Pferdesoldaten 05 - Todesritt - Michael Schenk - E-Book

Pferdesoldaten 05 - Todesritt E-Book

Michael Schenk

0,0
0,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

"Die Pferdesoldaten" bietet spannende Western aus der Zeit der nordamerikanischen Indianerkriege. Die in sich abgeschlossenen Abenteuer stellen die U.S. Reitertruppen in den Jahren zwischen 1833 und 1893 vor. Entgegen der üblichen Western-Klischees bietet der Autor dabei tiefe Einblicke in Ausrüstung, Bewaffnung und Taktiken, die sich im Verlauf der Jahre immer wieder veränderten. Schicke gelbe Halstücher und Kavallerie mit Repetiergewehren wird der Leser hier nicht finden, wohl aber Action mit einem ungewohnten Maß an Authentizität.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 259

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Michael Schenk

Pferdesoldaten 05 - Todesritt

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1 Carters Ranch

Kapitel 2 Der Stand der Dinge

Kapitel 3 Im Winterlager

Kapitel 4 Im Depot

Kapitel 5 Die Bahnstation

Kapitel 6 Alte Sorgen, neue Sorgen

Kapitel 7 Das andere Ufer

Kapitel 8 Am Chickahominy

Kapitel 9 Der Wagenzug

Kapitel 10 Seven Pines

Kapitel 11 Die Augen des Generals

Kapitel 12 Offensive Aufklärung

Kapitel 13 Vorstoß

Kapitel 14 Lee´s Plan

Kapitel 15 Der Zauderer

Kapitel 16 Todesritt

Kapitel 17 Ein ruhiger Tag

Kapitel 18 Verpasste Chance

Kapitel 19 Trockenen Fußes

Kapitel 20 Ohne Entscheidung

Kapitel 21 Die Rechnung des Schlachters

Kapitel 22 Der neue Rekrut

Kapitel 23 Aktiver Dienst

Kapitel 24 Das Wisconsin-Regiment

Kapitel 25 Begegnung an der Furt

Kapitel 26 Karte der wichtigsten Orte der 7-Tage-Schlacht

Kapitel 27 Ankündigung

Kapitel 28 Hintergrundinformationen

Kapitel 29 Historische Anmerkungen:

Kapitel 30 Hinweis: Für Freiheit, Lincoln und Lee

Impressum neobooks

Kapitel 1 Carters Ranch

Pferdesoldaten 5

Todesritt

Military Western

von

Michael H. Schenk

© M. Schenk 2018

Es war Spätsommer des Jahres 1861 und es herrschte Krieg.

Jim und Mary Carter interessierte das wenig. Sie hatten genug mit ihrer Ranch und dem Vieh zu tun. Carters Ranch lag am Green River, ein gutes Stück nördlich des großen Cumberland Sees und das Ehepaar hatte einen idealen Standort gewählt. Die Ranch lag auf einem flachen Hügel, der im Westen, Norden und Osten von dichten Wäldern umgeben war. Aus dem Norden floss ein kleiner Bach den Hügel hinab, so dass man über eine bequeme Trinkwasserquelle verfügte. Unterhalb des Hügels erstreckte sich ein weites Tal, in dem der Bach seine Richtung nach Westen änderte. Der Talboden war mit dem berühmten Kentucky-Gras bedeckt, welches in seiner Blütezeit eine typische blaugrüne Färbung zeigte. Es war die Nahrungsgrundlage für die rund zweihundert Rinder der Ranch, deren Zucht wiederum die Existenzgrundlage der Ranchbewohner bildete.

Auf einer großen Koppel weideten zwanzig Pferde. Große und ausdauernde Quarterhorses, denn die Carters beabsichtigten, ein zweites Standbein zu eröffnen: Mary war eine sehr gute Köchin und die Postkutsche kam einmal wöchentlich durch das Tal. Mit etwas Glück würde das Ehepaar die Lizenz für eine Pferdewechselstation erhalten.

Die Ranch bestand aus dem Wohnhaus des Ehepaares, zwei Schuppen, einem großen Stall und dem Schlafhaus der Ranchhelfer. Das Haupthaus war aus sorgfältig zugeschnittenen Bohlen und Brettern gezimmert worden. Im Schatten eines ausladenden Vordaches befand sich eine großzügige Veranda mit zwei selbstgezimmerten Tischen und den dazugehörigen Bänken. Vorbereitungen auf die Funktion als Halteplatz der Kutsche.

Auch die Nebengebäude waren mit großer Sorgfalt errichtet worden. Daneben wirkte das Schlafhaus der Ranchhelfer, das sogenannte „Bunkhouse“, plump, da es im Stil eines Blockhauses aus Stämmen gebaut worden war. Es war massiv und verfügte über schießschartenartige Fenster. Damals hatten es die Carters als Haus benutzt, zu einer Zeit, in der es noch kriegerische Indianer in der Gegend gab.

Der alte Carl und sein Sohn Slim gehörten zu den Ranchhelfern, ebenso wie Bill und Joshua. Letzterer war ein schwarzer Hüne und seit seiner Geburt im Besitz der Carters. Es ging ihm jedoch weit besser, als vielen Farbigen im Süden, denn er wurde wie die anderen Helfer behandelt und erhielt sogar gleichen Lohn.

Im Augenblick ging Joshua neben Jim Carter am westlichen Waldrand entlang, etliche hundert Meter von der Ranch entfernt. Ihre Blicke pendelten zwischen der umgebenden Landschaft und dem Boden.

Jim Carter sah den flachen Hügel hinunter zu seiner Herde. Es waren Hereford-Rinder mit den typischen kurzen und nach vorne zeigenden Hörnern. Sie grasten in großen und kleinen Gruppen im Tal, behütet von einem der Ranchhelfer. „Vielleicht hat der alte Carl sich geirrt, Josh. Seine Augen sind nicht mehr die Besten.“

„Ja, Massa Jim, seine Augen sind nicht mehr die Besten, aber wenn der alte Carl sagt, er habe einen Wolf gesehen, dann hat er einen Wolf gesehen.“ Der Farbige stutzte und hob die Hand. Dann ging er in die Hocke. „Und hier haben wir seine Spur.“

Die Fingerspitzen des Farbigen fuhren die Konturen des Trittsiegels eines Wolfes entlang.

Der Rancher leckte sich über die Lippen. Jetzt, da die Fährte gefunden war, versuchte er zu beurteilen, wie sich das Tier bewegt hatte und ob sein Interesse eher der Ranch oder der Herde galt. „Was meinst du, Josh? Ist es ein Einzelgänger oder gehört er zu einem Rudel?“ Ein leiser Seufzer ertönte. „Ein Einzelgänger wird sich nicht an die Herden wagen, aber ein Rudel… Wir müssten zwei Mann als Herdenwächter einteilen. Das würde mir nicht gefallen, Josh.“

Der Farbige mit dem schlohweißen Kraushaar grinste. „Das würde keinem von uns gefallen, Massa. Aber wir haben Glück. Das hier ist ein Einzelgänger. Trotzdem sollten wir den Burschen nicht unterschätzen.“

„Ja, einzelne Lobos könne verdammt übel werden.“ Jim Carter richtete sich wieder auf und ächzte leise. Allmählich kam er in die Jahre, in denen er seine Knochen spürte. „Bist du sicher, dass es ein Einzelgänger ist?“

„Ja, Massa, das ist er. Sieh dir den Abdruck der rechten Hinterpfote an. Nicht so tief wie die anderen und leicht nach Außen gedreht. Aber kein Blut von einer frischen Verletzung. Das ist eine verheilte und alte Wunde.“

Jim legte seine altmodische Kentucky-Rifle in die Armbeuge. „Verstehe. Dann wurde er von seinem Rudel ausgestoßen, weil er nicht mehr jagen kann.“

„Nein, Massa, das da ist ein schlimmer Bursche. Wolfsrudel halten ziemlich zusammen. Der da ist ein Beißer, Massa Jim. Von seinem Rudel ausgestoßen, weil er keinen Frieden hält.“

„Du meinst also, dass er dann auch keinen Frieden mit unseren Herden hält?“

„Ist keine gute Zeit für Frieden, Massa Jim. Ist Krieg. Vielleicht auch bald bei uns.“

„Ja, vielleicht.“ Carter sah zur Ranch hinüber und dann hinunter ins Tal. „Krieg ist schlecht für die Menschen, Joshua, aber gut für uns.“

„Gut für uns?“

Der Rancher deutete auf die kleine Herde. „Fleisch, Josh, du verstehst? Jede Armee benötigt Proviant, um ihre Soldaten zu versorgen. Wir können sicher ein paar dutzend Rinder an die Armee verkaufen und dafür einen guten zusätzlichen Zuchtbullen erwerben.“

„Jede Armee, Massa Jim? Würden Sie lieben an den Süden oder an den Norden verkaufen?“

Carter sah seinen Sklaven nachdenklich an. „Natürlich an den Süden. Das geht nicht gegen deine Leute, Josh. Ich denke nur, der verdammte Lincoln und die Union verhalten sich falsch. Wenn ein Staat aus der Union austreten will, dann hat er auch das Recht dazu.“

„Davon verstehe ich nichts, Massa. Du weißt, der alte Joshua kann nicht schreiben oder lesen.“

„Das können Carl und sein Sohn Slim auch nicht“, brummte Carter. „Und ich habe es auch erst von Mary gelernt. Ist keine Schande, wenn man nicht lesen oder schreiben kann, aber als Rancher ist das Zeug halt nützlich.“

„Ich verstehe. Wegen der Verträge und solchen Sachen.“

„Du bist ein kluger Bursche, Josh.“

Am Haupthaus war das helle Klingen eines Triangels zu hören.

„Gehen wir ins Haus. Mary hat es nicht gerne, wenn wir das Frühstück kalt werden lassen.“ Jim half dem alten Mann auf die Beine. Im Verlauf so vieler Jahre hatte sich ein kameradschaftliches Verhältnis zwischen ihnen aufgebaut, welches weit jenseits von Sklave und Besitzer lag.

Carter wusste, dass einige Sklavenhalter ihr Eigentum schlecht behandelten. Ja, dass manche sogar meinten, die Schwarzen seien keine echten Menschen. Dann gab es da die Sklavereigegner, die den Niggern die Freiheit versprachen. Deren Agitatoren, weiter unten im Süden, die Sklaven aufwiegelten und sie zur Flucht ermunterten. Es gab Abolitionisten, die sich als Fluchthelfer betätigten und ganze Gruppen von Sklaven in jene Staaten der Union brachten, in denen Sklaverei verboten war.

Im Westen lag Missouri, im Süden Tennessee und im Osten Virginia… da führte für viele Sklaven der Weg in die Freiheit über Kentucky. Kentucky war noch unentschlossen, ob es für die Union oder die neue Konföderation Partei nehmen sollte. Beide Seiten hatten ihre Anhänger, andere wollten Neutral bleiben.

Jim fühlte sich dem Süden verbunden, ebenso wie Carl und Bill. Carls Sohn Slim hingegen war ein Anhänger des Emporkömmlings Abraham Lincoln, was immer wieder Anlass zu lebhaften Diskussionen auf der Ranch war. Joshua war ein Nigger und wurde daher gar nicht erst nach seiner Meinung gefragt. Ein guter Kerl, sicher, aber man durfte Sklaven nun einmal nicht zu viele Freiheiten einräumen oder ihnen gar eine eigene Meinung gestatten. So etwas legte den Grundstein für Aufruhr. Mary Carter nahm hingegen für keine der Seiten Partei. Sie meinte, der Krieg sei eine große Schande, da er das Land und seine Familien entzweie.

Erneut klang die Triangel und die beiden Männer beschleunigten ihre Schritte. Als sie um die Ecke des Haupthauses bogen, erkannten sie Mary Carter, die erneut ungeduldig mir dem Metallstab in dem eisernen Dreieck entlang fuhr.

„Wir haben einen Wolf in der Gegend!“, rief Jim seiner Frau zu und nahm ihr somit den Wind aus den Segeln, ihn für die späte Ankunft zu rügen.

Mary ließ den Stab an seinem Lederriemen hängen und wischte die Hände an der Schürze ab. „Einen Wolf? Kein Rudel?“

„Wir haben nur eine Fährte entdeckt und Josh meint, es sei ein Einzelgänger.“

Mary nickte dem Farbigen wohlwollend zu. „Wenn Josh das meint, dann ist es auch so. Aber jetzt kommt endlich ins Haus. Carl und Slim warten schon. Bill muss ja bei der Herde bleiben.“

Einer war immer bei der Herde. Zweihundert gut im Futter stehende Herefords und zwanzig Quarterhorses stellten eine Verlockung dar. Es gab immer lichtscheues Gesindel, doch jetzt, nach dem Ausbruch des Krieges, schien es sich rapide vermehrt zu haben.

Die Drei traten in den Wohnraum und Jim hing die Kentucky in die Halterung über der Tür.

Die Grundfläche des Hauses war relativ klein, aber es verfügte über zwei Stockwerke. Im Erdgeschoss befanden sich die große Wohnstube, die Küche und ein Raum, den Jim und Mary als Büro nutzten. Drei Räume, darunter das eheliche Schlafzimmer, lagen im Obergeschoss. Beide hatten dies so geplant, da sie von vornherein die Möglichkeit ins Auge gefasst hatten, den großen Raum unten als Gastraum herzurichten. Bekamen sie die Lizenz als Pferdewechselstation, so konnten sie dort die Passagiere beköstigen, während die Kutsche ein frisches Gespann erhielt.

Die Einrichtung war robust. Vieles war selbst angefertigt worden, denn viele Pioniere verstanden sich auf das Zimmern von Möbeln. Ein paar ausgesuchte Stücke, vornehmlich der Geschirrschrank, eine Anrichte und ein hübsch verzierter Sekretär, waren aus dem Katalog eines Möbelhauses in New York bestellt und geliefert worden. Im Geschirrschrank standen Gläser und Porzellan, welches Mary an Sonntagen auftrug. An einem gewöhnlichen Arbeitstag bevorzugten die Carters und ihre Helfer einfaches Geschirr aus emailliertem Blech oder gebranntem Ton.

Carl und sein Sohn saßen bereits am Tisch, erhoben sich jedoch, als Mary hinzu trat und setzten sich erst wieder, nachdem sie Platz genommen hatte.

Es gab heißen und starken Kaffee, frischgebackenes Brot und Speck mit Rühreiern. Mary hatte ein kleines Gehege hinter dem Haus angelegt und hielt dort ein paar Hühner. Da es im Wald kleine Wildkatzen gab, wagte sie es nicht, die Tiere frei herumlaufen zu lassen.

„Tennessee ist ausgetreten.“ Carl deutete mit dem Löffel auf seinen Sohn. „Deine Yankee-Union schrumpft, mein Sohn.“

„Und sie bezieht Prügel“, fügte Jim mit ernstem Gesicht hinzu. „Die ersten Gefechte verliefen nicht gut für diesen Lincoln.“

„Und nicht gut für uns, mein Schatz“, warf Mary ein.

Ihr Mann sah sie überrascht an. „Wie meinst du das? Wir sind hier alle für den Süden. Wie wir alle. Na ja, von Dir und Slim einmal abgesehen. Aber der zählt nicht. Ist ja noch ein halber Junge.“

Slim grinste. Er nahm die Bemerkung nicht übel. „Dann liegt es wohl an mir, als Sympathisant des Nordens, die Anhänger des Südens ordentlich zu schädigen… Ma´am, bekomme ich noch einen Nachschlag?“

Mary lächelte und schaufelte ihm eine weitere Portion auf den Teller.

Ihr Mann sah sie noch immer fragend an. „Nun sag schon… Warum sollte es nicht gut für uns sein, wenn die Union eine Schlappe einsteckt?“

„Ach, Jim, dann überlege doch einmal, wem wir unser Vieh anbieten. Die Union zahlt mit guten Yankee-Dollars. Mit was die neue Konföderation bezahlt, wissen wir noch nicht. Angeblich will sie ja eine eigene Währung herausgeben. Wer weiß, was die wert sein wird.“

„Verzeihung, Ma´am“, schaltete sich Carl ein, „aber mich interessiert weit mehr, wie sich Kentucky entscheidet. Man hört, dass sich eine Menge Jungs für die Sache des Südens melden wollen.“

„Man hört auch, dass sich eine Menge Jungs für die Sache des Nordens melden wollen“, hielt Slim dagegen.

„Dein Lincoln hat ein mächtiges Problem, mein Sohn.“ Carl deutete erneut mit dem Löffel. „Die meisten Yankee-Truppen haben sich nur für neunzig Tage verpflichtet und deren Dienstzeit ist bald um. Nach der Tracht Prügel, die sie bei Manassas bezogen haben, werden die sicher nicht erpicht darauf sein, sich länger zu verpflichten.“

„Das heißt Bull Run“, knurrte Carl bissig. „Und außerdem ist das im Süden nicht viel anders.“

Jim Carter nickte. „Man hat sich das auf beiden Seiten zu einfach vorgestellt. Eine einzige große Schlacht und die Sache ist entschieden… Ha! Die Ladies und Gentlemen aus Washington sind sogar mit Kutsche und Picknickkorb zum Schlachtfeld gereist. Dann haben sie Prügel bezogen und sind mit flatternden Röcken heimwärts gerannt.“

„So schnell, dass man bestimmt ihre Beine sehen konnte“, lachte Carl.

„Carl!“ Mary sah ihn strafend an. Sie liebte keine frivolen Anspielungen.

„Verzeihung, Ma´am“, murmelte Carl, behielt aber sein Lächeln bei.

„Jedenfalls ist gar nichts vorbei“, nahm Jim den Faden wieder auf. „Jetzt werden auf beiden Seiten jede Menge Regimenter ausgehoben.“ Er sah seine Frau an. „Und beide Seiten werden Fleisch benötigen und im Übrigen kann auch die Konföderation nötigenfalls in gutem Gold bezahlen.“

„Noch mal zu Kentucky.“ Carl schob den Teller von sich und tupfte mit einem Tuch etwas Rührei aus seinem langen und dichten Bart. „Was meinst du, Jim? Wird unser Commonwealth of Kentucky in der Union verbleiben oder sich der Konföderation anschließen?“

„Verdammt, Carl, woher soll ich das wissen? Im Augenblick…“

Er unterbrach sich und sie hoben lauschend die Köpfe. Von draußen war ein Schuss zu hören gewesen. „Was, zum Teufel…?“

Carl ignorierte den mahnenden Blick seiner Mary, die keine Kraftausdrücke mochte, erhob sich vom Tisch und trat an das Fenster. „Das kam von Bill.“

„Was ist los, Boss?“ Carl und Slim sahen ihm über die Schulter.

„Reiter“, stellte Jim Carter mit einem Blick über das Tal fest. „Eine ganze Menge Reiter. So was hat nichts Gutes zu bedeuten.“

Die Reiter waren noch weit entfernt. Man konnte noch keine Details erkennen. Die Hufe der Pferde wirbelten den Staub zwischen den Gräsern empor und es war eine Menge Staub.

„Banditen?“ Marys Stimme klang sichtlich besorgt, verriet jedoch keine Furcht. Die Bewohner der Ranch hatten schon einige Gefahren überstanden.

„Weiß nicht. Jedenfalls sind das ziemlich viele Reiter.“

„Um die Sechzig“, meinte Slim, der die Anzahl der Fremden überschlug. „Ich glaube, es ist die Armee. Da flattert etwas über der vorderen Gruppe.“

„Fragt sich nur, welche Armee das ist“, knurrte Jim und nahm die Kentucky aus ihrer Halterung. „Wir sollten vorsichtig sein und uns bewaffnen. In ein paar Minuten sind sie da.“

„Gegen sechzig Leute, Boss?“ Slim leckte sich unruhig über die Lippen. „Wir sollten Bill rufen.“

„Er kommt schon zu uns. Dem sind die Fremden auch nicht geheuer“, stellte Jim fest. „Nur gut, dass er uns mit seinem Schuss gewarnt hat.“

„Carl, Slim… Ihr geht rüber ins Bunkhouse.“ Mary Carter trat an einen der Schränke und entnahm diesem einen Colt Navy und ein Sharps-Gewehr.

„Sie hat recht“, stimmte Jim zu. „Dort habt ihr besseren Schutz und wir können die Burschen ins Kreuzfeuer nehmen, falls das notwendig wird.“

Die soliden Stämme des Schlafhauses boten einen weit größeren Schutz, als die Bohlen und Bretter des Haupthauses. Die beiden Helfer nickten, öffneten die Tür und rannten zum Nebengebäude hinüber, wo sich ihre Waffen befanden. Bill erreichte gerade die Veranda, saß ab und schlang die Zügel des Pferdes über den Handlauf.

„Ich konnte es nicht genau erkennen, Boss“, sagte er hastig. „jedenfalls reiten sie in Kolonne, sind aber kein reguläres Militär. Könnten Bushwackers oder auch Jayhawkers sein.“

„Verflucht, das hatte ich befürchtet“, gab Jim Carter zu.

In den Grenzregionen begannen sich Banden auszubreiten, welche als Bushwackers für die Sache des Südens oder als Jayhawkers für die des Nordens eintraten. Dabei waren sie in der Wahl ihrer Mittel keineswegs zimperlich. Sie mordeten und raubten bei jenen, die nicht auf der gleichen Seite wie die „patriotischen“ Horden standen und schürten Angst. Viele trugen Zivil, andere Uniformen oder Uniformteile. Manche erhielten von regulären Armeegenerälen oder Gouverneuren regelrechte Kaperbriefe, wie sie im Seekrieg üblich waren, um so die Raubzüge zu legalisieren.

Die Reiter erreichten den Hang des Hügels. Die ohnehin geringe Hoffnung, sie würden an der Ranch vorüber ziehen, zerschlug sich, als die Kolonne einschwenkte und langsam zur Ranch hinauf trabte. Tatsächlich flatterte über den vorderen Männern eine Fahne. Ein großes rotes Tuch, auf dem Mary ein weißes „H“ zu erkennen glaubte.

Es waren etwas mehr als sechzig Reiter. Das war gut zu erkennen, als sie die Ranch erreichten und nun ausschwärmten. Drei von ihnen kamen auf das Haupthaus zu, unter ihnen der Fahnenträger und ein Mann, der einen schwarzen Gehrock mit Schulterstücken trug.

„Ich rede besser mit ihnen“, meinte Jim.

„Sei vorsichtig.“ Mary empfand nun doch Angst um ihren Mann. Sie küsste ihn flüchtig auf die Wange und blieb dann mit dem Sharps-Gewehr in der Deckung des Türrahmens, während Jim auf die Veranda hinaustrat.

Er hielt seine Kentucky in der Armbeuge und vermied es, einen der Reiter mit der Waffe zu bedrohen. „Ich bin Jim Carter und mir gehört diese Ranch. Ich hoffe, dies ist ein friedlicher Besuch.“

Es war eine halbe Frage und der Mann im Gehrock lächelte freundlich. Er saß im Sattel und da Jim auf der Veranda stand, sahen sie sich auf Augenhöhe an. „Selbstverständlich ist es ein friedlicher Besuch, Mister Carter. Colonel Holloran, wenn es recht ist. William Holloran. Von Hollorans Confederate Volunteers, wenn es recht ist.“ Auf dem Gehrock trug der Mann die Schulterstücke eines Infanterie-Captains der Union. Er war hager und besaß ein schmal geschnittenes Gesicht, welches von einem üppigen Vollbart eingerahmt wurde. „Ich hoffe doch sehr, Mister Carter, dass Sie für die Sache des Südens sind.“

„Daran kann es keinen Zweifel geben. Wir sind hier alle für den Süden.“

„Nun, das freut mich zu hören, Mister Carter. Es wird Ihnen daher sicher eine Genugtuung sein, der Sache des Südens einen Dienst zu erweisen.“

Jim Carter runzelte die Stirn. „Hm, sicher. Unsere Mittel sind allerdings beschränkt, Colonel.“

„Ach, Unsinn.“ Holloran wies in einer ausholenden Geste um sich. „Ist doch eine hübsche große Ranch mit einer Menge Rinder und Pferde, alles was recht ist. Da können Sie eine Menge für die Sache des Südens tun, Mister Carter.“

„Äh, Sie sind Aufkäufer für die konföderierte Armee?“

„Richtig, Mister Carter. Meine Jungs und ich besorgen alles Mögliche für die Konföderation.“ Holloran lachte. „Dazu gehören natürlich auch so schöne Herefords und Quarterhorses. Die Armee braucht Fleisch und sie braucht Pferde.“

„Nichts dagegen. Ich werde Ihnen einen wirklich fairen Preis machen.“

„Ganz gewiss werden Sie das, Mister Carter.“ Holloran stützte die Hände aufs Sattelhorn und beugte sich leicht vor. „Nennen Sie mir einen guten Preis und ich stelle Ihnen einen Zahlschein aus.“

„Einen, äh, Zahlschein?“

„Nun sicher. In diesen unruhigen Zeiten reitet niemand mit einer großen Summe Bargeld oder Gold durch die Gegend. Wäre doch unschön, wenn die Yankees das kassieren und damit die Unterdrückung des Südens finanzieren, nicht wahr?“

„Hm, mag so sein.“ Jim strich sich mit einer Hand über das Kinn. „Aber was soll ich mit einem Zahlschein?“

„Den können Sie bei der konföderierten Regierung in Montgomery in Alabama einlösen.“

„In der Gazette stand, dass man inzwischen Richmond in Virginia zur Hauptstadt gemacht hat“, kam ein Ruf von Mary.

Holloran errötete. „Sie können den verdammten Schein überall einlösen. Jedenfalls nehmen wir das Vieh und die Pferde mit.“

Die Stimme des Colonels klang nun weniger freundlich. Jim Carter ließ seinen Blick über die Truppe des Mannes schweifen. Keiner sah wirklich wie ein Soldat aus, was daran liegen mochte, dass die Reiter fast durchweg zivile Kleidung trugen. Nur wenige besaßen Uniformteile, deren Herkunft meist unbestimmt war. Es gab ein paar blaue und graue Feldjacken, einige Männer trugen Feldmützen und zwei von ihnen Hardee-Hüte, wie sie zur Paradeuniform der Unions-Armee gehörten. Auch die Bewaffnung war sehr unterschiedlich. Moderne Karabiner und Revolver, dazu auch altertümliche Vorderladerpistolen und Musketoons. Jim bemerkte sogar drei leichte Vogelflinten, doch das war nicht unbedingt ungewöhnlich. Obwohl der Süden zu Kriegsbeginn eine ganze Reihe von Waffendepots der Union eingenommen hatte, waren die Freiwilligeneinheiten weder einheitlich uniformiert, noch einheitlich bewaffnet. Zudem gab es Unionseinheiten, wie die „Washington Greys“, die graue Uniformen trugen und konföderierte Regimenter in Blau.

Jim musterte Holloran und die beiden Männer in seiner Begleitung. Von den Schulterstücken abgesehen, erinnerte nichts an dem Mann ans Militär. Der Fahnenträger trug eine blaue Uniformjacke und einen schwarzen Zylinder, der Mann neben ihm ein kariertes Hemd, an dessen Oberarmen die Winkel eines Kavallerie-Sergeants aufgenäht waren.

Jim leckte sich nervös über die Lippen. Man konnte die zunehmende Anspannung spüren. Ein paar der Reiter änderten ihre Position im Sattel unmerklich, um ihre Waffen schneller ziehen zu können. Er hatte keine Ahnung, was dieser Zahlschein wert sein mochte, aber er konnte keinen Kampf gegen eine solche Übernacht riskieren.

Jim räusperte sich und wollte dem Angebot notgedrungen zustimmen, auch wenn er den Verdacht hatte, dass hier gerade ein Raub stattfand. Doch bevor er Holloran antworten konnte, ertönte ein wilder Schrei vom Bunkhouse herüber. „Ihr verfluchten Rebellen werdet unser Vieh nicht einfach mitnehmen!“

Slim, der verdammte junge Narr! Jim wollte Holloran eine Beschwichtigung zurufen, doch es war zu spät. Der Sergeant an Hollorans Seite machte eine rasche Bewegung und hielt plötzlich einen alten Paterson-Revolver in der Hand. Die Waffe ähnelte einem Colt Navy, besaß jedoch keinen Schutzbügel über dem Abzug und ein kleines Kaliber von 0.36. Jim sah die Bewegung und drehte sich instinktiv zur Seite. Der Schuss peitschte und der Rancher spürte den heißen Luftzug, als ihn das Bleigeschoss nur knapp verfehlte und in die Rückwand der Veranda schlug.

Einen Augenblick später dröhnte die Schrotflinte von Bill. Der Ranchhelfer hatte beide Läufe gleichzeitig ausgelöst. Aufgrund der langen Läufe und der relativ kurzen Distanz bekam der Sergeant die volle Ladung ab. Er wurde einfach nach hinten aus dem Sattel geschleudert, sein Revolver wirbelte durch die Luft.

Für einen Moment spürte Jim Carter nichts als schiere Panik, denn er begriff sofort, was nun geschehen würde.

Eine unregelmäßige Salve ertönte, als die Reiter, so schnell sie ihre Waffen bereit hatten, das Feuer eröffneten. Jim Carter entkam nur mit Glück und einem gewagten Hechtsprung durch die Tür, während ringsum Blei einschlug. Die Fenstereinfassung, hinter der Bill gestanden hatte, wurde von Projektilen zerfetzt, andere durchschlugen die Hauswand.

Mary schrie entsetzt, während Möbel und Geschirr getroffen wurden, dennoch hatte sie die Geistesgegenwart, Jim zu packen und ins Innere des Hauses zu zerren.

Aus dem Bunkhouse schossen Carl und Slim, die man nun ihrerseits ebenfalls aufs Korn nahm. Bill hatte die Schrotflinte nachgeladen, trat blitzschnell in die Fensteröffnung und drückte ab. Im selben Moment wurde er von gleich mehreren Schüssen getroffen und nach hinten geworfen. Seine Schrotladung fuhr in die obere Fenstereinfassung und zerfetzte sie.

Die Reiter feuerten ihre Waffen leer und nach kurzer Zeit stand eine dichte Wolke aus Pulverqualm im Hof der Ranch. Das spärliche Gegenfeuer schien weder sie, noch ihre Pferde zu stören, die offensichtlich an Schießereien gewöhnt waren.

Unten im Tal setzten sich nun die Rinder in Bewegung. Fort von den Schüssen, die sie erschreckten.

Hollorans Männer zeigten, dass sie tatsächlich über eine gewisse Kampferfahrung verfügten. Während einige auf die Fensteröffnungen zielten und die Verteidiger so in Deckung zwangen, saßen andere von den Pferden ab und suchten Schutz hinter Tränke, Tonnen und Gebäudeecken.

Im Haus warf Jim Carter einen bedauernden Blick auf den toten Bill. „Verdammt, sie haben ihn einfach erschossen. Mary, runter auf den Boden!“

Die Warnung kam keinen Moment zu früh. Die Angreifer schossen ungefähr in Brusthöhe auf die Hauswand. Selbst die Projektile der leichten Navy-Colts durchschlugen diese fast mühelos. Einschläge zernarbten die Rückwand des Wohnraums, während die Einrichtung zunehmend in Kleinholz und Scherben verwandelt wurde.

Joshua robbte über den Boden zu Bill und nahm die Waffe des Toten an sich.

„Lass sie liegen, Josh“, riet Mary. „Wenn man einen Sklaven mit einer Waffe erwischt, dann bringt man ihn auf der Stelle um.“

„Ja, Ma´am, ich weiß. Aber die wollen uns ohnehin alle umbringen, nicht wahr, Ma´am?“

Sie antwortete nicht, während er den Doppellauf nach unten klappte und die leeren Hülsen durch frische Patronen ersetzte.

„Der Herr möge uns beistehen“, seufzte Mary. Statt selbst zu schießen, lud sie für ihren Mann nach, der nun abwechselnd mit seinem Revolver, der Kentucky und der Sharps feuerte.

„Ich hoffe nur, ER hat etwas Zeit für uns“, knurrte Jim und fluchte, als sein Geschoss das Ziel verfehlte. Ein Span wurde neben ihm aus dem Türrahmen gehobelt und riss eine blutige Schramme über seine Wange.

„Du sollst den Herrn nicht spotten, Jim Carter“, rügte sie ihn.

Am Fenster dröhnte die Schrotflinte und Joshua warf sich wieder in Deckung, um nachzuladen.

Aus dem Bunkhouse, in dem sich Carl und Slim verschanzt hatten, waren Schüsse und gelegentliche Schreie zu hören, mit denen sich die beiden gegenseitig Ziele zuwiesen oder auf Gefahren aufmerksam machten. Hinter den Stämmen des Blockhauses waren sie in relativer Sicherheit, solange sie sich an keiner der Fensteröffnungen zeigten.

„Hätte Slim doch bloß sein vorlautes Maul gehalten“, meinte Jim grimmig. „Jetzt machen uns diese Bushwacker fertig.“

Diesmal verzichtete Mary darauf, ihn zu rügen. Vielleicht, weil sie in diesem Fall seiner Meinung war. Sie nahm die abgefeuerte Kentucky entgegen, entstöpselte das Pulverhorn und ließ das richtige Maß Pulver in den Lauf rieseln. Dann kam die Rundkugel mit dem Filzpfropfen auf die Mündung und der Ladestock rammte alles nach unten in die Kammer. Sie verzichtete darauf, den Ladestock wieder in seine Halterung zu schieben, sondern legte ihn neben sich. Der nächste Griff galt dem Zündhütchen und schon war Mary bereit, die Waffe an Jim abzugeben. Der hatte gerade die Sharps benutzt. Die Bleikugel vom Kaliber 0.52 durchschlug die Tränke und tötete einen der Angreifer auf der Stelle. Jim stieß ein zufriedenes Grunzen hervor, reichte das leere Gewehr an seine Frau und nahm die Kentucky.

Inzwischen wallte der Pulverqualm recht dick zwischen den Gebäuden und nahm Angreifern und Verteidigern gleichermaßen immer mehr die Sicht. Man hatte den Geschmack von Salpeter und faulen Eiern auf der Zunge, empfand Durst und sehnte etwas Wind herbei, der den trägen Qualm auseinander trieb.

„Jonnesy, deckt die Fenster ein!“, kam der Befehl von Holloran. „Paddy, arbeitet euch vor und macht die Scheißer fertig. Brad, du treibst mit deinen Leuten die Rinder und die Pferde zusammen, wir…“

Holloran verstummte. Aus der Ferne war ein Trompetensignal zu hören.

Der Anführer der konföderierten Freiwilligen reckte den Hals und lauschte. Von irgendwo kam eine Kugel durch den Dunst geflogen und er zog hastig den Kopf ein. „Feuer einstellen!“, forderte er lautstark. „He, Männer, habt ihr das auch gehört?“

„Gehört? Was denn?“, fragte einer seiner Leute.

Wie zur Antwort war erneut das Signal zu hören.

„Verfluchter Dreck, ob das Yanks sind, Boss?“

„Von uns ist sonst keiner in der Gegend und eine Posse benutzt kein Horn. Und außerdem sollst du mich Colonel nennen, wenn es recht ist.“

„Äh, klar, Colonel. Was machen wir jetzt?“

„Alles sammeln und aufsitzen!“, brüllte Holloran. „Wir ziehen uns zurück!“

„Und die Herde?“

„Hält uns nur auf. Jetzt mach schon, Soldat, oder willst du dich mit der ganzen verfluchten Yankee-Armee anlegen?“

Die Schießerei war zum Erliegen gekommen. Auch Carl und Slim feuerten nicht mehr, wohl um sich nicht im letzten Moment doch noch eine Kugel einzufangen.

Die Männer von Holloran eilten zu ihren Pferden, saßen auf und galoppierten davon. Drei der Reiter waren verletzt, doch die Toten ließen sie zurück.

Jim Clark lauschte dem sich entfernenden Hufschlag und richtete sich zögernd auf. „He, Carl, seid ihr okay?“, rief er zum Bunkhouse hinüber.

„Alles wohlauf, Boss.“ Ein kurzes Zögern. „Und bei euch?“

„Bill hat es erwischt.“

„Verdammt. Möge der Herr seiner Seele gnädig sein.“

„Amen, Carl, Amen.“ Die Pulverschleier lösten sich jetzt langsam auf. Jim Carter trat aus der zerschossenen Tür seines Hauses auf die Veranda hinaus.

Unten am Hügel waren erneut Reiter zu sehen. Eine dünne Schwarmlinie von einem Dutzend Reitern, denen eine lange Kolonne folgte. Die Männer trugen blaue Uniformen, vier rot-weiße Kompaniewimpel flatterten über den Abteilungen.

„Diesmal ist es wirklich die Armee“, sagte Jim leise, als Mary und Joshua an seine Seite traten. „Yankees. Yankee-Kavallerie.“

Ein First-Sergeant befehligte die Vorhut. Ein grauhaariger Mann, der den Ranchbewohnern einen forschenden Blick zuwarf, die Hand hob und seinen Männern ein Zeichen gab. Sechs von ihnen verharrten hinter ihm, die an den Karabinergurten befestigten Sharps-Karabiner auf dem rechten Oberschenkel aufgestellt. Die anderen sechs Kavalleristen ritten langsam zwischen den Gebäuden entlang. Ihre Aufmerksamkeit galt den reglosen Gestalten am Boden.

„First-Sergeant Friedrich Schmitt, B-Kompanie der 5ten U.S.-Kavallerie”, stellte sich der Grauhaarige vor. Er hatte einen Dialekt, den die Carters nicht einordnen konnten. „Sieht so aus, als wären wir noch rechtzeitig gekommen. Wir hörten die Schießerei und der Major meinte, wir sollten Mal nach dem rechten sehen.“

„Dann müssen wir uns wohl bei Ihrem Major bedanken“, antwortete Jim bedächtig. „Obwohl ich kein besonderer Freund der Yankees bin.“

Der Unteroffizier versteifte sich ein wenig, dann nickte er jedoch lächelnd. „Wohl auch kein besonderer Freund des Südens, wie mir scheint. Das hier waren keine gewöhnlichen Banditen, sondern Bushwacker.“ Er grinste breit. „Obwohl es da wohl keinen großen Unterschied gibt.“

„Liegenbleiben!“, kam der harsche Befehl eines Kavalleristen. Der Lauf seines Karabiners zeigte auf einen am Boden Liegenden, der sich plötzlich wieder regte. „Sarge, der hier lebt noch!“

„Randall, Scott, nehmt den Kerl fest“, befahl Schmitt ohne Zögern.

Hinter dem First-Sergeant erschien eine weitere Reitergruppe, darunter zwei Offiziere.

„Major Matt Dunhill vom fünften Kavallerieregiment“, stellte sich der Ranghöhere vor. „Das neben mir ist Captain Whiting. Benötigen Sie Hilfe, Mister?“

Der Major war in den zweireihigen langen Uniformrock eines Linienoffiziers gekleidet, wie er ab dem Rang eines Majors vorgeschrieben war, der Captain hingegen in den Einreiher eines Kompanieoffiziers. Beide trugen die roten Schärpen, die man als Feldbinden bezeichnete, und den steifen Hardee-Hut, der zur Paradeuniform gehörte.

Jim Carter starrte auf das in Gold gestickte Emblem an der Front der Hüte. Es zeigte die gekreuzten Säbel der Kavallerie und darüber die in Silber gestickte Regimentnummer „2“. „Fünftes?“

Matt Dunhill lächelte. „Bis vor Kurzem waren wir noch das zweite Regiment, aber man hat in Washington geruht, die berittenen Regimenter neu zu organisieren. Jetzt gibt es keine Dragoons, Mounted Rifles und Cavalry mehr, sondern nur noch die Cav. Wir bekommen sicher noch neue Abzeichen, die dann die richtige Regimentsnummer zeigen.“

„Mann, eure Probleme möchte ich haben.“ Jim Carter spürte, wie Mary und Joshua an seine Seite traten. Jetzt kamen auch Carl und sein Sohn Slim aus dem Bunkhouse hervor. „Jedenfalls Dank für Ihre Hilfe, Major.“

„Die wollten das Vieh und die Pferde von Massa Jim stehlen“, meldete sich Joshua zu Wort.

„Offensichtlich“, meinte Dunhill trocken. „Sie sind Sklave?“

„Seit meiner Geburt, Massa Major“, versicherte der Farbige.

„Er bekommt gerechten Lohn und Josh gehört fast zur Familie“, kam es von Mary Carter. „Wir behandeln ihn gut.“