Notärztin Andrea Bergen Sammelband 1 - Arztroman - Hannah Sommer - E-Book

Notärztin Andrea Bergen Sammelband 1 - Arztroman E-Book

Hannah Sommer

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Beschreibung

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Sammelband 1: Drei spannende Arztromane zum Sparpreis

Andrea Bergen ist eine Frau mit Wünschen und Sehnsüchten, doch ihr Leben stellt sie in den Dienst der Kranken. Erleben Sie die ebenso spannenden wie bewegenden Geschichten um die Notärztin und ihre Arbeit am Elisabeth-Krankenhaus. Es sind Geschichten, die das Leben schrieb, voller Menschlichkeit und Herzensgüte, aber auch von Schicksalsschlägen und Trauer.

Lassen Sie sich mitreißen von den gefühlvollen Arztromanen rund um die starke 'Notärztin Andrea Bergen'.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 1245 bis 1247:

1245: Dr. Bergen, kommst du uns besuchen?

1246: Ich kauf dir, was dein Herz begehrt!

1247: Lebensretter Arthos



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Seitenzahl: 374

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv von © shutterstock: My Good Images ISBN 978-3-7325-7060-7

Hannah Sommer, Liz Klessinger

Notärztin Andrea Bergen Sammelband 1 - Arztroman

Inhalt

Hannah SommerNotärztin Andrea Bergen - Folge 1245Völlig außer Atem erreichen Nora und Jan die alte Scheune, als auch schon prasselnder Regen niedergeht. Blitze zucken über den eben noch blauen Himmel, und Donner rollen grollend über das Land. Das Picknick am Rhein ist sprichwörtlich ins Wasser gefallen! Doch im Halbdunkel der verlassenen Scheune findet sich die hübsche Nora plötzlich in Jans Armen wieder, und während draußen das Gewitter tobt, erleben die beiden leidenschaftliche Stunden des Glücks. Beide hoffen, einen Weg zu finden, um für immer zusammenbleiben zu können - Doch als ihre kleine Tochter Trixi auf Jans Ferienhof einen tragischen Unfall erleidet, erhebt Nora schwere Vorwürfe gegen Jan! Ein böses Wort ergibt das andere, und zornig und zutiefst verletzt verlässt Nora mit ihrem Kind den Hof, um nach Hamburg zurückzukehren. Aber die Sehnsucht nach Jan soll sie von nun an nie mehr loslassen -Jetzt lesen
Liz KlessingerNotärztin Andrea Bergen - Folge 1246Als Petra zu sich kommt, schlägt ihr modrige Luft entgegen. Völlige Dunkelheit umgibt sie. Wimmernd tastet Petra über den kalten Steinboden, als die Erinnerung wieder mit Macht über sie hereinbricht: Arnold Weinberg, der windige Finanzberater ihres Schwiegervaters, hat ihr auf der Straße aufgelauert und sie in dieses dunkle Verlies verschleppt! Und er will sie erst freilassen, wenn ihr Mann Martin ihm den Millionengewinn überwiesen hat - Heiße Tränen steigen Petra in die Augen. Nein, der Lottogewinn hat ihnen nichts als Kummer gebracht. Und nun muss Petra auch noch um ihr Leben fürchten! Als ihr ein heftiger Stich ins Herz fährt und ihr Puls sich immer mehr beschleunigt, gerät sie in Panik. Ohne die lebenswichtigen Medikamente wird ihr Herz über kurz oder lang stehenbleiben, und sie wird Martin, ihren geliebten Mann, niemals wiedersehen -Jetzt lesen
Notärztin Andrea Bergen - Folge 1247Heiße Tränen rinnen über Miriams schönes Gesicht, als sie - immer schneller - den schmalen Waldweg entlanghastet. Nur fort!, schreit es in ihr. Fort von Patrick, seinen Lügen und seinem schmutzigen Betrug! Dass die Wege immer schmaler und verlassener werden, merkt Miriam in ihrer Verzweiflung nicht. Zu sehr schmerzt sie der Verrat des Mannes, den sie in wenigen Monaten heiraten wollte. Erst als ihr plötzlich übel wird und sie Arthos' nasse Hundenase an ihrer Hand spürt, kommt sie zu sich: Sie ist unterzuckert und braucht dringend ihr lebensrettendes Insulin! Doch sie ist ohne ihre Tasche mit der Notfallspritze losgelaufen! Mit aller Kraft versucht Miriam, sich auf ihren Atem zu konzentrieren und gegen das stärker werdende Schwindelgefühl anzugehen. Ich darf nicht ohnmächtig werden - nicht hier im Wald, ist das Letzte, was sie denken kann, dann wird alles schwarz um sie herum...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Dr. Bergen, kommst du uns besuchen?

Vorschau

Gerade habe ich wieder stundenlang mit meiner Freundin Nora telefoniert, ohne sie trösten zu können. Seit sie mit ihrer kleinen Tochter Trixi Hals über Kopf den Ferienhof Sonnental am Rhein verlassen hat, ist sie furchtbar unglücklich. Sie kann Jan, den Besitzer des Ferienhofs, einfach nicht vergessen! Nun steht ein dummer Streit, bei dem ein böses Wort das andere ergab, zwischen ihnen, und keiner von beiden will den ersten Schritt zur Versöhnung machen. Dabei hat ihre Liebesgeschichte so romantisch begonnen, und sogar ihre Kinder waren sofort eine Herz und eine Seele …

Heute habe ich eine Einladungskarte zum Sommerfest auf dem Sonnenhof erhalten, die Jans Tochter Jasmin liebevoll gebastelt hat. Und da ist mir eine Idee gekommen, wie ich Noras Glück mit Jan vielleicht doch noch auf die Sprünge helfen könnte …

»Und du meinst, dass ihm die Karte auch ganz bestimmt gefällt?«

Jasmin saß auf der großen Untersuchungsliege im Behandlungszimmer der Kinderarztpraxis von Dr. Werner Bergen und schlenkerte mit den Beinen. Mit großen Augen sah sie ihren Vater gespannt an.

»Auf jeden Fall«, versicherte dieser nickend. Jan Hansen war ein Mann Ende dreißig, muskulös, stets von der Sonne gebräunt, und sein Drei-Tage-Bart ließ ihn ein wenig verwegen aussehen. »Schließlich hast du sie ja gebastelt, mein Schatz. Und so einen tollen Bauernhof hat Werner ganz bestimmt noch nicht gesehen, da bin ich sicher!«

Auf Jasmins Gesicht breitete sich ein zufriedenes Lächeln aus. Sie hatte sich beim Malen des Bauernhofs viel Mühe gegeben, und die winzigen Hörner der kleinen Ziegen auszuschneiden war ganz schön schwierig gewesen. Sogar echtes Heu hatte sie auf das bunte Tonpapier geklebt.

Liebevoll streichelte Jan seiner Tochter über die dunkelblonden Haare. Seit dem Tod seiner Frau zählte für ihn nur noch Jasmin. Sechs Jahre war der tragische Unfall nun her. Doch trotz seines guten Aussehens und seines unschlagbaren Charmes hatte sich Jan seitdem auf keine neue Beziehung mehr eingelassen.

»Hallo, ihr zwei«, begrüßte Dr. Werner Bergen die beiden, als er das Behandlungszimmer betrat. »Schön, euch mal wieder zu sehen! Wie geht es euch?«

Dr. Werner Bergen reichte Jan die Hand und klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. Die beiden Männer waren schon seit einigen Jahren gute Freunde.

