Neujahrsansprachen - Wolfgang Nein - E-Book

Neujahrsansprachen E-Book

Wolfgang Nein

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Beschreibung

Das Miteinander von Kirchengemeinde und Stadtteil zu pflegen und zu fördern, war ein wesentlicher Grund für die alljährliche Einladung zum Neujahrsempfang im Gemeindehaus St. Markus. Die Neujahrsempfänge sollten außerdem eine Gelegenheit zum Danken sein. Die Ansprachen hatten jeweils einen thematischen Schwerpunkt, der mit Vorgängen im alten bzw. neuen Jahr zu tun hatte und Bezüge zum Stadtteil und der Kirchengemeinde herstellte. Allgemein Menschliches, gesellschaftlich Relevantes, Gemeinde- und Kirchenpolitisches sowie grundlegend Theologisches sollten dabei so zur Sprache kommen, dass es auch für Kirchenferne nachvollziehbar sein würde. Die Neujahrsansprachen waren quasi weltliche Predigten. Der Autor war von 1980 bis 2010 Pastor an der evangelisch-lutherischen Kirche St. Markus in Hamburg-Hoheluft.

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Inhalt

Vorwort

Dank und Wunsch nach bleibender Verbindung

15. Januar 1998

Wir brauchen beides: Kirche und Wirtschaft

14. Januar 1999

Menschliche Beziehungen im Stadtteil

13. Januar 2000

Miteinander von Stadtteil und Gemeinde

18. Januar 2001

Heimat im Stadtteil

17. Januar 2002

Vertrauen und „Kein Krieg gegen den Irak!“

16. Januar 2003

Sparen?

15. Januar 2004

Die Ambivalenz des Lebens

13. Januar 2005

Fußball und Religion

12. Januar 2006

Die Gemeinde zukunftsfähig halten

18. Januar 2007

Politik und Kirche im Dienst am Menschen

13. Januar 2008

Träume zu haben, ist vernünftig

15. Januar 2009

Kochen und Theologie – Himmel und Erde

14. Januar 2010

Vorwort

Das Miteinander von Kirchengemeinde und Stadtteil zu pflegen und zu fördern, war ein wesentlicher Grund für die alljährliche Einladung zum Neujahrsempfang im Gemeindehaus St. Markus. Die Neujahrsempfänge sollten außerdem eine Gelegenheit zum Danken sein. Insbesondere wollten wir den Geschäftsleuten in Hoheluft für ihre Sachspenden danken, die sie für den Gemeindebasar im November als Tombolagewinne zur Verfügung stellten, und für ihre Bereitschaft, in der Adventszeit in den Schaufensterauslagen Weihnachtskrippen auszustellen.

Eingeladen waren Menschen, die in unterschiedlichen Funktionen der Gemeinde verbunden und für die Gemeindearbeit von Bedeutung waren. Neben den Geschäftsleuten zählten dazu Vertreter der Bezirksverwaltung und der kirchlichen Verwaltung, der politischen Parteien, der Bildungsund Kultureinrichtungen, der sozialen Einrichtungen, der Polizei, Handwerker, die im abgelaufenen Jahr für die Gemeinde gearbeitet hatten, Ärzte sowie Nutzer der Gemeinderäume. Eingeladen waren natürlich auch alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Kirchengemeinde, die Angehörigen des Kirchenvorstands sowie Vertreter der verschiedenen Gemeindeaktivitäten, die als kompetente Ansprechpartner für Interna der Gemeinde dienen konnten. Die Auswahl der Einzuladenden war kein ganz einfaches Unterfangen. Für die zahlreichen Ehrenamtlichen der Gemeinde gab es stets einen besonderen Gottesdienst im weiteren Verlauf des Jahres.

Kofferspende von Lederwaren Alligator für den Basar als Tobolagewinn

Kleine Snacks für die Gäste

Von den ca. 200 Eingeladenen erschienen im Durchschnitt ca. 150 zum Neujahrsempfang.

Der Ablauf des Neujahrsempfangs war immer gleich: Eintreffen der Gäste im großen Saal des Gemeindehauses, Musik,

Die Blumen für den Altar- und Kirchenschmuck wurden allwöchentlich vom türkischen Blumenhändler an der Ecke Hoheluftchaussee/Bismarckstraße gespendet.

