, der New York fest im Griff hat, sondern ist auch noch eine Gefahr für sich selbst. Rasch stellt Luka fest, dass Jay alles andere als begeistert von der Idee ist, kontrolliert zu werden. Dieser setzt alles daran, Luka wieder aus seinem Leben zu verbannen, indem er die einzige Regel brechen will, die Lukas Rivale aufgestellt hat: kein Sex mit dem Ex.
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Veröffentlichungsjahr: 2022
Inhalt:
Als der ehemalige Boxer Luka West von seinem Rivalen aus Kindheitstagen kontaktiert wird, hält er die ganze Sache zunächst für einen Scherz. Er soll nämlich dessen Ex-Freund Jay beschützen. Dieser wird jedoch nicht nur von einem Drogenboss bedroht, der New York fest im Griff hat, sondern ist auch noch eine Gefahr für sich selbst.
Rasch stellt Luka fest, dass Jay alles andere als begeistert von der Idee ist, kontrolliert zu werden. Dieser setzt alles daran, Luka wieder aus seinem Leben zu verbannen, indem er die einzige Regel brechen will, die Lukas Rivale aufgestellt hat: kein Sex mit dem Ex.
Copyright © 2019 Francisca Dwaine
Alle Rechte vorbehalten.
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt und darf nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin ganz oder in Auszügen vervielfältigt oder kommerziell genutzt werden.
Alle handelnden Personen wurden frei erfunden.
Cover © Francisca Dwaine (c) stokkete www.fotosearch.de Stock Photography Vielen Dank an meine Lesegruppe, die mich mit ihren Eindrücken, ihren Gedanken und ihrer Kritik bei der Entstehung dieser Geschichte tatkräftig unterstützt hat.
Nervös betrat Luka das Hochhaus. Sein Blick flog durch die absurd große Eingangshalle und blieb an den Marmorsäulen hängen, die vermutlich mehr kosteten, als er je in seinem Leben verdient hatte. Rasch überquerte er den glänzenden Boden, ohne auf das Getuschel der Leute im Wartebereich zu achten. Vermutlich redeten sie nicht einmal über ihn, aber es kam ihm so vor.
Als er schließlich an den Empfangstisch herantrat, spiegelte der unsichere Blick der Rezeptionistin wunderbar seine eigene Gefühlswelt wider. »Mein Name ist Luka West. Ich habe einen Termin mit Peter Craig.«
Rasch tippte die junge Dame etwas auf ihrer Tastatur. Die langen Nägel klackerten auf jeder Taste und nicht zum ersten Mal fragte sich Luka, wie man mit diesen Dingern im Alltag zurechtkam. »Luka West«, wiederholte sie langsam und sah ihn zweifelnd an. Luka war die Aufmerksamkeit anderer Menschen gewohnt, doch meistens folgte den forschen Augen ein flirtendes Lächeln. Diese Dame betrachtete jedoch nicht seinen durchtrainierten Körper, sondern eher die verschlissene Jeans und das zerknitterte T-Shirt, das er trug. So überraschte es ihn auch nicht, als er nach seinem Ausweis gefragt wurde.
Geduldig griff Luka in die Hosentasche, zog seine Brieftasche heraus und erfüllte den Wunsch der Dame. Nachdem sie dreimal zwischen dem Bild und seinem unrasierten Antlitz hin- und hergesehen hatte, nickte sie schließlich. »Gehen Sie zum Aufzug. Mr. Craigs Büro befindet sich im obersten Stockwerk. Ich schalte den Zugang für Sie frei.«
Luka nickte, steckte Ausweis samt Brieftasche zurück und befolgte die Anweisungen. Sobald er im Aufzug stand, schlossen sich die Türen, ohne dass er die Chance hatte, einen der Knöpfe zu drücken.
Während er das riesige Gebäude hinauffuhr, konnte er nicht anders, als Peter für das zu beneiden, was er inzwischen erreicht hatte. Sie waren damals in nebeneinanderliegenden Häusern aufgewachsen, hatten die gleichen Voraussetzungen gehabt, aber im Gegensatz zu Luka hatte Peter es geschafft, jeden anderen in ihrem Viertel mit seinem Erfolg abzuhängen. Früher waren die beiden Rivalen gewesen. Sie hatten sich ständig miteinander gemessen, ihre Noten verglichen, sich für die gleichen Rollen im Schultheater beworben und sich letztendlich sogar in denselben Jungen verliebt. Keiner war wesentlich besser als der andere gewesen. Spätestens bei der nächsten Gelegenheit war es ihnen stets gelungen, den Punktestand auszugleichen.
Diese Zeiten waren nun jedoch vorbei. Das hatte Luka bereits begriffen, als Peter eines Tages in einem Rolls-Royce vor seinem Elternhaus gehalten und ihm mit einer Rolex am Handgelenk zugewunken hatte.
Nach einer gefühlten Ewigkeit hielt der Fahrstuhl endlich. Als sich die Türen öffneten, erwartete Luka, einen Korridor vorzufinden, doch stattdessen stand er auf einmal in einem riesigen Büro, das die gesamte Etage einnahm.
Die Wände bestanden aus Fenstern zu drei Seiten, in der Mitte standen ein Laufband, ein Billardtisch und eine Sitzecke mit zwei Ledercouchen und drei Sesseln. Am auffälligsten war jedoch der dunkle Schreibtisch am Ende des Raumes, der fast die gesamte Breite einnahm. Vier Besuchersessel standen davor und dahinter lehnte sich ein Mann in seinem Chefsessel zurück.
»Es gibt Dinge, die ändern sich nie.« Die tiefe Stimme durchquerte mühelos den Raum. Sie erinnerte Luka unweigerlich an die Tage, die sie damals gemeinsam in der Trainingshalle von Peters Vater verbracht hatten. »Du kommst zu jeder Verabredung zehn Minuten zu früh.«
»Und du bist wahrscheinlich immer noch jedes Mal zu spät«, entgegnete Luka, während er sich auf ihn zubewegte. »Aber es ist ja auch nicht so, als könntest du's dir nicht leisten.« Grinsend blieb er schließlich vor Peters Schreibtisch stehen. Er hatte ihn nie als einen Freund betrachtet. Dafür waren sie zu verschieden und zu sehr davon besessen, sich miteinander zu messen, doch Peter war stets ein fester Bestandteil seines Lebens gewesen. Er würde es nie zugeben, aber Luka hatte ihn vermisst.
