Mit Predigten durch das Kirchenjahr - Wolfgang Nein - E-Book

Mit Predigten durch das Kirchenjahr E-Book

Wolfgang Nein

0,0

Beschreibung

Das Leben ist mehr als nur eine Anzahl von Tagen, von Wochen, Monaten, Jahren. Das Leben ist ein großes Geheimnis, ein Abenteuer. Das Leben ist wie ein Land, das entdeckt sein will, oder wie eine Herausforderung, die darauf wartet, dass wir sie annehmen und uns an ihr bewähren. Was es mit dem Leben auf sich hat, werden wir im Letzten wohl nie so recht ergründen. Aber wir leben, und uns sind Verstand und Herz gegeben. Das Kirchenjahr führt uns durch die grundlegenden Fragen des Lebens, wie sie schon von den Menschen der biblischen Zeit gestellt worden sind. Es führt uns zu den grundlegenden Antworten des Lebens, wie diese Menschen sie gefunden haben. Das Kirchenjahr gliedert sich in Zeiten der Besinnung und der Feste und des Alltags. Und immer wieder werden die Geschichten von damals vergegenwärtigt. Sie sind in ihrem Kern so aktuell wie eh.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 366

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Vorwort

Einleitung zum theologischen Hintergrund

Mit dem Kirchenjahr das Leben durchleben

3. Dezember 2000

1. Advent

Lukas 1,67-79

Geduld

27. November 2005

1. Advent

Offenbarung 5,1-5(6-14)

Die Hölle – Vorhof des Himmels?

8. Dezember 2002

2. Advent

Lukas 21,25-33

Kleine Schritte zum großen Ziel

7. Dezember 2008

2. Advent

Lukas 21,25-33

Jochen Kleppers „Die Nacht ist vorgedrungen“

12. Dezember 1982

3. Advent

Jesaja 40,1-8

Süße Last der Liebe

16. Dezember 2007

3. Advent

Offenbarung 3,1-6

Göttliche Sehhilfe

21. Dezember 2003

4. Advent

Pfadfinder bringen das Friedenslicht von Bethlehem

Philipper 4,4-7

Zart und gewaltig

21. Dezember 2008

4. Advent

Lukas 1,39-56

Heiland für Leib und Seele und die ganze Welt

24. Dezember 1987

Heiligabend

Lukas 2,1-20

Die Nacht der Nächte

24. Dezember 1993

Heiligabend / Christnacht

Lukas 2,1-20

Himmel und Erde kommen einander nahe

25. Dezember 1988

1. Weihnachtstag

Johannes 1,14a

Das Heil kommt aus der Provinz

25. Dezember 2008

1. Weihnachtstag

Lukas 1,15-20

Eine alte Sehnsucht erfüllt sich auf neue Weise

26. Dezember 1976

2. Weihnachtstag

Jesaja 11,1-5.10

Leiden um des Glaubens willen – himmlischer Trost

26. Dezember 1981

2. Weihnachtstag

Offenbarung 7,9-12(13-17)

Der volle und der leere Kalender

31. Dezember 1981

Altjahrsabend

Psalm 103,8

Das Leben

31. Dezember 2009

Altjahrsabend

Psalm 103,8

Das flüchtige und notwendige Gefühl des Neubeginns

1. Januar 1980

Neujahr

2. Korinther 5,17

Mit Mut und Vertrauen in ein neues Jahr

1. Januar 2006

Neujahr

Josua 1,1-9

Das Geheimnis wird Mensch

6. Januar 2008

Epiphanias

2. Korinther 4,3-6

Eine Sehnsucht wohl aller Menschen

6. Januar 2019

Epiphanias

Matthäus 2,1-12

„Es musste wohl sein“

9. Februar 1997

Estomihi

(

Sonntag vor der Passionszeit)

Markus 8,31-38

Fasten?

3. Februar 2008

Estomihi

(

Sonntag vor der Passionszeit)

Jesaja 58,1-9a

Das Ja zum Leben und zum Menschen

4. April 2004

Palmsonntag

(

6. Sonntag der Passionszeit)

Philipper 2,5-11

Wir sind ihm sympathisch

5. April 1993

Passionsandacht mit Senioren

Lukas 22,19-20

Liebe geht durch den Magen

8. April 2004

Gründonnerstag

Johannes 1,1.14

Innere Freiheit

9. April 2009

Gründonnerstag

Matthäus 26,17-20.26-28

Überfordert und entlastet

18. April 2003

Karfreitag

2. Korinther 5,17-21

Das Kreuz

2. April 2010

Karfreitag

2. Korinther 5,(14b-18)19-21

Gestorben, aber nicht tot

16. April 2006

Ostersonntag

1. Samuel 2,1-2.6-8a

Auferstehung

4. April 2010

Osterfrühgottesdienst

Lukas 24,1-8

Er lebt, weil er liebte

17. April 2006

Ostermontag

1. Korinther 15,50-58

Mit dem Herzen glauben

27. April 2003

Quasimodogeniti

(

1. Sonntag nach Ostern)

Johannes 20,19-29

Wohin nach der Auferstehung?

25. Mai 2006

Himmelfahrt

Lukas 24,50-52

Der Himmel und das Universum

21. Mai 2009

Himmelfahrt

Apostelgeschichte 1,9-11

Das Menschenmögliche ist längst nicht alles

7. Juni 1987

Pfingstsonntag

Johannes 16,5-15

Das Wunder des Verstehens

19. Mai 1991

Pfingstsonntag

Johannes 14,23-27

Wenn der Geist leibhaftig wird

4. Juni 2001

Pfingstmontag

Johannes 4,19-26

Die reale Kraft des Geistes

20. Mai 2002

Pfingstmontag

Apostelgeschichte 2,22-23.32-33.36-39

Wir empfangen das Gute auf dreierlei Weise

21. Mai 1978

Trinitatis

Epheser 1,3-14

Wer ist Gott? Wer bin ich?

6. Juni 2004

Trinitatis

Römer 11,33-36

Wohnort Gottes

12. August 2007

10. Sonntag nach Trinitatis

Israelsonntag

Johannes 4,19-26

Jerusalem – Stadt des Friedens?

16. August 2009

10. Sonntag nach Trinitatis

Israelsonntag

Lukas 19,41-44a

Danken ist eine heilsame Lebenseinstellung

1. Oktober 1979

Erntedankfest

2. Korinther 9,15

Dankbar annehmen und weitergeben

4. Oktober 1992

Erntedankfest

2. Korinther 9,6-15

„Es tut mir von Herzen leid!“

4. November 2001

Zum Reformationstag

Johannes 15,9-15

Kirchentür zwischen vita und scriptura

31. Oktober 2003

Reformationstag

Epheser 5,1

Als Christ die Gesellschaft mitgestalten

16. November 1986

Volkstrauertag

Römer 8,18-25

Krieg und Frieden

15. November 2009

Volkstrauertag

Matthäus 26,52

Persönliche und unpersönliche Schuld

21. November 1984

Buß- und Bettag

Jesaja 1,10-17

Gebet und Buße sind Ausdruck menschlicher Würde

20. November 1985

Buß- und Bettag

Römer 7,18-19

Den Tod vorausdenken

23. November 1997

Totensonntag / Ewigkeitssonntag

Psalm 90,12

Der Schatten kommt vom Licht

23. November 2003

Totensonntag / Ewigkeitssonntag

Psalm 90,2

Bibelstellen

Vorwort

Nachdem ich meine ca. 800 Predigten in zeitlicher Reihenfolge in achtzehn Bänden veröffentlicht habe, stelle ich sie nun nach thematischen Kriterien zusammen. Die neue Sammlung beginnt mit Predigten zu den Festen und Festkreisen des Kirchenjahres.

