Lassiter 2617 - Michael Schauer - E-Book

Lassiter 2617 E-Book

Michael Schauer

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Beschreibung

Mit einem wohligen Seufzer ließ sich George Miller bäuchlings auf das breite Bett fallen und vergrub das Gesicht in dem weichen Kissen. Er spürte das Laken auf seiner nackten Haut und schloss genießerisch die Augen. Gleich würde Jane ins Zimmer kommen, die seiner bescheidenen Meinung nach schärfste Hure im ganzen Staat - ach was, im ganzen verdammten Land.
Zuerst würde sie ihm eine ausgiebige Massage gönnen und mit ihren zarten und doch kräftigen Fingern seine vom Alter verspannten Muskeln lockern. Mit diesem Ritual leitete sie jedes ihrer Schäferstündchen ein. Wenn sie damit fertig war, würde sie ihn bitten, sich auf den Rücken zu drehen, und dann...


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Seitenzahl: 144

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Inhalt

Cover

Lassiter und die Derringer-Ladys

Vorschau

Impressum

Lassiter und die Derringer-Ladys

von Michael Schauer

Mit einem wohligen Seufzer ließ sich George Miller bäuchlings auf das breite Bett fallen und vergrub das Gesicht in dem weichen Kissen. Er spürte das Laken auf seiner nackten Haut und schloss genießerisch die Augen. Gleich würde Jane ins Zimmer kommen, die seiner bescheidenen Meinung nach schärfste Hure im ganzen Staat – ach was, im ganzen verdammten Land.

Zuerst würde sie ihm eine ausgiebige Massage gönnen und mit ihren zarten und doch kräftigen Fingern seine vom Alter verspannten Muskeln lockern. Mit diesem Ritual leitete sie jedes ihrer Schäferstündchen ein. Wenn sie damit fertig war, würde sie ihn bitten, sich auf den Rücken zu drehen, und dann...

Ein wohliges Grunzen entrang sich seiner Kehle, als er daran dachte, was Jane alles mit ihm anstellen würde. Er konnte es kaum erwarten, ihre samtene Haut zu berühren.

Miller richtete ein stummes Dankgebet gen Himmel, dass er trotz seiner siebenundsechzig Jahre rüstig genug war, um seinem Mann zu stehen. Er wusste, dass die gottesfürchtigen Bürger von Burry Hill seine regelmäßigen Besuche im hiesigen Bordell nicht guthießen, aber als ehemaliger Richter verfügte er immer noch über genügend Autorität, damit sie die Zähne zusammenbissen und den Mund hielten. Es war gerade zwei Monate her, dass er sich in den Ruhestand verabschiedet hatte, und ein strenger Blick aus seinen kleinen dunklen Augen brachte jeden Mann und jede Frau zum Schweigen.

Andererseits war ihm die Meinung der Leute sowieso egal. Seine Liza war vor fünf Jahren gestorben, und in seinem Alter hatte er wenige Chancen, eine neue Frau zu finden. Und auch wenig Lust, wenn er ehrlich war. Liza war ihm bereits in ihren letzten Jahren zu welk gewesen. Er bevorzugte Frauen, die gerade erst erblühten. Frauen wie Jane, die ihm für ein paar Dollar ab und an eine himmlische Stunde schenkten, seinen trotz seines Alters großen sexuellen Hunger stillten und ihm das Gefühl gaben, nach wie vor ein begehrenswerter Mann zu sein. Das reichte ihm.

Jane tat sogar mehr als das. Sie schien ihn tatsächlich zu mögen, so sehr, wie sie sich bei ihren Treffen ins Zeug legte. Vielleicht, so hatte er nach dem letzten Mal überlegt, war er eine Art Vaterersatz für die Waise. Sie hatte ihm erzählt, dass ihre Eltern bei einem Postkutschenüberfall ums Leben gekommen waren, als sie noch ein Kind gewesen war. Sie war bei ihren lieblosen Großeltern mütterlicherseits aufgewachsen. Nun, es sollte ihm recht sein. Hauptsache, er kam auf seine Kosten.

Das leise Knarren der Zimmertür drang an seine Ohren. Ein Lächeln umspielte seine Lippen und seine Vorfreude wuchs. »Das wurde auch Zeit, mein Schatz. Der kleine George ist schon ganz ungeduldig.«

Ein metallisches Klicken war die Antwort. Miller runzelte die Stirn.

»Dreh dich um!«, befahl ihm eine Frauenstimme.