Peter lachte und dabei löste sich eine kastanienbraune Strähne seiner perfekt sitzenden Frisur. Das war wenigstens etwas, das sich nicht geändert hatte. Peter achtete schon immer auf sein Aussehen. Bereits während ihrer Schulzeit hatte er lieber Hemden als T-Shirts getragen und seitdem er fortgezogen war, hatte Luka ihn nur noch in Anzügen gesehen.
»Erwischt. Daniel wachsen regelmäßig graue Haare, weil er ständig meine Termine verschieben muss. Nicht, dass es ihm Probleme bereiten würde – bisher hat er immer eine vernünftige Lösung gefunden –, aber ich überrasche ihn regelmäßig mit Geschenken, um ihn bei Laune zu halten.« Damit stand er auf und reichte Luka die Hand, die dieser schüttelte. »Es ist lange her. Ich wollte dich schon vor Ewigkeiten kontaktieren, aber du warst nach der Sache damals einfach verschwunden und deine Familie hat sich geweigert, deine Adresse herauszurücken.«
»Ja, ich … brauchte etwas Abstand von allem.« Das war ein Thema, über das er auf keinen Fall sprechen wollte und Peter schien seine knappe Antwort richtig zu verstehen, denn er wies ohne nachzufragen auf einen der Sessel.
»Setz dich doch. Ich werde etwas länger brauchen, um dir zu erklären, warum ich dich heute hierher gerufen habe.«
Nickend setzte Luka sich Peter gegenüber. »Du meintest am Telefon, es geht um deinen Exfreund? Du bräuchtest Hilfe mit ihm?« Wie Peter überhaupt seine Nummer bekommen hatte, wusste er immer noch nicht. Er hatte sie niemandem außer seiner Familie gegeben und diese hatte versichert, sie nicht weiterzugeben.
»Nicht ganz. Es gibt da ein paar Leute, die im Moment nicht besonders gut auf mich zu sprechen sind. Leider haben sie nicht nur mich bedroht, sondern auch Jay. Daher hätte ich gerne, dass du ihn beschützt.«
Erstaunt runzelte Luka die Stirn. Was er auch erwartet hatte, das war es nicht. »Ich? Wie zum Teufel kommst du auf die Idee? Und ist das nicht Sache der Polizei?«
»Eigentlich ja, aber davon darf nichts an die Öffentlichkeit gelangen. Du erinnerst dich an meinen Bruder Michael?«
Augenblicklich verdüsterte sich Lukas Miene. »Ich wünschte, ich täte es nicht. Ist er nicht nach Hollywood gegangen, um Model zu werden?«
Peter nickte. »Und letztes Jahr völlig zugedröhnt zurückgekehrt, um von meinem Geld zu leben. Zumindest hat er das fürs Erste getan. Dann ist er auf die geniale Idee gekommen, einen Dealer zu beklauen und mit dem Stoff zu verschwinden.«
»Ist nicht dein Ernst …« Luka wusste schon immer, dass Michael ein Arschloch war, aber für so dumm hatte er ihn nicht gehalten. New York befand sich derzeit fest im Griff rivalisierender Gangs, die alles andere als zimperlich waren, wenn es ums Geschäft ging. Die Nachrichten sprachen kaum noch von etwas anderem und die Polizei kam nicht mehr gegen die Kriminalität an. Luka selbst hatte miterlebt, wie jemand auf offener Straße erschossen worden war, weil er einen Fuß in das falsche Gebiet gesetzt hatte. Wer eine der Gangs bestahl, überlebte den nächsten Tag üblicherweise nicht.
»Leider doch. Nach meinem jetzigen Wissensstand befindet er sich irgendwo im Süden. Natürlich will der Dealer den Stoff zurück und unglücklicherweise hat er erfahren, dass ich eine nicht unerhebliche Menge Geld besitze.«
»Du sollst Michaels Schulden bezahlen?«
»Nicht nur das. Er will das Zehnfache und droht damit, Jay etwas anzutun, wenn ich nicht zahle. Zur Polizei kann ich nicht gehen, da ich dann auch Michael belasten würde. Außerdem wäre es schlechte Publicity für die Firma. Wenn mein Partner davon Wind bekäme, würde er alles tun, um mich aus dem Vorstand zu drängen.«
Nachdenklich legte Luka den Kopf schief. »Aber warum gibst du ihm nicht, was er will? Du scheinst genug Geld zu haben.«
»Sicher und ich würde das auch machen, aber denkst du wirklich, es würde bei dem einen Mal bleiben? Nein, solche Leute geben nicht einfach auf, wenn sie eine Möglichkeit gefunden haben, schnelles Geld zu verdienen.« Peters Kiefer spannte sich merklich an. »Außerdem hasse ich es, in die Ecke gedrängt zu werden. Daher versuche ich, die Sache anders zu regeln. Ich besitze da gewisse Kontakte, die mir helfen können. Leider wird der Boss des Dealers, Miguel, langsam ungeduldig und ich brauche jemanden, der Jay beschützt.«
Luka verstand es immer noch nicht. Nichts davon erklärte, warum gerade er hier war. »Aber wie kommst du auf mich? Ich bin nicht dafür ausgebildet, jemanden zu beschützen.« Er schüttelte den Kopf. »Peter, ich sage es dir nicht gerne, aber das ist die bekloppteste Idee, die du jemals gehabt hast.«
Während Peter ihn nur mit einem milden Lächeln bedachte, waren auch Lukas Mundwinkel leicht nach oben geneigt. Allerdings nur, weil er die ganze Sache immer noch für einen Scherz hielt. Da gab es nur ein Problem … Peter machte selten Scherze und wenn er es tat, waren sie nie so gut.
Peter lehnte sich vor, faltete die Hände auf seinem Schreibtisch und hob die Augenbrauen an. »Ich bin da anderer Meinung. Du hast in der Vergangenheit oft genug bewiesen, wie gut du darin bist, Schwächere zu beschützen. Unser Viertel redet immer noch über deine Heldentaten. Außerdem würden wir gleich zwei Probleme lösen: Ich müsste mich nicht mehr um Jay sorgen und du könntest endlich mal wieder etwas Geld verdienen. Du weißt, wie großzügig ich bin.«
Unweigerlich knirschte Luka mit den Zähnen. »Wie kommst du darauf, dass ich Geld brauche?«, fragte er trotzig, verschränkte die Arme und tat sein Bestes, den ungewohnten Komfort von Peters Ledersessel nicht allzu sehr zu genießen.
