Notärztin Andrea Bergen Sammelband 4 - Arztroman - Hannah Sommer - E-Book

Notärztin Andrea Bergen Sammelband 4 - Arztroman E-Book

Hannah Sommer

0,0
2,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

3 Romane lesen, nur 2 bezahlen!

Sammelband 4: Drei spannende Arztromane zum Sparpreis

Andrea Bergen ist eine Frau mit Wünschen und Sehnsüchten, doch ihr Leben stellt sie in den Dienst der Kranken. Erleben Sie die ebenso spannenden wie bewegenden Geschichten um die Notärztin und ihre Arbeit am Elisabeth-Krankenhaus. Es sind Geschichten, die das Leben schrieb, voller Menschlichkeit und Herzensgüte, aber auch von Schicksalsschlägen und Trauer.

Lassen Sie sich mitreißen von den gefühlvollen Arztromanen rund um die starke 'Notärztin Andrea Bergen'.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 1254 bis 1256:

1254: Dein Kuss sagt mehr als tausend Worte

1255: Auf ein neues Leben!

1256: Wo seid ihr nur?



Jetzt herunterladen und mitfiebern!


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv von © shutterstock: goodluz ISBN 978-3-7325-7066-9

Hannah Sommer, Liz Klessinger, Marina Anders

Notärztin Andrea Bergen Sammelband 4 - Arztroman

Inhalt

Hannah SommerNotärztin Andrea Bergen - Folge 1254Lächelnd prostet Andrea Bergen ihrer Kollegin Lore Keller zu, dann widmen sich die beiden Ärztinnen genüsslich den köstlichen Speisen auf ihren Tellern. Mit der Wahl des Restaurants Lindenhof für das Ärzte-Symposium ist ihnen ein wahrer Coup gelungen! Wohin man auch schaut, sieht man nur begeisterte Gesichter! Seit David Schell die Traditionsgaststätte von seinem Vater übernommen hat, kann sich der Lindenhof vor Gästen kaum noch retten. Das hat er vor allem seiner Lebensgefährtin Finja zu verdanken, einer wahren Künstlerin am Herd ... Doch ausgerechnet während des Dinners nach dem Symposium kommt es in der Küche zu einem handfesten Streit, nach dem Finja den Lindenhof verlässt! David scheint die Trennung von seiner Freundin nicht verwinden zu können, und mit dem Restaurant und seinem Besitzer geht es mehr und mehr bergab ...Jetzt lesen
Liz KlessingerNotärztin Andrea Bergen - Folge 1255Entschlossen öffnet die hübsche Bianca Stockhaus ihren Kleiderschrank, denn die Worte der Notärztin Andrea Bergen wollen ihr nicht mehr aus dem Sinn gehen: "Sie dürfen sich nicht zum Sklaven Ihrer Krankheit machen! Gehen Sie an einem Regentag ruhig einmal an die Luft!" Seitdem Bianca an einer schweren Form von Heuschnupfen erkrankt ist, lebt sie nur noch hinter dicken Mauern. Doch auch in ihrer Wohnung nehmen die Nies- und Hustenattacken immer mehr zu. Und die Medikamente verlieren zunehmend ihre Wirkung! Längst weiß Bianca schon nicht mehr, wie sich Sonnenstrahlen auf ihrer Haut anfühlen. Ihr einst so glückliches Leben ist unvermutet zu einem Albtraum geworden... Als Bianca nun nach ihrer Jacke greift, spürt sie den ihr schon vertrauten Ring, der sich um ihren Hals legt und ihr die Luft abpresst. Hilflos ringt sie nach Atem, taumelt zur Wohnungstür und reißt sie auf. "Hilfe!", will sie schreien, doch da wird alles schwarz um sie herum...Jetzt lesen
Marina AndersNotärztin Andrea Bergen - Folge 1256Aufgeregt tastet sich der dreizehnjährige Mark an der kalten Höhlenwand entlang. Endlich ist es ihm einmal gelungen, den Argusaugen seiner überängstlichen Mutter zu entkommen und die verborgene Höhle im Wald zu erkunden. Da werden die Jungs aus seiner Klasse staunen, wenn er, "Mark-Hasenfuß", als Erster hier heruntersteigt! Oder sich grün und blau ärgern, dass er ihnen zuvorgekommen ist! Doch als Mark sich weiter vorwagt, kriecht ihm die Feuchtigkeit der unterirdischen Grotte in die Kehle, und ein stählerner Ring legt sich um seinen Hals! Oh nein, ein Asthmaanfall naht! Verzweifelt packt Mark nach seiner Gürteltasche, in dem er sein Notfallspray verwahrt - und greift ins Leere! Er muss die Tasche verloren haben! Hii-hilfe!, will Mark schreien, doch über seine Lippen kommt nur ein Röcheln. Ich will nicht sterben!, ist alles, was er noch denken kann, bevor er das Bewusstsein verliert...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Dein Kuss sagt mehr als tausend Worte

Vorschau

Gerade bin ich kurz im Lindenhof eingekehrt, um bei einem Kaffee ein wenig mit dem neuen Wirtspaar David Schell und Finja Wendler zu plaudern. Doch leider habe ich Finja nicht mehr angetroffen. Die sympathische, sehr talentierte junge Köchin hat David nach einem heftigen Streit verlassen und ist fest entschlossen, nicht mehr zu ihm zurückzukehren. Dabei hatte sich der Lindenhof nach der Neueröffnung zu einem echten Geheimtipp gemausert! Scharenweise strömten die Gäste herbei, um Finjas ausgefallene Köstlichkeiten zu genießen. Doch das ist nun Vergangenheit. Die Gäste bleiben zunehmend aus – und David kann die Raten für den Kredit nicht länger tragen. Es ist, als hätten den jungen Mann mit Finja alles Glück und aller Mut verlassen …

Andrea Bergen schlüpfte in ein rotes Cocktailkleid und betrachtete sich prüfend im Spiegel an der Schranktür.

»Hübsch siehst du aus«, sagte ihr Mann Werner und schloss ihren Reißverschluss.

»Das muss schließlich gefeiert werden, wenn die ganze Familie Bergen mal Zeit hat, gemeinsam essen zu gehen«, entgegnete Andrea und legte ihre tropfenförmigen Brillantohrringe an.

Zwar aßen die Bergens normalerweise gemeinsam zu Abend, doch oft mussten sie dabei auf Andrea verzichten. Als Notärztin am Elisabeth-Krankenhaus musste sie häufig viele Nacht- und Doppelschichten übernehmen. Doch jetzt, während der Sommerferien, hatte auch Andrea Bergen zwei Wochen Urlaub bewilligt bekommen.

»Ist das das Kleid, das ich dir zu unserem letzten Hochzeitstag geschenkt habe?«

Andrea Bergen musste lächeln. »Du erinnerst dich daran?«, fragte sie überrascht.

»Natürlich. Wenn eine Frau so bezaubernd aussieht, erinnert sich wohl jeder Mann an sie. Vor allem, wenn er das Glück hat, mit ihr verheiratet zu sein.«

»Du bist so ein Schmeichler!« Andrea Bergen verdrehte lachend die Augen.

»Und genau deshalb liebst du mich«, ergänzte Werner neckend, während er sich mit den Manschettenknöpfen abmühte.

»Stimmt.« Andrea legte eine Hand an seine eine Wange und hauchte ihm einen Kuss auf die andere. »Komm, ich helfe dir.«

Sichtlich erleichtert hielt Werner seiner Frau den Arm entgegen, sodass Andrea mühelos die Manschettenknöpfe befestigen konnte. Dann steckte sie sich gekonnt ihre dunkelblonden Haare in einem eleganten Knoten zusammen.

»Seid ihr so weit?«, rief Werners Mutter Hilde aus dem unteren Stockwerk.

Andrea Bergen mochte ihre Schwiegermutter sehr gerne. Die beiden verstanden sich hervorragend und kamen gut miteinander aus.

»Ja, wir kommen«, antwortete Werner.

Er wartete, bis Andrea in ihre schwarzen Pumps gestiegen war, dann bot er ihr den Arm an. Sie hakte sich unter, und gemeinsam verließen sie das Schlafzimmer.

»Wow«, staunte Franzi, die Adoptivtochter der Bergens, die bereits ungeduldig an der Tür wartete, als ihre Eltern die Treppe herunterkamen.

»Selber wow, kleine Maus«, sagte Werner und stupste seiner Tochter liebevoll auf die Nase.

Franzi trug ein geblümtes Sommerkleid und hatte sich von ihrer Großmutter einen französischen Zopf flechten lassen. Stolz zeigte sie ihn ihrer Mutter.

»Schau mal, Omi Hilde hat mich heute frisiert.«

»Das sieht ja toll aus«, lobte Andrea Bergen, und Franzi strahlte.

Auch Hilde hatte sich in Schale geworfen. Sie trug eine schwarze Stoffhose und eine kobaltblaue Bluse, die besonders gut zu ihrem silbergrauen Haar passte.

»Können wir los?«, fragte Werner schließlich. »Ich habe einen Bärenhunger.«

Zusammen verließ Familie Bergen das Haus.

»Wollt ihr mir jetzt verraten, wohin ihr mich entführt?«, fragte Andrea neugierig, als Werner den Wagen startete.

»Wir haben einen Tisch im Lindenhof reserviert«, sagte er.

»Im Lindenhof?«, fragte Andrea überrascht. »Da waren wir ja schon ewig nicht mehr.«

»Eben deshalb dachte ich, dass wir ja mal wieder dorthin gehen könnten.«

Andrea Bergen freute sich auf die gemütliche Gaststätte und ihre gutbürgerliche Küche. Seit vor ein paar Jahren die Besitzerin und Köchin Charlotte Schell gestorben war, hörte man kaum noch etwas von dem einst so beliebten Lokal.

Als die Familie Bergen etwa eine Viertelstunde später den Gasthof betrat, sah sich Andrea verwundert um. Es hatte sich wirklich rein gar nichts verändert. Alles schien wie ein Andenken an Charlotte: Auf den robusten Holztischen lagen noch immer die beigefarbenen Leinentischdecken, die sie damals mit Ähren, Kornblumen, Klatschmohn und Kamillenblüten bestickt hatte. Auch die grünen Samtvorhänge hingen noch an den Fenstern, doch zusammen mit der dunklen Holzvertäfelung schluckten sie viel Licht.

»Hildchen!«, rief plötzlich jemand.

Es war Hans Schell, der Besitzer des Lindenhofs. Hilde und er kannten sich schon lange und waren gute Freunde. Als seine Frau Charlotte noch gelebt hatte, waren sie öfter zum Kartenspielen bei den Bergens vorbeigekommen oder hatten ein paar Ausflüge unternommen. Doch seit dem Tod seiner Frau hatte Hans sich mehr und mehr zurückgezogen.

Mit raschen Schritten kam der untersetzte, ältere Herr auf seine Gäste zu, doch Andrea Bergen entging nicht, dass er leicht humpelte. Er schien beim Laufen Schmerzen zu haben, ließ sich jedoch nichts anmerken.

»Wie schön, dich zu sehen!« Hans begrüßte Hilde mit zwei Wangenküsschen. »Und deine Familie.« Herzlich schüttelte er den anderen die Hand. »Wie geht es Ihnen?«

»Danke, ganz gut«, antwortete Werner Bergen. »Wir genießen unsere gemeinsamen Sommerferien.«

»Ja, das muss sein«, sagte Hans nickend und zwinkerte Franzi zu.

»Und wie geht es dir?«, erkundigte sich Hilde.

»Ach«, Hans winkte beschwichtigend ab. »Es muss. Du weißt ja, welche Wehwehchen man im Alter so bekommt. Mal zwickt es hier, dann drückt es da. Aber ihr seid sicherlich nicht hier, um euch meine Klagen anzuhören. Kommt, setzt euch!«

Er führte seine Gäste zu einem Tisch am Fenster mit Blick auf die Linde, die im Innenhof stand. Dann nahm er das »Reserviert«-Schildchen vom Tisch und trug es zum Tresen. Als er zurückkam, überreichte er jedem eine Speisekarte und zückte anschließend einen kleinen Schreibblock.

»Was darf ich zu trinken bringen?«

»Für mich eine Orangenlimo, bitte«, bestellte Franzi.

»Ist notiert, junge Dame. Und was möchten die Erwachsenen? Darf ich Ihnen einen Wein anbieten?«

»Gerne«, sagte Werner. »Was können Sie uns empfehlen?«

»Ich habe einen sehr guten halbtrockenen Rotwein, der hervorragend zum Ratsherrentopf passt.«

»Das nehme ich!«, sagte Werner begeistert und klappte sofort seine Karte zu. »Und dazu bitte die Rosmarinkartoffeln. Die sind hier nämlich besonders lecker.«

Hans notierte sich Werners Bestellung.

»Und was darf es für die Damen sein?«

»Gibt es das Curry-Huhn auf Wildreis von der Tageskarte noch?«, erkundigte sich Andrea.

»Ja, da ist noch etwas da. Und dazu einen lieblicheren Weißwein?«

»Gerne«, sagte sie und klappte ebenfalls mit einem Lächeln die Speisekarte zu.

»Für mich bitte ein Schnitzel mit Pommes und Ketchup«, bestellte Franzi.

»Und was darf es für dich sein, Hildchen? Wie immer das Dänische Omelette?«

»Ganz genau«, sagte Hilde.

»Mit Tomaten, Schnittlauch, Rucola«, erinnerte sich Hans und schrieb die Bestellung auf.

»… und mit Bratkartoffeln«, sagten sie da wie aus einem Mund und mussten beide lachen.

Hans entfernte sich und bereitete die Getränke vor.

»Es ist schön, ihn nach alldem wieder lachen zu sehen«, sagte Hilde leise. »Der Tod seiner Frau hat ihn sehr mitgenommen.«

»Verständlich«, meinte Andrea Bergen mitfühlend. »Die beiden waren ja mehr als vierzig Jahre verheiratet. Er hat nichts geändert, weder die Einrichtung noch die Gerichte auf der Speisekarte. Alles erinnert noch immer an sie.«

»Schade nur, dass so wenig Gäste hier sind«, sagte Hilde bedauernd.

Auch Andrea Bergen war aufgefallen, dass die Gaststätte kaum besucht war. Außer ihnen war nur noch ein älteres Ehepaar da, und ein Mann bestellte gerade ein Essen zum Mitnehmen, als Hans die Getränke bringen wollte.

Einige Zeit später saß die Familie Bergen schlemmend am Tisch. Hans trat aus der Küche und legte seine Kochschürze ab. Glücklich sah er ihnen beim Essen zu. Er freute sich immer, wenn es seinen Gästen schmeckte und sie zufrieden waren.

»War alles recht?«, fragte er schließlich.

»Es war alles ganz vorzüglich«, lobte Andrea Bergen genießerisch, und die anderen pflichteten ihr bei.

Hans wurde ein wenig verlegen. »Na ja. Charlotte hat viel besser gekocht als ich. Irgendwie wollen mir die Gerichte nicht so gelingen wie ihr.«

»Das wäre bei mir sicherlich auch so, wenn ich versuchen würde, wie Hilde oder Andrea zu kochen«, versuchte Werner Bergen, ihn zu trösten.

Hans musste lächeln. »Nein, nein. An der Begabung liegt es nicht. Es ist eher so, als fehlte bei jedem Gericht immer irgendeine Zutat oder ein Gewürz. Aber ich komme einfach nicht darauf, was es sein könnte.«

»Hatte Charlotte nicht ein Rezeptbuch?«, erinnerte sich Hilde.

»Doch schon, aber es ist unauffindbar. Fast so, als wäre es mit ihr verschwunden.«

»Ich fand es jedenfalls auch lecker«, sagte Franzi und stippte zufrieden ihre letzte Pommes ins Ketchup.

»Das freut mich, junge Dame«, sagte Hans, und auf seinem Gesicht breitete sich ein Lächeln aus.

»Komm doch mal wieder zum Kartenspielen vorbei!«, schlug Hilde vor. »Wir könnten einen vierten Spieler gut gebrauchen.«

»Warum eigentlich nicht?«, entgegnete Hans, und verschmitzt fügte er hinzu: »Aber ihr müsst mich gewinnen lassen. Mein Arzt sagt nämlich, dass ich mich mit meinem hohen Blutdruck nicht zu sehr aufregen darf.«

»Na, darüber sprechen wir noch mal«, sagte Hilde lachend und hob mahnend den Zeigefinger.

»Vielleicht kann ich dich ja mit einem Kuchen bestechen, Hildchen? Ich habe gerade einen Apfelstrudel aus dem Backofen geholt.«

»Au ja!«, freute sich Franzi. »Mit Eis, Schlagsahne oder Vanillesoße?«

»Wenn du willst, mit allem.«

Franzi nickte eifrig und strahlte begeistert.

»Und für Sie?«

»Überraschen Sie uns!«, sagte Andrea Bergen glücklich.

***

»Für Tisch achtzehn einmal Chili con Carne und die Enchiladas mit den Putenbruststreifen und Blattspinat, pronto!«, rief Ramon Gonzalez in die Küche.

Finja Wendler sah seufzend auf die Uhr. Die neuen Gäste würden ihren Feierabend wohl noch mal um eine gute Stunde verschieben.

»Soll ich die Putenbrust anbraten?«, fragte Anne, eine hübsche blonde Küchenhilfe mit strahlend blauen Augen.

»Ja, bitte.«

Finja lächelte dankbar. Als sie vor ein paar Jahren den Job als Köchen im Espitaz angenommen hatte, war Anne ihr sofort sympathisch gewesen, und schon wenig später waren sie gute Freundinnen geworden. Anne sah immer, wo es fehlte, oder Finja Hilfe brauchte. Sie musste auch jetzt nichts sagen, denn gerade reichte sie ihr den Teller mit den Tortillafladen.

»Danke schön.«

Finja nahm zwei Tortillas, bestrich sie mit Tomatensoße und belegte sie mit dem Blattspinat und den Putenbruststreifen, die ihr Anne in der brutzelnden Pfanne überreichte. Sie würzte alles pikant und rollte gekonnt die Fladen. Dann streute sie geriebenen Käse darüber und schob die Enchiladas in den Ofen. Während der Cheddar zerlief, arrangierte sie den Salat und formte den Reis. Dann gab sie die Enchiladas auf die Salatblätter und rundete alles mit dem Sauerrahm-Dip ab.

Sie reichte Ramon den Teller hinaus, dann machte sie sich an die Vorbereitungen für den nächsten Tag.

»Soll ich die Guacamole zubereiten?«, bot sich Anne an. »Dann kannst du die Gemüselieferung und die Hähnchen prüfen.«

»Gerne, aber achte bitte darauf, dass sie nicht zu sauer wird!«

»Okay, mache ich«, sagte Anne, und ging sofort an die Arbeit, während Finja in der Kühlkammer verschwand.

»Alles in Ordnung«, sagte Finja, als sie wenig später zurückkam. »Und bei dir?«

Anne verzog den Mund. »Was ist los? Hat etwas mit der Guacamole nicht geklappt?«

»Doch, da ist alles gut. Aber Tisch achtzehn hat noch zweimal das Ananasdessert bestellt.«

Finja seufzte. »Auf Wiedersehen, Feierabend …«, sagte sie und begab sich wieder an den Herd, um den Sherry aufzukochen.

Als sie das Dessert rausgegeben hatten und die Küche aufgeräumt war, trafen sich die beiden Frauen im Umkleideraum.

»Heute war es ganz schön anstrengend«, sagte Anne, als sie ihre Kochjacke in die Wäsche warf.

»Dann warte mal bis morgen! Da hat sich eine zehnköpfige Familie zur Geburtstagsfeier angekündigt. Natürlich abends, zum Hauptandrang.«

»Davon weiß ich gar nichts.«

Verwundert drehte sich Finja zu ihr um. »Echt nicht?«

Anne schüttelte den Kopf. »Ramon hat mir morgen freigegeben.«

Finja stieß entnervt die Luft aus. »Das ist unmöglich! Hast du morgen schon etwas vor?«

»Nein, noch nicht. Soll ich helfen kommen?«

»Das wäre gut.« Finja löste ihren Haarknoten, und die hellbraunen Locken fielen ihr augenblicklich weit über den Rücken. Sie ordnete sie mit ihren Fingern, und nach einem prüfenden Blick in den Spiegel sagte sie: »Dann werde ich mal zu Ramon gehen, und ihn fragen, ob er deine Schicht ändert.«

»Warte, ich komme mit! Dann meckert er vielleicht weniger, weil er mich nicht extra anrufen muss.«

Finja musste grinsen, als sie gemeinsam den Umkleideraum verließen. Ramon um etwas zu bitten war nie einfach. Meistens machte er schon aus den kleinsten Problemen ein riesengroßes Drama. Er selbst behauptete, dass es an seinem mexikanischen Temperament lag.

Wahrscheinlich war es aber eher die Sorge um sein Restaurant. Die Kundenzufriedenheit lag ihm besonders am Herzen, weshalb er auch häufig selbst bediente. Leider hatte er deshalb kaum Einblick, wie stressig die Arbeit in der Küche war, sodass Finja um jede helfende Hand ihrer Beiköche und Küchenhilfen kämpfen musste. Das war jedoch auch gleichzeitig ein Vorteil, denn so kam es kaum vor, dass er Finja eine Bitte abschlug.

»Ramon?«, fragte Finja diskret.

Ramon drückte seinem Kellner einen Stapel Tischdecken in die Hand und klopfte ihm auf die Schulter. »Ah, die Señoritas sind noch da«, sagte er und kam auf die beiden zu. »Was gibt es, Finja?«

»Ich wollte fragen, ob Anne morgen arbeiten kann.«

»Warum?« Ramon sah sie unglücklich an. »Ich habe dir doch für morgen Ulf zugeteilt.«

»Ja, aber er ist doch noch in der Ausbildung«, versuchte Finja, so ruhig wie möglich zu erklären. »Es wäre besser, wenn ich für die Geburtstagsfeier einen ausgebildeten Beikoch an meiner Seite hätte.«

»Aber Gregor ist noch im Urlaub«, sagte Ramon verzweifelt. »Und Anne arbeitet dann sieben Tage in Folge.«

»Das macht mir wirklich nichts aus«, versuchte Anne, so sanft wie möglich zu erklären. »Ich nehme mir dann einfach am Mittwoch frei.«

»Ist das wirklich in Ordnung für dich?« In Ramons Stirn hatten sich tiefe Falten gegraben. »Nicht, dass es dann irgendwann Beschwerden gibt.«

Anne warf Finja einen amüsierten Blick zu. »Es ist völlig in Ordnung«, versicherte sie. »Ich komme dann gegen dreizehn Uhr und helfe bei den Vorbereitungen.«

»Besprich mit Finja, wann sie dich braucht! Das kann ich nicht entscheiden.«

»Da werden wir uns schon einig«, versicherte Finja mit einem zuversichtlichen Lächeln.

»Gut, gut. Dann wünsche ich den beiden Señoritas einen schönen Feierabend.«

»Danke gleichfalls«, entgegneten die Frauen und verließen das Restaurant.

Finja hakte sich bei Anne unter, und gemeinsam liefen sie zum Parkplatz.

»Gehst du gleich nach Hause?«, fragte Anne, als sie an ihrem Auto angekommen waren.

»Nein, ich wollte noch zu David. Wenn ich mich beeile, bekomme ich vielleicht noch den Bus.«

»Komm, steig ein, ich fahr dich!«

***

»Lass stehen, Vater, ich mache das!« David Schell nahm Hans den Stapel mit den Tellern ab und stellte sie in die Spülmaschine. Hans setzte sich erleichtert auf die Eckbank in der Küche und sah seinem Sohn bei der Arbeit zu.

»Danke, mein Junge«, sagte er mit rauer Stimme. »Heute macht mir meine Hüfte wieder zu schaffen.«

»Du musst das dringend untersuchen lassen«, sagte David besorgt.

»Ach, das bringt doch auch nichts. Der Hausarzt meinte, dass es Arthrose sein könnte. Gesunde Ernährung und regelmäßige Bewegung hat er mir verordnet. Aber das habe ich ja alles hier in der Küche. Vor allem, wenn irgendwann wieder mehr Leute kommen.«

David mochte dieses Thema nicht. Es nahm ihn immer mit, wenn er seinen Vater so niedergeschlagen sah, weil kaum noch Gäste kamen. Er wusste, wie sehr Hans am Lindenhof hing. Es war alles, was ihm noch von seiner Frau Charlotte geblieben war. Deshalb hatte er auch seit ihrem Tod nichts verändert. Sogar ihre Gerichte versuchte er, nach bestem Wissen nachzukochen.

»Gibt es für morgen Reservierungen?«, fragte er deshalb vorsichtig.

»Zwei für den Mittagstisch und eine für den Abend.«

»Soll ich etwas vorbereiten?«

»Nein, vielen Dank. Das schaffe ich morgen schon. Ich wollte Charlottes Rosmarin-Kartoffelgratin zubereiten.«

»Den hast du schon lange nicht mehr gemacht«, sagte David verwundert.

»Ja, ich komme einfach nicht auf die fehlende Zutat. Aber morgen möchte ich es noch einmal versuchen. Bringst du mir vom Markt frischen Rosmarin mit? Und eine Nuss vom Schwein. Ich will abends Rouladen anbieten.«

»Okay. Brauchst du sonst noch etwas?«

»Sommergemüse. Aber achte auf die Qualität! Es muss schön frisch und knackig sein.«

»Das weiß ich doch, Vater«, sagte David mit einem Lächeln. »Das sagst du mir beinahe jeden Tag, wenn ich auf den Markt fahre.«

»Ach, David …« Hans stand auf und ging auf seinen Sohn zu. Er nahm seine Hände und drückte sie sanft. »Weißt du, Kinder werden so schnell erwachsen …«

»Geh nach Hause und leg dich hin!«, sagte David sanft. »Heute war ein anstrengender Tag für dich. Ich erledige hier den Rest.«

Hans tätschelte seinem Sohn liebevoll die Wange.

»Bist ein guter Junge«, sagte er leise. »Deine Mutter wäre stolz auf dich.«

Dann drehte er sich um und nahm seine Jacke vom Haken.

»Vater, warte!«, rief David, als Hans gerade durch den Hintereingang gehen wollte. »Nimm das Auto.« Er reichte ihm die Schlüssel. »Ich laufe nachher nach Hause.«

Hans lächelte dankbar und verabschiedete sich. David ging in die Kühlkammer, um die Bestände zu prüfen und einen Einkaufszettel für den kommenden Tag zu schreiben.

»Hast du etwas vergessen?«, fragte er, als er kurze Zeit später die Tür wieder hörte.

»Nein, ich bin deinetwegen hier …«, entgegnete eine sanfte Frauenstimme.

David trat aus der Kühlkammer. »Finja«, sagte er überrascht. »Ich dachte, es sei Vater …«

»Na, hör mal, so alt sehe ich nun wirklich nicht aus.« Die junge Frau legte ihre Arme um seinen Hals und küsste ihn zärtlich. »Hallo, mein Schatz«, flüsterte sie.

»Hey«, sagte David und erwiderte ihren Kuss. »Wie war dein Tag?«

»Frag besser nicht … Im Espitaz ging es drunter und drüber. Kurz vor Feierabend kamen noch mal zwei Gäste, sodass wir Überstunden machen mussten. Und wie war es bei euch?«

David seufzte. »Ich wünschte, bei uns wäre es so voll.«

»Waren es heute wieder so wenig?«

»Es könnte voller sein.«

Finja streichelte Davids Arm. »Irgendwann werden die Gäste schon wieder kommen, David. Mach dir keine Sorgen!«

»Ich hoffe, bald. Vater leidet sehr darunter.«

Für einen Moment war es still.

»Komm, ich helfe dir beim Aufräumen!«, sagte Finja aufmunternd und gab David nochmals einen Kuss.

»Aber du bist doch auch müde, Finja. Du hast ebenfalls den ganzen Tag gearbeitet.«

»Halb so wild«, tat Finja ab. »Je schneller wir fertig sind, desto rascher habe ich dich heute Abend ganz für mich allein.« Sie stand auf und machte sich an den übrigen Abwasch, der nicht in die Spülmaschine gepasst hatte.

»Du bist ein Schatz«, sagte David und küsste seine Freundin auf die Wange. »Ich gehe draußen aufstuhlen und durchwischen.«

Als Finja fertig war, half sie ihm, den Gastraum aufzuräumen. Sie wischte Staub, goss die Blumen auf der Fensterbank und deckte die Tische neu ein.

»Soll ich noch etwas in der Küche vorbereiten?«, fragte sie, als sie fertig waren.

»Nein, Vater möchte das morgen selbst erledigen. Lass uns nach Hause gehen.«

Er nahm Finjas Lederjacke vom Haken und half ihr hinein. Dann schaltete er die Lichter aus und schloss das Restaurant ab.

Hand in Hand liefen Finja und David nebeneinander durch die laue Sommernacht. Der Himmel war sternenklar.

»Ein wundervoller Abend, findest du nicht?«, fragte David leise.

»Mhm«, flüsterte Finja glücklich. »Sieh mal, eine Sternschnuppe!«

David blieb stehen und sah in den Nachthimmel. Glücklich zog er Finja an sich.

»Was hast du dir gewünscht?«, fragte er leise.

»Das darf man nicht verraten«, antwortete sie.

»Und wenn du noch einen Wunsch freihättest, was würdest du dir dann wünschen?«

»Ich hätte gerne mein eigenes Restaurant«, sagte Finja leise, als sie langsam weiterliefen. »Bei Ramon gebe ich zwar die Anweisungen in der Küche und dirigiere das Personal, aber ich würde auch gerne die Speisekarte aufsetzen und nach meinen eigenen Vorstellungen kochen. Und du? Was würdest du dir wünschen?«

David legte den Arm um seine Freundin.

»Ich würde mir wünschen, dass der Lindenhof wieder besser besucht wird. Für Vater …«

***

»Hallo, Chefin«, grüßte der Rettungsassistent Ewald Miehlke die Notärztin, als sie sich bei Dienstantritt auf dem Gang begegneten.

»Hallo, Ewald. Wie schön, Sie zu sehen!«, sagte Andrea Bergen erfreut. »Wie war Ihr Irlandtrip?«

»Herrlich. Die Burgen und Schlösser dort sind wirklich atemberaubend. Und erst die Gärten …«, schwärmte Ewald träumerisch. »Und bei Ihnen?«

»Mein Urlaub war wunderbar«, sagte Andrea Bergen, als sie den Bereitschaftsraum betraten. »Endlich hatte ich wieder Zeit mit meiner Familie. Das war sehr schön.«

»Ach, hallo, ihr zwei!«, begrüßte Jupp Diederichs, der Fahrer des Rettungsteams, seine Kollegen, nahm den Kaffee aus der Maschine und goss sich eine Tasse ein. »Na? Seid ihr wieder taufrisch aus den Ferien zurück?«

»Ja. Wir haben gerade ein paar Urlaubserlebnisse ausgetauscht«, sagte Andrea Bergen. »Wie waren denn Ihre Ferien?«

»Sehr schön. Meine Frau und ich sind mit den Kindern an die Nordsee gefahren. Bekannte haben dort ein Ferienhäuschen«, sagte Jupp und stellte zwei weitere Tassen auf den Tisch, die er ebenfalls mit Kaffee füllte. »Und du, Ewald? Hast du eine hübsche Gräfin kennengelernt und bist jetzt stolzer Schlossherr auf einem wundervollen Anwesen in Irland?«

»Leider nicht«, sagte Ewald gespielt bekümmert. »Aber um ein Haar wäre ich Schäfer geworden …«

»Schäfer?«, fragte Andrea Bergen überrascht. »Wie denn das?«

Doch ehe Ewald antworten konnte, piepste Andreas Pager durchdringend.

»Einsatz«, sagte sie knapp und las die Informationen von dem kleinen Display. »Fünfundsechzigjähriger Mann, Schmerzen in der Hüftgegend nach Sturz.«

»Mein Kaffee«, murrte Jupp, als er sich den Notfallkoffer schnappte und mit seinem Team in die Fahrzeughalle sprintete.

»Ich koche dir später einen neuen«, versprach Ewald großzügig und kletterte zusammen mit den anderen in den Rettungswagen.

»Rettungsleitstelle an RTW Elisabeth-Krankenhaus«, kam es da auch schon knackend aus der Funkanlage.

»RTW Elisabeth-Krankenhaus hört«, funkte Andrea Bergen zurück.

»Ihr Patient befindet sich in der Gaststätte Lindenhof, Kirchfelder Straße einhundertfünfzehn.«

»Verstanden«, sagte Andrea Bergen, und ein kalter Schauer jagte über ihren Rücken. »Haben Sie noch einen Namen?«

»Hans Schell«, rauschte es aus dem Funker.

»Danke und aus.« Andrea Bergen hängte das Mikrofon ein. »Das ist ein Bekannter meiner Schwiegermutter. Erst vor einer Woche waren wir in seiner Gaststätte essen.«

»Na, dann los!«, sagte Jupp und schaltete das Blaulicht ein.

Grelle Blitze zuckten durch die Fahrzeughalle. Jupp fuhr die Ausfahrt des Krankenhauses entlang und fädelte sich auf die gut befahrene Straße in den Vormittagsverkehr ein. Als er sich zwischen den Autos hindurchschlängelte, schaltete er das Martinshorn ein, um besser voranzukommen. Andrea Bergen hielt sich am Haltegriff fest und sah auf die vorbeifliegenden Häuserfronten. Hoffentlich konnte sie Hans Schell helfen!

»Wissen Sie denn von irgendwelchen Vorerkrankungen?«, fragte Ewald laut gegen die Sirene.

Andrea rief sich in Gedanken noch einmal den kompletten Nachmittag vor Augen. »Er hat zu hohen Blutdruck«, erinnerte sie sich. »Und er humpelte ein wenig, fast so, als hätte er Schmerzen beim Gehen.«

»Das ist doch schon mal was«, sagte Jupp.

»Da winkt jemand«, rief Ewald und deutete auf eine Frau am Straßenrand.

Jupp fuhr den Rettungswagen auf den kleinen Parkplatz vor der Gaststätte. Eilig stieg das Einsatzteam aus. Jupp griff nach dem Notfallkoffer, während Andrea vorauseilte.

»Hallo«, rief sie der Frau entgegen. »Mein Name ist Dr. Andrea Bergen. Ich bin die Notärztin.«

»Finja Wendler«, stellte sich die hübsche Brünette vor. »Gut, dass Sie da sind! Hans ist in der Küche ausgerutscht und kann nicht mehr aufstehen …«

Finja führte das Team rasch in die Küche der Gaststätte.

»Frau Dr. Bergen«, sagte Hans Schell überrascht, als Andrea und ihr Team zu ihm traten.

Andrea war ein wenig erleichterter. Ihr Patient war bei vollem Bewusstsein.

»Hallo, Herr Schell.« Die Notärztin kniete sich neben den älteren Mann. »Können Sie mir sagen, was genau passiert ist?«

»Ich wollte gerade die Kartoffeln in der Pfanne anbraten. Da ist sie mir runtergefallen, und ich bin auf dem Öl ausgerutscht. Jetzt kann ich nicht mehr aufstehen. Auch mit Davids Hilfe ging es nicht.«

Der Mann sah traurig zu seinem Sohn. David hatte seine Freundin besorgt in den Arm genommen.

»Ich wusste mir nicht anders zu helfen und habe deshalb den Notarzt gerufen«, erklärte er.

»Das haben Sie richtig gemacht«, beruhigte Andrea Bergen ihn, ehe sie sich wieder an ihren Patienten wandte. »Wo haben Sie Schmerzen?«

»Hier an der Hüfte«, sagte Hans Schell und deutete auf einen großflächigen Bereich von Hüfte und Oberschenkel.

»In Ordnung. Jupp, bitte überprüfen Sie die Vitalfunktionen! Ewald, ich brauche einen venösen Zugang, und nehmen Sie dem Patienten bitte etwas Blut fürs Labor ab«, wies Andrea Bergen ihre Sanitäter an, ehe sie sich wieder an den Patienten wandte. »Auf einer Skala von eins bis zehn, wie stark sind Ihre Schmerzen?«

»Acht bis neun, Frau Doktor«, sagte Hans mit zusammengepressten Lippen.

»Ich möchte mir die Stelle einmal genau ansehen«, erklärte sie und schob vorsichtig den Hosenbund zur Seite. Sofort erkannte sie einen großen Bluterguss. Ihr entging auch nicht, dass das Bein unnatürlich nach außen gedreht war. »Herr Schell, können Sie ihr Bein bewegen?«

»Ja, aber es tut sehr weh«, sagte Hans und sog scharf die Luft ein, als Andrea Bergen vorsichtig sein Bein und seine Hüfte abtastete.

»Druck- und Bewegungsschmerz«, ließ sie ihre Sanitäter wissen. »Aber die Fußpulse sind tastbar.«

»Auch bei den Vitalfunktionen ist so weit alles in Ordnung«, erklärte Jupp und hängte sich das Stethoskop um den Hals. »Lediglich der Blutdruck ist etwas erhöht.«

»Das ist häufig so«, erklärte Hans. »Ich bin deshalb auch schon in Behandlung. »Wahrscheinlich ist es stressbedingt.«

»Nehmen Sie Medikamente?«, erkundigte sich Andrea Bergen.

»Nein, nur gelegentlich, wenn der Blutdruck zu sehr hoch geht.«

»Und wegen der Hüfte? Haben Sie da schon länger Probleme?«

»Ja, vor allem, wenn ich lange am Herd stehe. Mein Hausarzt meinte, es könnte Arthrose sein. Er wollte mir beim nächsten Besuch Krankengymnastik und Wärmeanwendungen verschreiben. Bis dahin hat er mir Bewegung und gesunde Ernährung verordnet. Aber das habe ich ja beides hier in meiner Gaststätte.«

Andrea Bergen musste schmunzeln. »Da haben Sie natürlich recht. Trotzdem müssen wir Sie ins Krankenhaus mitnehmen, Herr Schell.«

»Was ist denn mit meinem Vater?«, fragte David besorgt.

»Ich vermute, dass er sich den Oberschenkelhals gebrochen hat.«

David wurde kreidebleich. »Und was bedeutet das?«

»Im Krankenhaus wird Ihr Vater geröntgt, sodass wir uns ein genaueres Bild von seiner Verletzung machen können. Da ich darauf tippe, dass ein Bruch vorliegt, muss aller Wahrscheinlichkeit nach operiert werden. Aber das werden die Ärzte vor Ort entscheiden.«

»Vater, was machst du denn für Sachen?«, fragte David besorgt und nahm dessen Hand zwischen seine.

»Bitte holen Sie die Schaufeltrage und die Vakuummatratze!«, bat die Notärztin ihre beiden Sanitäter, während sie zwei Spritzen aufzog. »Ich gebe Ihnen jetzt etwas zur Beruhigung und gegen die Schmerzen«, sagte sie dann an Hans gewandt.

Als dieser nickte, injizierte sie die Medikamente. Wenige Augenblicke später kam Andreas Team mit der Trage zurück. Routiniert betteten sie Hans darauf. Dann trugen sie ihn nach draußen zum Rettungswagen.

»Wohin bringen Sie ihn?«, fragte David aufgeregt, während er eilig neben der Trage herlief.

»Ins Elisabeth-Krankenhaus«, erklärte Andrea Bergen. »Möchten Sie mitfahren?«

»Ich … Das Restaurant …« David sah verwirrt zu Finja.

»Steig ein!«, sagte Finja knapp. »Ich kümmere mich um alles und komme dann mit dem Auto nach.«

»Danke.« David drückte ihr einen Kuss auf die Wange und stieg dann rasch zu Andrea hinten in den Rettungswagen.

***

»Wie sieht es aus?«, fragte Finja besorgt, als sie sich etwas später neben David in die Notaufnahme setzte.

David hob die Schultern.

»Sie untersuchen ihn gerade.«

Finja streichelte ihrem Liebsten beruhigend über den Rücken.

»Mach dir keine Sorgen! Bestimmt wird alles gut.«

David seufzte abwesend.

»Hast du das Restaurant abgeschlossen?«, fragte er nach einer Weile, und Finja nickte. »Und hast du auch ein Schild geschrieben, damit die Gäste Bescheid wissen?«

»Ja, ich habe geschrieben: Heute Nachmittag geschlossen.«

»Gut«, sagte David und nickte wieder. Angespannt knetete er seine Hände. »Oh, Mann, da hast du einmal einen freien Tag, und dann verbringst du ihn mit mir im Krankenhaus!«

Finja lächelte sanft und legte ihren Arm um David.

»Das macht doch nichts. Jetzt ist nur wichtig, dass deinem Vater geholfen wird.«

Ein Arzt trat aus einem der Behandlungsräume und steuerte auf die beiden zu.

»Sind Sie die die Angehörigen von Herrn Schell?«

»Ja.« David stand auf. »Was ist mit meinem Vater?«

»Mein Name ist Dr. Kurt Meurer. Ich bin der Spezialist für Knochenchirurgie. Die Röntgenaufnahmen zeigen deutlich eine mediale Schenkelhalsfraktur. Wie unsere Notärztin richtig vermutet hat, ist der Oberschenkelhals gebrochen.«

»Und jetzt? Muss er operiert werden?«

»Wir raten Ihrem Vater zu einer Hüftkopf-Totalendoprothese, einer sogenannten Hüft-TEP. Das ist bei älteren Patienten das Verfahren der Wahl«, fuhr Dr. Meurer fort.

»Und was ist das?«, fragte Finja vorsichtig.

»Bei einer Totalendoprothese werden beide Anteile der Hüfte, also die Gelenkpfanne im Beckenknochen und der Gelenkkopf am Oberschenkelknochen durch künstliche Implantate ersetzt. Dadurch soll die Beweglichkeit erhalten werden und eine Schmerzlinderung stattfinden.«

»Und wann soll mein Vater operiert werden?«, erkundigte sich David.

»Wir haben ihm dazu geraten, mit der Operation nicht zu warten. Wir konnten ihn heute Vormittag dazwischenschieben, weshalb er gerade für die OP vorbereitet wird.«

»Was? So schnell schon?«

»Ja. Die operative Versorgung einer instabilen Fraktur, wie sie bei Ihrem Vater vorliegt, ist notfallmäßig innerhalb von sechs Stunden nach dem Bruch durchzuführen«, erklärte der Knochenspezialist. »Die OP dauert circa ein bis zwei Stunden, und wenn alles gut verläuft, kann Herr Schell schon nach zwei Wochen aus dem Krankenhaus entlassen werden. Ich schlage vor, dass Sie nach Hause gehen und für Ihren Vater ein paar Sachen zusammenpacken. Wir rufen Sie an, sobald wir die OP durchgeführt haben und Genaueres wissen. Dann können Sie Ihren Vater kurz besuchen, wenn er aufwacht.«

»In Ordnung. Ich danke Ihnen, Herr Dr. Meurer«, sagte David, und sie verabschiedeten sich von dem Arzt.

»Mach dir nicht so viele Sorgen. Ich habe darüber mal eine Reportage im Fernsehen gesehen. Das ist eine gängige Operation, die die Ärzte da durchführen«, versuchte Finja, ihren Freund auf der Heimfahrt ein wenig zu beruhigen, doch auch sie machte sich ihre Gedanken.

David hielt das Lenkrad fest umgriffen und starrte auf die Straße. Wie würde es mit dem Restaurant weitergehen, wenn Hans nicht da war? Rasch schob er den Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf den Straßenverkehr.

***

Der Eingriff war gut verlaufen. Wie mit Dr. Meurer besprochen, kamen Finja und David nach der Operation kurz ins Krankenhaus, als Hans aus der Narkose erwachte. Alle waren erleichtert, dass es zu keinen Komplikationen gekommen war.

Finja bot sich an, in nächster Zeit in der Küche auszuhelfen. So war es David möglich, während der Abwesenheit seines Vaters das Restaurant nicht schließen zu müssen.

In den nächsten Tagen machte sich Hans daran, zu allen Gerichten, die er Finja zum Kochen auftrug, die Rezepte aufzuschreiben. Es war ihm besonders wichtig, dass sie sich an die Hausrezepte hielt, denn er hatte alles so aufgeschrieben, wie es seine Frau Charlotte früher immer gekocht hatte.

Bereits nach einer Woche war Dr. Meurer mit dem Heilungsprozess seines Patienten sehr zufrieden. Die Kontrollröntgenaufnahmen zeigten keine Auffälligkeiten, und die Mobilisationsübungen im Krankenbett gingen von Tag zu Tag besser.

»Wenn alles klappt, kann ich in einer Woche schon entlassen werden«, sagte Hans stolz.

»Das klingt ja wunderbar.«

»Dann hat mich der Lindenhof wieder.« Versonnen lächelte der ältere Mann bei dem Gedanken an seine Gaststätte. »Sag, wie geht es? Läuft alles, wie es soll?«

»Ja. Finja und ich kommen gut zurecht. Ich habe ihr deine Rezepte gegeben. Jetzt kann sie nach ihrer Arbeit die Gerichte vorbereiten, sodass ich sie dann am nächsten Tag nur noch aufwärmen muss. Das klappt ganz gut.«

»Oje, die Arme. Jetzt hat sie meinetwegen noch mehr Arbeit.«

»Das stört sie nicht, Vater. Finja arbeitet gerne in der Küche. Du solltest sie mal lächeln sehen, wenn sie am Herd steht.«

»Da ist sie ganz wie deine Mutter«, sagte Hans, und seine Augen glitzerten verdächtig. »Am liebsten hätte Charlotte damals sogar unser Hochzeitsessen selbst gekocht. Ach, wenn ich nur daran denke, wie sie strahlte, wenn sie wieder ein neues Gericht kreiert hatte. Und ich durfte es immer als Erster probieren«, fügte er mit einem Zwinkern hinzu.

»Vater, der Großlieferant hat übrigens angerufen. Er will die Bestellung für nächsten Monat haben.«

»Ach so, stimmt ja. Die bekommt er normalerweise um diese Zeit. Mein Junge, ich bin noch nicht dazu gekommen, sie aufzuschreiben. Dieses Mal musst du das machen.«

»Aber ich weiß doch gar nicht, was du alles bestellst«, sagte David verwundert.

Normalerweise gab Hans nie die Zügel aus den Händen, und dass er ihm jetzt so viel Vertrauen entgegenbrachte, rührte David.

»Nimm dir einfach die alten Haushaltsbücher und schau nach, was ich in den letzten Monaten bestellt habe. Das kommt dann schon so ungefähr hin. Ich bewahre sie alle in dem Regal neben dem Bett auf.«

»Ich dachte, du machst das immer in der Gaststätte.«

»Nein, nein. Da trage ich es nur ein. Die Bücher stehen alle zu Hause. Und lass dir ja nichts aufschwatzen. Bestell nur so viel, wie wir brauchen! Und wenn die Ware kommt, dann musst du sie prüfen. Vor allem das Gemüse musst du genau anschauen. Achte auf die Qualität! Es muss schön frisch und knackig sein.«

David nahm die Hand seines Vaters und tätschelte sie behutsam.

»Ich weiß, Vater«, sagte er lächelnd.

***

»Hallo, Schatz«, rief Finja in die Wohnung, als sie die Tür aufschloss. Sie kam von ihrer Spätschicht im Espitaz, für die sie im Moment eingeteilt war. »Bist du da?«

»Ja, hier.«

Finja folgte der Stimme und betrat die Küche. David saß am Esstisch, auf dem sich unzählige Ordner und kleinere Notizbücher stapelten.

»Was machst du denn da?«, fragte sie überrascht.

»Ich gehe die Haushaltsbücher meines Vaters durch, weil ich die Bestellung für den Großlieferanten fertigstellen soll.«

Finja zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben David.

»Was ist los«, fragte sie mit besorgter Stimme. »Du hast doch was.«

David fuhr sich seufzend mit den Händen übers Gesicht.

»Über die Jahre hat der Gewinn immer mehr abgenommen. Vater hat fast alle Ersparnisse aufgebraucht, um die Gaststätte irgendwie halten zu können.«

Finja sah ihn ungläubig an. »Und jetzt?«, fragte sie vorsichtig.

»Ich hab keine Ahnung. Er hat mir nie etwas davon erzählt. Zum Beispiel hier«, David schob seiner Freundin eine Rechnung hin. »Der Klempner, den er vor einem halben Jahr bestellt hat, hat viel mehr gekostet, als er mir gesagt hat. Und auch die ganzen Belege vom Großmarkt, wenn er einkaufen war, hat er mir nie gezeigt. Er hat sie immer stillschweigend abgeheftet. Dabei hat die Gaststätte das alles gar nicht mehr eingebracht. Auf den Kontoauszügen gibt es nur Abbuchungen.«

»Ich weiß es nicht«, gestand er. Er blätterte ein paar Seiten in den Haushaltsbüchern hin und her. »Es würde Vater das Herz brechen, wenn er die Gaststätte aufgeben müsste. Aber so ist es unmöglich, sie weiterzuführen. Das ist ein reines Verlustgeschäft.«

»Zeig mal her!«, sagte Finja und nahm sich eines der Haushaltsbücher.

Sie überflog die Zahlen. Auch das nächste Buch sah nicht besser aus. »Oh, Mann«, flüsterte sie. »Und dein Vater hat dir nie etwas gesagt?«

David schüttelte den Kopf. »Er meint immer noch, dass er mich vor allem beschützen muss.«

»Wahrscheinlich wollte er dich damit nicht belasten«, sagte Finja mitfühlend.

»Trotzdem hätte er mir das sagen müssen!«, brach es aus David heraus. Er stand auf, stapfte wütend zur Küchenanrichte und stützte sich auf die Arbeitsplatte. Resigniert ließ er den Kopf hängen. »Was hat er denn gedacht, wie lange er es vor mir geheim halten kann? Früher oder später hätte ich es sowieso rausbekommen …«

»Er hat es sicherlich nur gut gemeint.«

»Ja. Aber das Gegenteil von gut ist gut gemeint!«

Finja stand ebenfalls auf und wollte David liebevoll über den Rücken streicheln.

»Lass!«, fuhr er auf und schüttelte ihre Hand ab.

Einen Moment lang sah Finja ihren Freund nur an, wie er so zusammengesunken dastand, getrieben von Verzweiflung und Schmerz.

»Ich koche uns jetzt erst mal einen Tee …«, schlug sie vor.

»Ich will keinen Tee!«, fauchte David gereizt. »Das hilft mir jetzt auch nicht weiter.«

Wütend drehte er sich um und verschränkte die Arme. Für einen kurzen Augenblick war die Luft zwischen den beiden zum Zerreißen gespannt, doch dann straffte Finja selbstbewusst die Schultern.

»Gut«, sagte sie nickend. »Das ist mal ein Wort … Dann koche ich eben einen Kakao.«

David sah sie ungläubig an, doch als er in ihre warmen, braunen Augen schaute, konnte er nicht anders, als sanft ihr Handgelenk zu umfassen und sie an sich zu ziehen.

»Ich liebe dich«, flüsterte er und legte die Arme um ihre schlanke Taille. »Ich hab dich gar nicht verdient …«

»Stimmt«, sagte Finja grinsend. »Hast du nicht.« Sie küsste ihn auf die Nasenspitze. »So, und jetzt lass mich bitte los, damit ich den Kakao machen kann! Das ist nämlich das Rezept meiner Großmutter, wenn ich früher nicht mehr weiterwusste.«

David ließ seine Freundin schweren Herzens aus seinen Armen gleiten. Er lehnte sich gegen die Fensterbank und sah Finja dabei zu, wie sie aus Schokolade, Milch, Marzipan, Orangensaft und Lebkuchengewürz einen wunderbar duftenden Kakao zubereitete und in zwei Tassen füllte.

»Hier«, sagte sie und reichte David eine davon.

»Danke.« Er setzte sich Finja gegenüber an den Tisch und nahm einen Schluck Kakao.

»Besser?«, fragte sie sanft.

»Ein wenig«, gestand David. Er griff über den Tisch nach ihrer Hand und streichelte sie sanft. »Was meinst du, wie soll ich jetzt weitermachen? Soll ich Vater darauf ansprechen?«

»Vielleicht besser nicht. Er sollte erst einmal wieder gesund werden, und wenn er weiß, dass du seine Sorgen kennst, beschäftigt ihn das sicherlich noch mehr.«

»Du hast recht. Aber was soll ich dann machen?«

»Irgendwas wird uns schon einfallen …«, sagte Finja lächelnd und drückte sanft Davids Hand.

***

»David!« Hans strahlte und richtete sich in den Kissen seines Krankenbettes auf. »Wie schön, dass du da bist!«

»Hallo, Vater.« David stellte einen Stuhl neben das Krankenbett und nahm Platz.

»Was macht der Lindenhof? Waren heute viele Gäste da?«, fragte Hans sofort, noch ehe David etwas sagen konnte.

»Heute war eher ein ruhigerer Tag«, antwortete er vorsichtig. Er erinnerte sich an das Gespräch mit Finja. Sie hatte recht, es war besser, wenn Hans nicht wusste, dass er seine Sorgen kannte. »Aber für Montag hat sich eine Wandergruppe mit sechs Personen angekündigt.«

»Gut.« Hans sank ein wenig erleichtert in die Kissen zurück. »Koche ihnen ja was Anständiges! Wandern macht hungrig. Serviere ihnen Charlottes Kartoffelsalat und dazu vielleicht ein paar Wiener Schnitzel. Am besten noch einen Sommersalat vorweg. Und du musst die Bierbestände prüfen! Männer trinken nach dem Wandern gerne mal ein Bierchen. Und Kuchen … Du brauchst unbedingt einen Kuchen, falls sie einen Nachtisch wollen.«

David nickte lächelnd.

»Das werden wir schon hinbekommen, Vater. Mach dir keine Sorgen. Aber jetzt erzähl mal, wie geht es dir?«