Der neuen Predigtsammlung schicke ich in dem vorliegenden Band eine Einleitung zum theologischen Hintergrund meiner Predigten voraus, wie er sich nach Durchsicht aller meiner Predigten seit 1972 für mich darstellt. Ich beschreibe meine Schlussfolgerungen in groben Zügen in ähnlich einfacher Sprache wie in meinen Predigten und verzichte dabei auf jegliche akademische Bezugnahme.

Viel Freude beim Lesen!

Wolfgang Nein, April 2021

Einleitung zum theologischen Hintergrund

Die existentielle Situation des Menschen

Meine Predigten haben ihren Ausgangspunkt in der allen Menschen gemeinsamen existentiellen Situation: Alle Menschen werden ungefragt geboren. Wir haben weder die Welt noch uns selbst erschaffen. Wir konnten uns weder die Lebensumstände aussuchen, in die wir hineingeboren wurden, noch konnten wir über unsere persönliche Art mitbestimmen.

Bevor wir selbstständig leben können, sind wir in vielfacher Weise auf Unterstützung angewiesen. Wir haben den Lauf der Dinge nur sehr bedingt in der eigenen Hand. Wir sind beständig von Krankheit, von Unglück und Not bedroht. Ob wir anerkannt, gemocht oder gar geliebt werden, ist für uns weitgehend unverfügbar. Auch über uns selbst können wir nur in engen Grenzen verfügen. Die Vorgänge in unserem Körper bestimmen in vielfacher Weise eigenständig unser körperliches und seelisches Ergehen.

Sicher ist, dass wir sterben werden. Unsere Lebenszeit ist begrenzt. Über die Grenzen von Geburt und Tod vermögen wir nicht hinauszuschauen. Überhaupt ist unser Erkenntnisvermögen sehr beschränkt.

Wir sind überfordert

Durch die Entwicklung des Bewusstseins und den weitgehenden Verlust des Instinkts sind wir gezwungen, Entscheidungen zu treffen, für die wir auf Kriterien, Maßstäbe, Werte angewiesen sind. Wir stehen alle vor der Herausforderung, mit unseren Lebensbedingungen, mit uns selbst, mit unseren Mitmenschen im persönlichen Umfeld, in der Gesellschaft und im Weltweiten zurechtzukommen.

Im Grunde sind wir mit dem uns ungefragt und ungebeten aufgetragenen Dasein in vielfacher Hinsicht überfordert.

Die Ambivalenz des Seins

Alles, was wir entscheiden oder auch nicht entscheiden, und überhaupt alles Sein ist ambivalent. Wer lebt, wird sterben. Wer liebt, wird leiden. Wo Licht ist, da ist auch Schatten. Je höher wir aufsteigen, desto tiefer können wir fallen. Je mehr wir haben, desto mehr haben wir zu verlieren. Je mehr wir wissen, desto deutlicher wird uns die Weite unseres Nichtwissens. Je mehr wir können, desto größer wird unsere Verantwortung und desto vielfältiger werden die Möglichkeiten der Zerstörung und der Selbstzerstörung. Alles, was wird, wird wieder vergehen.

Die Suche nach Halt, Erklärungen und Vergewisserungen

Diese Grundbedingungen der Existenz sind für alle Menschen gleich. Niemand kann ihnen ausweichen. Wir können versuchen, sie zu ignorieren. Im täglichen Leben sind sie uns nicht beständig bewusst. Dank des uns im Allgemeinen innewohnenden starken natürlichen Lebenswillens und der uns vorgegebenen vorstrukturierten Lebensumstände können wir weitgehend wie selbstverständlich vor uns hinleben. In gewissen Momenten, besonders in Momenten und Zeiten der Krise erleben wir die Grundbedingungen unserer Existenz aber als bedrohlich und beängstigend und suchen nach Halt und Erklärungen und Vergewisserung. Diesbezüglich können Religionen eine Hilfestellung sein.

Das Angebot der Bibel

Die christliche Religion ist eine von mehreren. Was sie anzubieten hat, ist in den Texten der Bibel überliefert. Darin haben Menschen vieler Generationen aus einem Zeitraum von etwa tausend Jahren formuliert, wie sie die Grundbedingungen dieses Daseins erlebt haben, wie sie sie erklärt und interpretiert haben, welche Schlussfolgerungen sie aus ihnen gezogen haben, zu welchen Überzeugungen und zu welchem Glauben sie gelangt sind und welche Maßnahmen sie ergriffen haben, um mit diesen Grundbedingungen fertigzuwerden.

Vergegenwärtigung christlicher Inhalte durch das Kirchenjahr Aufgabe der Predigt

Die biblischen Texte sind in den nachfolgenden Jahrhunderten überliefert und ausgelegt worden und in ihren wesentlichen Gehalten in Ritualen und institutionalisierten Formen zur immer erneuten Vergegenwärtigung verfestigt worden. Hierzu zählt auch die Herausbildung des Kirchenjahres. Die wesentlichen Feste des Kirchenjahres sind in den christlich geprägten Ländern zu festen Bestandteilen des Kalenderjahres geworden.

Auf diese formelle Weise sind die grundlegenden Inhalte des christlichen Glaubens über die Jahrhunderte, inzwischen Jahrtausende, weitergetragen worden. Diese Inhalte weiterhin verstehbar und in ihrer Relevanz nachvollziehbar im Bewusstsein und für das Leben der Bevölkerung aufzubewahren, ist Aufgabe der Kirchen und insbesondere Aufgabe der Predigten in den Gottesdiensten.

Ratlosigkeit in der Theologie

In der Theologie gibt es nach meiner Beobachtung seit längerer Zeit – nicht erst seit Jahren oder Jahrzehnten – eine gewisse Ratlosigkeit. Es ist, als stünden wir mit der Theologie wieder am Anfang, als lägen nicht bereits zweitausend Jahre Theologiegeschichte hinter uns. Diese Ratlosigkeit hat sich durch den abnehmenden Gottesdienstbesuch und das schwindende Interesse an Kirche sowie durch Vorfälle von Kindesmissbrauch auch im Bereich der Kirche in den letzten Jahren verstärkt. Unter Pastorinnen und Pastoren, dem akademischen Lehrpersonal und den Trägern von Verantwortung auf den verschiedenen Leitungsebenen der Kirche verbreitet sich das Gefühl, nicht mehr so weitermachen zu können wie bisher.

Was glauben wir eigentlich? Wir brauchen eigene Antworten

Dieses Gefühl bezieht sich nicht nur auf die äußere Gestaltung von Gottesdiensten und andere Formen kirchlicher Äußerungen, sondern auch und nun verstärkt auf theologische Inhalte. „Was glauben wir eigentlich?“ Das ist nicht mehr nur eine Frage der theologischen Forschung. Das ist zunehmend eine ganz persönliche Frage, die etliche Pastorinnen und Pastoren und jene, die mit der Erforschung und Weitergabe des christlichen Glaubens befasst sind, auch an sich selbst richten.