Peter warf seiner Gestalt nur einen kurzen Blick zu. Mit Worten brauchte er nicht zu antworten, denn Luka war sich bewusst, dass man ihm den Geldmangel ansah. Derzeit schaffte er es kaum, genug Münzen für den Waschsalon aufzutreiben, geschweige denn, sich eine neue Jeans zu kaufen. Seine Hosen wiesen inzwischen mehr Löcher auf, als in der Öffentlichkeit erlaubt sein sollte.
»Wann fängst du an?«, fragte Peter ihn schließlich mit einem triumphierenden Lächeln.
Luka sah ihn finster an, stieß aber letztendlich ein Seufzen aus und ergab sich seinem Schicksal. »Ich bin immer noch der Meinung, dass es eine dumme Idee ist, aber meinetwegen. So, wie ich dich kenne, lässt du ohnehin nicht locker, bis ich Ja sage.«
Sichtlich zufrieden mit sich nickte Peter. »Großartig. Es ist unwahrscheinlich, dass du Jay zu Hause antriffst, daher gehst du am besten zum Cage in der Third Avenue. Dort ist er so gut wie jeden Abend.«
»Wie, sofort? Und the Cage? Ehrlich?« Allein diese Information sorgte dafür, dass Luka den Auftrag am liebsten gleich wieder abgesagt hätte. Der Club besaß einen miserablen Ruf. Von dem Drogenmissbrauch einmal abgesehen, war er nicht nur unerträglich dreckig, sondern auch noch der Lieblingstreffpunkt vieler übler Gestalten. »Peter, was genau ist dieser Jay eigentlich für ein Kerl? Du meintest am Telefon, er wäre dein Ex. Daher dachte ich, er könnte nicht so schlimm sein, aber …«
Sichtlich nachdenklich faltete Peter die Hände. »Er ist … vor allem unglücklich. Weißt du, du und ich, wir hatten eigentlich wahnsinnig viel Glück. Unsere Familien haben akzeptiert, dass wir niemals wie der durchschnittliche amerikanische Mann mit Frau, Kind und Haus enden werden. Jays Eltern waren weniger verständnisvoll.« Peter ballte auf einmal die Fäuste. Sein Kinn war angespannt, eine Vene an seinem Hals trat hervor. »Ich kann dir nicht alles erzählen, was sie getan haben – das wäre zu persönlich und dazu hätte ich kein Recht –, aber es war schlimm. Er ist ein wirklich lieber Kerl, der viel durchgemacht hat. Ich dachte, ich könnte ihm helfen, wieder auf die Beine zu kommen, indem ich mich um ihn kümmere, aber letztendlich … ich glaube, unsere Beziehung hat es nur noch schlimmer gemacht.«
Beinahe hätte Luka mit den Augen gerollt. Peter war ein großartiger Mann, doch einen entscheidenden Fehler hatte er: Er ließ sich ständig ausnutzen. Nicht nur von seinem Bruder, sondern vor allem auch von seinen Partnern. »Lass mich raten, du hast ihn aufgenommen, ihn verhätschelt und ihm ordentlich Geld in den Arsch geblasen.«
Peter lachte auf einmal laut auf. »Bin ich so leicht zu durchschauen?«
»Es gibt zumindest ein Muster. Mit deinen letzten zwei Kerlen war es genauso. Hast du überhaupt überprüft, ob seine tragische Geschichte stimmt?«
»Ich war in der Vergangenheit vielleicht etwas naiv, Luka, aber ich bin nicht blöd. Nach der Sache mit Dean lasse ich jeden überprüfen, der versucht, ein Teil meines Lebens zu werden. Außerdem kenne ich Jays Familie schon länger.«
Fast bereute Luka, das Thema überhaupt erst angesprochen zu haben. Dean hatte sich damals in Peters Herz geschlichen, ihn dann jedoch bestohlen und sich ins Ausland abgesetzt. Zu der Zeit hatte Luka zwar keinen engen Kontakt zu Peter gehabt, doch von Bekannten hatte er erfahren, wie sehr ihm der Betrug zugesetzt hatte. Das könnte auch einer der Gründe für die Beziehung zwischen ihm und diesem Jay sein. Anstatt sich um seine eigenen Probleme zu kümmern, löste Peter schon immer gerne die von anderen. »Und warum habt ihr euch getrennt?«
Eine Spur von Widerwillen zog auf einmal über Peters Gesicht. »Es gab zwischen uns bestimmte Spannungen. Darauf möchte ich aber nicht näher eingehen. Das Ende unserer Beziehung hat nichts mit deinem Auftrag zu tun.«
Luka nickte daraufhin nur kurz. Er konnte sich ohnehin vorstellen, was passiert war. Jemand, der regelmäßig in den Cage ging, der konnte nicht besonders treu sein. Zumindest kannte Luka niemanden, der nur zum Tanzen dorthin ging. »Also … was genau soll ich tun?«
»Jay wohnt momentan noch in einem meiner Apartments. Ich will, dass du zu ihm ziehst und auf ihn aufpasst. Das schließt allerdings nicht nur den Schutz vor Miguels Männern mit ein. Dafür habe ich Wachleute postiert. Jay ist in gewisser Weise auch eine Gefahr für sich selbst. Du wirst verstehen, was ich meine, sobald du ihn siehst.«
»Ich soll also Babysitter und Lifecoach für eine verwöhnte Göre spielen, hm?« Die Lust, Peter zu helfen, schwand mit jeder Sekunde mehr.
»Jay ist wirklich nicht so, wie du denkst. Er hat ein gutes Herz, nur … er ist am Ende, Luka, und ich habe Angst um ihn. Samthandschuhe haben nicht geholfen, daher glaube ich, er braucht jemanden wie dich. Jemanden, der weiß, wie man sich um seinen Körper kümmert und was es bedeutet, hart für ein Ziel zu arbeiten. Wenn einer es schafft, sein Leben in die richtige Richtung zu lenken, dann bist du das.«
»Und was genau erhoffst du dir davon? Soll ich ihn reparieren, damit du ihn anschließend wieder zurücknehmen kannst? Denkst du, beim nächsten Versuch würde es mit euch funktionieren?«
»Insgeheim ist das tatsächlich mein Wunsch. Am wichtigsten ist mir jedoch, dass er den Mut findet, sein Leben zu verändern, und beschützt wird, bis ich mich um diese unangenehme Angelegenheit gekümmert habe.«
»Nur du würdest die Erpressung eines durchgeknallten Drogenbosses als unangenehm bezeichnen.« Luka schnaubte. »Warum eigentlich ich? Du könntest so ziemlich jeden anheuern.«
Peter hob die Augenbrauen an. »Denkst du wirklich, du bist meine erste Wahl? Ich habe es bereits mit zwei ausgebildeten Bodyguards versucht, aber … Jay begeistert die Idee von Personenschützern nicht gerade und er mag es noch weniger, wenn seine Freiheit bedroht wird. Er hat deine Vorgänger auf seine ganz eigene Art vergrault.«
»Ach? Waren sie hetero und er hat sich an sie rangemacht?«, fragte Luka grinsend.
