Lassiter 2646 - Michael Schauer - E-Book

Lassiter 2646 E-Book

Michael Schauer

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Beschreibung

Der Kerl im roten Hemd hatte keine Chance gegen ihn. Niemals. Zum Teufel, selbst mit einem gebrochenen Finger hätte Lane schneller gezogen als dieser Bursche. Seine jahrelange Erfahrung sagte ihm, dass Rothemd ein großes Mundwerk haben mochte, sich aber wahrscheinlich langsamer bewegte als ein bockiger Maulesel.
Meistens konnte er seinen Gegnern ansehen, ob sie etwas draufhatten oder eben nicht. Rothemds Lider hatten geflattert, und auf seiner Stirn hatten Schweißperlen geglänzt. Die typischen Anzeichen dafür, dass er zur zweiten Sorte gehörte.
Lane hatte schon viele wie ihn unter die Erde gebracht. Es wäre ihm ein Leichtes gewesen, Rothemd einfach niederzuschießen, doch er hatte es nicht getan. Wegen Charlotte.


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Inhalt

Cover

Das Gift der Vergangenheit

Vorschau

Impressum

Das Gift derVergangenheit

von Michael Schauer

Der Kerl im roten Hemd hatte keine Chance gegen ihn. Niemals. Zum Teufel, selbst mit einem gebrochenen Finger hätte Lane schneller gezogen als dieser Bursche. Seine jahrelange Erfahrung sagte ihm, dass Rothemd ein großes Mundwerk haben mochte, sich aber wahrscheinlich langsamer bewegte als ein bockiger Maulesel.

Meistens konnte er seinen Gegnern ansehen, ob sie etwas draufhatten oder eben nicht. Rothemds Lider hatten geflattert, und auf seiner Stirn hatten Schweißperlen geglänzt. Die typischen Anzeichen dafür, dass er zur zweiten Sorte gehörte.

Lane hatte schon viele wie ihn unter die Erde gebracht. Es wäre ihm ein Leichtes gewesen, Rothemd einfach niederzuschießen, doch er hatte es nicht getan. Wegen Charlotte.

Nach viel zu langer Zeit hatte er seiner Schwester endlich wieder einen Besuch abgestattet. Sie hatten einen kleinen Bummel durch die Stadt gemacht, als Rothemd plötzlich aufgetaucht war und ihn auf offener Straße zum Duell herausgefordert hatte. Kluges Mädchen, das sie war, hatte Charlotte die Beine in die Hand genommen und war weggelaufen. Wahrscheinlich versteckte sie sich in einem der Häuser.

Sie hatte noch nie gesehen, wenn er jemanden erschoss, und er wollte verdammt sein, wenn es heute dazu kam. Eigentlich pflegte sich Lane über die Art und Weise, wie er sein Geld verdiente und sein Leben lebte, keine Gedanken zu machen. Er war ein Revolverheld, und bei den Aufträgen, die er übernahm, gehörte das Töten eben dazu.

Aber er wollte nicht, dass sie dabei war, wenn er es tat.

Charlotte war ein Engel, ein Mensch, der sprichwörtlich keiner Fliege etwas zu Leide tun konnte. Als sie Kinder gewesen waren, hatte er an einem sonnigen Nachmittag vor ihren Augen einen Käfer zertreten. Sie hatte stundenlang geweint und fast eine Woche lang kein Wort mit ihm gesprochen.

Seine Schwester war der einzige Mensch, der ihm etwas bedeutete. Sie ahnte zwar, womit er seine Dollars verdiente, doch offen darüber gesprochen hatten sie noch nie. Ein Grund mehr, diesen Teil seines Lebens von ihr fernzuhalten. Eine verschwommene Vorstellung von etwas zu haben oder es mitzuerleben, waren zwei völlig verschiedene Dinge. Wenn er das zugelassen hätte, wäre er sich vorgekommen, als hätte er ihre Seele beschmutzt.

Deshalb hatte er entschieden, die Sache mit Rothemd auf andere Weise als üblich zu regeln.

Er war losgerannt und hatte sich in einer Gasse versteckt, anstatt seinen Colt zu ziehen und der Angelegenheit auf der Stelle ein Ende zu machen. Jede Wette, dass Rothemd vor Verblüffung die Kinnlade heruntergeklappt war, denn damit hatte er sicher nicht gerechnet. Jetzt lauerte Lane hinter einem leeren Fass und wartete darauf, dass der Gegner auftauchte. Er würde ihn überrumpeln, entwaffnen und dann zum Teufel jagen. Wenn Rothemd nur einen Funken Verstand hatte, kapierte er, dass ihm im wahrsten Sinne des Wortes die Chance seines Lebens gewährt worden war, und verließ die Stadt.

Lane kannte den Burschen nicht, aber der Bursche kannte offenbar ihn. Lanes Ruf eilte ihm voraus, und es kam immer wieder vor, dass sich irgendein Kerl aus heiterem Himmel mit ihm anlegen wollte. Meistens junge Männer, die dem trügerischen Glauben anzuhängen schienen, dass ihre Jugend sie auf magische Weise unverwundbar machte. Prahlerische Narren, die sich beweisen oder eine Lady beeindrucken wollten. Vollkommen verrückt, dafür sein Leben zu riskieren.

Zugegeben, in ihrem Alter hatte er sich manchmal genauso verrückt aufgeführt. Doch es gab einen gewaltigen Unterschied: Sie glaubten nur, gut zu sein. Er dagegen war gut, schon immer gewesen.

Eine Bewegung auf der Straße. Da war Rothemd endlich. Er hielt seine Waffe in der Hand und sah sich suchend in alle Richtungen um. Jetzt blieb er stehen. Sein Blick fiel in die Gasse, in der sich Lane hinter dem Fass versteckte. Doch sie lag im Schatten, sodass er ihn nicht entdeckte.

Er stieß einen leisen Fluch aus, bevor er weiterging.

Darauf hatte Lane gewartet. Er sprang auf, war mit zwei Sätzen auf der Straße und stürzte sich hinterrücks auf Rothemd. Mit einem überraschten Keuchen ging der zu Boden. Wild fuchtelte er mit seinem Revolver herum, auf der verzweifelten Suche nach einem Ziel.

Ein heftiger Faustschlag von Lane traf sein Handgelenk. Die Finger öffneten sich und die Waffe fiel auf die Straße. Rothemds rechter Ärmel rutschte hoch und entblößte eine feuerrote Narbe in Form einer Pfeilspitze auf der Innenseite seines Unterarms, direkt unterhalb der Handwurzel.

Lane verpasste dem Burschen einen Hieb in den Nacken, dann nahm er das Schießeisen an sich, schob es sich in seinen Gürtel und stand auf.

Stöhnend rollte sich Rothemd auf den Rücken.

»Mach keinen Blödsinn«, warnte ihn Lane. »Du hast Glück, dass du noch atmest. Auf die Beine mit dir, und dann verschwinde aus der Stadt.«

»Was ist mit meinem Revolver?«, presste Rothemd zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und starrte ihn an, als wolle er ihn mangels Schießeisen mit seinen Blicken töten.

»Den behalte ich als Andenken«, antwortete Lane trocken. »Los jetzt, bevor ich es mir anders überlege.«

Er drehte sich um und ging davon. Rothemd würde ihn nicht von hinten angreifen. Erstens hatte er keine Waffe mehr und zweitens nicht den nötigen Mumm.

Die Straße war menschenleer, was kein Wunder war. Die Leute hatten eine Schießerei befürchtet und sich in Sicherheit gebracht.

An einem der Häuser auf der rechten Straßenseite öffnete sich eine Tür. Charlotte stürmte heraus und auf ihn zu. Sie war also die ganze Zeit in der Nähe gewesen. In ihrem himmelblauen Kleid sah sie bezaubernd aus. Ihre blonden Locken tanzten, als sie sich in seine Arme warf.

»Kanntest du diesen Mann?«, fragte sie, nachdem sie sich wieder von ihm gelöst hatte.

»Nein, keine Ahnung, wer das ist.«

»Was wollte er dann von dir?«

»Kräfte messen, schätze ich.«

»Kräfte messen? Aber wieso...?«

Sie schaute über seine Schulter. Ihre Augen weiteten sich, dann packte sie ihn und wirbelte ihn mit einer Kraft herum, die er ihr nicht zugetraut hätte.

Lane registrierte alles gleichzeitig. Ein hagerer Mann mit einem Stern an der Weste lag neben Rothemd am Boden und schaute verblüfft drein. Sein Holster war leer, dafür hielt Rothemd eine Kanone in der Hand.

Er begriff. Der Sheriff hatte den Kerl verhaften wollen und war von ihm überrumpelt worden.

Ein trockener Knall peitschte durch die Straße. Charlotte taumelte gegen ihn. Instinktiv umfasste er sie, um sie festzuhalten, und spürte etwas Warmes, Klebriges an den Fingern.

Ein zweiter Schuss. Der Sheriff hatte sich aufgerappelt und sich auf Rothemd stürzen wollen. Zu langsam. Blut spritzte aus einer Wunde an seinem Hals.

Jemand schrie: »Deputies! Deputies!«

Charlottes Beine knickten ein. Ihr Gewicht zog Lane in die Knie, doch er ließ nicht los. Rothemd feuerte ein drittes Mal, ungezielt und hastig. Die Kugel pfiff an Lane vorbei. Dann warf sich Rothemd herum und rannte los.

Ein Mann brüllte, er solle stehenblieben. Weitere Schüsse krachten, verfehlten ihn jedoch. Lane sah ihn in einer Seitenstraße verschwinden. Zwei Männer verfolgten ihn, wahrscheinlich die Deputies.

Charlotte! Was war mit Charlotte?

Vorsichtig bettete er sie auf die staubige Erde. Ein großer roter Fleck breitete sich in beängstigender Geschwindigkeit unter ihrer Brust aus. Das Kleid war ruiniert, dabei war es ihr Lieblingskleid. Ihre Haut war immer etwas blass gewesen, jetzt hatte sie die Farbe von frisch gefallenem Schnee. Charlotte bewegte die Lippen, als wolle sie etwas sagen, brachte jedoch kein Wort hervor.

»Nicht sprechen«, sagte er und musste sich zwingen, den Blutfleck zu ignorieren und ihr in die Augen zu schauen. Kalte Finger schienen sich um sein Herz zu legen und zuzudrücken. Seine Schwester versuchte zu lächeln, brachte aber nur eine Grimasse zustande. Ihr Kopf fiel zur Seite, ihr Blick brach.

Tränen rannen über seine Wangen. Er wischte sie nicht weg.

Achtundzwanzig Jahre später

Dagobert Hittlesberg ließ seine Blicke durch den vollbesetzten Saloon wandern. Auf dem kleinen Podest, das Bernie, der Besitzer, für Gelegenheiten wie diese in einem Hinterzimmer aufbewahrte, hatte er eine perfekte Sicht auf die Menge.

Ganz Palmo schien sich eingefunden zu haben, weswegen Bernie die Tische zur Seite geräumt und zusätzliche Stühle herbeigeschafft hatte, um sie in Reihen aufzustellen wie bei einer Theateraufführung. Trotzdem hatten einige der Anwesenden keinen Sitzplatz mehr gefunden, weswegen sie sich nebeneinander an den Wänden aufreihten.

Gemurmel erfüllte den Raum, und eine Mischung aus gespannter Erwartung und unverhohlener Skepsis lag in der stickigen und nach kaltem Rauch riechenden Luft. Einige Leute standen ihm mit gemischten Gefühlen gegenüber, wie Hittlesberg sehr wohl bewusst war. Seine vielfältigen Geschäfte hatten ihn zu einem reichen Mann gemacht. Die Erfolge anderer ließen manche Zeitgenossen misstrauisch werden. Oder einfach neidisch.

Die meisten jedoch bewunderten ihn dafür, und sein Wort galt etwas in Palmo. Nicht zuletzt auch deshalb, weil er großzügig private Kredite zu niedrigen Zinsen zu vergeben pflegte und sich seine Schuldner – und das waren nicht wenige – natürlich hüteten, es sich mit ihm zu verderben.

Er war gespannt, wie sie darauf reagieren würden, was er ihnen zu verkünden hatte. Die Reaktionen derer, die ihm nicht über den Weg trauten, konnte er sich vorstellen. Sie würden nicht begeistert sein, schon allein deshalb, weil die Idee von ihm stammte. Womöglich kam es zu Beschimpfungen oder sogar zu Tumulten.

Er schielte nach Harvey und Horace Brixton, die am anderen Ende des Saloons mit vor der Brust verschränkten Armen an der Wand lehnten und so grimmig dreinschauten, wie sie es immer taten. Die Zwillinge waren seine Männer fürs Grobe. Bullige Burschen mit breiten Schultern und mächtigen Brustmuskeln. Mit ihren kahlen Schädeln und den kantigen Gesichtern, in denen kleine blaue Augen über breiten Nasen hervorlugten, glichen sie sich wie ein Ei dem anderen. Selbst er konnte sie nur daran unterscheiden, dass Harvey stets ein weißes Hemd trug und Horace ein blaues.

Ihre pure Anwesenheit würde verhindern, dass jemand auf die verrückte Idee kam, ihn tätlich anzugreifen.

Allmählich wurde es Zeit. Er rückte sein dunkelgraues Jackett zurecht und fuhr sich mit einer Hand über sein schwarzes, von Silberfäden durchzogenes Haar. Dann hob er die Arme und gab der Menge damit das Zeichen, dass er anfangen wollte. Das Gemurmel erstarb beinahe augenblicklich. Alle Augen richteten sich auf ihn.

»Meine lieben Freunde«, begann er. »Ich freue mich, dass ihr heute Abend so zahlreich den Weg hierher gefunden habt. Was ich euch zu sagen habe, wird einigen von euch als eine willkommene Gelegenheit für einen Neuanfang erscheinen. Anderen dagegen wird meine Botschaft möglicherweise nicht gefallen.«

Er machte eine theatralische Pause und ließ seine Worte wirken. Es war so still, dass man eine Patronenhülse hätte fallen hören können.

»Ich will nicht lange drumherum reden«, fuhr er fort. »In nicht allzu ferner Zeit wird Palmo nicht mehr das sein, was es heute ist. Wenn jemand von euch in ein paar Jahren der Stadt einen Besuch abstattet, wird er sie nicht wiedererkennen.«

Erste fragende Blicke wurden getauscht, doch niemand sagte etwas.

»Seien wir ehrlich, das heutige Palmo hat etwas Deprimierendes an sich. Es ist klein, es ist langweilig, es ist provinziell. Ich gebe offen zu, dass ich seit einer ganzen Weile darüber nachdenke, von hier wegzuziehen. Und damit bin ich sicher nicht der Einzige. Doch ich habe mich anders entschieden und beschlossen, aus unserem tristen Palmo einen Ort zu machen, in dem das Leben pulsieren wird. Einen Ort des Vergnügens und der Entspannung.«

Weitere fragende Blicke, diesmal begleitet von einem leisen Wispern hier und da.

»Ich werde neue Saloons bauen. Größer und schöner als dieser her, nichts für ungut, Bernie. Außerdem Casinos und Bordelle. Palmo wird überall bekannt sein als eine Stadt, die man gesehen haben muss. Besucher aus allen Teilen des Landes werden die Straßen bevölkern und eine Menge Spaß haben.«

»Und was ist mit uns? Wo ist unser Platz in diesem Plan?«

Hittlesberg schaute in die Richtung, aus der der Zwischenruf gekommen war. Natürlich war es Biggs Melance gewesen. Der Gemischtwarenhändler von Palmo saß auf seinem dicken Hintern und schaute ihn so wütend an, als könne er ihn allein Kraft seiner Blicke vom Podest fegen. Melance hasste ihn, seit Hittlesberg vor zwei Jahren einen potenziellen Konkurrenten finanziell unterstützt hatte. Der neue Händler hatte die Stadt nach einem Monat wieder verlassen, doch Melance hatte ihm die Sache nie verziehen und ließ seitdem keine Gelegenheit aus, gegen ihn zu sticheln. Er war wie ein juckender Insektenstich an einer Stelle, an die man nicht rankam.

Deshalb kostete es Hittlesberg etwas Mühe, ein gewinnendes Lächeln zustande zu bringen. »Nun, Biggs, das habe ich...«

»Für Sie Mr. Melance.«

»Entschuldigen Sie. Das habe ich selbstverständlich bedacht, Mr. Melance. Jeder von euch, der die Stadt innerhalb der nächsten zwei Monate verlässt, erhält von mir eine großzügige Entschädigung. Alternativ biete ich euch an, euch bei mir zu bewerben. Im neuen Palmo werde ich Mitarbeiter brauchen. Ich muss allerdings gleich dazusagen, dass ich nicht jeden werde einstellen können.«

»Wie hoch soll diese Entschädigung denn sein?«, fragte ein magerer Bursche in einer grünen Weste.

Hittlesberg kannte sein Gesicht, nur wollte ihm dummerweise der Name nicht einfallen. »Das ist eine gute Frage, mein Freund. Die Antwort lautet, dass es darauf ankommt. Wie groß ist dein Haus, wie lange lebst du schon in Palmo, hast du Familie oder nicht, und so weiter. In den nächsten Tagen werde ich jedem von euch ein individuelles Angebot unterbreiten. Wenn ihr euch entschieden habt, es anzunehmen, kommt in mein Büro. Meine Tür steht offen. Das Geld könnt ihr sofort mitnehmen.«

»Und was ist mit denen, die Ihr Angebot nicht annehmen wollen?«

Natürlich wieder Melance. Zu Hittlesbergs Bestürzung nickten einige Leute in seiner Nähe zustimmend. Das war nicht gut. Jetzt kam es darauf an, den richtigen Ton zu treffen.

»Ich kann niemanden zu seinem Glück zwingen. Wie könnte ich auch? Wer in Palmo bleiben will, der bleibt, das ist jedermanns persönliche Entscheidung. Jedoch solltet ihr bedenken, dass es in dieser Stadt bald ziemlich lebhaft werden wird. Das wird vielleicht nicht jedem von euch gefallen.«

Melance' Gesicht war rot angelaufen. »Und wer oder was legitimiert Sie dazu, Palmo einfach so an sich zu reißen? Genau das ist es doch, was Sie vorhaben.«

In einer theatralischen Geste legte er beide Hände auf seine Brust und sah bestürzt drein. »Palmo an mich reißen? Aber Mr. Melance, wer redet denn davon? Ich unterbreite jedem ein faires Angebot, weiter nichts. Und wenn ich mich hier so umsehe, dann scheinen eine Menge Leute geneigt zu sein, es anzunehmen, noch bevor sie die Einzelheiten kennen.«

Tatsächlich hatte er den Eindruck, dass es besser lief – sogar viel besser –, als er vermutet hätte. Wenn man von Melance und einigen anderen absah, schienen seine Zuhörer sehr aufgeschlossen zu sein. Er war sicher, dass die meisten akzeptieren würden. Bestimmt dachten einige bereits darüber nach, wohin sie gehen und was sie mit dem Geld anfangen würden. Etwas Besseres als Palmo würden sie schließlich überall finden. Vielleicht versuchte der eine oder andere, einen kleinen Aufschlag herauszuhandeln. Das hatte er einkalkuliert.

Mit denen, die sich querstellten, würde er fertigwerden, so oder so. Er konnte es nicht mit der ganzen Stadt aufnehmen, das schafften nicht mal die Brixton-Zwillinge. Doch wenn sich erst genug Einwohner aus dem Staub gemacht hatten, würde er die Samthandschuhe ausziehen. Dann würden sich die Sturköpfe wünschen, sein Geld angenommen zu haben.

Gemurmel erhob sich. Die ersten Leute wandten sich einander zu und begannen miteinander zu diskutieren. Einige standen auf und bildeten kleine Gruppen. Es wurde Zeit, die Versammlung aufzulösen. Er hatte ihnen alles gesagt, was sie wissen mussten.

»Gentlemen, wir sehen uns in meinem Büro!«, rief er ihnen zu, dann sprang er von seinem Podest herunter und verließ mit schnellen Schritten den Saloon.

»Wie geht es dir heute?«