Saaldekoration 2009

Ansprache, freie Gespräche. Für die Zeit während der Gespräche hatten Ehrenamtliche jeweils eine kleine Beköstigung vorbereitet. Ehrenamtliche hatten den Saal stets aufwändig dekoriert und sich dabei jeweils ein Thema überlegt.

Die Ansprachen hatten ebenfalls einen thematischen Schwerpunkt, der mit Vorgängen im alten bzw. neuen Jahr zu tun hatte und Bezüge zum Stadtteil und der Kirchengemeinde herstellte. Allgemein Menschliches, gesellschaftlich Relevantes, Gemeinde- und Kirchenpolitisches sowie grundlegend Theologisches sollten dabei so zur Sprache kommen, dass es auch für Kirchenferne nachvollziehbar sein würde. Die Neujahrsansprachen waren quasi weltliche Predigten.

In diesem Buch sind die Ansprachen dokumentiert, die ich seit dem ersten Neujahrsempfang 1998 bis zu meinem Eintritt in den Ruhestand 2010 gehalten habe.

Viel Freude beim Lesen!

Wolfgang Nein, März 2019

Krippenausstellung in den Schaufensterauslagen von Geschäften an der Hoheluftchaussee ElectronicPartner Röglin, unten: Buchhaus Hoheluft

Dank und Wunsch nach bleibender Verbindung

15. Januar 1998

Wenn ich mit meiner Frau bzw. meine Frau mit mir – wenn wir auf der Hoheluftchaussee spazieren gehen, dann muss ich doch immer mal wieder fragen: „War dieses Geschäft eigentlich schon immer hier – oder ist das neu?“

Zum einen hängt diese Frage mit meiner mangelnden Aufmerksamkeit zusammen. Aber es ist doch tatsächlich so: Da ist immer mal wieder ein neues Geschäft. Eines wird geschlossen, dann eine Neueröffnung, dann wieder eine Schließung. Ich gestehe Ihnen, dass mich das persönlich innerlich durchaus berührt.

Sich selbstständig zu machen, ist ein echtes Abenteuer, zum einen im positiven Sinne gewiss eine tolle Herausforderung: „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“ Manche lassen sich heute, scheint mir, auf dieses Abenteuer aber mehr oder weniger aus Verzweiflung ein, um sich aus der Arbeitslosigkeit heraus doch noch etwas Eigenes zu erarbeiten, sozusagen ein letzter Versuch. Das finde ich enorm ehrenwert.

Die gegenwärtige wirtschaftliche Situation strapaziert den Einzelnen, sie strapaziert auch unser menschliches Miteinander, sie strapaziert unsere ganze gesellschaftliche Situation. Das Konkurrieren gehört wesensmäßig zu unserem wirtschaftlichen System dazu. Das hat etwas Positives, etwas Anregendes. Das hat aber auch eine zerstörerische Seite.

Und mit dieser Seite, finde ich, können wir uns ja nicht einfach abfinden. Natürlich kann ich Ihnen kein Rezept anbieten für mehr Harmonie im Wirtschaftsleben. Das kann wohl keiner. Aber – und das sage ich nicht zuletzt aus kirchlicher und gemeindlicher Verantwortung heraus – es wäre ein wichtiges und schönes Ziel, bei allem unvermeidlichen Gegeneinander möglichst viel Menschlich-Verbindendes zu retten. Das soziale Klima wird härter. Das betrifft nicht nur die Erwachsenen, sondern auch die Jugendlichen, auch die Kinder. Das, finde ich, können wir nicht einfach achselzuckend hinnehmen.

Die Kirche ist von den wirtschaftlichen Problemen nicht ausgenommen, unsere Gemeinde auch nicht. Dass eine Gemeinde, die heute noch da ist, auch morgen noch existiert, ist keine Selbstverständlichkeit mehr.