»Ja, allerdings sind sie daraufhin nicht schreiend davon gerannt, wie du vielleicht annimmst. Jay hat seine … Methoden, andere dazu zu bringen, das zu machen, was er will.«
»Sie haben mit ihm geschlafen?«, fragte Luka erstaunt.
Peter nickte. »Und nicht nur das. Er hat sie in den videoüberwachten Bereich am Fahrstuhl gelockt, um das Material anschließend an die Ehefrauen zu schicken.«
Luka lachte laut auf. »Ehrlich? Das ist mir schon fast sympathisch.« Ein bisschen taten sie ihm auch leid, aber andererseits … wer seinen Partner betrog, der hatte es nicht anders verdient.
Auch Peter schmunzelte. »Verstehst du jetzt, warum ich dich für den Job will? Zum einen weiß ich aus Erfahrung, was für einen Dickschädel du hast und wie hart du arbeitest. Zum anderen vertraue ich dir. Ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann.«
Luka nickte. »Und ich habe niemanden, den ein Sex-Tape abschrecken würde. Tasha würde sich nur köstlich darüber amüsieren und meine Mutter hätte glatt noch ein paar Tipps für mich parat.«
Peter lächelte. »Wie geht es den beiden eigentlich? Hat Tasha inzwischen ihre Ausbildung abgeschlossen?«
»Fast, ja. Allerdings haben sich einige Eltern beschwert, weil ihre Kinder nach dem Kindergarten so müde sind, dass sie bis abends schlafen und dafür die ganze Nacht wach sind. Tasha powert sie zu stark aus.«
»Ja, das klingt ganz nach deiner Schwester. Ich sollte ihnen mal wieder einen Besuch abstatten. Oh, übrigens wäre es besser, wenn du Jay gegenüber nicht erwähnst, dass Tasha eine Ausbildung zur Kindergärtnerin macht.«
»Warum nicht? Würde er ein Video an die Eltern der Kinder schicken?«, fragte Luka scherzhaft, aber zu seiner Überraschung nickte Peter.
»Es gibt nicht viel, was er nicht tun würde, um seine Freiheit zurückzubekommen. Du darfst ihn nicht unterschätzen.«
Luka schüttelte den Kopf. »So langsam glaube ich, du solltest dir lieber jemand anderen für den Job suchen. Das alles klingt nach einer Menge Ärger.«
»Seit wann scheust du dich denn vor Herausforderungen? Ich werde dich wirklich gut dafür bezahlen.«
Abschätzend betrachtete Luka ihn. Ein Teil von ihm hielt es immer noch für eine schlechte Idee, doch Peter hatte längst seine Neugier geweckt. »Über wie viel Geld reden wir hier eigentlich genau?«
Peter schmunzelte. Er musste wissen, dass Luka längst am Haken baumelte. »Genug, dass es für ein beachtliches Apartment mitten in New York reichen wird.«
Augenblicklich weiteten sich Lukas Augen. Er schnappte nach Luft. »So viel ist dir die Sache wert?«
»Noch um einiges mehr sogar. Ach, übrigens hat das Gebäude, in dem du mit Jay wohnen wirst, im Keller einen gut ausgestatteten Fitnessraum, der von jedem Bewohner genutzt werden darf. Du bist in der letzten Zeit sicherlich nicht zum Training gekommen«, sagte Peter mit Blick auf Lukas pralle Oberarme. »Früher war da wesentlich mehr.«
Luka knirschte mit den Zähnen. Zunächst wollte er eine bissige Antwort ausstoßen, doch dann dachte er an die Vorteile dieses Auftrags. Die Miete für das Loch, in dem er im Moment hauste, konnte er sich kaum noch leisten. Allein deswegen wäre es schon verlockend, in eines von Peters Luxusapartments zu ziehen. Und wenn er tatsächlich genug Geld verdiente, um sich anschließend etwas eigenes anschaffen zu können, brächte ihn das ein großes Stück weiter. Womöglich könnte er das Apartment vermieten, irgendwo in eine ländlichere Gegend ziehen und von der Miete leben.
»Also gut. Du hast mich überredet. Hast du ein Foto von diesem Jay?«
Lächelnd griff Peter in seine Schublade und holte ein Bild heraus, das ihn dabei zeigte, wie er einen jungen Mann von hinten umarmte und glücklich in die Kamera sah. »Das war vor zwei Monaten. Er hat nun vermutlich etwas längere Haare, aber sonst dürfte er sich wenig verändert haben.«
Nickend nahm Luka das Bild entgegen. Jay lächelte darauf zwar auch, doch er wirkte längst nicht so glücklich wie Peter. Sein Blick besaß eine Härte, die Luka selten bei Männern seines Alters gesehen hatte. Ansonsten bewies Peter allerdings mal wieder guten Geschmack. Jay hatte eine Stupsnase, die ihm ein unschuldiges Aussehen verlieh, was sich jedoch nicht in seinen dunkelblauen Augen widerspiegelte. In diesen meinte Luka, eine Spur des Schabernacks zu erkennen, von dem Peter berichtet hatte.
Während er noch das Bild betrachtete, sprach Peter erneut. »Ich muss es wahrscheinlich nicht extra erwähnen, aber eine der Bedingungen ist natürlich, dass du nicht mit ihm schläfst. Er wird sich mit Sicherheit an dich ranmachen und auch nach einer Zurückweisung nicht so schnell aufgeben.«
»Das wird kein Problem sein«, sagte Luka und meinte jedes Wort davon. Es hatte so einige aufdringliche Männer in seinem Leben gegeben, denen er mühelos entkommen war. Warum sollte dieser Jay anders sein?
Luka erkannte ihn nicht sofort. Der betrunkene Mann, der da aus dem Club gestolpert kam und nun lachend mit seinem Partner hinter dem Gebäude verschwand, hatte nur noch wenig mit dem Foto gemein. Er wirkte ungepflegt, besaß dicke Ringe unter den Augen, hatte sich augenscheinlich tagelang nicht mehr rasiert und seine Kleidung war von Kopf bis Fuß zerknittert.