Ist das Reden von Gott durch die wissenschaftliche Forschung nicht überholt? Und ist das Reden von Gott durch die schöpferischen Möglichkeiten des Menschen nicht überflüssig geworden? Glauben wir wirklich an ein Leben nach dem Tode? – und wenn ja, was kann das sinnvoller- und nachvollziehbarerweise bedeuten? Glauben wir wirklich, dass Jesus Christus für unsere Sünden gestorben ist – und dass er auferstanden ist? Macht es überhaupt noch Sinn, von der Sünde zu reden? Macht es Sinn, von einem allmächtigen Gott zu reden angesichts von Not und Elend in der Welt? Wie passt das Reden von der Allmacht Gottes zur Existenz des Bösen? Wie verträgt sich das Reden vom „lieben“ Gott mit dem Leid des einzelnen Menschen – und mit den zahllosen Ungerechtigkeiten im Leben? Sollten wir nicht Abschied nehmen von der Vorstellung, Gott wäre der Herr und Lenker der Geschichte, wenn wir den unheilvollen Verlauf der menschlichen Geschichte bedenken? Ist die Hoffnung auf eine Wiederkehr Christi auf Erden nicht eine Illusion?

Solche und ähnliche Fragen sind nicht neu. Schon der leidgeprüfte Hiob im Alten Testament wäre an der Gottesfrage fast zerbrochen. Sie erscheinen auch heute mit Blick auf den Fortbestand des christlichen Glaubens und der Kirche als Institution überaus bedrängend. Und Antworten zu finden, erscheint von existentieller Bedeutung.

Der Blick auf die zunehmende Verbreitung des christlichen Glaubens in weiten Teilen der Welt ist wenig trostreich und wenig hilfreich. Denn wir brauchen eigene Antworten, die sich aus unserem eigenen Erleben und Denken und Empfinden ergeben.

Diese Predigten nehmen Bezug auf die biblischen Texte Der rote Faden der biblischen Botschaft: Das Ja zum Leben und zum Menschen

Viele bemühen sich um Antworten. Ob diese zur Erneuerung und Stärkung des christlichen Glaubens und der Kirche führen, bleibt abzuwarten. Diese Predigtsammlung – zum einen in 18 Bänden zeitlich, zum anderen nun auch in einigen Bänden thematisch geordnet – versteht sich in diesem Sinne als Teil der Bemühungen.

Im vorliegenden Buch sind jeweils zwei meiner Predigten aus den ca. vierzig Jahren meines Berufslebens zu den wesentlichen Festen des Kirchenjahres und den Kirchenjahreszeiten abgedruckt. Die insgesamt ca. achthundert Predigten der Predigtsammlung gehen – und gingen seit der ersten öffentlich gehaltenen 1972 – von den allen Menschen gemeinsamen Grundbedingungen der menschlichen Existenz aus. Sie versuchen, Antworten bzw. Hilfestellung zu geben bezüglich der Herausforderung, wie wir die uns aufgetragenen Jahre und Jahrzehnte unseres Daseins in einer menschlichen Weise bestehen und gestalten können.

In der Suche nach Antworten und Hilfestellungen nehmen die Predigten stets und vor allem Bezug auf die biblischen Texte. Die in ihnen enthaltenen Antworten und Hilfestellungen der biblischen Generationen sind zwar sehr unterschiedlich, oft auch widersprüchlich und in vielfacher Weise zeit- und kulturbedingt. Sie sind insofern mit Bedacht auszulegen. Sie lassen keine eindeutige Auslegung zu. Manche biblischen Aussagen fordern auch zum Widerspruch heraus. Meine wohlwollend kritische Betrachtung der biblischen Texte hat in ihnen als roten Faden aber ein durchgängiges liebevolles „Ja zum Leben und zum Menschen“ entdeckt – auf dem Hintergrund der vielen Erfahrungen, die ein solches Ja eigentlich nicht rechtfertigen. Dies ist für mein Empfinden eine geradezu unglaubliche Botschaft. Diese weiterzugeben, ist Anliegen der Predigten.

Predigten als innerer Dialog mit den Hörerinnen und Hörern

Das geradezu Unglaubliche der biblischen Botschaft macht es erforderlich, die Predigten wie einen inneren Dialog mit den Hörerinnen und Hörern zu gestalten, in dem ihre inneren Anfragen, ihre Skepsis, ihr Widerspruch mit Verständnis und Respekt aufgegriffen werden. Die Predigten sollen spüren lassen, dass wir alle auf der Suche sind, dass auch die Menschen der Bibel auf der Suche waren, und dass es hilfreich sein kann, sich für das zu öffnen, was sie uns überliefert haben.

Wir müssen ein Verhältnis zu diesem Dasein entwickeln

Das Leben ist mehr als das Alltägliche. Es gibt Vordergründiges und Hintergründiges. Das ganze Dasein ist ein unergründliches Geheimnis. Für eine begrenzte Anzahl von Jahren und Jahrzehnten haben wir die exzeptionelle Möglichkeit, dieses Dasein zu erleben. Das ist schön und schwierig zugleich. Als mit Bewusstsein ausgestattete Wesen ist es für uns unausweichlich, dass wir ein Verhältnis zu diesem Dasein entwickeln, zu dem Unverfügbaren und dem Verfügbaren, zu dem Verstehbaren und dem Unbegreiflichen, dem Schönen und dem Schweren, dem Guten und dem Bösen, zu Freud und Leid, zu Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit.

Die verschiedenen Religionen bieten unterschiedliche Hilfestellungen an. Die Religionen sind komplex in ihren Quellen, in ihren historischen Ausprägungen, in ihren institutionellen Gestaltungen. Sie nehmen in unterschiedlicher Weise alle Bezug auf die allen Menschen gemeinsamen existentiellen Grundbedingungen sowie auf die je besonderen Eigenarten der Kultur, in denen sie sich entwickelt haben.

Die christliche Religion entstammt der jüdischen Religion

Die christliche Religion hat sich insbesondere aus der jüdischen Religion entwickelt. Sie nimmt Bezug auf die im Alten Testament, der jüdischen Heiligen Schrift, dargelegten Vorstellungen vom Entstehen der Welt und des Menschen, von den Erfahrungen mit dem Verhalten der Menschen und von der Entwicklung des Volkes Israel. Sie nimmt Bezug auf die Rolle des Gesetzes, auf die Bedeutung des individuellen und gesamtgesellschaftlichen Verhaltens im Guten wie im Bösen für das persönliche und überindividuelle Ergehen. Sie nimmt Bezug auf das Verständnis von Krankheit, von Not und Unglück. Sie nimmt Bezug auf die Interpretation von politischen Ereignissen und nationalen Katastrophen und auf endzeitliche Vorstellungen und Hoffnungen, die insbesondere der jüdischen Religion eigen waren und in mancher Hinsicht noch sind.

In der jüdischen Überlieferung ist dargelegt, dass das ganze Sein einschließlich des Menschen von einem göttlichen Schöpfer erschaffen worden ist, dass dieser göttliche Schöpfer zugleich der Herr und Lenker der Geschichte ist und dass dieser Schöpfer ein sehr spezielles Verhältnis zum Volk Israel hat. Der göttliche Schöpfer und seine Beziehung zum Volk Israel wird in persönlichen Kategorien beschrieben; die Beziehung hat vertragsähnlichen Charakter mit gegenseitigen Erwartungen.