»Gut, vielen Dank«, entgegne Jan mit einem Lächeln. »Und dir?«

»Oh, ich kann nicht klagen«, antworte Werner Bergen zufrieden. »Und bei dir, kleine Maus?«

»Suuuper!« Jasmin lächelte und ließ wieder aufgeregt ihre Beine baumeln.

»Das hört man doch gerne. Aber was führt euch denn dann in meine Praxis?«

»Die U-10-Vorsorgeuntersuchung«, sagte Jan. »Die ist ja jetzt fällig.«

»Ja, genau. Wenn ich mich recht erinnere, gehst du auch seit letztem Herbst in die Schule, oder?«, wollte Dr. Bergen wissen.

Jasmin nickte begeistert.

»Und gefällt es dir?«

Wieder nickte Jasmin.

»Ich kann sogar schon ein bisschen schreiben.«

»Das ist ja toll!«, antwortete Werner und zog sich seinen Drehhocker für die Untersuchung heran.

»Ich hab dir was mitgebracht!« Sie zog die selbst gebastelte Karte hervor und überreichte sie ihrem Kinderarzt.

»Einladung zur Hoferöffnung«, las Werner die ordentlich geschriebenen Buchstaben vor. Und als er die Karte aufklappte, las er weiter: »Lieber Werner, liebe Andrea, wir möchten euch ganz herzlich zur Eröffnungsfeier unseres Hofes einladen. Wann? 15. März, ab 15 Uhr. Wo? Natürlich auf dem Ferienhof Sonnental. Wir freuen uns auf euch! Jasmin, Christine und Jan.«

»Donnerwetter!«, sagte Werner anerkennend. »Hast du das ganz alleine geschrieben?«

»Nee, Papa hat geholfen«, gab Jasmin mit einem Lächeln zu. »Aber den Bauernhof hab ich selbst gemalt, und die Ziegen hab ich ganz alleine ausgeschnitten. Und das Heu ist sogar von unserem Ziegenstall. Aber es ist natürlich ganz frisches Heu.«

Werner Bergen musste schmunzeln. »Dann kommt ihr mit der Hofrenovierung gut voran?«, fragte er Jan.

»Ja, es läuft sehr gut. Letzte Woche habe ich das Freilaufgehege eingezäunt, und gestern konnten wir den Hasenstall fertigstellen.«

»Ich bin mir sicher, deine Eltern wären sehr stolz auf dich!«

Ein mattes Lächeln huschte über Jans Gesicht.

»Ja, das wären sie«, sagte er leise. »Es war immer Vaters Traum gewesen, den Hof wieder instand zu setzen.«

Werner Bergen sah, wie sehr Jan die Erinnerung an seine Eltern schmerzte.

»Und wie geht es deiner Schwester Christine?«, erkundigte sich der Kinderarzt deshalb schnell, um seinen Freund auf andere Gedanken zu bringen.

»Oh, sehr gut! Sie blüht durch die Arbeit richtig auf. Wir müssen zwar noch einiges erledigen, aber wenn es weiter so gut läuft, kann die Eröffnungsfeier wie geplant stattfinden. Bis dahin ist es zwar noch ein gutes Stück Arbeit, doch wir haben ja eine besonders engagierte Helferin.«

Jasmin reckte bei dem Kompliment stolz die Brust nach vorne und strahlte übers ganze Gesicht. »Tante Christine hat gesagt, dass ich sogar die Kopfkissen für unsere ersten Gäste beziehen darf!«

»Es haben sich schon Gäste angemeldet?«, fragte Werner Bergen überrascht.

»Ja. Sie wollen Anfang April über die Osterferien kommen«, erklärte Jan.

»Wie lange ist das noch?«, fragte Jasmin.

»Das ist noch eine Woche im Januar, plus vier Wochen im Februar, plus vier Wochen im März, plus eine Woche im April«, erklärte Werner Bergen langsam, und wartete gespannt, ob Jasmin das rechnen konnte.

»Das macht dann …« Jasmin zählte für einen kurzen Moment stumm mit den Fingern. »Zehn Wochen!«, sagte sie dann selbstbewusst.

»Sehr gut«, lobte Werner Bergen seine kleine Patientin. »Du kannst ja auch richtig gut rechnen!«

»Wir haben schon die Zahlen bis zwanzig gelernt. Und ich kann Plus- und Minusaufgaben rechnen.«

Der Kinderarzt nickte anerkennend.

»Dann lass mich mal dein Herz und deine Lunge abhören! Wenn da nämlich auch alles in Ordnung ist, bist du auch schon fertig.«

Jasmin hielt während der Untersuchung ganz still, auch wenn das Bruststück des Stethoskops anfangs ein wenig kalt war.

»Alles in bester Ordnung«, sagte Werner lächelnd.

Er stand auf, ging um seinen Schreibtisch herum und füllte das Vorsorgeheft aus, das er dann seinem Freund überreichte.

»Solche Patienten sind mir am liebsten«, sagte er zu Jasmin und reichte ihr zum Abschied die Hand.

»Mir auch«, entgegnete Jan lachend und verabschiedete sich ebenfalls von seinem Freund.

»Wir sehen uns dann spätestens auf der Eröffnungsfeier«, antwortete der Kinderarzt.

»Du musst unbedingt kommen!«, schaltete sich Jasmin noch einmal ein. »Und Andrea auch!«

»Auf jeden Fall!«, versprach Werner Bergen lachend. »Bei so einer schönen Einladungskarte wird sie es sicherlich kaum erwarten können!«

***

Christine schlängelte sich mit einem neuen Tablett Sektgläser zwischen ihren Gästen hindurch. Sie hatte sich richtig in Schale geworfen. Das karmesinrote Kleid stand ihr fabelhaft und passte ausgezeichnet zu ihren blonden Haaren und den blaugrünen Augen. Ihre kinnlange Dauerwelle hüpfte bei jedem ihrer Schritte.

Von überall erhielt sie Lob und Glückwünsche, und mit jedem ihrer Gäste stieß sie auf die gelungene Hofrenovierung an.

Im Haus waren Tische und ein Buffet aufgebaut, und in der Scheune spielte eine Band, zu der die Gäste begeistert tanzten.

Der ganze Hof war mit Luftschlangen und Girlanden geschmückt, und über dem großen Eingangstor prangte das selbst gemalte Plakat von Jasmin und Christine, auf dem in bunten Buchstaben »Herzlich Willkommen« stand.

Einige Kinder spielten Fangen, andere fütterten mit ihren Eltern die Ziegen oder trugen die Hasen auf dem Arm herum. Jasmin spielte mit den zwei Labrador-Retrievern Rauko und Rika, und das alte Pony Lutz zog tapfer die neu hergerichtete Kutsche über den Bauernhof und die umliegenden Felder.

Jan war gerade dabei, das Buffet aufzufüllen, als er Werner Bergen und seine Frau Andrea auf sich zukommen sah.

»Hallo, ihr beiden! Schön, dass ihr da seid!«, begrüßte Jan seine Gäste.

»Hallo, Jan, gut siehst du aus!« Werner klopfte Jan freundschaftlich auf die Schulter.

»Hier ist ja schon richtig was los«, stellte die Notärztin Andrea Bergen erfreut fest, als sie ihren Blick über die Gäste schweifen ließ. »Schön, den Hof wieder so belebt zu sehen!«

»Ja«, entgegnete Jan mit einem zufriedenen Lächeln. »Die Arbeit hat sich wirklich gelohnt. Lasst uns darauf anstoßen!«

Er winkte seine Schwester zu sich herüber, die die beiden Neuankömmlinge ebenfalls erfreut begrüßte und ihnen zwei Sektgläser reichte.

»Auf den Ferienhof Sonnental!«, sagte Werner Bergen und hob sein Glas.

»Und auf viele, viele Feriengäste!«, fügte Andrea hinzu.

Sie ließen ihre Gläser aneinanderklingen.

»Es ist wirklich toll geworden.« Die Notärztin ließ noch einmal anerkennend ihren Blick durch das renovierte Gebäude schweifen. Alles wirkte so gemütlich und heimelig. »Man bekommt richtig Lust, hier Urlaub zu machen.«

»Ihr seid uns jederzeit herzlich willkommen.«

»Oh, ja!« Werner lachte. »Das sollten wir unbedingt machen. So eine Auszeit von unserem Beruf würde uns sicherlich guttun, oder was meinst du, mein Schatz?«

Der Kinderarzt hauchte seiner Frau einen Kuss auf die Wange, und Andrea Bergen lachte amüsiert.

»Auf jeden Fall! Ein bisschen Entspannung kann nie schaden.«

»Na, aber nur auf die faule Haut soll man sich bei uns nicht legen. Wir haben uns nämlich überlegt, dass wir unseren Gästen etwas Besonderes bieten wollen, indem sie bei uns die Möglichkeit erhalten, auf dem Hof mitzuhelfen und das Landleben kennenzulernen«, erklärte Christine. »Aber keine Angst, schuften lassen wir unsere Gäste natürlich nicht! Dafür ist Jan da! Stimmt’s, kleiner Bruder?«

Werner und Andrea lachten herzhaft über Jans verdattertes Gesicht, während Christine ihm liebevoll das Haar zerzauste.

»Na, darüber reden wir noch.«

»Also gut, ich muss jetzt weitermachen. In der Küche wartet nämlich die nächste Bowle, die herausgetragen werden will, und die Schinkentaler sind sicherlich auch bald fertig.«

Christine verschwand wieder im Getümmel.

»Ihr habt es gehört. In der Küche steht jede Menge Nachschub. Also bedient euch ruhig am Buffet.«

»Keine Sorge, das werden wir ganz bestimmt«, versicherte Werner mit einem Zwinkern. »Du kennst mich doch. Wenn es etwas zu essen gibt, bin ich sofort zur Stelle.«

Gegen zweiundzwanzig Uhr kuschelte sich Jasmin auf den Schoß ihres Vaters und legte den Kopf an seine Schulter.

»Soll ich dich ins Bett bringen?«, fragte Jan, aber Jasmin verneinte. »Ich möchte noch hören, was Werner und Andrea am Meer erlebt haben«, sagte sie leise.

Jan war damit einverstanden, schließlich hatten sie nicht alle Tage so ein großes Fest. Doch während das Ehepaar von ihrem letzten Urlaub erzählte, fielen ihr immer wieder die Augen zu. Irgendwann war sie auf Jans Schoß eingeschlafen.

»Entschuldigt mich kurz!«, sagte Jan leise und hob Jasmin auf seine Arme. »Ich bringe sie schnell ins Bett.«

Dabei wachte die Kleine jedoch wieder auf und guckte aus verschlafenen Augen in die Runde.

»Träum was Schönes!«, sagte Andrea Bergen, und auch alle anderen an ihrem Tisch nutzen diese Gelegenheit, um ihr eine geruhsame Nacht zu wünschen.

»Gute Nacht«, erwiderte Jasmin schlaftrunken.

Das Fest dauerte bis spät in die Nacht hinein, und die Gäste amüsierten sich prima. Es war gegen drei Uhr morgens, als sich die Letzten verabschiedeten und den Hof verließen.

»Schläft Jasmin?«, fragte Christine, als Jan, der noch einmal nach seiner Tochter gesehen hatte, die knarzende Holztreppe wieder nach unten kam.

»Tief und fest. Ich glaube, sie fand es toll, so lange aufbleiben zu dürfen.«

»Das kann ich mir denken«, entgegnete Christine mit einem Schmunzeln und stellte die Teller am Buffet zusammen.

»Es war ein sehr gelungenes Fest«, sagte Jan und ging seiner Schwester zur Hand. »Ich habe von überall nur Lob gehört.«

Christine nickte. »Ich auch. Mama und Papa wären sicherlich stolz auf uns, wenn sie das sehen könnten.«

Für eine Weile war es ganz still. Jan wickelte die Wurst- und Käseplatten in Frischhaltefolie, während Christine die Salate in kleinere Schüsseln füllte und in den Kühlschrank stellte.

Erst als die beiden Geschwister einige Zeit später erschöpft bei einer Tasse Tee am Küchentisch saßen, nahm Jan den Gesprächsfaden wieder auf.

»Hoffentlich erzählen viele ihren Freunden von unserem Hof!«

»Bestimmt.« Christine lehnte sich geschafft zurück und legte ihre Füße auf die Eckbank. »Aber es läuft auch so sehr gut. Seit die Homepage online ist, haben wir schon wieder vier Buchungsanfragen bekommen. Und die neuen Werbebroschüren sind heute auch gekommen. Morgen werde ich in den Geschäften fragen, ob ich welche auslegen darf.«

»Kann ich sie mal sehen?«

»Ja klar. Warte, ich hole sie dir!«

Christine wollte gerade aufstehen, doch Jan hielt sie auf.

»Lass nur! Ich kann sie selbst holen. Du bist heute schon genug rumgerannt.«

»Sie liegen auf der Kommode im Esszimmer.«

Jan kam mit dem Postpaket zurück und holte eine Broschüre hervor.

»Die sind toll geworden!«, sagte er begeistert. »Aus dir wäre auch eine gute Grafikerin geworden.«

Christine musste lächeln.

»Das mag sein, aber das hier will ich machen. Der Hof und all das …« Sie nippte versonnen an ihrem dampfenden Tee. »Ich habe überlegt, ob ich unseren Gästen, die bereits gebucht haben, auch eine Broschüre schicken sollte. Die Frau aus Hamburg hat heute angerufen und gefragt, ob ich nicht noch ein bisschen Informationsmaterial hätte. Ihre kleine Tochter sei so begeistert und könne es kaum erwarten herzukommen.«

»Das ist eine gute Idee! Mensch, in knapp zwei Wochen haben wir schon unsere ersten Gäste.«

»Stell dir vor, wenn es ihr von ihrer Arbeit aus möglich ist, will sie sogar den kompletten April bei uns verbringen.«

»Das klingt doch super! Jasmin wird bestimmt völlig aus dem Häuschen sein, wenn sie eine Spielkameradin bekommt!«

»Oh, ja.« Christine musste lächeln. »Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Dann ist so richtig Leben im Haus.«

Jan gähnte verhalten. »Entschuldige, heute war sehr viel los.«

»Ja, ich bin auch müde. Lass uns schlafen gehen! Es gibt die nächsten Tage noch viel zu tun.«

***

Der Abend legte sich über Hamburg und färbte den Himmel in ein dunkles Blau.

Nora Frey, eine sehr schlanke Frau Mitte dreißig, trat an die gläserne Fensterfront ihres Büros und betrachtete die Skyline. Die ersten Lichter der Stadt leuchteten in der aufkommenden Dämmerung wie die Sterne am Horizont, und die schweren Schiffe fuhren langsam über die stille Alster.

Eine unerklärliche Sehnsucht stieg in Nora auf, erfasste ihr Herz und umschloss es. Sie wusste nicht, wieso, doch seit einigen Wochen fühlte sie sich einsam. Immer öfter beschlich sie dieses Gefühl und nistete sich mit seiner Kälte in ihr ein.

Ihr Blick fixierte ihre Silhouette, die sich im Fenster spiegelte: Schlank, mittelgroß und sportlich war ihr Gegenüber. Viele ihrer Kolleginnen beneideten sie um ihr bildhübsches Gesicht und die Wirkung, die sie auf Männer hatte. Und während ihre Kolleginnen an Dinkel-Vollkornkeksen knabberten, tuschelten sie heimlich über Noras zierliche Figur, vor allem, da sie bereits ein Kind hatte.

Natürlich achtete Nora auf ihren Körper, aber sie hungerte nicht. Sie legte Wert auf regelmäßigen Sport und eine gesunde Ernährung, den Rest hatte ihr die Natur in die Wiege gelegt. Was konnte sie dafür, wenn sie alles essen konnte, ohne zuzunehmen, wie ihre Kolleginnen ihr immer missgünstig vorwarfen?

Seufzend trat sie vom Fenster und setzte sich wieder an ihren Schreibtisch.

Es wurde allerhöchste Zeit für einen Urlaub!

Nora sehnte sich den Tapetenwechsel regelrecht herbei. Sie musste endlich raus aus diesem grauen Büroalltag. Ein sanftes Lächeln breitete sich auf ihren Lippen aus, als sie an die wundervolle Broschüre mit den saftig grünen Wiesen und den bunten Sommerblumen dachte, die sie in den letzten Tagen in ihrer Post gefunden hatte.

Die Auszeit würde ihr und Trixi guttun!

Während Nora in den Unterlagen blätterte, fiel ihr etwas ein: Wohnte nicht ihre Freundin Andrea Bergen in der Nähe des Ferienhofes? Doch, sie war sich sicher! Als sie die Notärztin vor einigen Jahren auf einem Pharmakongress in Berlin kennengelernt hatte, hatte diese von der wunderschönen Landschaft am Rhein geschwärmt, und darauf bestanden, dass Nora sie unbedingt einmal besuchen kommen müsse.

Nora sah auf die Uhr. Es war kurz vor sechs. Allerhöchste Zeit, Feierabend zu machen!

Sie beschloss, Andrea Bergen anzurufen. Nachdem sie den Eintrag in ihrem Adressbuch gefunden und die Nummer gewählt hatte, nahm sie gespannt den Hörer ans Ohr.

»Bergen«, meldete sich eine warme Frauenstimme am anderen Ende schon nach kurzem Klingeln.

»Hallo, hier ist Nora Frey. Andrea, bist du es?«

»Nora! Hallo! Ich habe ja schon ewig nichts mehr von dir gehört! Wie schön, dass du anrufst! Wie geht es dir?«

»Ganz gut«, sagte Nora. »Ich hatte mit einer Medikamentenstudie gerade viel zu tun, deshalb habe ich mich so lange nicht gemeldet. Und wie geht es dir?«

»So weit auch ganz gut. Werner und ich sehnen das Wochenende herbei, wir wollten einen Spa-Tag machen.«

»Das klingt gut. Ich habe auch bald Ferien. Wenn alles klappt, bekomme ich nicht nur über Ostern, sondern sogar den ganzen April frei.«

»Mensch, das ist ja beneidenswert«, entgegnete Andrea Bergen gönnerhaft. Sie würde über die Osterferien nur wenige Tage freihaben. »Kommst du mich dann mal besuchen? Hier am Rhein kann man wunderbar Urlaub machen.«

»Genau deshalb rufe ich an«, sagte Nora euphorisch. »Ich habe für Trixi und mich einen Urlaub auf dem Ferienhof Sonnental gebucht.«

»Oh, wirklich?« Andrea Bergen klang sehr erfreut. »Das ist bei uns ganz in der Nähe!«

»Kennst du den Hof?«

»Ja. Der Besitzer ist ein guter Freund von Werner. Vor ein paar Wochen waren wir zur Einweihungsfeier eingeladen. Jan, der Besitzer, und seine Schwester haben alles ganz wunderbar hergerichtet. Du wirst dich sicherlich sehr wohlfühlen!«

»Das klingt ja toll!« Nora spürte, wie sehr sie sich auf die Ferien freute. »Sollen wir uns dann mal auf einen Kaffee treffen?«

»Ja, unbedingt!«

»Ruf mich einfach auf dem Handy an, wenn du ein bisschen Zeit hast!«, schlug Nora vor.

»Okay, machen wir es so. Ich freue mich auf dich.«

»Ich freue mich auch. Andrea, ich muss jetzt Schluss machen, da ich Trixi vom Hort abholen muss.«

»In Ordnung. Ich melde mich dann. Mach es gut!«

»Du auch! Bis bald.«

Als Nora aufgelegt hatte, atmete sie erleichtert durch. Es war schön, nach so langer Zeit wieder mit Andrea gesprochen zu haben. Sie freute sich schon sehr auf das Treffen mit ihrer Freundin.

So viele Gedanken wirbelten in Noras Kopf herum, sodass die Fahrt zum Hort für sie fast ein bisschen zu schnell verging. Dennoch freute sich Nora sehr auf ihre Tochter.

Als sie den dunkelblauen Jaguar vorfuhr, rannte ein blondes Mädchen eilig zum Tor. Seine Hände umklammerten fest die Eisenstäbe.

»Mama, Mama!«

»Trixi!«, rief Nora erfreut, als sie ausgestiegen war.

Das Mädchen konnte es kaum erwarten, bis der Erzieher das Eisentor aufgeschlossen hatte, und es der Mutter in die Arme fallen konnte.

»Na, mein Spatz? Wie geht es dir?«

»Gut.« Trixi gab ihrer Mutter einen dicken Kuss auf die Wange. »Aber jetzt müssen wir heimfahren! Wir müssen doch Koffer packen!«

Nora musste lachen und gab ihrer Tochter einen sanften Stups auf die Nase.

»Das hast du nicht vergessen, was?«

Trixi schüttelte mit leuchtenden Augen und einem breiten Lächeln den Kopf.

»Also dann, auf geht’s, meine Kleine!« Sie reichte ihrer Tochter die Hand und lief mit ihr zum Auto. »Hast du denn schon zu Abend gegessen?«

»Ja. Es gab Kohlrouladen. Das war lecker!«

Wieder musste Nora lachen.

»Ich glaube, du bist das einzige Kind, das Kohlrouladen lecker findet.«

»Hi, hi«, kicherte Trixi, während sie auf den Kindersitz kletterte.

Gerade als Nora eingestiegen war und sich zu ihrer Tochter umdrehte, rief diese: »Bin angeschnallt!«

Nora musste schmunzeln. Die Heimfahrt konnte für Trixi wohl gar nicht schnell genug gehen.

Während der Fahrt sang das Mädchen immer wieder ein selbst gedichtetes Lied vor sich hin: »Wir packen heute die Koffer, da dürfen wir nichts vergessen.« Dazu klatsche sie munter in die Hände.

»Mama? Erzähl noch mal von der Reise!«, bat sie dann. »Aber alles ganz genau. Du darfst nichts auslassen!«

Nora dachte eine Weile nach, ehe sie zu erklären begann.

»Zuerst packen wir heute Abend die Koffer. Und morgen frühstücken wir eine Kleinigkeit und fahren dann mit einem Taxi zum Bahnhof.«

»Und um acht Uhr drei fährt der Zug!«, fügte Trixi begeistert hinzu. Sie hatte sich die Zeit ganz genau gemerkt.

Nora nickte. »Genau.«

»Und den nehmen wir, damit wir zwei ganz viel Zeit haben!«

Nora musste lächeln. »Richtig. Und dann fahren wir mit dem Zug, steigen zweimal um, und am dritten Bahnhof nehmen wir dann wieder ein Taxi und fahren zum Ferienhof.«

»Fein!«, sagte Trixi begeistert. »Und dann machen wir Ferien!«

»Genau.« Nora bog in die Hofeinfahrt ein und parkte den Wagen. Gerade, als sie den Motor ausgeschaltet hatte, schnallte sich Trixi ab, sprang aus dem Auto und rannte zur Haustür.

»Aufschließen!«, rief sie und sprang auf der Treppe auf und ab.

»Ich komme ja schon. Mein lieber Mann, heute bist du aber ganz schön aufgedreht!«

Trixi stürmte ins Haus und zog ihren kleinen Spielkoffer unter dem Bett hervor. Behutsam legte sie einige Spielsachen hinein, packte sie wieder aus, als sie feststellte, dass nicht alles hineinging, und begann, von Neuem zu packen.

»Aber Mister Tickle darf nicht in den Koffer«, rief sie aus ihrem Zimmer. »Da bekommt er keine Luft und erstickt!«

»In Ordnung, dann packen wir ihn in den Rucksack und lassen seinen Kopf herausschauen.«

Damit schien Trixi zufrieden zu sein, denn sie äußerte keinen Protest.

Während das Mädchen mit den Spielsachen beschäftigt war, packte Nora ihren Laptop, zwei Bücher, ihre Sonnenbrille und ihren Basthut in den Koffer.

»Das muss mit!«, rief Trixi da plötzlich, schlitterte mit ihren Socken um die Ecke und legte ihrer Mutter eines ihrer rosafarbenen T-Shirts aufs Bett.

»Okay«, sagte Nora und packte das T-Shirt in den Koffer. »Hast du noch etwas, das du unbedingt mitnehmen möchtest?«

Trixi lief eilig in ihr Zimmer zurück und öffnete ihren Kleiderschrank. Mit viel Bedacht suchte sie die Sachen aus und gab sie ihrer Mutter. Dann packten sie gemeinsam die nötige Kleidung in den Koffer. Nora wählte neben ihren Sportsachen hauptsächlich legere Kleidung.

Auf einmal kuschelte sich Trixi an ihre Mutter und quietsche vor Begeisterung.

»Ich hab dich lieb«, flüsterte sie und gab ihr einen dicken Kuss auf die Wange.

»Ich hab dich auch lieb«, sagte Nora und wiegte ihre Tochter liebevoll im Arm.

»Ich will immer so viel Zeit mit dir haben und nicht dauernd allein in dem blöden Hort sein!«

»Ich weiß, mein Schatz«, flüsterte Nora leise und vergrub die Nase in den weichen, blonden Haaren ihrer Tochter. »Aber das geht leider nicht, weil ich sehr viel arbeiten muss.«

»Das ist blöd«, sagte Trixi und schob traurig ihre Unterlippe nach vorne.

»Na komm, jetzt wird es Zeit, ins Bett zu gehen.«

»Ich mag aber noch aufbleiben.«

»Du willst doch morgen den Zug nicht verpassen, oder?«, fragte Nora ernst.

Trixi schüttelte schnell den Kopf.

»Also dann, mach dich bettfertig!«

Die Kleine rutschte vom Bett herunter, doch als sie gerade zur Tür herausgehen wollte, blieb sie stehen und drehte sich nochmals zu ihrer Mutter um. »Aber du liest mir doch trotzdem noch mal das schöne Heft vom Ferienhof vor, oder?«

»Na klar«, versicherte Nora, und Trixi ging zufrieden aus dem Zimmer.

Als die Kleine kurze Zeit später ins Bett krabbelte, deckte Nora sie liebevoll zu. Trixi griff nach ihrer Giraffe und steckte sie neben sich unter die Decke.

»Bereit?«, fragte Nora und wartete, bis Trixi zufrieden nickte.

»Ja. Jetzt sieht Mister Tickle auch etwas.«

Dann schlug Nora die Broschüre auf und begann, den Text über den Ferienhof Sonnental zu lesen. Trixi schaute sich begeistert die Bilder von den Tieren und der bunten Blumenwiese an. Sie kante den Text inzwischen auswendig, denn Nora musste ihn ihr jeden Abend vorlesen, seit sie die Broschüre erhalten hatte.

»Noch mal!«, flüsterte Trixi mit leuchtenden Augen.

»Aber dann wird das Licht ausgemacht!«

Trixi nickte mit einem strahlenden Lächeln, und Nora begann noch einmal von vorn zu lesen.

***

»Sie kommen! Sie kommen!«

Jasmin rannte eilig aus dem Haus, als sie das Taxi vorfahren sah.

»Ach, du lieber Himmel! Jetzt schon?« Christine ließ das Küchenmesser sinken und sah überrascht aus dem Fenster. Sie wollte ebenfalls eilig zur Tür gehen, doch dann drehte sie noch einmal um, zog ihre Küchenschürze aus und hängte sie über eine Stuhllehne. In einer der Glastüren prüfte sie ihr Spiegelbild, strich sich noch mal kurz über die Haare und folgte ihrer Nichte nach draußen.

Auch Jan kam gerade aus der Scheune. Er musste Jasmins Rufen gehört haben. Er stellte die Heugabel gegen die Mauer und wischte die Hände an seinem Karohemd ab. Christine sah ihren Bruder an.

»Bist du nervös?«, fragte sie mit einem leichten Lächeln.

»Na logo! Was denkst du denn?«

Christines Lächeln wurde breiter.

»Du nicht?«, fragte Jan verwundert.

»Doch, klar«, gab sie zu. »Aber das bekommen wir schon hin.«

Das Taxi rollte langsam auf den Hof. Drinnen saß ein blondes Mädchen, das seine Nase fest gegen die Fensterscheibe presste.

»Sieh nur! Da ist sie! Da ist sie!«, rief Jasmin, als sie das Mädchen entdeckte.

Aufgeregt machte sie sich von Christines Hand los und lief winkend auf das Auto zu. Das Mädchen im Taxi winkte erfreut zurück.

Das Auto kam zum Stehen, und die Fondtür wurde geöffnet. Als Erstes sprang das kleine blonde Mädchen aus dem Fahrzeug.

»Ich bin Trixi!«, sagte sie. »Und wer bist du?«

»Ich heiße Jasmin! Willst du unsere Häschen sehen?«

»Au ja, darf ich, Mama?«

»Na klar«, sagte eine warme Frauenstimme. »Aber sei vorsichtig!«

Das ließen sich die beiden Mädchen kein zweites Mal sagen. Sofort sausten sie davon.

Dann stieg die junge Frau aus dem Wagen. Sie trug einen beigefarbenen Blazer und eine schwarze Stoffhose. Beides ließ ihre feminine Figur äußerst gut zur Geltung kommen. Die Haare hatte sie zu einem Dutt zusammengebunden, sodass man zwei hübsche Perlenohrringe sehen konnte.

Jan staunte nicht schlecht. Etwas in seinem Brustkorb zog sich heftig zusammen, als die Frau ihre Sonnenbrille mit einer geschmeidigen Bewegung absetzte und sich für einen Moment auf dem Hof umsah.

Christine konnte es kaum glauben! Trug diese Frau tatsächlich Pumps mit Pfennigabsatz?! Wie, um alles in der Welt, sollte sie mit einer Businessfrau umgehen, die völlig overdressed war und sich vermutlich nur Sorgen um ihre Fingernägel machte?

Das konnte ja heiter werden …

»Willkommen auf dem Ferienhof Sonnental!«, sagte Jan überschwänglich.

Die junge Frau stakste mit ihren Pumps etwas unbeholfen über den geschotterten Hof auf die beiden zu.

»Ich bin Jan Hansen«, stellte sich der gut aussehende Mann vor. »Aber sagen Sie einfach Jan zu mir!«

»Nora Frey«, entgegnete die junge Frau mit einem warmen Lächeln, das sofort wieder ein aufregendes Gefühl in Jan entfachte, und streckte ihm die Hand entgegen.

Als er ihre weiche Haut berührte, knisterte es in seinen Fingerspitzen. Es war wie ein elektrischer Schlag.

Für einen Augenblick hielt Jan den Atem an, als Nora ihn mit ihren jadegrünen Augen von unten herauf mit einem elfenhaften Wimpernaufschlag ansah.

Verlegen räusperte sich Jan. »Ja … Und das ist meine Schwester Christine.«

»Hallo«, sagte auch Christine freundlich und schüttelte Nora ebenfalls die Hand. »Ich freue mich, Sie kennenzulernen.«

»Sagen Sie ruhig Du zu mir.«

»Sie … Du aber auch.«

Die beiden Frauen mussten lachen.

»Es freut mich, dich und deine Tochter bei uns begrüßen zu dürfen.«

»Ich freue mich auch sehr, hier zu sein. Es ist wunderschön!«

Nora atmete die warme Frühlingsluft ein. Endlich würde ihr Urlaub beginnen!

»Holen wir erst mal dein Gepäck!«, schlug Christine vor.

»Gerne.«

Nora stakste zum Taxi zurück. Der Fahrer hatte bereits alle Taschen aus dem Kofferraum geholt. Beherzt griffen Jan und Christine nach den Gepäckstücken, während Nora den Taxifahrer bezahlte.

»Komm, wir zeigen dir das Zimmer!«, sagte Jan und ging voran.

Bereits im Vorraum fiel Nora die liebevolle Einrichtung auf. Alles wirkte warm und gemütlich.

»Hier links sind die Küche und das Esszimmer, und rechts ist das Wohnzimmer. Wir müssen geradeaus nach oben«, erklärte Jan und erklomm die steile Holztreppe in den ersten Stock.

In Nora breitete sich ein wohliges Gefühl aus. Auch wenn sie nur einen kurzen Blick in die einzelnen Räume erhaschen konnte, fühlte sie sich sofort zu Hause. Mit klopfendem Herzen ging sie die knarrenden Stufen nach oben.

Auch in ihrem Zimmer erwartete sie diese Gemütlichkeit. Der Raum war hell und freundlich und hatte alles, was sie für den Aufenthalt brauchen würde. Auf einem kleinen Tischchen stand sogar ein Blumenstrauß. Und die zwei Betten mit kuscheligen Federkissen luden dazu ein, sich direkt hineinfallen zu lassen.

»Es ist wundervoll«, sagte sie leise, und ihr Lächeln strahlte mitten in Jans Herz.

»Das freut uns«, entgegnete er und stellte das Gepäck in der Nähe des Kleiderschrankes ab. »Dann lasse ich dich jetzt allein, damit du dich frisch machen kannst.«

»Oh, nein! Ich muss jetzt erst einmal schauen, was meine Tochter treibt.«

»Die beiden sind bestimmt bei den Hasen«, vermutete Jan. »Ich kann dich hinbringen und dir bei dieser Gelegenheit auch gleich den Hof zeigen, wenn du magst.«

»Gerne«, entgegnete Nora erfreut.

***

Jan stellte gerade die Teller auf den Tisch, als Christine mit einem Tablett ins Esszimmer kam.

»Ob Nora und Trixi gut geschlafen haben?«, fragte er besorgt und sah auf die Uhr.

»Bestimmt«, entgegnete Christine und stellte die Marmeladenschalen in die Tischmitte.

»Was meinst du, worauf die beiden Lust haben könnten? Vielleicht möchte Trixi mit Jasmin die Hasen füttern. Die haben ihr schon gestern so gut gefallen.«

Christine setzte sich hin und rührte sich Zucker in ihren Kaffee, während Jan nervös um den Tisch herumlief.

»Und ich könnte Nora fragen, ob sie Lust hat, sich mit mir um den alten Lutz zu kümmern.«

Christine nippte grinsend an ihrem Kaffee.

»Was ist daran so lustig?«, erkundigte sich Jan überrascht.

»Nichts.« Christine schmunzelte. »Ich glaube nur, dass daraus nichts wird.«

»Wieso? Sie hat sicherlich nicht nur Stöckelschuhe eingepackt. Und falls doch, kannst du ihr doch bestimmt ein paar von deinen Gummistiefeln leihen, oder?«

»Turnschuhe hat sie auf jeden Fall dabei«, sagte Christine.

»Was soll denn das heißen?«, fragte Jan verständnislos.

»Dass Nora vor ungefähr einer Dreiviertelstunde joggen gegangen ist.«

»Wirklich?« Jan sah sie ungläubig an. »Aber ich dachte, dass sie hier Urlaub macht …«

»Jedem das Seine.« Christine hob die Schultern und nippte wieder gelassen an ihrer Tasse. »Du kannst dich also ganz gemütlich hinsetzen und in Ruhe einen Kaffee mit mir trinken. Nora meinte, dass sie ungefähr gegen neun Uhr zurück sei.«

»Und was ist mit ihrer Tochter?«, fragte Jan, während er sich ebenfalls eine Tasse Kaffee eingoss.

»Trixi und Jasmin spielen schon den halben Morgen mit den Barbies. Nora hat vorgeschlagen, dass wir nachher alle zusammen frühstücken könnten. Sie wollte nicht, dass ich dich wecke.«

»Schade.« Jan nippte an seinem Kaffee. »Na ja, vielleicht können wir ja trotzdem mal etwas gemeinsam unternehmen … Und was steht für uns noch auf dem Programm?«, fragte er dann betont gleichmütig.

»Ich werde nachher den Ziegenstall ausmisten. Hilfe ist jederzeit gerne gesehen.«

»Na ja, mal sehen …«, gab sich Jan gespielt reserviert.

»Du bist unverbesserlich«, lachte Christine.

»Quatsch. Wenn du Hilfe brauchst, sag es ruhig!«

»Ach was. Das bekomme ich schon hin. Nächste Woche bist du ja dran, da kann ich mich erholen.«

»Das sind wirklich tolle Aussichten! Na gut, dann mache ich in der Zwischenzeit mal etwas Vernünftiges und lese die Zeitung«, sagte er zwinkernd.

Er stand auf, doch Christine merkte, dass er mit den Gedanken schon wieder ganz wo anders war.

»Wenn Nora so sportlich ist, hat sie vielleicht Lust, schwimmen zu gehen?«, griff er den Gedanken von vorhin wieder auf.

Christine grinste hinter ihrer Kaffeetasse. So wie es aussah, schien ihr Bruder großes Interesse an der jungen Frau zu haben …

***

Jan erkannte Nora schon von Weitem. Sie stand inmitten der blühenden Wiese und machte ein paar Dehnübungen.

Wie wundervoll sie ist!, dachte er mit einem leichten Lächeln auf den Lippen.

Als sie zum Hof zurückjoggte, rief er ihren Namen und ging auf sie zu.

Nora drehte sich überrascht um. Sie hatte sich ihr Handtuch in den Nacken gelegt und war noch leicht außer Atem.

»Oh, guten Morgen, Jan. Bist du auch schon aus den Federn gekrochen?«

»Ja. Ich muss dich vorhin wohl knapp verpasst haben«, sagte er schmunzelnd. »Aber wir haben mit dem Frühstück auf dich gewartet.« Er zwinkerte.

»Das ist nett«, sagte Nora gespielt überrascht und lächelte. »Ich springe noch schnell unter die Dusche. Fangt ruhig schon mal an!«

»Du bist wohl sehr sportbegeistert«, stellte Jan fest.

»Ach, na ja. Das ist nur ein bisschen Fitness. Ich habe einen strammen Trainingsplan.«

Jan spürte, wie sein Herz schneller schlug. Dann nahm er allen Mut zusammen.

»Hast du vielleicht Lust, heute Nachmittag im See schwimmen zu gehen?«

»Im See? Ist das nicht noch ein bisschen kalt?«

»Wir könnten auch ins Hallenbad gehen, wenn dir der See zu kalt ist«, setzte er mutig hinzu, aber als Nora lachte, fühlte er sich schrecklich dumm.

»Du lässt wohl nicht locker, was?« Nora nahm einen großen Schluck aus ihrer Wasserflasche, die sie auf der Fensterbank bereitgestellt hatte. »Das ist wirklich nett gemeint, aber ich muss noch eine Präsentation für die Arbeit fertigstellen.«

»Ach so … Verstehe …« Jan nickte niedergeschlagen.

»Vielleicht hat Trixi ja Lust, schwimmen zu gehen«, schlug Nora vor, da sie merkte, dass sie ihm wohl vor den Kopf gestoßen hatte. »Weißt du, wo sie ist?«

»Ich glaube, sie ist mit Jasmin bei den Ziegen.«

»Dann sehe ich schnell nach ihr.«

Jan nickte leicht, als sich Nora von ihm abwandte und auf das Freilaufgehege zusteuerte. In ihm war alles schwer geworden. Er hätte sie subtiler fragen sollen! Wie konnte er auch nur so blöd sein und gleich mit der Tür ins Haus fallen! Das war wirklich ungeschickt von ihm gewesen … Er stützte sich auf die Heugabel und sah Nora seufzend hinterher, als sie durch das Türchen die Wiese betrat.

»Trixi, mein Schatz!«

»Mami, Mami!« Trixi rannte auf ihre Mutter zu, die sie geschickt auffing und durch die Luft wirbelte. »Schau mal, Jasmin und ich füttern die Ziegen! Die fressen Kräuter total gerne. Christine hat uns extra welche gegeben, damit wir sie füttern können.«

Sofort kam eine meckernde Ziege hinter Trixi her und schnappte sich das Kräuterbüschel aus ihrer Hand.

»Hey!«, rief das Mädchen empört, aber dann musste sie doch lachen, als sie die Ziege so genüsslich kauen sah.

Nora lächelte zufrieden. So fröhlich war Trixi schon lange nicht mehr gewesen. Die Ferien taten ihrer Tochter gut. Nora wusste, dass sie ihrem Kind mehr Aufmerksamkeit schenken sollte, doch ihr Beruf nahm sie zurzeit sehr in Anspruch. Und in der heutigen Zeit konnte sie froh sein, dass sie überhaupt irgendwo eine feste Stelle hatte.

»Määhh«, protestierte die Ziege, und als Trixi ihr kein neues Kräuterbüschel hinstreckte, stupste sie sie mit ihrer warmen Nase an.

Das Mädchen gluckste begeistert und kraulte die Ziege am Hals. Jasmin streckte Nora den Kräuterkorb entgegen. »Hier, du kannst sie auch füttern!«

»Danke schön!« Nora nahm den Korb entgegen, ging in die Hocke und zog Trixi auf ihren Schoß. Dann verfütterten sie gemeinsam die letzten Kräuter. Nora hatte gar nicht gemerkt, dass Christine an den Zaun getreten war.

»Hey, ihr zwei Mädels! Habt ihr Lust, mir nach dem Frühstück beim Kartoffelschälen fürs Mittagessen zu helfen?«

»Au ja!«

Trixi klatschte begeistert in die Hände, sprang von Noras Schoß und lief mit Jasmin zum Gehegetürchen. Ehe sie es aufmachte, schaute sie sich bedacht um, dass keine Ziegen in der Nähe waren, die entwischen konnte, ganz so, wie es ihr Jasmin am ersten Tag gezeigt hatte.

Nora stand wieder auf und seufzte leise.

Wenn diese Ferien doch nie enden würden!, dachte sie und ging dann ebenfalls langsam auf das Türchen zu.

***

Es war kurz vor halb acht, als Nora leise die knarrende Treppe hinunterstieg. Sie wollte niemanden wecken, hatte jedoch das Gefühl, dass sie furchtbar laut war.

Als Jan das Knarren hörte, gab er Rauko ein Zeichen, und sofort fing der Labrador-Retriever an zu bellen.

»Ruhig, mein Großer«, sagte Jan übertrieben laut und kraulte den Hund. »Wir gehen ja gleich Gassi. Ich muss nur noch schnell meine Schuhe anziehen.«

Rika lag in der Ecke vor dem Kamin und hob fragend den Kopf. Sie winselte leicht, als Nora den Raum betrat.

Jan erkannte das Zeichen sofort und drehte sich um. Nora war so hübsch wie immer. Sie trug ein pinkfarbenes Tanktop und schwarze Dreiviertelhosen. Beides schmeichelte ihrem femininen Körper unsagbar. Ihr langes, braunes Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.

»Oh, guten Morgen, Nora«, sagte er gespielt überrascht. »Ich hoffe, wir haben dich nicht geweckt.«

Nora lächelte, als die schokoladenbraune Hündin auf sie zulief. Die junge Frau ging vor ihr in die Knie und kraulte der Hündin innig die Ohren.

»Nein, nein. Ich wollte gerade joggen gehen«, sagte sie lachend, da Rika von der Schmuseeinheit gar nicht genug bekam.

»Das trifft sich ja gut. Wir drei wollten nämlich gerade Gassi gehen.«

Nora musste ein Grinsen unterdrücken. So ganz konnte sie Jan die Geschichte nicht glauben, aber das war ja auch nicht so wichtig.

»Wir könnten doch zusammen gehen«, schlug Nora vor.

Warum denn auch nicht? Es gab nichts dagegen einzuwenden, mit ihm gemeinsam ein Stück spazieren zu gehen.

»Gerne, vorausgesetzt Rika geht überhaupt noch irgendwohin.«

Jan sah zweifelnd auf die Hündin. Rika hatte sich inzwischen auf den Rücken gedreht, alle vier Pfoten in die Höhe gestreckt und ließ sich von Nora genüsslich den Bauch kraulen.

»Sie ist so eine Süße. Was ist das für eine Mischung?«

»Ein Labrador-Retriever. Hast du auch einen Hund?«

»Nein, aber als ich klein war, hatten wir einen Bernhardiner. Der war auch so verschmust. Aber jetzt keine Müdigkeit vortäuschen! Sollen wir los?«

Als Nora aufstand, folgte ihr Rika sofort.

»Unfassbar!« Jan schüttelte ungläubig den Kopf. »Normalerweise ist sie eher schüchtern. Aber dich scheint sie richtig ins Herz geschlossen zu haben.«

Jan nahm die Hundeleinen von der Kommode und verließ mit Rauko im Schlepptau das Haus.

Als die vier eine Weile gegangen waren, begann Nora wieder, mit Rika zu spielen. Die Hündin bekam von der Frau gar nicht genug. Ständig tollte sie schwanzwedelnd um Nora herum, bellte begeistert und lief aufgeregt neben ihr her, wenn Nora wieder ein Stück joggte.

Rauko trabte währenddessen mit einem Stöckchen im Mund brav neben Jan her.

»Weißt du, dass ich mir anfangs gar nicht sicher war, ob es dir hier wirklich gefällt?«, gestand Jan, als Nora wieder neben ihm herlief.

»Doch, es ist toll hier! Wie kommst du darauf?«, fragte Nora überrascht.

»Na ja, als du aus dem Taxi ausgestiegen bist, hast du nicht sehr … hoftauglich ausgesehen.« Er sah Nora entschuldigend an. »Nicht, dass du nicht hübsch warst. Also ich meine …«

»Schon gut.« Nora winkte lachend ab. »Zugegeben, ich habe mir den Urlaub schon etwas anders vorgestellt, aber ich finde euer Konzept, dass die Gäste bei euch mithelfen können, sehr schön. So lernt man das Landleben richtig kennen. Das ist eine schöne Abwechslung von dem grauen Büroalltag.«

»Was machst du denn beruflich?«, fragte Jan interessiert.

»Ich arbeite in einem Pharmaunternehmen in Hamburg. Wir bringen Herzmittel auf den Markt. Zurzeit werte ich eine klinische Studie für ein stärkendes Tonikum aus.«

»Das klingt doch ganz spannend«, entgegnete Jan.

Nora musste lachen. »Das mag zwar so klingen, ist es aber leider gar nicht. Ich sitze hauptsächlich hinter dem Schreibtisch und werte Tabellen aus. Und wenn ich dann meinen Blick von den Zahlen hebe und aus dem Fenster schaue, sehe ich Hamburg im Regen. Jeden Tag!«

Jan musste herzhaft lachen. Nora sah ihn von der Seite an. Sie spürte auf einmal, wie gut es ihr tat, mit ihm zu reden. Dieser Mann sah nicht nur gut aus, sondern war auch sehr sympathisch …

»Du hast recht, das klingt wirklich nicht so spannend.«

»Trixi und ich sind jetzt erst seit wenigen Tagen hier, und uns tut der Urlaub so unglaublich gut! Es war wirklich eine der besten Entscheidungen hierherzukommen.«

»Du hast sonst nicht so viel Zeit für deine Tochter, oder?«, hakte Jan vorsichtig nach.

Nora presste die Lippen zusammen und schüttelte leicht den Kopf.

»Oh, verzeih! Ich wollte dir nicht zu nahe treten.«

»Nein, das ist es nicht«, sagte Nora schnell. »Der Job ist einfach sehr zeitintensiv …« Nora seufzte. »Ich würde zu gerne mehr Zeit mit meiner Tochter verbringen, aber man kann eben nicht immer, wie man will.«

Jan merkte, dass er einen Nerv getroffen hatte. Er wollte Nora nicht verletzen, und es fiel ihm schwer, sie so niedergeschlagen zu sehen. Sie hatte es bestimmt nicht einfach, neben der Arbeit auch noch ein Kind zu versorgen. Ob er sie fragen sollte, warum der Vater sie nicht unterstützte? Nein, besser nicht. Er wollte nicht noch mehr in ihr aufwühlen.

»Na ja«, sagte Nora dann etwas fröhlicher. »Umso mehr weiß man die wenigen schönen Tage zu schätzen.« Sie lächelte ihn herzlich an. »Wollen wir zurückgehen? Christine und die Kinder warten sicherlich schon mit dem Frühstück auf uns.«

Jan nickte. »Du hast recht. Wir sind eine ganze Weile unterwegs.«

Er pfiff seinen Hunden, die sofort hörten und durch die Wiese zu ihnen zurücktollten. Nora spürte auf einmal, wie gerne sie jetzt einfach nur seine Hand gehalten hätte und schweigend neben ihm zum Hof zurückgegangen wäre. Aber sie riss sich zusammen. Sicherlich meinte er es nur sehr nett, und sie wollte nach dem Desaster mit Björn nicht schon wieder enttäuscht werden.

Jan sah Nora von der Seite an. In ihr schienen eine ganze Menge Gefühle zu arbeiten. So gerne würde er ihr helfen! Wenn er doch nur wüsste, wie …

***

»Nora!« Andrea Bergen winkte ihrer Freundin zu. »Wie schön, dich endlich wiederzusehen!«

»Andrea!« Nora begrüßte die Notärztin mit zwei Wangenküsschen und setzte sich zu ihr an den Tisch. »Schön, dass es geklappt hat!«

Sie ließ ihren Blick über die anderen Gäste schweifen, die bei den milden Temperaturen ebenfalls auf der Terrasse saßen. »Was für ein gemütliches Café! Und direkt am Rhein! Bist du oft hier?«

Andrea lachte. »Immer wenn es die Zeit erlaubt, komme ich mit Werner hierher. Es ist fast ein bisschen, wie Urlaub. Apropos Urlaub, wie sind denn deine Ferien?«

»Oh, sie sind wundervoll! Der Ferienhof ist klasse! Trixi gefällt es richtig gut. Sie hilft überall mit, wo sie kann und darf.«

»Das ist wirklich ein tolles Konzept, das sich Jan und Christine da ausgedacht haben. Die beiden haben den Hof super renoviert. Als Werner und ich bei der Eröffnungsfeier da waren, bin ich ganz schön ins Staunen gekommen«, gestand Andrea. »Ich muss zugeben, dass ich dich ja schon ein bisschen um deine Ferien dort beneide.«

Nora lächelte. »Das glaube ich dir gerne. Alles ist so gemütlich. Und Christine und Jan sind richtig nett. Es fehlt uns an nichts!«

Ein Kellner kam, um die Bestellung der beiden Freundinnen aufzunehmen. Sie mussten nicht lange warten, bis ihnen ihr Kaffee gebracht wurde.

Andrea Bergen nippte an ihrer Tasse und sah Nora mit einem verschmitzten Lächeln an. »Du strahlst ja so«, sagte sie dann mit einem Zwinkern. »Liegt das nur an der Gastfreundschaft, oder gibt es da noch etwas anderes?«

Auf Noras Wangen breitete sich ein zartes Rosé aus. Sie lächelte verlegen.