Das störte seine Begleitung offenbar nur wenig, denn als Luka ihnen folgte, fand er sie hinter dem Gebäude wieder, wo der fremde Mann Jay gegen die Wand drückte. Seine Hände glitten gierig über den Körper des jungen Mannes, der wiederum den Kopf zurückwarf und tief stöhnte.
Mit den Händen in den Hosentaschen ging Luka auf das Paar zu. »Jay Massaud? Ich bin Luka West.«
Falls der Name ihm irgendetwas sagte, so gab Jay keinen Hinweis darauf. Er sah Luka nur an. Dunkelblaue Augen blitzten wie Saphire hinter dem dunkelbraunen Haar hervor und für einen Augenblick meinte Luka, eine Spur des Mannes in ihnen zu erkennen, den das Foto gezeigt hatte.
»Hey, das ist hier keine Peepshow«, rief Jays Partner auf einmal. Sobald seine Augen unverhohlen über Lukas muskulöse Form wanderten, wandelte sich sein genervter Ausdruck jedoch in ein schmutziges Grinsen um. »Du kannst allerdings gerne mitmachen. So geil wie sich dieses Stück hier gibt, ist genug für alle da.« Der Mann leckte über Jays Hals und Jay stöhnte erneut.
Shit. Offenbar bekam Jay kaum noch etwas mit. Seine Beine zitterten. Wenn der Kerl ihn nicht so fest gegen die Wand drücken würde, wäre er längst umgefallen.
Als der Fremde nach Jays Hose griff, wurde es Luka zu viel. Er umfasste sein Handgelenk und zog ihn von Jay fort. »Was zum Teufel soll das?«, spuckte der Kerl Luka zu, der wiederum einen Hauch seines faulen Atems abbekam.
»Siehst du nicht, dass er kaum noch bei Bewusstsein ist?«
»Na und? Ich zwinge ihn zu nichts. Wir haben nur ein bisschen Spaß.«
Luka atmete tief ein und aus. Wenn es eines gab, das er nicht ausstehen konnte, dann waren das Leute, die sich an Schwächeren vergriffen. Es kostete ihn seine gesamte Selbstbeherrschung, diesem Typen nicht seiner Faust vorzustellen. Die Sekunden, die er gezögert hatte, interpretierte der Kerl offenbar falsch. Grinsend wandte er sich wieder Jay zu, doch Luka hatte genug. Er schubste den Mann gegen die Wand, hielt ihn dort mit dem Oberarm an seinem Hals fest.
»Fuck! Du bist ja völlig durchgeknallt.«
»Ich sage das nur ein einziges Mal«, zischte Luka ihm mit ruhiger Stimme zu. Unter seiner gelassenen Oberfläche brodelte ein Vulkan, der jeden Moment auszubrechen drohte. Auch sein Gegenüber wurde plötzlich totenstill. Offenbar sah er die Gefahr in Lukas Augen. »Verschwinde hier. Wenn du ihn auch nur ein weiteres Mal ansiehst, bezahlst du dafür, verstanden?«
Der Kerl nickte. Sobald Luka ihn losgelassen hatte, stolperte er zur Seite. Ohne auch nur einmal zurückzusehen, rannte er die Straße hinunter.
»Mein Held.« Jay kicherte wie ein kleines Mädchen. »Ich hoffe, du willst seinen Platz einnehmen. Das war nämlich ein sicherer Fick.«
»Was du nicht sagst.« Kopfschüttelnd versuchte Luka erst gar nicht daran zu denken, vor wie vielen Krankheiten er Jay soeben gerettet hatte. Vermutlich erinnerte sich dieser kaum noch an seinen Namen und hätte auch bestimmt nicht an ein Kondom gedacht. »Kannst du aufstehen? Ich fahre dich nach Hause.«
»Um was zu tun?«, fragte Jay mit erhobenen Augenbrauen und einem schmutzigen Grinsen, das sich jedoch in eine Grimasse wandelte, denn Sekunden später beugte er sich zur Seite und kotzte seinen gesamten Mageninhalt aus.
Luka verzog das Gesicht. Großartig. Sein Wagen roch im Normalzustand schon nicht gerade nach Rosen. Wenn er Jay mitnahm, würde er sicher wochenlang nach Erbrochenem stinken.
Nachdem Jay fertig war, reichte Luka ihm ein Taschentuch, mit dem Jay jedoch nicht seinen Mund säuberte, sondern sich die Nase putzte. »Das war eigentlich … nicht so wichtig.« Luka griff ihm unter die Arme und zog ihn mühelos auf die Beine. Zwar hatte er bereits gesehen, dass sich ein schlanker Körper unter den weiten Klamotten verbarg, doch es war besorgniserregend, wie leicht Jay war. »Umso schneller ich dich ins Bett kriege, desto besser.«
»Oh … klingt gut.« Jay versuchte offenbar ein Lächeln, aber die Übelkeit schien erneut in ihm hochzukriechen, denn er würgte ein paar Mal. Dass er immer noch glaubte, heute Nacht würde etwas laufen, war nur ein weiteres Zeichen dafür, wie betrunken er tatsächlich war.
Betrunken und high, denn das Pulver, das Luka an seiner Nase entdeckte, während Jay sie ein weiteres Mal putzte, war bestimmt kein Mehl. Verdammt noch mal … was hatte Peter ihm da nur eingebrockt? Der Mann achtete ungefähr so sehr auf sich wie eine Kanalratte. Wie konnte man sich freiwillig so kaputtmachen?
Als sie endlich Lukas Ford erreichten, setzte Luka Jay auf den Beifahrersitz und schnallte ihn an. Fast erwartete Luka einen Kommentar dazu, dass er Jays Schwanz beim Anschnallen so nah kam, doch Jays Kopf rollte zur Seite. Luka hätte seine Vitalzeichen gecheckt, wenn er nicht kurz darauf ein ohrenbetäubendes Schnarchen ausgestoßen hätte.
Kopfschüttelnd ging Luka zur Fahrerseite, setzte sich und fuhr los. Das Apartment, in dem Jay zur Zeit wohnte, lag in der 1st Avenue in East Village. Nicht die schlechteste Gegend, um in New York zu wohnen und sicherlich keine, die sich jemand wie Jay normalerweise leisten könnte. Luka natürlich ebenso wenig. Sein eigentliches Zuhause war ein heruntergekommenes Ein-Zimmer-Apartment in Brooklyn.