Das wäre doch ein Jammer, wenn eines Tages ein Ehepaar auf dem Eppendorfer Weg spazieren geht und sich der Ehemann etwas verunsichert an seine Frau wendet: „Da war doch mal eine Kirche – oder?“

„St. Markus steht auf einem Spielplatz.“

Im Augenblick ist es zum Glück noch eher umgekehrt. Es gibt Menschen, die schon längere Zeit in dieser Gegend wohnen, die im Eppendorfer Weg spazieren gehen, und plötzlich erstaunt feststellen: „Ach, da steht ja ’ne Kirche.“

Das hab’ ich schon des Öfteren erlebt, dass Menschen aus dieser Gegend mich fragten: „Sie sind von der Markuskirche – wo ist die denn?“ Da konnte ich immerhin sagen:

„Ja, die gibt’s – gleich um die Ecke nebenan.“

Dass wir leicht übersehen werden, hat durchaus auch seinen positiven Grund. Die Kirche liegt etwas zurück, hinter Bäumen versteckt. Das ist hier ja ein etwas verstecktes Gelände, eine kleine Oase, finde ich, fast wie das Dorf in der Großstadt: Kirche, Gemeindehaus, Kindertagesheim, davor ein Platz mit Baum und Bänken, hier hinten ein Spielgelände,

das „Kleine Paradies“, und um die Kirche herum ein Spielplatz. Unsere Kirche ist wohl die einzige in Hamburg, die auf einem Spielplatz steht.

Also man kann schon sagen, hier ist was, um so mehr noch, wenn man mal nachzählt, wie viele Menschen wöchentlich durch unsere Räume gehen. Das sind etwa tausend verschiedene Menschen, wenn man die diversen Chöre rechnet, die Seniorenkreise, die Konfirmanden und Jugendlichen, die Kinder des Kindertagesheims, der Spielgruppen und der Krabbelgruppen, bei den kleinen Kindern jeweils auch noch wenigstens ein Elternteil, die Gottesdienstbesucher, dann die zahlreichen Raumnutzer. Da kommen schon tausend verschiedene Menschen wöchentlich zusammen.

Und die sind nur ein Bruchteil unserer immer noch fast 6.000 Gemeindeglieder, die wiederum allerdings auch nur ein Bruchteil der Wohnbevölkerung unseres Gemeindebezirks sind.

Innerhalb unserer Gemeindegrenzen wohnen immerhin ca. 18.000 Menschen. Ein Drittel davon sind als Mitglieder unserer Gemeinde registriert. Als ich 1980 hierher kam, hatten wir übrigens noch 10.000 Gemeindeglieder. Das waren damals 50 % der Wohnbevölkerung. Man könnte sich fragen: „Was haben wir falsch gemacht?“

Aber es kommen ja auch viele Nichtmitglieder zu uns. Das ist auch schön so. Wir wollen eine offene Gemeinde sein. Jeder ist herzlich willkommen. Ich sehe darin auch weiterhin die Aufgabe von Kirche: Für alle Menschen da zu sein, ob sie nun als Mitglieder eingeschrieben sind oder nicht.

Es geht ja in der Kirche um Dinge, die jeden Menschen und uns alle gemeinsam betreffen: um das Nachdenken über die Grundfragen des Lebens wie zum Beispiel: Wo komme ich her, wo gehe ich hin? Wer bin ich eigentlich als Mensch – was andere von mir sagen oder was ich selbst von mir denke? Was bin wert? Wem bin ich etwas wert?

Es geht um die Freude und Dankbarkeit bei der Geburt eines neuen Menschen und um die Trauer beim Abschied. Es geht um unsere zwischenmenschlichen Beziehungen, um unsere Probleme miteinander. Es geht um Schuld und Versöhnung, um die Chancen und Risiken der Liebe. Es geht um Angst und Vertrauen, um Enttäuschungen und um Hoffnungen, Sehnsüchte, Visionen. Es geht um Orientierung, um Werte, um Menschlichkeit. Es geht um Frieden in uns und um uns herum, in unserer Gesellschaft und in der Welt. Es geht um Mitverantwortung, um tätige Hilfe. Es geht kurz gesagt – und darum, um das einmal ganz persönlich zu formulieren, darum bin ich gerne Pastor – es geht um das „Ja zum Leben und das Ja zum Menschen“.