Das war nicht Jane! Hastig wälzte er sich auf den Rücken, wobei er mit einer Hand instinktiv nach dem Laken griff und seine Blöße bedeckte. Das Loch der Mündung, die auf ihn gerichtet war, erschien ihm riesengroß. »Wer sind Sie? Wo ist Jane?« Er konnte nicht verhindern, dass seine Stimme brüchig klang.

»Ich brauche Informationen von dir.«

»Informationen? Wieso...?«

»Ich bin nicht zum Plaudern hier. Ich frage, du antwortest. Kapiert?« Die Hand mit der Waffe ruckte drohend vor.

Miller nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte. Ein dünner Schweißfilm bildete sich auf seiner Stirn. Angst ergriff ihn. Es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte sich eingenässt.

»Wo sind deine Freunde Charlie und Sam?«

»Charlie und Sam? Aber warum...?« Wieder ein Rucken mit der Waffenhand. »Charlie arbeitet als Bankdirektor in Genoa. Sam ist im Ruhestand und lebt in Bodie«, sprudelte es aus ihm hervor.

»Wie lauten ihre Nachnamen?«

»Charlie Simms und Sam Sanders.«

»Gut. Sehr gut. Weißt du, wer ich bin?«

Miller kniff die Augen zusammen. Ohne Brille sah er nicht mehr so gut wie früher. Die Frau, die vor ihm stand, war ihm unbekannt. Er schüttelte den Kopf.

»Sagt dir der Name Cheryl etwas?«

Hinter seiner Stirn begann es zu arbeiten. Den Namen kannte er, ja, aber er konnte sich nicht erinnern...

»Ich helfe dir auf die Sprünge. Es ist zwanzig Jahre her.«

Jetzt fiel es ihm wieder ein, und plötzlich sah er die Bilder einer längst vergangenen Nacht vor sich. Einer Nacht, die er im hintersten Winkel seines Gedächtnisses vergraben hatte. »Aber... wieso...? Sie ist doch tot...«, stotterte er. Miller reckte den Hals, musterte sein Gegenüber genauer. Die Gesichtszüge. Die Augen. War das möglich? »Nein«, flüsterte er. Es war kaum mehr als ein Hauch.

»O doch. Die Zeit ist reif, George Miller.«

Er warf sich in dem Moment zur Seite, als der Schuss krachte. Er spürte einen heftigen Schlag, als das Blei in sein linkes Schulterblatt eindrang. Mit dem Gesicht voraus landete er hart auf dem rauen Holzboden. Mit zusammengebissenen Zähnen stemmte er sich auf die Ellenbogen, wollte davonkriechen. Da traf ihn die zweite Kugel im Rücken. Er stieß einen erstickten Schmerzensschrei aus und sackte zusammen. Alles wurde schwarz.

Er wusste nicht, wie lange er das Bewusstsein verloren hatte. Als sein Blick wieder klar wurde, lag er auf der Seite, und Jane kniete neben ihm. Aus angstgeweiteten Augen starrte sie ihn an.

»George!«, schrie sie, als sie bemerkte, dass er erwacht war. »Was ist passiert? Ich habe Schüsse gehört. Du blutest! Ich hole Doktor Wambaugh.«

Mit aller Kraft, die Miller noch aufbringen konnte, packte er ihr Handgelenk und zog sie näher zu sich heran. Der schwere Geruch ihres Parfüms, das er an ihr liebte, stieg ihm in die Nase. Ihm wurde schwindelig. Übelkeit stieg in ihm auf, und er spürte, wie das Leben aus ihm herausrann.

»Es ist zu spät, Süße«, keuchte er. »Mit mir geht es zu Ende.«

»Aber George...« Janes große braune Augen füllten sich mit Flüssigkeit, was Balsam auf seiner Seele war. Sie mochte ihn also tatsächlich. Sonst würde sie doch nicht um ihn weinen.

»Hör zu, Jane, du... musst mir einen letzten Gefallen tun. Versprichst du mir das?«

Sie nickte heftig. Eine Träne rann über ihre Wange und verschmierte ihr Make-up.

»Du schickst ein Telegramm an Charlie Simms in Genoa und eines an Sam Sanders in Bodie. In dem Telegramm muss nur ein Name stehen: Cheryl. Hast du das verstanden?«

Jane nickte wieder. Die erste Träne bekam Gesellschaft.