Die christliche Religion nimmt Bezug auf den Juden Jesus von Nazareth

Die christliche Religion hat sich mit Bezug auf einen Menschen gebildet, der in der jüdischen Religion aufgewachsen ist und dem aufgrund seiner ganzen Art, seines Redens und Handelns, seines leidensbereiten menschenfreundlichen Wirkens, seiner Wundertaten und schließlich seiner Auferstehung göttliche Qualitäten zugemessen worden sind: Jesus von Nazareth. In ihm hat ein Teil der jüdischen Bevölkerung die Erfüllung einer jüdischen Hoffnung gesehen, die Hoffnung auf den Messias, den Christus, den gottgesandten König, der die Nöte des Volkes Israel auf übermenschliche Weise endgültig beenden würde. Die in den Worten und dem Wirken des Jesus von Nazareth enthaltene Kritik an den religiösen Gegebenheiten der jüdischen Religion seiner Zeit führte zur gewaltsamen Beendigung seines Wirkens und zur Verfolgung seiner Anhänger.

Die christliche Religion hat sich weltweit ausgebreitet

Die zunächst innerjüdische religiöse Bewegung um Jesus Christus herum hat sich dann insbesondere durch die Missionstätigkeit des ursprünglich streng-religiösen Juden Saulus von Tarsus, der sich durch eine Erscheinung zu Christus bekehrte und von da ab Paulus genannt wurde, über die Grenzen Israels hinaus in die heutige Türkei, nach Griechenland und bis nach Rom ausgebreitet und ist schließlich zu einer neuen weltweiten Religion mit jeweils eigenen zeit- und kulturbedingten Eigenarten geworden.

Die christliche Religion hat das persönliche Gottesverhältnis übernommen

In der christlichen Religion ist das persönliche Gottesverhältnis übernommen worden. Sie knüpft an all das an, was in der jüdischen Heiligen Schrift, unserem Alten Testament, dargelegt ist und nimmt zustimmend, abweichend und ablehnend Stellung. Die Verfasser der neutestamentlichen Texte schreiben die religiöse Entwicklung des Volkes Israel nun unter Berücksichtigung der Erfahrungen mit jenem Jesus von Nazareth fort und setzen eigene Akzente.

Die biblische Botschaft mit unseren eigenen Empfindungen erarbeiten

Als heutige Nutzer der biblischen Texte Alten und Neuen Testaments stehen wir vor der Aufgabe, uns eigenständig zu erarbeiten, was uns die biblische Botschaft als Gesamtwerk zu sagen hat, und zu überlegen, wie wir mit ihren Aussagen umgehen wollen. Da ihre Aussagen sehr komplex und heterogen sind und ihre Faktizität unter Forschern in vielfacher Weise umstritten ist, sind wir für die Erarbeitung des roten Fadens der biblischen Botschaft auf unsere eigenen Empfindungen angewiesen, sofern die biblische Botschaft einen praktischen Nutzen für unser Leben haben soll.

Als ich selbst vor der Aufgabe stand, die biblische Botschaft weiterzugeben, war mir klar, dass ich dies glaubwürdig nur könnte, wenn ich den biblischen Texten Aussagen entnehmen könnte, die sich mit meinen eigenen Empfindungen und Überzeugungen decken würden.

Mich haben von Anfang an Grundfragen zur menschlichen Existenz bewegt. Mit diesen Fragen habe ich schon als Jugendlicher Gottesdienste besucht, obwohl ich in einer kirchenfernen Familie aufgewachsen bin. Sie haben mich mit distanziertem Interesse am Konfirmandenunterricht teilnehmen und schließlich auch Theologie studieren lassen.

Die biblischen Texte sind ein wertvolles Geschenk an die Menschheit

Die Beschäftigung mit den biblischen Texten hat mich über die in mir bereits vorhandenen Empfindungen und Gedanken hinaus dazu angeregt, meine eigenen Überzeugungen fortzubilden. Sie haben mich dazu angeregt, mir Gedanken zu machen über manches, über das ich zuvor nicht nachgedacht hatte. Sie sind mir insofern in mancher Hinsicht zu einer Offenbarung geworden. Im Ergebnis bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass die biblischen Texte ein unschätzbar wertvolles Geschenk an die Menschheit sind, das für unser aller Leben und für unseren Fortbestand auf dieser Erde von großem Nutzen sein kann.

Unser Dasein ist von einem unauflösbaren Geheimnis umgeben

Mir ist zunehmend deutlich geworden, dass unser zeitlich begrenztes Dasein – als individuelle Lebewesen und als ganze menschliche Gattung – von einem großen, unauflösbaren Geheimnis umgeben ist. Durch die Geburt haben wir die exzeptionelle Chance, für eine gewisse Zeit, in der Regel für einige Jahrzehnte, zu erleben, was hier in der Welt vor sich geht.

Unser Stolz auf Geleistetes, unsere Neigung zur Selbstüberschätzung

Mit der Ausbildung unseres Bewusstseins in den Jahren der Kindheit, können wir uns zunehmend Gedanken machen über die immer neuen Erfahrungen. Mit der Hilfe von Eltern und anderen können wir dazu befähigt werden, in den Anforderungen des täglichen Lebens zunehmend eigenständig zu bestehen.

Auf die immer neuen Anforderungen und Fragen finden wir neben allem Überkommenen auch immer wieder neue Antworten und entwickeln neue Maßnahmen. Manches, was wir uns erdenken und erfinden, erfüllt uns zurecht mit großem Stolz.

Die biblischen Texte erinnern uns aber daran, dass wir Geschöpfe sind und nicht der Schöpfer selbst. Sie erinnern uns an unsere unüberschreitbaren menschlichen Grenzen. Die Freude über unser Können und der Stolz auf unsere Leistungen verführen gelegentlich zur Selbstüberschätzung und zu der Fehleinschätzung, dass letztlich alles menschenmöglich, verstehbar, erklärbar und machbar sei. Dazu hat wohl nicht zuletzt auch die philosophische Strömung der Aufklärung beigetragen. Größere Vorkommnisse des Scheiterns, mancherlei Katastrophen und das wachsende Risiko der Selbstzerstörung erinnern an die menschlichen Grenzen und mahnen zur Demut.

Die persönliche Beziehung zum Sein

Die biblischen Texte beschreiben das, was allem Menschlichen vorgegeben ist und was über und in allem Sein verborgen ist, was war und was ist und was sein wird, mit persönlichen Kategorien. Damit hat mancher seine Schwierigkeiten. Ich empfinde es dagegen als hilfreich, die Beziehung zwischen uns als Menschen und dem ganzen Dasein als eine persönliche zu verstehen. Sie ermöglicht es uns, unsere Empfindungen in einer uns Menschen angemessenen Weise zum Ausdruck zu bringen.

Wenn wir zum Beispiel ein Kind bekommen und erfüllt sind von Freude, von Staunen über dieses Wunder und von Dankbarkeit – an wen können wir uns dann mit unseren Gefühlen wenden? An die Natur? An das Schicksal? An die Zusammenhänge von Ursache und Wirkung?

Die biblischen Texte überliefern uns Worte und Bilder, die uns ermöglichen, ein Geschehen wie die Geburt eines Kindes als etwas Persönliches zu erleben, als das wunderbare Geschenk eines geheimnisvollen Schöpfers, an den wir dann unseren Dank richten können, an den wir auch unsere Bitte um Unterstützung bei der Wahrnehmung der Verantwortung für das neue Menschenwesen richten können und in dessen Hände wir den Teil an Verantwortung für das Kind legen können, der unsere menschlichen Möglichkeiten übersteigt.

Die Personalisierung des Seins ist von existentieller Bedeutung

Mancher hat mit dieser Art von Personalisierung seine Schwierigkeiten. Sie ist aber von existenzieller Bedeutung. Es wäre geradezu unmenschlich, wenn wir uns selbst, den Menschen, die Natur und das ganze Sein als etwas bloß Neutrales verstehen würden.

Zum Glück behandeln wir intuitiv zum Beispiel den Mitmenschen nicht nur als Ansammlung einer gewissen Menge an Materie, Wasser vor allem, sondern als ein persönliches Wesen – und wollen auch selbst entsprechend behandelt werden. Was geschehen kann, wenn Menschen wie bloße Materie behandelt – und entsprechend zu Tode gebracht werden –, haben wir vor gar nicht langer Zeit in unserem Land erlebt.

Für die Personalisierung des Unverfügbaren haben wir den Begriff „Gott“

Es ist geradezu überlebenswichtig, dass wir nicht nur den Menschen, sondern auch die ganze Natur und überhaupt das ganze Dasein als etwas Persönliches behandeln. Im Erntedankfest ist schon immer das Bedürfnis zum Ausdruck gebracht worden, demjenigen zu danken, der zum Gelingen der Ernte das beigetragen hat, was jenseits des menschlich Verfügbaren liegt.

Wir haben aber überhaupt das Bedürfnis, Gelungenes zu feiern, nicht nur die gute – oder auch mäßig gute – Ernte, sondern auch z. B. Geburtstage, eine Eheschließung, Jubiläen und Ähnliches. Die christliche Tradition erinnert an den Teil des Gelungenen, der als Unverfügbares zum Gelingen beigetragen hat. Wem gegenüber können wir unsere Gefühle der Dankbarkeit dafür zum Ausdruck bringen, dass wir zum Beispiel 50 Jahre alt geworden sind oder dass wir 50 Jahre Ehe vollendet haben? Wollen wir uns selbst oder uns gegenseitig auf die Schulter klopfen? Wollen wir dem Schicksal danken? Dem Glück?

Die christliche Tradition hat für das Unverfügbare die vier Buchstaben „Gott“ und hilft uns, diesem geheimnisvollen Unbekannten gegenüber unsere Empfindungen in persönlicher Weise zum Ausdruck zu bringen.

Das Unverfügbare ist aber nicht nur im Gelungenen, sondern auch im Misslungenen enthalten. Wir brauchen uns unseren Misserfolg, unser Scheitern nicht nur als unser persönliches Versagen zuzurechnen. Es hat etwas Entlastendes, sich daran erinnern zu lassen, dass wir nicht alles können müssen, dass nicht alles von unseren eigenen Bemühungen abhängt, dass wir nicht die Garanten des Erfolges sind. Diese Erinnerung ergeht an uns aus den biblischen Texten und der christlichen Tradition; diese halten auch Trost und Ermutigung für erneutes Bemühen bereit.

Das Unverfügbare ist auch in allem enthalten, was in der Zukunft liegt. Es ist darum ein angemessener Ausdruck dieser Einsicht, zum Beispiel beim Antritt eines politischen Amtes der Vereidigungsformel hinzuzufügen: „So wahr mir Gott helfe.“

Bitten und Fürbitten sind ein angemessener Ausdruck der Einsicht in unsere menschlichen Grenzen

Das Unverfügbare ist ein unendlich weites Feld – im Kleinen wie im Großen. Zwar können wir mit gutem Willen und engagiertem Einsatz zum Beispiel einiges beitragen zu Bemühungen um weltweiten Frieden, zur Beseitigung des Hungers in der Welt und zum Schutz des Klimas und wir können uns um die eigene Gesundheit und um gute zwischenmenschliche Beziehungen bemühen. Das Gelingen liegt letztlich aber nicht in unserer Hand. Bitten und Fürbitten sind darum ein angemessener Ausdruck der Einsicht in unsere menschlichen Grenzen.

Die Institutionalisierung christlicher Inhalte durch die Kirche ist ein hilfreiches Angebot

Mit der Bezugnahme auf die christliche Tradition bezüglich der Grundprobleme unserer Existenz haben manche ein Problem. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sich diese Bezugnahme institutionalisiert und in einem System von Dogmen, Ritualen und Regelungen verfestigt hat und die Vertreter der Institution sich die Deutungshoheit für diese Verfestigung der Inhalte vorbehalten.

Die Bezugnahme auf die Vermittlung der christlichen Inhalte und der christlichen Tradition durch die Kirche verstehe ich aber als ein Angebot, dem Menschen zu helfen, mit den Grundbedingungen der Existenz zurechtzukommen. Dieses Angebot besteht zum Beispiel in Gestalt von Kirchengebäuden, die durch ihre besondere Gestalt zum Ausdruck bringen, dass es mehr gibt als das Alltägliche und das menschliche Verstehbare und Machbare. Sie vermitteln einen Hauch von Transzendenz. Das Angebot besteht auch in der Gestaltung von Gottesdiensten, in denen das Leben mit seinen geheimnisvollen und schönen und herausfordernden Seiten gefeiert wird und das Schwierige und Unschöne, das Bedrohliche und das Schreckliche so angesprochen und vergegenwärtigt wird, dass es das Leben nicht herunterreißt, sondern mit Trost und Ermutigung und Stärkung der Lebenskraft überwunden wird.

Wäre es möglich, mit den Grundbedingungen der Existenz auch ohne den christlichen Glauben und die Kirche zurechtzukommen? Sicherlich. Manche würden das sogar als einfacher empfinden, weil sie den christlichen Glauben und die Kirche mit all ihren Facetten eher als Hindernis und Belastung empfinden. Es erschiene ihnen einfacher, „abzureißen und ggf. neu zu bauen“. Im Städtebaulichen lassen wir das nur mit Einschränkungen zu.

Mit unseren Gedanken und Empfindungen brauchen wir nicht bei Null anzufangen

Mir persönlich erscheint es als sinnvoll und hilfreich, ganz bewusst und nachdrücklich auf den christlichen Glauben und die Kirche Bezug zu nehmen. Wir vergegenwärtigen uns damit, dass wir nicht bei Null anfangen müssen mit unseren Gedanken und Empfindungen. Seit Menschengedenken haben Menschen mit den grundsätzlichen Herausforderungen des Lebens zu tun, vor denen auch wir stehen. Wenn wir aber auf den christlichen Glauben und die Kirche Bezug nehmen, dann müssen wir uns auch mit dem Überlieferten auseinandersetzen.

Glaubensinhalte sind immer wieder umgewandelt worden durch Umerzählung

Um überliefertes Material zu verwenden, müssen wir es für uns Jetzige brauchbar machen. Diese Art von Umwandlung können wir auch in den biblischen Texten entdecken. Die Sintflutgeschichte ist ein Beispiel. Die Vorstellung von einem Schöpfer, der die erste Version seines Geschöpfes Mensch als quasi Fehlprodukt durch eine Sintflut wieder vernichtet habe, muss Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr vertretbar erschienen sein. Sie haben die Geschichte darum umerzählt und so in ein neues Gottesbild überführt. Die Menschen sollten künftig nicht mehr befürchten müssen, wegen ihrer ethisch unvollkommenen Art noch einmal gänzlich vernichtet zu werden. Der Regenbogen sollte zum Zeichen des neuen Verhältnisses zwischen dem Schöpfer und seinem Geschöpf Mensch werden.

Der ethische Anspruch an den Menschen ist stets erhalten geblieben

Die ethische Qualität des Menschen ist in den biblischen Texten ein durchgängiges Thema geblieben. Eine Entwicklung hin zu einer ethischen Verbesserung stellen die biblischen Texte nicht fest. Der Neuanfang nach der Sintflut brachte keine Verbesserung, auch die Zehn Gebote und auch die Mahnungen der Propheten nicht. Den ethischen Anspruch halten die biblischen Texte, auch die neutestamentlichen, aber aufrecht.

Umerzählung im Neuen Testament: Der Schöpfer übernimmt seinen Teil der Verantwortung Er akzeptiert die Überforderung des Menschen und entlastet ihn

Im Neuen Testament wird das Verhältnis Gott-Mensch noch einmal neu bestimmt und eine entsprechende Weiterführung bzw. Umerzählung der bisherigen Geschichten vorgenommen. Die neutestamentlichen Texte stellen klar, dass sich der Schöpfer zu seinem Anteil Verantwortung an der Schöpfung, an der Erschaffung des Menschen insbesondere, bekennt und sein Geschöpf Mensch von diesem Teil der Verantwortung entlastet. In der Einsicht, sein Geschöpf Mensch mit diesem Dasein überfordert zu haben, lässt er sich selbst in Gestalt des Menschen Jesus von Nazareth am Kreuz zu Tode bringen. Er übernimmt damit seinen Anteil an Schuld für das Versagen des Menschen und die entsprechende Bestrafung für dieses Versagen und entlastet damit den Menschen zu einem erheblichen Teil.

Er entlastet den Menschen nicht zu hundert Prozent, weil das einer Entmündigung des Menschen gleichgekommen wäre. Er belässt dem Menschen die Freiheit der Entscheidung – zum Gelingen wie zum Misslingen, zum Guten wie zum Bösen – und belässt ihm seinen menschenmöglichen Anteil an Verantwortung, eröffnet dem Menschen aber die grundsätzliche und andauernde Chance zur Umkehr und Besserung.

Damit wird die im Bund zwischen Gott und Mensch nach der Sintflut gegebene Zusage, künftig den Menschen trotz seiner Fehlerhaftigkeit nicht noch einmal vernichten zu wollen, bestätigt und verdeutlicht.

Überzogene Gesetzesfrömmigkeit und Opferkult sind nicht mehr nötig

Im Zuge der Fortschreibung des Alten Bundes wird klargestellt, dass der Versuch, auf das Wohlwollen Gottes durch überzogene Gesetzesfrömmigkeit und durch den Opferkult einzuwirken, nicht mehr nötig ist. Aus der Forderung des Schöpfers gegenüber seinem Geschöpf Mensch wird so die Anerkennung der Überforderung des Menschen und die barmherzige Nachsicht mit den Schwächen und Fehlern und dem Fehlverhalten und Versagen des Menschen.

Der menschliche Anteil an Freiheit und Verantwortung bleibt erhalten

Der Mensch soll sich aber seines eigenen Anteils an Freiheit und Verantwortung bewusst bleiben, wie sie ihm in der Paradiesesgeschichte zugesprochen worden waren. Dort hatte sich der Schöpfer nicht die hundertprozentige Schuld am Fehlverhalten seines Geschöpfes Mensch zuschieben lassen. Er hatte den beiden, Adam und Eva, die Freiheit der Entscheidung und eine Eigenverantwortung zugesprochen und sie folglich für ihr (Fehl-)Verhalten durch Hinauswurf aus dem Paradies bestraft.

Die neutestamentliche Klarstellung der Rollenteilung zwischen Gott und Mensch hat etwas Befreiendes, etwas Erlösendes, etwas Barmherziges. Sie wird den realen Gegebenheiten, d. h. der realen existentiellen Situation des Menschen gerecht, entlastet ihn zum einen, bewahrt ihm zum anderen die Würde eines freien und eigenverantwortlichen Wesens.

Es ist gut, die biblischen Texte als erzählerischen Hintergrund für diese Überlegungen zur Verfügung zu haben. Es geht in den biblischen Texten wie auch in deren Interpretation nicht um die Beschreibung von beweisbaren Fakten. Es geht um die Beschreibung von Empfindungen bezüglich unseres Verhältnisses zu unserem Dasein in Form von Erzählungen. Die Wandlung der Empfindungen wird in der Form einer Weiterführung und Umwandlung der Geschichten vorgenommen.

Der biblische Impuls bezüglich der Unverfügbarkeiten des Seins: Das Ja zum Leben und zum Menschen

Die Empfindungen bezüglich unseres Verhältnisses zu diesem Dasein beziehen sich auf das Problem der Unverfügbarkeit des Lebens und all dessen, was zum Leben gehört, auf die Grenzen unseres Verstehens, auf die Erfahrung eines Gemenges von Schönem und Schrecklichem, von Freud und Leid, von Gut und Böse, auf die – durch weitgehenden Wegfall des Instinkts und durch die Entwicklung des Bewusstseins sich ergebende – Notwendigkeit von Entscheidungen hinsichtlich dessen, was für das Überleben und für ein menschliches Miteinander erforderlich und gedeihlich ist, also auf die weitgehende Überforderung durch die vielfältigen Anforderungen und Herausforderungen des Lebens.

Der Impuls, der von den biblischen Texten, den neutestamentlichen insbesondere, ausgeht, lässt sich für mich am besten zusammenfassen als das liebevolle „Ja zum Leben und zum Menschen“.

Ein „Nein“ zum Leben und zum Menschen und ein „Jein“ wären nach den Erfahrungen mit dem Leben und mit dem Menschen ebenfalls denkbar. Man könnte am Leben und an den Menschen auch irre werden und das ganze Dasein als absurd empfinden. Und es könnte auch der Wunsch bestehen, diesem Dasein auf ein Nimmerwiedersehen zu entschwinden.

In diese Richtungen zielt aber nicht der von den biblischen Texten ausgehende Impuls. Dieser liefert vielmehr Hilfestellung, das uns ungefragt aufgetragene Dasein dankbar als einmaliges Geschenk und zugleich als Aufgabe anzunehmen und es mit dem bestmöglichen Einsatz zum Wohl des Menschen und der ganzen Schöpfung und zur Ehre des Schöpfers zu gestalten.

Wolfgang Nein

Mit dem Kirchenjahr das Leben durchleben

3. Dezember 2000

1. Advent

Lukas 1,67-79

Das Leben ist mehr als nur eine Anzahl von Tagen, von Wochen, Monaten, Jahren, die man irgendwann zu zählen begonnen hat, ab Christi Geburt – von da aus nach vorn und nach hinten. Das Leben ist mehr als das in Zeiteinheiten Messbare. Und auch unser ganz persönliches Leben ist mehr als die Anzahl der Jahre seit dem Tag unserer Geburt.

Das Leben ist ein großes Geheimnis, ein Abenteuer. Das Leben ist wie ein Land, das entdeckt sein will, oder wie eine Herausforderung, die darauf wartet, dass wir sie annehmen und uns an ihr bewähren.

Was es mit dem Leben auf sich hat, werden wir im Letzten wohl nie so recht ergründen. Aber wir leben – und uns sind Verstand und Herz gegeben. Wenn wir über das Kleinkindalter hinaus sind, können wir das Leben bewusst betrachten, wir erlangen Selbstbewusstsein, und wir spüren den wachsenden Willen in uns, das Leben selbst mitzugestalten. Wir wollen uns nicht nur vorantreiben lassen, sondern wollen das Leben nach eigenen Gedanken, Einsichten, Entscheidungen gestalten. Das entspricht unserem Selbstverständnis und unserer menschlichen Würde.

Uns wird dann irgendwann klar, dass wir nicht aus uns selbst heraus leben, dass nicht wir das Leben erfunden haben und dass wir mit unseren Überlegungen auch nicht am Punkte Null anfangen müssen. Andere vor uns standen schon vor derselben Aufgabe, Generationen vor uns seit Jahrhunderten, seit Jahrtausenden. Sie haben uns ihre Gedanken und Erfahrungen überliefert. Wenn wir uns umblicken, wenn wir suchen nach dem, was uns selbst weiterhelfen könnte, woran wir uns orientieren könnten, dann werden wir auch auf die Überlieferungen stoßen, die in diesem Buch zusammengestellt sind, in der Bibel Alten und Neuen Testaments. Da ist niedergelegt, was Generationen in tausend Jahren über das Leben gedacht haben, was sie erlebt und erfahren haben, was sie geglaubt haben und was sie der Weitergabe an die folgenden Generationen für wert befunden haben.

Wenn Sie darin lesen, in diesem schönen und schwierigen Buch, dann werden auch Sie es vielleicht als tröstlich empfinden zu erkennen, wie sehr sich Menschen schon damals abgemüht haben, wie sehr sie gerungen haben, den Sinn des Lebens, das Ziel, den rechten Weg zu erkennen, wie sehr sie nach Erkenntnis, nach Kraft, nach Halt, nach Orientierung, nach Verlässlichem gesucht haben, und wie sie sich gefreut haben, wenn sie sicheren Boden meinten gefunden zu haben, und wie sie dann immer wieder unsicher geworden sind, wie sie Erklärungsmuster und Lebenskonzepte entworfen – und dann auch wieder verworfen haben.

Das hat etwas Tröstliches, denn wir spüren, dass es andere vor uns auch nicht leicht gehabt haben, das Leben zu verstehen und in einem guten Sinne zu bewältigen, dass sie aber nicht aufgegeben haben, sondern immer wieder feste Planken auf einen schwankenden Boden gelegt haben.

Die Bemühungen der biblischen Generationen konzentrieren sich am Ende auf eine Gestalt, die dann auch für die nächsten zwei Jahrtausende ihre Bedeutung behalten hat, auf denjenigen, dessen Geburt wir in Kürze wieder feiern. Jener Jesus von Nazareth ist damals von einer Reihe von Menschen als derjenige erkannt und geglaubt worden, der uns Grundlegendes und Tragfähiges für das Leben zu geben hat.

Was diese Menschen erkannt und geglaubt haben, ist am stärksten formuliert in der Aussage: „Er war Gottes Sohn, er war Gott selbst in menschlicher Gestalt.“ Was die Menschen damals mit dieser Aussage zum Ausdruck bringen wollten, ist dies: In jenem Jesus von Nazareth finden all unsere grundlegenden Fragen ihre grundlegenden Antworten. Das Wirken jenes Jesus von Nazareth, der dann Christus genannt wurde, weil er als Retter, als Erlöser empfunden wurde – das Wirken jenes Jesus von Nazareth, sein Leben, Sterben, Auferstehen und das Weiterwirken seines Geistes, wurde von den folgenden Generationen dann als Orientierungsrahmen für die Gestaltung des Lebens genommen. „Wenn wir durch die Jahre unseres Lebens gehen“, so sagten sie sich, „dann wollen wir immer wieder das nachvollziehen, was damals geschehen ist und was so grundlegend für uns geworden ist.“

Nach diesen inhaltlichen Festpunkten haben sie dann das Jahr aufgebaut. „Lasst uns mit dem beginnen, womit auch das leibliche Leben beginnt“, haben sie gesagt, „mit dem Warten, mit dem Warten auf die Geburt des Kindes.“ Und sie haben sich die wunderschöne Geburtslegende des Evangelisten Lukas genommen und haben gesagt: „Darauf lasst uns zugehen – auf die Geburt des Heilandes in Bethlehem, auf das Erscheinen Gottes in der zerbrechlichen Gestalt eines Kindes. Und lasst uns auf dem Weg dorthin bedenken, was voranging: die Hoffnung der Menschen auf einen, der Antworten und Lösungen würde anbieten können. Lasst uns unsere Hoffnungen und Erwartungen bedenken und lasst uns Vorbereitungen treffen für den Augenblick der Erfüllung, lasst uns die Vorfreude der Schwangeren nachempfinden und das bange und gespannte Warten. So lasst uns das Jahr beginnen, das Kirchenjahr.“

An diesem Punkt stehen wir heute, am 1. Advent, dem Beginn des Kirchenjahres. Von hier aus entfaltet sich das Wirken desjenigen, nach dem wir uns Christen nennen. Indem wir das Kirchenjahr beginnen – mit der nachdenklichen Vorbereitung – und dann fortfahren mit der Feier der Geburt, dann mit dem Nachvollzug der Lebensstationen jenes Jesus von Nazareth, seines Wirkens, seines Leidens, seines Sterbens und Auferstehens und dann des Aufbaus erster Gemeinden –, indem wir nach diesen Stationen den Lauf des Jahres einteilen, lassen wir uns sagen und bringen wir immer wieder zum Ausdruck, dass das Leben eben nicht nur eine Kette von Zählbarem ist, eine Aneinanderreihung von Tagen, sondern dass das Leben eine Bewegung des Suchens und Findens ist, eine Bewegung zwischen Nachdenken und Handeln, eine Bewegung zwischen Hoffnung und Erfüllung, eine Bewegung zwischen Schuld und Vergebung, zwischen Scheitern und Gelingen, zwischen Trauer und Tröstung, zwischen Leben und Tod und zwischen Tod und Leben.

Das Kirchenjahr hat seinen eigenen tiefen Sinn. Es nimmt uns an die Hand und führt uns durch die grundlegenden Fragen des Lebens, wie sie von Menschen seit vielen Generationen gestellt worden sind, und führt uns zu den grundlegenden Antworten des Lebens, wie diese Menschen sie gefunden haben in Konzentration auf diese eine Gestalt von damals. Das Kirchenjahr gliedert sich in Zeiten der Besinnung und der Feste und des Alltags. Und immer wieder werden die Geschichten von damals vergegenwärtigt. Sie sind in ihrem Kern so aktuell wie eh.

Das Kirchenjahr ist in dieser inhaltlichen Ausrichtung etwas anderes als das Kalenderjahr, das seinen Zweck mehr in der reinen Zählung erfüllt, die für uns aber immerhin an einem inhaltlichen Schnittpunkt beginnt, der Geburt Jesu Christi.

Das Kirchenjahr ist auch anders als unser ganz persönliches Jahr, unser Lebensjahr, das wir vom Tag unserer Geburt an rechnen. Da geht es auch mehr um das Zählen der Jahre, wobei die feierliche Erinnerung an die Geburt durchaus etwas sehr Nachdenkliches haben kann.

Wir haben also heute den 1. Advent, den Beginn des Kirchenjahres. Drei Wochen sind es diesmal bis zur Feier der Geburt des Christkindes. Maria geht nun schwanger. Ihr ist die Geburt dieses besonderen Kindes durch einen Engel verheißen. Gestern Abend haben wir hier Marias Lobgesang gehört, das Magnifikat. Und noch eine andere Frau ist schwanger, Elisabeth. Sie wird Johannes zur Welt bringen, der dem gleichaltrigen Jesus später den Weg bereiten wird. Johannes, der Täufer, der die Menschen aufruft, sich zu besinnen auf das eigene Wesen, der die Menschen aufruft, Schuld zu bekennen und zu bereuen und sich reinigen zu lassen, damit sie frei würden für den Empfang des Neuen, für den Empfang Gottes in der menschlichen Gestalt Jesu.

Ähnlich wie Maria, die die bevorstehende Geburt ihres Kindes mit einem Lobgesang besingt, hat auch Zacharias, der Vater des Johannes, einen Lobpreis auf den Lippen: „Du, mein Sohn, ein Prophet des Höchsten wirst du sein, weil du dem Herrn vorausgehen wirst, um den Weg für ihn zu bahnen. Du wirst dem Volk des Herrn verkünden, dass nun die versprochene Rettung kommt, weil Gott ihm seine Schuld vergeben will. Unser Gott ist voll Liebe und Erbarmen; er schickt uns das Licht, das von oben kommt. Es wird für alle leuchten, die im Dunkeln sind, die im finsteren Tal des Todes leben, und wird uns auf den Weg des Friedens führen.“

Lassen wir uns auf diesen Weg des Friedens immer wieder mitnehmen, indem wir den Weg Jesu Christi – dem Laufe des Kirchenjahres folgend – mitgehen. Heute am 1. Advent beginnt dieser Weg wieder, der Weg, auf dem sich Gott als der Liebende und Barmherzige erweist, der tröstet und vergibt.

Geduld

27. November 2005

1. Advent

Offenbarung 5,1-5(6-14)

Wir haben heute den 1. Advent. Mit diesem Sonntag beginnt das Kirchenjahr. Wir blicken auf die Geburt Jesu Christi voraus. An den dann folgenden Sonntagen bedenken wir den weiteren Werdegang Jesu bis hin zu Tod und Auferstehung, Himmelfahrt und Ausgießung des Heiligen Geistes, dem Tag der Gründung der Kirche.

Die Tatsache, dass wir jedes Jahr von Neuem das Wirken Jesu nachvollziehen, könnte den Eindruck erwecken, dass unserem christlichen Glauben die Vorstellung von einem Kreislauf allen Geschehens zugrunde läge. Das ist aber keinesfalls so. Der christliche Glaube geht vielmehr von einem linearen Verlauf der Geschichte aus. Die menschliche Geschichte hat einen Anfang und ein Ende. Und wir befinden uns mittendrin – auf dem Weg, können zurückschauen auf den Anfang und vorausschauen auf das Ende und können unseren gegenwärtigen Stand betrachten. So wie wir als einzelne Menschen vor einer gewissen Anzahl von Jahrzehnten als leibhaftige Wesen noch gar nicht waren und nach einer gewissen Zeit als leibhaftige Wesen nicht mehr sein werden, so war auch unsere ganze Erde vor einigen Milliarden Jahren noch nicht und wird nach einer – heute nicht genau bestimmbaren Zeit – nicht mehr sein.

Die Geburt Jesu ist natürlich nicht der Anfang der menschlichen Geschichte im christlichen Sinne. Die Geburt Jesu hat vielmehr damit zu tun, dass der Weg des Menschen und der Menschheit überhaupt zwischen Anfang und Ende ein ziemlich schwieriger ist. Das Auftreten Jesu Christi soll uns eine Hilfe sein auf unserem Weg durch dieses Dasein.

Nach dem Auftreten Jesu und nach der Gründung der Kirche, ging es auch nicht gerade einfacher weiter. Die ersten Christen, wie Jesus selbst ja auch, hatten es ziemlich schwer. Sie befanden sich mit ihrem neuen Glauben in einer Verfolgungssituation und brauchten dringend weitere Ermutigung, um an ihrem Glauben festhalten zu können.

Die Offenbarung des Johannes ist eine solche Mutmachschrift für die bedrängten Christen. Die Ausdrucksweise dieser Schrift ist allerdings sehr orientalisch-bilderreich und vielleicht etwas verwirrend für unser Verständnis. Versuchen Sie einmal selbst, das zu lesen, das letzte Buch unserer Bibel. Es geht, etwas vereinfacht formuliert, um Folgendes: Der Autor dieser Schrift stellt das Auftreten Jesu und die anschließende Verfolgungssituation der ersten Christen in den Gesamtverlauf der Daseinsgeschichte hinein und gibt dem Ganzen einen Sinn. Der unter der Verfolgung leidende Christ kann der Offenbarung des Johannes dadurch auch für sein eigenes persönliches Leiden einen Sinn entnehmen. Das konnte ihm dann helfen, seine Leiden zu ertragen und durch das Tal der Bedrängnisse hoffnungsvoll hindurchzuschreiten.

Wir brauchen so etwas: einen solchen großen Zusammenhang und den Sinn des Ganzen, damit wir da hinein einzelne Probleme einordnen und schwierige Lebensphasen mit Vertrauen durchstehen können. Wenn sich z. B. ein Jugendlicher in der pubertären Phase befindet und sich vielleicht selbst nicht mehr ausstehen kann, dann mag ihm das Wissen helfen, dass die Pubertät zum Leben dazugehört und genauso vorübergeht, wie sie gekommen ist. Und dass sie nicht nur schreckliche Seiten hat, sondern dass sie auch zur Reifung der Persönlichkeit beitragen kann. Ebenso kann es für Eltern hilfreich sein zu wissen, dass die schwierige Phase des Jugendlichen zeitlich begrenzt ist und sich die Eltern-Kind-Beziehung hinterher wieder normalisieren kann. Also, der Blick auf die großen Zusammenhänge kann helfen, mit den kleinen einzelnen Problemen fertigzuwerden.

Für uns als Gesellschaft ist es in dieser Hinsicht z. B. wichtig und hilfreich, dass wir durch das jährliche Weihnachtsfest daran erinnert werden, dass Gewalt, Terror, Krieg, Unrecht, Hunger, Ausbeutung und Ausnutzung, das Recht des Stärkeren,