Nehmen Sie gern Kirche in Anspruch. Nehmen Sie gern unsere Gemeinde in Anspruch. Einige haben es ja schon reichlich getan. Ich selbst habe in den fast achtzehn Jahren meines Daseins hier in St. Markus in manchen Familien getauft, konfirmiert, getraut, beerdigt. Betrachten Sie gern diese Gemeinde als Ihre Gemeinde, diese Kirche als Ihre Kirche, dieses Gemeindehaus als Ihr Gemeindehaus. Nutzen Sie gern unsere Räume, kommen Sie gern zum Reden und zum Hören, zum Spielen, zum Feiern – oder um einen Film zu sehen.

Nachher – etwas später – werden Sie merken, dass dies auch ein Filmraum ist. Hier ist vieles möglich.

Und wenn Sie Lust haben mitzugestalten, Ideen einzubringen, Mitverantwortung zu übernehmen, mitzuhelfen, dann besteht dazu reichlich Gelegenheit. Alle von Ihnen haben sich in der einen oder anderen Weise zugunsten unserer Gemeinde engagiert. Sie haben mitgeplant und mitgeholfen, gespendet

Kinderkino im Gemeindesaal

für das „Kleine Paradies“, für den Basar und überhaupt für die Gemeinde, dass wir weiterbestehen. Sie haben unsere Gemeindebriefe ausgelegt, Anzeigen im Gemeindebrief geschaltet. Sie haben unsere Räume gemietet. Sie haben dafür gesorgt, dass dieser Saal schöne Fenster bekommen hat. Sie haben als Handwerker manche Mängel dieses Hauses beseitigt – oder Sie haben einfach Gutes über unsere Gemeinde weitererzählt. Für all dies und manches mehr, das ich gar nicht alles aufzählen kann, möchte ich Ihnen allen im Namen unseres Kirchenvorstands sehr herzlich danken.

„Das kleine Paradies“ hinter dem Gemeindehaus

Wir sind hier heute eine bunt zusammengewürfelte Gesellschaft – etliche Geschäftsleute aus dem Stadtteil, ein paar Ärztinnen und Ärzte, Handwerker, mindestens ein Journalist, Vertreter der Parteien aus dem Bezirk, Vertreter unserer kirchlichen Verwaltungsstellen und der Bauabteilung des Kirchenkreisamtes, der Kindertagesstätten-Verwaltungszentrale, der Leiter des Altenheims St. Markus, die Leiterin der Altentagesstätte, die Leiter unseres Kindertagesheims, auch die ehemalige Leiterin. Vertreter unseres Fördervereins sind hier. Der Eppendorfer Bürgerverein hat einen Vertreter entsandt. Die Johanniter Hilfsgemeinschaft ist vertreten. Aus der mazedonisch-orthodoxen Gemeinde sind einige Vorstandsmitglieder gekommen. Auch unser Propst ist hier, außerdem als Gastgeber der Kirchenvorstand, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auch ehemalige Aktive – dazu jeweils einige Ehepartnerinnen und Ehepartner – und dann noch manche andere freundliche Menschen.

Ich begrüße Sie alle sehr herzlich und danke Ihnen, dass Sie gekommen sind. Ich bitte Sie: Bleiben Sie St. Markus auch weiterhin wohlwollend verbunden – und geben Sie uns die Gelegenheit, mit Ihnen heute Abend noch ein wenig ins Gespräch zu kommen. Essen Sie dabei gern einen kleinen Happen, den uns die Küche unseres Kindertagesheims bereitet hat. Trinken Sie einen Schluck oder auch zwei und lassen Sie es sich gut gehen – heute Abend – und natürlich auch im ganzen neuen Jahr.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Wir brauchen beides: Kirche und Wirtschaft

14. Januar 1999

Als bei Kriegsende von unserer Markuskirche nur noch die Umfassungsmauern standen, hatte unser Kirchenvorstand auf seiner Sitzung am 1. Juni 1945 den Antrag eines Geschäftsmannes aus Hoheluft auf der Tagesordnung. Herr Bade hatte den Antrag gestellt, in der Ruine der Markuskirche einen Verkaufsladen errichten zu dürfen. Der Kirchenvorstand beschied diesen Antrag abschlägig.