»Dann...« Er stockte, nahm seine letzten Kräfte zusammen. »Dann gibst du ein weiteres Telegramm auf. Nach Washington.« Er nannte ihr den Namen des Adressaten. »Ihm teilst du mit, dass meine alten Freunde Charlie und Sam in Gefahr sind, er kennt die beiden. Mein Mörder... wird auch bei ihnen auftauchen.«

»Aber wer ist der Mörder, George? Wer?«

Millers jetzt aschfahles Gesicht verzerrte sich vor Schmerz. Noch einmal öffnete er den Mund, aber diesmal brachte er nur noch ein Flüstern zustande. Es war so leise, dass Jane die Worte nicht verstehen konnte. Im nächsten Augenblick kippte sein Kopf zur Seite.

George Miller war tot.

Lassiter verließ den Bahnhof von Genoa und beschloss, ohne Umwege die Bank aufzusuchen. Er hatte einen Termin mit Charlie Simms, dem Bankdirektor – wovon der in diesem Moment allerdings nichts ahnte. Eine schwarzhaarige Lady kam leichten Schrittes auf ihn zu. Für eine Frau war sie außergewöhnlich groß, durch die hohen Absätze ihrer Stiefel überragte sie Lassiter um wenigstens eine Handbreit. Ihr dunkelrotes Kleid und die rabenschwarzen langen Haare bildeten einen auffälligen Kontrast zu ihrer schneeweißen Haut.

Lassiter war sofort von ihr angetan. So einen Empfang wünschte er sich in jeder Stadt. Sie lächelte ihn an und entblößte dabei ebenmäßige Zähne. »Sie sehen aus, als ob Sie etwas suchen, Mister«, sprach sie an. »Oder jemanden.«

»Das stimmt, Ma'am, ich muss zur Bank. Können Sie mir sagen, wo ich die finde?«

Sie lachte leise auf. »Sie wollen sie doch nicht etwa ausrauben?«

Er schmunzelte. »Hatte ich nicht vor. Ich habe dort eine Verabredung. Etwas Geschäftliches.«

»Verstehe. Einfach die Straße runter; es sind keine fünf Minuten zu Fuß. Das gelbe Gebäude auf der linken Seite. Sie können es nicht übersehen.«

»Danke Ihnen, Ma'am.« Er klopfte mit dem Finger an die Hutkrempe.

»Bleiben Sie über Nacht in Genoa?« Ihr Lächeln wurde breiter, als sie ihn erwartungsvoll anschaute.

Sein Blick wanderte über ihren schlanken Hals zu ihren vollen roten Lippen und zu ihren großen Augen, die in einem intensiven Hellblau leuchteten. »Das ist sehr gut möglich. Wo kann man hier übernachten?«

»Im Saloon, gleich dort drüben. Die haben im ersten Stock ein paar Gästezimmer.« Sie hob die Hand und deutete mit dem Daumen auf das etwas heruntergekommen wirkende Gebäude, das nur einen Steinwurf entfernt hinter ihr lag. »Fragen Sie nach Katie. Das bin ich, und ich sorge dafür, dass Sie das beste Zimmer bekommen. Und dass Ihnen nicht langweilig wird.« Sie zwinkerte ihm zu.

»Ich werd's mir merken, Katie. Wir sehen uns.« Er verabschiedete sich mit einem Nicken und spazierte in die Richtung davon, die sie ihm gezeigt hatte. Bis jetzt versprach es ein guter Tag zu werden.

Nach einem kurzen Fußmarsch erreichte er die Bank und trat ein. Die Wände in der kleinen Schalterhalle waren in demselben Gelb gestrichen wie die Fassade. Hinter einem vergitterten Tresen bediente ein junger magerer Blondschopf im weißen Hemd und mit schwarzer Weste ein älteres Mütterchen. Lassiter wartete eine volle Minute. Als das Gespräch der beiden zu keinem Ende zu kommen schien, räusperte er sich vernehmlich.

Der Blondschopf hob den Kopf. »Sir?«

»Entschuldigen Sie, ich will mich nicht vordrängen. Ich muss dringend mit Mr. Simms sprechen.«

»Haben Sie einen Termin, Sir?«

»Er wird mich empfangen, ganz sicher.«

»Also, ich weiß nicht...« Der Clerk schaute nervös das Mütterchen an, als könne es das gerade aufgetauchte Problem für ihn lösen, dann blickte er wieder zu Lassiter.

»Es ist wirklich wichtig, mein Freund. Glauben Sie mir.«

»Nun gut, ich werde ihn fragen, ob er Zeit für Sie hat. Ihr Name, Sir?«

»Ich heiße Lassiter. Sagen Sie ihm, George Miller schickt mich.«

»Bitte warten Sie einen Moment. Entschuldigen Sie, Mrs. Dalton, es dauert nur eine Sekunde.«

Die Alte nickte wortlos und kramte in einem Stapel Papiere, der vor ihr auf dem Schalter lag. Der Blondschopf verließ den Schalterbereich durch eine kleine Tür und verschwand in einem angrenzenden schmalen Korridor. Keine Minute später kehrte er zurück. »Mr. Simms wird Sie empfangen. Gehen Sie einfach den Flur entlang. Es ist die Tür ganz am Ende.«

»Danke.«

Augenblicke später stand Lassiter vor einer mächtigen Tür aus stabilem dunklen Holz. Er klopfte an.

»Herein«, kam es von drinnen.

Lassiter öffnete die Tür. Dahinter verbarg sich ein geräumiges, gemütlich eingerichtetes Büro. Auf der linken Seite saß hinter einem großen Schreibtisch ein etwas dicklicher Mann in einem dunkelblauen Anzug. Er mochte um die sechzig Jahre alt sein und hatte kleine, aber wache grüne Augen in einem geröteten Gesicht. Ein grauer Haarkranz wuchs um seinen speckig glänzenden Schädel. Auf der Nase trug er eine kleine Brille, durch die er Lassiter neugierig musterte. Rechts befanden sich zwei Sessel mit einem aus massivem Holz gezimmerten Tischchen in der Mitte.

»Guten Tag, Mr. Simms, mein Name ist Lassiter«, stellte er sich vor.

»Was kann ich für Sie tun? Normalerweise empfange ich niemanden ohne Termin, aber Billy meinte, es sei sehr wichtig und dass Sie von meinem alten Freund George geschickt wurden«, erwiderte Simms, machte jedoch keine Anstalten, aufzustehen und ihm die Hand zu schütteln.

»Ich muss etwas Persönliches mit Ihnen besprechen..«

Simms runzelte die Stirn. Dann deutete er auf die beiden Besucherstühle vor seinem Schreibtisch. Sie wirkten deutlich unbequemer als sein eigener.

»Nehmen Sie Platz, Mr. Lassiter.«

Als er sich setzte, fiel sein Blick durchs Fenster. Nur durch eine schmale Gasse getrennt, grenzte das nächste Gebäude an. Er hörte das Wiehern eines Pferdes und folgerte daraus, dass es sich dabei um einen Stall handeln musste. Außen vor der Scheibe angebrachte eiserne Gitterstäbe schützten das Büro des Direktors vor unerwünschten Eindringlingen.

»Also?« Simms hatte sich nach vorne gebeugt, die Ellenbogen aufgestützt, die Hände ineinander verschränkt. Lassiter warf einer fast vollen Whiskyflasche auf dem Schreibtisch einen kurzen Blick zu. Simms machte keine Anstalten, ihm einen Drink anzubieten. Schade, dachte er.

»Mr. Simms, ich komme wie gesagt wegen George Miller.«

»Habe ihn ewig nicht gesehen, den alten Halunken. Was ist mit ihm?«

»Er wurde erschossen.«

»Erschossen?« Simms' Augen wurden groß. »Du meine Güte, der gute alte George. Das ist nicht zu fassen. Hat nie einer Fliege was zu Leide getan. Weiß man, wer's war und warum er es getan hat?«

»Genau das möchte ich herausfinden. Mein Auftrag lautet, den Mörder zu schnappen. Da Genoa näher an Burry Hill liegt als Bodie, wo Mr. Sanders lebt, ist es wahrscheinlich, dass er hier als nächstes auftaucht.«

»Hier? Wieso? Und was hat Sam Sanders damit zu tun?«

»Sagt Ihnen der Name Cheryl etwas?«

»Cheryl?«

Für einen Moment flackerte etwas in den Augen des Direktors auf. Dann griff er nach der Whiskyflasche, holte ein Glas aus einem Fach unter seinem Schreibtisch hervor, goss sich einen Fingerbreit ein und kippte die braune Flüssigkeit in einem Zug hinunter. Lassiter wartete gespannt, ob er ihm jetzt etwas anbieten würde. Er wurde enttäuscht.

»Ehrlich gesagt, zu dem Namen fällt mir nichts ein«, antwortete Simms schließlich.

»Das ist merkwürdig. Auf dem Weg hierher habe ich einen Abstecher nach Burry Hill gemacht. Mr. Miller wurde in einem Bordell erschossen. Ich habe mit der Lady gesprochen, mit der er... verabredet war. Kurz bevor er starb, hat er ihr erzählt, dass Sie und Mr. Sanders in Gefahr seien. Außerdem hat er sie gebeten, Ihnen beiden ein Telegramm zu schicken. Sie mochte den Mann und tat, was er ihr aufgetragen hatte. In dem Telegramm stand nur dieser Name. Cheryl.«

»Ach, das Telegramm. Jetzt, wo Sie es sagen. Ja, das habe ich bekommen. An Sam wurde also auch eines geschickt?«

Lassiter nickte.

»Nun, ehrlich gesagt, ich weiß nicht, was George damit gemeint hat. Hab' mich schwer darüber gewundert. Ich dachte, das ist irgendein Scherz von ihm, oder ein Rätsel. George war immer der Spaßvogel von uns dreien, wissen Sie? Und wieso sollte ich in Gefahr sein, keine Ahnung, was er damit meint.« Er setzte einen nachdenklichen Ausdruck auf. »Vielleicht hat er in seinen letzten Minuten fantasiert.«

»Ich denke, er hatte Grund zu der Annahme, dass der Mörder auch hinter Ihnen her sein wird. Und hinter Mr. Sanders. Und so wie ich das sehe, hat Cheryl, wer immer das sein mag, etwas damit zu tun.«

Lassiter entging nicht, dass Miller nervös wurde. Der Blick des Bankdirektors wanderte zu der Whiskyflasche. Offensichtlich überlegte er, ob er sich ein zweites Glas eingießen sollte, unterließ es dann aber. Vielleicht, weil seine Hände leicht zu zittern begonnen hatten und er sich nicht die Blöße geben wollte, die Hälfte zu verschütten.

»Sie, Mr. Miller und Mr. Sanders sind also alte Freunde. Haben Sie vielleicht einen gemeinsamen Feind?«, setzte Lassiter die Befragung fort.

»Ja, wir sind befreundet. Also waren es, in Georges Fall. Wir haben vor vielen Jahren für eine Weile in Lomax Hill gelebt und uns dort auch kennengelernt. Dann hat es uns in andere Städte verschlagen, aber wir haben uns weiterhin regelmäßig getroffen. War eine gute Zeit damals. In letzter Zeit haben wir uns allerdings nur noch sporadisch gesehen. Wir sind ja alle nicht jünger geworden, wie das Leben halt so spielt. Gemeinsame Feinde, nein, nicht, dass ich wüsste. Und mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen. Wirklich nicht.«

War Simms vorher nur etwas unhöflich gewesen, so wirkte er jetzt offen abweisend. Als könne er es nicht erwarten, dass Lassiter das Büro verließ. Lassiter lehnte sich in seinem Stuhl zurück und musterte sein Gegenüber mit einem prüfenden Blick. Der Mann verschwieg ihm etwas, das war so sicher wie die Tatsache, dass George Miller mit einem Loch im Rücken im Grab lag. Cheryl war bestimmt kein Spaß. Oder ein Rätsel.

»Mr. Simms, ich kann Ihnen nicht helfen, wenn Sie mir nicht die Wahrheit sagen.«

»Wie meinen Sie das?«, brauste der auf. »Was genau wollen Sie eigentlich?«

»Ein Auge auf Sie werfen. Bis der Mörder auftaucht. Ich will ihn fassen, und das möglichst lebend.«

»Lebend?«

»Allerdings. Wenn er tot ist, kann ich ihn nicht befragen, und sein Motiv für den Mord an George Miller interessiert mich brennend. Sie doch sicher ebenfalls, oder?«

Simms verzog das Gesicht. »Wollen Sie bei mir einziehen, um auf mich aufzupassen?«

Den ruppigen Ton, in dem die Frage gestellt worden war, konnte Lassiter nicht überhören. Er seufzte innerlich auf. Ihm war danach, sofort wieder abzureisen und den aufgeblasenen Mistkerl seinem Schicksal zu überlassen. Aber das hätte der Brigade Sieben bestimmt nicht gefallen. Er zwang sich, höflich zu bleiben.

»Ich bin nicht Ihr Feind, Mr. Simms. Ich versuche zu verhindern, dass Sie genauso enden wie Ihr Freund. Etwas mehr Kooperation wäre dabei sehr hilfreich.«

»Ja, ja, in Ordnung. Hören Sie, können wir das Gespräch vielleicht später fortsetzen? Ich bin sehr beschäftigt und muss dringend ein paar Dinge erledigen.«

Lassiter schüttelte im Geist den Kopf und erhob sich. »Danke für den Whisky«, sagte er mit einem ironischen Unterton. »Ich komme dann später noch einmal vorbei.«

Er verließ das Büro, wobei er die Blicke des Bankdirektors in seinem Rücken spüren konnte. In der Schalterhalle war Billy, der Blondschopf, noch immer mit dem Mütterchen zugange. Der Angestellte beachtete Lassiter nicht, als er an ihm vorbeiging.