Sobald sie Jays Apartmentgebäude erreicht hatten, schnallte Luka ihn ab, hob ihn hoch und trug ihn zum Eingang, wo ein grauhaariger Portier die Tür für sie öffnete.
»Mr. Craig hat mich informiert. Ich bin Harry. Kann ich Ihnen behilflich sein?«
Da der Kopf des schlafenden Jays gerade auf seine Schulter gerollt war und seine Haare nun Lukas Kinn kitzelten, war Luka etwas abgelenkt, antwortete aber schließlich. »Könnten Sie meine Tasche in den Aufzug stellen und meinen Wagen in das Parkhaus fahren? Es … gibt hier doch eines, oder?«
Der Portier nickte. Daraufhin sah er Luka erwartungsvoll an, bis schließlich der Groschen bei ihm fiel. »Schlüssel! Richtig … in meiner rechten Hosentasche.«
Falls es Harry etwas ausmachte, in der Hose eines anderen Mannes herum zu fischen, so beschwerte sich dieser nicht darüber. Er wirkte allerdings auch wie ein Mann, der sein Möglichstes tat, jeder Aufgabe gewissenhaft nachzugehen.
Nachdem er die Tasche aus dem Kofferraum geholt und sie auf den Boden des Aufzugs gestellt hatte, drehte er sich wieder Luka zu. »Soll ich Ihnen den Schlüssel anschließend nach oben bringen? Oder wäre es Ihnen lieber, wenn ich den Wagen morgen früh zunächst durch die Waschstraße fahre?«
»Das … das würden Sie tun?«, fragte Luka verblüfft.
»Ich bin dafür zuständig, den Aufenthalt der Bewohner dieses Hauses so angenehm wie möglich zu gestalten. Mir scheint, Ihr alter Ford könnte etwas Pflege vertragen.«
Stirnrunzelnd fragte sich Luka einen Moment lang, ob Harry ihm damit tatsächlich eine Freude machen wollte oder seine Sorge stattdessen doch nur dem Wagen galt. Normalerweise hätte er ein solches Angebot niemals angenommen – Luka war es gewohnt, Dinge selbst in die Hand zu nehmen –, aber da sein Aufenthalt hier in gewisser Weise ebenfalls Teil seiner Bezahlung war, konnte es nicht schaden. »Das wäre sehr nett. Vielen Dank.«
Nickend benutzte Harry noch seine Schlüsselkarte dafür, um den Zugang zu dem Tastenfeld im Aufzug freizuschalten. Dort drückte er die Nummer des entsprechenden Stockwerks. »Ich habe einen Universalschlüssel für Notfälle. Wenn Sie Ihre Karte in Zukunft benutzen, müssen Sie sie nur in den Schlitz stecken, um den Aufzug in Bewegung zu setzen.«
Womöglich lag es an der Erwähnung, etwas irgendwohin zu stecken, aber Jay rührte sich auf einmal in Lukas Armen und gab ein gackerndes Kichern von sich. Stirnrunzelnd sah Luka in das Gesicht des Mannes, der bereits wieder schnarchte. »Auf einer Skala von eins bis zehn, wie gearscht bin ich eigentlich?«
»Mit Verlaub, Sie befinden sich weit oberhalb der zehn und in Ihrer Situation würde ich doch eher von 'besonders hart gefickt' sprechen«, antwortete Harry mit regungsloser Miene.
Luka grinste. Ja, er mochte ihn schon jetzt. »Vielen Dank für die Einschätzung.«
Harry nickte ihm zu. »Immer gerne. Wenn Sie etwas benötigen, melden Sie sich ruhig. Ich wünsche noch einen angenehmen Abend.«
Als sich die Fahrstuhltüren vor Luka schlossen, sah dieser zu dem Tastenfeld, das vierzehn Stockwerke zeigte. Ohne eine entsprechende Schlüsselkarte waren nur der Keller, das Erdgeschoss und der erste Stock wählbar. Im Keller befanden sich der Fitnessraum, von dem Peter ihm erzählt hatte, und der Zugang zur Parkgarage. Der erste Stock war mit 'Personal' betitelt. Wahrscheinlich wohnten dort Harry, der Hausmeister und gegebenenfalls die Zimmermädchen oder Butler, denn so wie dieses Haus aussah, konnten sich die Bewohner zweifellos entsprechendes Personal leisten. Davon hatte Peter ihm nichts erzählt und wenn er sich den schlafenden Mann in seinen Armen so ansah, wäre ein Diener auch das Letzte, was er gebrauchen konnte. Luka wusste schon genau, wie er ihm helfen würde und das schloss mit Sicherheit keine Verhätschelung mit ein.
»Besonders hart gefickt, hm?« Luka schmunzelte. »Wir werden sehen.«
Der Fahrstuhl hielt schließlich im zehnten Stock, wo ihn der Anblick eines riesigen Wohnzimmers begrüßte. Mit den weißen Möbeln, dem schwarzglänzenden Boden und der Fensterwand, die einen großartigen Ausblick über die Stadt bot, wäre es zweifellos Gegenstand seiner feuchten Träume, wenn da nicht die dreckigen Klamotten und dieser Gestank wäre, der sofort nach dem Eintritt Lukas Nase angriff.
Es war eine Mischung aus Schweiß, verdorbenem Essen und etwas undefinierbarem. Naserümpfend durchquerte Luka schließlich den Raum, um zu der einzigen offenen Tür zu gelangen, durch der er ein ungemachtes Bett sah. Das musste dann wohl Jays Schlafzimmer sein.
Auch dort sah es nicht besser aus und der Schweißgeruch wurde sogar noch stärker, doch Luka lud Jay auf dem Bett ab. Nach wie vor rührte sich der junge Mann nicht.
Einen Moment lang wollte Luka ihn einfach so dort liegen lassen, aber dann zog er ihm wenigstens die Schuhe aus und drehte ihn noch auf die Seite, damit er nicht erstickte, falls er sich noch einmal übergeben sollte. In dieser Position ließ er ihn allein, um sein eigenes Zimmer und den Rest der Wohnung zu inspizieren.
Eigentlich hatte er vorgehabt, Jay am nächsten Morgen dazu zu bringen, sein Chaos selbst zu beseitigen, doch umso länger er sich in dem Apartment aufhielt, desto weniger konnte er es in dem Zustand lassen. Luka war beileibe kein ordentlicher Mensch. Auch in seiner Wohnung lagen einige Klamotten herum, aber diese Unordnung und vor allem der Gestank waren selbst für ihn zu viel.
Es überraschte ihn nicht, bei seiner Aufräumaktion mehrere kleine Päckchen mit Kokain und drei Flaschen Alkohol zu finden. Ohne auch nur eine Sekunde lang zu zögern, sammelte er alles zusammen und spülte das Pulver im Klo herunter. Zufrieden lächelnd stellte er sich schließlich Jays Reaktion vor.
Der nächste Morgen versprach interessant zu werden.
Stöhnend presste Jay seinen Kopf in das Kissen. Er brauchte einen Moment, um zu verstehen, warum er sich so unwohl fühlte. Blinzelnd sah er zum Fenster, wo die Sonne durch die offenen Jalousien schien. Scheiße … er musste gestern vergessen haben, sie zuzuziehen.
Angewidert verzog er das Gesicht. Ein fauler und leider allzu bekannter Geschmack lag in seinem Mund. Hatte er sich gestern übergeben? Hoffentlich nicht wieder im Kleiderschrank. Peter war beim letzten Mal schon angepisst genug gewesen und er wollte nicht riskieren, doch noch aus der Wohnung geworfen zu werden.
Mühsam setzte Jay sich auf und stöhnte erneut, als eine Schmerzwelle seinen Kopf durchzog. Warum war er überhaupt hier? Er erinnerte sich noch vage, von irgendeinem Kerl abgeschleppt worden zu sein. Er konnte ihn nicht mitgebracht haben, denn der Portier hatte dummerweise von Peter die Anweisung erhalten, keinen seiner Partner in das Apartment zu lassen. Außerdem trug Jay noch seine Klamotten.
Ungemütlich klebten sie an seinem verschwitzten Körper, während er aufstand und ins Badezimmer torkelte. Dort öffnete er den Wasserkasten der Toilette, wo er einen Teil seines Stoffes für Notfälle aufbewahrte, und starrte schließlich ungläubig hinein. Er war leer.
Stirnrunzelnd rieb sich Jay die Schläfe. Wie konnte das sein? Hatte er den Stoff letzte Nacht aufgebraucht? Nein, dafür wäre es zu viel gewesen. Dachte er vielleicht nur, er hätte dort noch einen Vorrat versteckt?
Jay schüttelte den Kopf. Scheiße, er war eindeutig zu nüchtern. Wie sollte er so vernünftig denken?
Mit schlurfenden Schritten ging er schließlich zurück in sein Schlafzimmer, öffnete den Kleiderschrank und suchte auf dem Boden die Flasche Tequila, die er vor zwei Tagen dort platziert hatte, doch auch diese war verschwunden.
Jay richtete sich auf. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. Etwas stimmte nicht.
Nicht nur, dass er keine Ahnung hatte, wie er nach Hause gekommen war, da kratzte auch etwas an seiner Erinnerung. Neben dem Mann, der ihn aus dem Club geschleppt hatte, war da noch eine andere Person gewesen … So ein Bodybuilder-Typ mit dicken Armen, der wesentlich besser ausgesehen hatte. Ursprünglich war Jay davon überzeugt gewesen, er wäre seiner Fantasie entsprungen, doch nun …
Als der Geruch von Pfannkuchen auf einmal seine Nase kitzelte, würgte Jay kurz, hielt sich an der Wand fest und starrte erschrocken in Richtung Tür. Das konnte nicht sein! Nach dem letzten Mal hatte Peter so resigniert gewirkt. Er hätte ihm doch nicht schon wieder einen dieser Kerle geschickt, um auf ihn aufzupassen, wie auf einen unfähigen, kleinen Jungen, der sich nicht einmal alleine etwas zu essen machen konnte?
Gut, das konnte Jay tatsächlich nicht, aber es ging Peter verdammt noch mal nichts an, ob er von Tütensuppen, Koks und Alkohol lebte. Das Recht hatte er verspielt, als er ihn verlassen hatte.
Wütend stürmte Jay schließlich zur Tür, riss sie auf, und würgte wieder, als der nun stärkere Geruch erneut seinen Magen aufwühlte. Es war verdammt noch mal zu früh für diesen Mist!
Als er sich schließlich sicher war, dass nichts von dem, was auch immer er noch in seinem Magen hatte, hinauswollte, schleppte er sich zur offenen Küche.
Einen Moment lang blieb er stehen und starrte die Gestalt nur mit geöffnetem Mund an. Ein muskulöser, breiter Rücken, ein knackiger, fester Hintern und pralle Arme, dessen Muskeln sich anspannten, als der Fremde gekonnt einen Pfannkuchen in der Pfanne herumdrehte.
Auf einmal meldete sich Jays Schwanz, der zweifellos gestern Nacht zu wenig Aufmerksamkeit erhalten hatte. Alles dank dieses Kerls, wie er sich nun endlich erinnerte.
Jay verzog das Gesicht, als die Worte 'mein Held' durch seinen Kopf schossen. Scheiße, da hatte er sich schön zum Affen gemacht.
»Du kannst weiter meinen Arsch anstarren«, sagte die tiefe Stimme des Fremden auf einmal. »Oder du setzt dich endlich und trinkst die Katermedizin, die ich für dich zubereitet habe.«
»Was zum … hast du hinten Augen?«, fragte Jay überrascht.
»Das nicht. Aber ich sehe dein Spiegelbild im Glas des Schranks.« Mit einer Kopfbewegung wies der Mann zu den Hängeschränken neben der Abzugshaube.
Super. Noch eine peinliche Situation. Wie hätte es auch anders sein können? Dennoch verschränkte Jay die Arme und betrachtete noch einmal intensiv den Hintern. Zuckten die Muskeln etwa unter seinem Blick?
Daraufhin stellte der Fremde den Herd ab und drehte sich endlich um. Eine Hitze schoss sogleich durch Jays Körper, die sich unten sammelte. Oh, fuck. Nun erinnerte er sich auch noch daran, wie er von diesen starken Armen getragen worden war. Dummerweise war auch das Gesicht des Kerls genau nach seinem Geschmack. Kantig mit ausgeprägten Wangenknochen und einem charmanten Lächeln. Nun, immerhin würde es bei diesem hier Spaß machen, ihn aus dem Apartment zu vergraulen.
»Da du das gleiche bereits zweimal mitgemacht hast, muss ich dir wahrscheinlich nicht erklären, warum ich hier bin, aber eines sage ich dir doch: Es wird nicht so laufen wie beim letzten Mal. Ich bin schwul, aber ich bin nicht hier, um mit dir zu schlafen, sondern um dich in Ordnung zu bringen.«
Bei diesen Worten schoss eine unglaubliche Wut durch Jays Körper. »Ich brauche deine beschissene Hilfe nicht!«
»Ach ja? Dann hast du heute Morgen nicht als erstes nach Alkohol und anderen Drogen gesucht? Deine Verstecke waren übrigens nicht besonders einfallsreich.«
Richtig … der Anblick des heißen Kerls in seiner Küche hatte Jay doch tatsächlich vom wesentlichen abgelenkt. »Wo ist mein Zeug? Was hast du damit gemacht?«
»Was schon? Den Alkohol habe ich Harry geschenkt. Das Kokain schwimmt nun irgendwo in der Kanalisation herum.«
Jay riss die Augen auf. »Du hast es im Klo heruntergespült? Weißt du eigentlich, wie viel der beschissene Stoff gekostet hat?«
»Und womit hast du ihn bezahlt? Nicht mit Peters Geld, denn von ihm weiß ich, dass er dir nur die Wohnung finanziert. Einen Job hast du ihm zufolge auch nicht. Also? Wie finanzierst du deine Sucht stattdessen? Mit Blowjobs? Oder gehst du sogar noch weiter?«
Jay ballte die Fäuste. Was bildete sich dieser Kerl eigentlich ein? »Das geht dich verdammt noch mal nichts an.«
»Natürlich tut es das. Peter bezahlt mich dafür, dass ich dem ein Ende setze. Ich werde dich in Zukunft nicht nur beschützen, sondern dir auch helfen, dein Leben zu verändern.«
»Das kannst du nicht. Ich spiele da nicht mit.«
Der Mann schmunzelte. »Wenn du das nicht tust, verlierst du das Apartment. Dir muss doch klar sein, dass selbst Peters Geduld irgendwann ein Ende hat.«
Jay betrachtete ihn mit großen Augen. Er begann zu stottern, suchte nach den richtigen Worten. »Das … würde er nicht tun. Ich wäre in Gefahr.«
»Vielleicht, ja, aber er wäre im Notfall dazu bereit, doch noch die Polizei einzuschalten. Die würde dann natürlich auch erfahren, was du in den letzten Monaten so getrieben hast. Er tut das nur ungern, aber wenn das die einzige Möglichkeit ist, dich vor dir selbst zu retten …«
Sprachlos starrte Jay ihn an. Es gab keinen Ausweg. Er musste dieser verdammten Scharade zustimmen, wenn er nicht stattdessen im Knast landen wollte. »Das … ist Erpressung.«
»Ganz genau«, erwiderte der Mann lächelnd. »Ich bin übrigens Luka. Luka West.« Er reichte Jay die Hand, die dieser jedoch nur anstarrte.
Der Name erinnerte Jay an etwas. »Luka? Der Luka, der früher neben Peter gewohnt hat?«
»Er hat von mir erzählt?«
Jay nickte zögernd. Es gefiel ihm nicht, was für eine normale Richtung ihr Gespräch auf einmal einschlug. Dieser Typ hatte Stoff im Wert von mehreren hundert Dollar im Klo heruntergespült, verdammt noch mal! Jay war wütend. Er wollte sich streiten, ihn anschreien, aber da waren auch immer noch diese dämlichen Kopfschmerzen und weit und breit kein Alkohol in Sicht.
Luka griff auf einmal neben sich und drückte ein Glas mit einer braunen Flüssigkeit in Jays Hand. Es stank wie die Pest. »Trink das. Es ist ein Rezept meiner Großmutter. Sie ist der größte Schluckspecht, den du dir vorstellen kannst, aber selbst bei ihr wirkt es Wunder.«
Misstrauisch betrachtete Jay das Getränk. Die Farbe gefiel ihm noch weniger als der Geruch. »Was ist da drin?«
»Das willst du nicht wissen. Es hilft. Das ist das Wichtigste. Halte dir aber besser die Nase zu. Dann ist es nicht so schlimm.«
Missmutig starrte Jay das Glas an.
»Du kannst natürlich auch mit den Kopfschmerzen und der Übelkeit leben, aber ich garantiere dir, wenn du das getrunken hast, wirst du innerhalb von zehn Minuten einen meiner Pfannkuchen verdrücken können und die sind fantastisch.«
Bei der Erwähnung der Pfannkuchen knurrte Jays Magen laut. Normalerweise wäre ihm auch das peinlich gewesen, aber inzwischen war ihm alles egal. Mit verzogenem Gesichtsausdruck hielt er sich die Nase zu und schluckte das Zeug herunter. Es schmeckte widerlich. Die Zutaten waren undefinierbar, doch etwas sehr Scharfes brannte auf seiner Zunge. Zu Jays Verwunderung kam es jedoch nicht wieder hoch.
Luka nickte zufrieden. »Lass es fünf Minuten lang wirken und danach trinkst du am besten noch einen Kaffee. Der hilft zusätzlich gegen die Kopfschmerzen. Außerdem musst du fit sein, wenn wir in einer Stunde zum Training nach unten gehen.« Bei der Erwähnung der Trainingshalle breitete sich auf einmal ein großes Lächeln auf dem Gesicht des Mannes aus.
Ganz im Gegensatz zu Jay. Dieser starrte ihn nur ungläubig an. Der Mann musste verrückt sein. Eindeutig. »Ich mache keinen Sport. Nie.«
»Von jetzt an wirst du das tun. Veränderung beginnt zwar vor allem im Kopf, aber die Endorphine, die eine ordentliche Runde auf dem Laufband bringen, schaden auch nicht. Außerdem wird dich das von den Entzugserscheinungen ablenken. Ich bin beileibe kein Experte, aber ich weiß immerhin, wie man seinem Körper etwas Gutes tut.«
Jay schüttelte den Kopf. Wirklich verrückt. »Was hat Peter dir dafür versprochen? Du machst das alles doch bestimmt nicht umsonst.«
Er sah Luka an, dass dieser genau über seine folgenden Worte nachdachte. »Eine ganze Menge Kohle«, meinte er schließlich zu Jays Überraschung. Mit einer so ehrlichen Antwort hatte er nicht gerechnet. »Und ich darf hier wohnen. Verglichen mit meiner alten Wohnung ist dieses Apartment geradezu paradiesisch.