Ruine St. Markus, Hamburg-Hoheluft Foto: Landesbildstelle, PL. Nr. 12074

Leider sind den Kirchenvorstandsprotokollen keine weiteren Einzelheiten zu entnehmen. Aber seitdem ich von diesem Antrag gelesen habe, geht mir das Bild nicht aus den Augen, zu dem es ja in Wirklichkeit nicht gekommen ist: dass da – umgeben von den Mauern der Kirche – ein Verkaufsladen betrieben wird, und in dem Laden steht ein Mann, der verkauft seine Kurzwaren oder was immer er auch anzubieten hatte. Und es kommen Menschen, die betreten das Geschäft, und sie betreten damit zugleich die Kirche – oder umgekehrt: Sie betreten die Kirche und betreten damit zugleich ein Geschäft – und kaufen, was immer da grad Nützliches fürs tägliche Leben angeboten wird.

Wie gesagt: Der Kirchenvorstand lehnte den Antrag des Geschäftsmannes ab. Die Diskussion darüber ist leider nicht im Einzelnen dokumentiert. Vielleicht hatten sich die Kirchenvorsteher u. a. an die Szene aus dem Neuen Testament unserer Bibel erinnert, die schildert, wie Jesus die Händler aus dem Tempel treibt und sein drastisches Handeln mit den Worten kommentiert: „Dieses Haus soll ein Bethaus sein, ihr aber macht eine Räuberhöhle daraus.“

Schade eigentlich. Ich wäre gern in der Kirchenvorstandssitzung damals dabei gewesen. Ein Geschäft in den Mauern der Kirche – ein solches Ansinnen kann man sicherlich nicht nur unter dem Gesichtspunkt „Bethaus oder Räuberhöhle“ abhandeln.

Was sich in einem normalen Geschäft abspielt, wird man ja nicht einfach als Räuberei abtun können. Aber so ein bisschen hat die Geschäftstätigkeit dieses Image doch manchmal bei einigen. Da, wo mit Geld umgegangen wird, da argwöhnen manche außenstehende Betrachter Unfrommes.

Ein wenig bekommen wir das heutzutage in der Gemeinde auch zu spüren. Als Kirchengemeinde sind wir ja wegen der zunehmenden wirtschaftlichen Probleme der Kirche gezwungen, uns nun auch selbst verstärkt um unser wirtschaftliches Wohlergehen zu kümmern und fast wie in einem Geschäft zu fragen: „Wie können wir denn nun noch Geld erwirtschaften?“ Ich persönlich unterziehe mich auch dieser Aufgabenstellung – und muss dabei in manches stirnrunzelnde Gesicht schauen. Irgendwie bekomme ich gelegentlich das Gefühl vermittelt, damit etwas Anrüchiges zu tun.

Wöchentlicher Raumnutzungsplan 1998. Durch stundenweise Vermietung der Gemeinderäume sollten die Gemeindefinanzen aufgebessert werden.

Vielleicht übertreibe ich jetzt ein wenig. Aber ich hätte die Diskussion im Kirchenvorstand damals gern miterlebt, wenn es sie denn gegeben hat: die Diskussion über das, was Kirche ist und was ein Geschäft ist, ob das eigentlich zusammenpasst, oder ob das nicht zwei verschiedene Welten, ja vielleicht zwei gegensätzliche, inkompatible Welten sind.

Unter uns hier heute Abend sind ja nun auch eine Reihe Geschäftsleute. Ich finde, wir vertreten zum einen durchaus zwei verschiedene Teile der Wirklichkeit, die Wirtschaft einerseits und die Kirche andererseits, aber wir haben zum anderen doch mit denselben Menschen zu tun und mit einem im Ergebnis gleichen Anliegen: dem Leben zu dienen, und zwar sowohl dem Überleben als auch dem Leben im Sinne eines Qualitätsbegriffs, der Schönheit und der Freude des Lebens.

Workshop des Kirchenkreises Alt-Hamburg: